6.4.1.4 Grundlagen des Klebens

Alle Klebstoffe verwenden die physikalischen Eigenschaften Adhäsion und Kohäsion, um zwei Fügeteile miteinander zu verbinden. Beide Phänomene beruhen auf elektromagnetischen Wechselwirkungen zwischen Atomen oder Molekülen. Während man mit Kohäsion die Kräfte beschreibt, welche die innere Festigkeit von Stoffen bewirken, bezeichnet man mit Adhäsion die Kräfte, die das Haften gleicher- oder verschiedenartiger Stoffe aneinander bewirken. Die Reichweite dieser Kräfte beträgt nur einige wenige Angström.

Das Ångström ist eine nach dem schwedischen Physiker Anders Jonas Ångström benannte Maßeinheit der Länge. Das Einheitenzeichen ist Å. 1 Å = 100.000 fm = 100 pm = 0,1 nm = 10-4μm = 10-7mm = 10-8cm = 10-10m. Anders ausgedrückt: 1 μm = 0,0001 Å.

Mehr zu den Grundlagen des Klebens findest du hier:
"Die Kunst des Klebens." als PDF, bereitgestellt vom FCI (Fonds der chemischen Industrie)
"Die Kunst des Klebens" als interaktive Übung, bereitgestellt vom FCI (Fonds der chemischen Industrie)

Adhäsion
Adhäsion, das Haften gleicher- oder verschiedenartiger Stoffe aneinander, ist ein allgegenwärtiges Phänomen. Das Beschlagen von Glasscheiben, das Hinterlassen von Fingerabdrücken, das Haften von Kreide an Tafeln und so weiter, beruht auf der Adhäsion von kleinsten Teilchen an den Oberflächen unterschiedlicher Gegenstände.

Die Grundlage aller Adhäsionskräfte sind elektromagnetische Wechselwirkungen. Dabei spielen die so genannten Van-der-Waals-Kräfte eine wichtige Rolle, was die Adhäsion angeht. Diese werden durch kurzzeitige Veränderungen der Ladungsverteilung in der Elektronenhülle von Molekülen als auch durch Dipolkräfte hervorgerufen. Mit Van-der-Waals-Kräften, benannt nach dem niederländischen Physiker Johannes Diderik van der Waals (1837–1923), bezeichnet man die relativ schwachen nicht-kovalenten Wechselwirkungen zwischen Atomen oder Molekülen, deren Wechselwirkungsenergie mit etwa der sechsten (!) Potenz des Abstandes abfällt. Die Atombindung (auch kovalente Bindung, Elektro-nenpaarbindung oder homöopolare Bindung) ist eine Form der chemischen Bindungen und ist als solche für den festen Zusammenhalt von Atomen in vielen chemischen Verbindungen verantwortlich.

Einen wichtigen Beitrag zur Adhäsion liefern ferner, sofern OH- oder NH-Gruppen in den Molekülen vorhanden sind, Wasserstoffbrückenbindungen. Bei reaktiven Molekülen, die mit einer Oberfläche wechselwirken, kann es auch zu kovalenten chemischen Bindungen kommen. Allerdings treten solche chemischen Bindungen nur bei wenigen Kombinationen von Füge teilen und Klebstoffen auf, zum Beispiel zwischen Silikon und Glas, Polyurethan und Papier, Holz und Glas oder Epoxidharz und Alu-minium. In einigen dieser Klebverbindungen konnte nachgewiesen werden, dass chemische Bindungen bis zur Hälfte aller Wechselwirkungen ausmachen können. Bei Metallen und Gläsern können auch ionische Bindungen eine Rolle spielen. So genannte „mechanische Verankerungen“ werden in porösen Materialien wie beispielsweise Papier diskutiert, spielen aber, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle (siehe Abb. 6.4.3).


