6.4.1.9 Prüfungen

Prinzipiell unterscheidet man Prüfungen des Klebstoffs und Prüfungen der Klebung.

Prüfung von Klebstoffen
Prüfungen an Klebstoffen dienen zur Ermittlung spezieller Eigenschaften der Klebstoffe während deren Entwicklung, zur Qualitätskontrolle bei der Herstellung und beim Wareneingang beim Verarbeiter. Sie dienen dazu, die spezifischen Eigenschaften des Klebstoffs, sowohl vor, als auch nach dem Abbinden zu ermitteln. Die Eigenschaften der noch nicht abgebundenen Klebstoffe sind neben der Qualitätskontrolle besonders für deren Verarbeitbarkeit relevant.

Eine der wichtigsten Kenngrößen eines Klebstoffs, der zur Qualitätskontrolle dient, ist die Viskosität, da Klebstoffe in der Regel bei der Applikation als Flüssigkeiten vorliegen. Hierbei kann es sich um eine „Einpunktmessung“ handeln – das heißt: Man prüft die Viskosität bei einer festgelegten Temperatur mit einem definierten Schergefälle oder man nimmt Viskositätsprofile in Abhängigkeit von der Temperatur oder vom Schergefälle auf. Bei allen trocknenden Systemen sind der Feststoffgehalt und bei wässrigen Systemen zudem noch der pH-Wert wichtig. Bei reaktiven Mehrkomponenten-Systemen ist ferner die Prüfung der Topfzeit üblich.

Um die Eigenschaften des abgebundenen Klebstoffs zu bestimmen, wird in der Regel ein Film des zu untersuchenden Klebstoffs unter festgelegten Bedingungen hergestellt. Damit man Klebstofffilme ohne Träger erhält, kann man einen Klebstofffilm beispielsweise auf einem Untergrund applizieren, zu dem er so wenig Adhäsion entwickelt (beispielsweise auf einer Teflonplatte), dass man ihn ohne Beschädigung abziehen kann. An solch isolierten Klebstofffilmen können dann alle Eigenschaftstests, wie sie aus der Kunststoffindustrie bekannt sind, durchgeführt werden. Die mechanische Festigkeit (Kohäsion) des Films, die Reißfestigkeit, die Dehnung und die Elastizität der Klebstofffilme werden durch eine zerstörende Prüfung im Zugversuch bestimmt (siehe Abb. 6.4.16 und 6.4.17).
Wichtig ist häufig auch zu prüfen, wie sich die Kohäsion unter der Einwirkung verschiedener Umwelteinflüsse wie Temperatur, Feuchtigkeit, Lösemittel oder Strahlung verhält. Da viele Klebstoffe thermoplastischen Charakter zeigen, ist besonders die Untersuchung der Änderungen der Klebstofffilmeigenschaften, beispielsweise ein Erweichen oder Verspröden unter Temperatureinfluss, wichtig. Dies gilt, wenn auch in geringerem Maß, ebenso für duroplastische und elastische Klebstofffilme.

Der primäre Unterschied zwischen thermoplastischen und duroplastischen Kunststoffen ist die Hitzebeständigkeit. Hervorgerufen wird diese Eigenschaft durch den Umstand, dass Thermoplaste „schmelzbar“ und Duroplaste „nicht schmelzbar“ sind. Die Formbeständigkeit von Thermoplasten kann schon bei Temperaturen ab +70°C nicht mehr gegeben sein. Duroplaste sind dagegen bis zu Temperaturen von +500°C hitzebeständig. Auch die chemische Beständigkeit von Duroplasten ist sehr gut, daher wird dieser Stoff häufig in der chemischen Industrie eingesetzt. Mit Fakten aus: stintmann.de


Abb. 6.4.16: Zugscherversuch – schematische Darstellung (Quelle: Fraunhofer IFAM)


Abb. 6.4.17: grafische Darstellung der Zugkraft in Abhängigkeit vom Weg (Quelle: Fraunhofer IFAM)

Für den Verarbeitungsprozess wichtige Parameter wie die offene Zeit oder das Abbindeverhalten werden in der Regel nicht im Rahmen einer Qualitätskontrolle geprüft, sehr wohl aber, um die grundsätzliche Eignung eines Klebstoffs für den geplanten Prozess zu ermitteln. Für all diese Prüfungen gibt es sowohl genormte als auch so genannte „Hausmethoden“ der Klebstoffhersteller. Beim Vergleich der gefundenen Werte sind daher immer die Methode und die Prüfbedingung zu beachten.

Beispiele für bestimmte Prüfungen

Bestimmung der Viskosität
Die Viskosität ist ein Maß für innere Reibung der Klebstoffe bei wirbelfreier Strömung. Sie wird dadurch gemessen, dass die Kraft („Schubspannung“) bestimmt wird, die erforderlich ist, um die Teilchen der Flüssigkeit mit einer bestimmten Verformungsgeschwindigkeit („Schergefälle“) gegeneinander zu verschieben. Die Viskosität ergibt einen Kennwert für das Fließverhalten von noch nicht abgebundenen Klebstoffen unter vorgeschriebenen Bedingungen. Da es sich bei den meisten Klebstoffen um nichtnewtonsche Flüssigkeiten handelt, deren Viskosität vom Schergefälle und von der Dauer der Scherbeanspruchung abhängt, ist eine genaue Festlegung der Prüfmethode