Abb. 6.4.3: Adhäsionskräfte (Quelle: Eigene Darstellung)

Damit Stoffe zu anderen Stoffen eine ausreichende Adhäsion ausbilden können, müssen sie in der Lage sein, sich sehr nah zu kommen, da die Kräfte, die zur Adhäsion führen, nur im Bereich einiger Angström (siehe Abb. 6.4.4) wirken. Damit Festkörper eine ausreichende Adhäsion entwickeln können, müssen Rauigkeiten ihrer Oberflächen ausgeglichen werden, damit sie sich ausreichend nahekommen können. Diese Rolle füllt der Klebstoff aus. Sie werden in der Regel als Flüssigkeiten aufgetragen und füllen so die Unebenheiten aus.


Abb. 6.4.4: Kräfte bei der Adhäsion in Abhängigkeit von der Entfernung der wechselwirkenden Moleküle – zum Beispiel Klebstoff und ein Fügeteil (Quelle: Eigene Darstellung)

Da Festkörper in diesen Dimensionen in der Regel deutlich größere Rauigkeiten aufweisen, berühren sich beim Zusammenfügen von Festkörpern nur wenige Kontaktpunkte (Abb. 6.4.5) die Adhäsion ausbilden können, was im Allgemeinen nicht ausreicht, die Gewichtskräfte der einzelnen Fügepartner zu kompensieren. Wenn es jedoch gelingt, Festkörper so fein zu strukturieren, dass sie sich ausreichend nah an die Oberfläche anderer Teile anpassen können, ist ein Haften möglich.
Ein Beispiel hierfür ist der Gecko (Abb. 6.4.6). Die Füße dieser Echsen weisen eine besondere Struktur auf. Jeder einzelne besitzt auf der Fußsohle pro Quadratmillimeter bis zu 5.000 Härchen, deren Durchmesser nur ein Zehntel der Dicke eines menschlichen Haars beträgt. An den Enden tragen diese Härchen Hunderte von noch feineren Strukturen, deren Dicke nur 200 bis 500 Nanometer beträgt. Sie sind es letztlich, die den Gecko an der Wand halten, und zwar so sicher, dass man, wie Messungen ergaben, schon eine Gewichtskraft von zehn Newton pro Fuß aufwenden muss, um ihn abzulösen.


Abb. 6.4.5: Haftung zweier Fügeteile mit oder ohne Klebstoff (Quelle: Eigene Darstellung)


Abb. 6.4.6: Gecko an einer Glasscheibe: Haftung durch feine Härchen an den Füßen. (Quelle: Fotolia)

Technisch wesentlich einfacher lässt sich diese Anforderung jedoch durch Flüssigkeiten, die eine gegebene Oberfläche benetzen, erfüllen. Aus diesem Grund werden die meisten Klebstoffe als Flüssigkeiten eingesetzt. In diesem Zusammenhang ist es jedoch wichtig, dass die Flüssigkeiten die Oberfläche der Fügeteile ausreichend benetzen können. Ohne eine ausreichende Benetzung können keine guten Adhäsionskräfte ausgebildet werden (umgekehrt gilt leider nicht, dass eine gute Benetzung zwangsläufig zu einer guten Klebung führt).
Wie gut sich Oberflächen benetzen lassen, hängt vom Verhältnis der Oberflächenspannungen der Flüssigkeit und der Festkörper ab. Als erster Hinweis gilt, dass die Oberflächenspannung des Fügeteils höher als die Oberflächenspannung des Klebstoffs sein soll, damit der Klebstoff auf der Oberfläche spreitet (Abb. 6.4.7). Unter Spreitung (engl. Spreading) versteht man die Ausbreitung und flächige Verteilung von Flüssigkeiten auf Oberflächen.


Abb. 6.4.7: Tropfenform mit Randwinkel – ist der Randwinkel kleiner als 30°, so liegt eine gute Benetzung und damit die Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Kleben vor. (Quelle: Eigene Darstellung)

Mehr zu Adhäsion findest du hier:
"Adhäsion von Fremdkörpern", bereitgestellt von Keyence.

Kohäsion
Als Kohäsion wird die innere Festigkeit von Stoffen bezeichnet. Während ideale Gase keine und Flüssigkeiten nur eine sehr geringe Kohäsion aufweisen, zeichnen sich Feststoffe zum Teil durch sehr hohe Kohäsionswerte aus. Besonders kovalente chemische, metallische oder ionische Bindungen im Feststoff tragen zu hohen Kohäsionskräften bei.
Kovalente Bindung (auch Atombindung, Elektronenpaar-bindung oder homöopolare Bindung) ist eine Form der chemischen Bindungen und als solche für den festen Zusammenhalt von Atomen in molekular aufgebauten chemischen Verbindungen verantwortlich. Die ionische Bindung ist eine chemische Bindung, die auf der elektrostatischen Anziehung positiv und negativ geladener Ionen basiert.
Die hieraus resultierenden Festigkeiten sind dann besonders hoch, wenn die Wechselwirkungen dreidimensional durch den ganzen Feststoff gehen. Aber auch Wechselwirkungen zwischen polaren Gruppen einzelner Moleküle (Dipole) tragen zur Kohäsion bei.

Das Innere von abgebundenen Klebstoffen lässt sich in der Regel als Feststoff zwischen zwei anderen Feststoffen betrachten. Aufgrund der Wechselwirkung durch die Haftung an der Oberfläche der Fügeteile weist der Klebstoff in der Adhäsionszone eine modifizierte chemische Struktur und Zusammensetzung auf, die vom Zustand in der Kohäsionszone abweicht. Folglich sind hier auch die makroskopischen Eigenschaften des Klebstoffs verändert. In der Übergangszone zwischen Adhäsions- und Kohäsionszone verändern sich Struktur und Zusammensetzung der Klebstoffe und damit auch deren makroskopische Eigenschaften kontinuierlich. Der Einfluss der Übergangszone kann beispielsweise darin bestehen, dass eine Entmischung des Klebstoffs auftritt, indem kleine Klebstoffbestandteile in Poren der Oberfläche diffundieren, wodurch die optimale Zusammensetzung des Klebstoffs gestört werden kann.

Im Bereich der Kohäsionszone weist der Klebstoff seine nominellen, in den Datenblättern angegebenen Festigkeitseigenschaften auf. Für organische Klebstoffe, die in der Klebfuge nach dem Abbinden als Poly-mer vorliegen, sind verschiedene molekulare Kräfte für die Kohäsion verantwortlich (siehe Abb. 6.4.8).


Abb. 6.4.8: Kohäsionskräfte (Quelle: Eigene Darstellung)

• Kovalente chemische Bindungen innerhalb der Klebstoff-Polymere,
• chemische Bindungen zwischen den Polymeren, die zu einer dreidimensionalen Vernetzung führen können (Duroplasten),
• Zwischenmolekulare Wechselwirkungen (Dipolkräfte beziehungsweise Van-der-Waals-Kräfte) zwischen den Klebstoff-Molekülen (Polymere und den weiteren Rezepturbestandteilen) und
• molekulare Verschlaufungen von Klebstoff-Polymeren.

Die genannten Mechanismen beeinflussen bereits die Eigenschaften des noch nicht abgebundenen Klebstoffs und bestimmen beispielsweise die Viskosität. Die Viskosität ist ein Maß für die Zähflüssigkeit eines Fluids. Der Kehrwert der Viskosität ist die Fluidität, ein Maß für die Fließfähigkeit eines Fluids. Je größer die Viskosität, desto dickflüssiger (weniger fließfähig) ist das Fluid; je niedriger die Viskosität, desto dünnflüssiger (fließfähiger) ist es (Quelle: https://www.chemie.de/lexikon/Viskosität.html).
Welche Werte für die Kohäsion eines Klebstoffs erreichbar sind, wird seitens des Herstellers durch die Zusammensetzung des Klebstoffs weitgehend festgelegt. Aber auch der Verarbeiter beeinflusst durch die Verarbeitung, und hier besonders durch die Ausführung des Abbindeprozesses, entscheidend die Höhe der erreichten Kohäsion. Nur wenn der Abbindeprozess optimal, das heißt möglichst störungsfrei, ausgeführt wird, werden die theoretisch möglichen Festigkeiten auch erreicht.

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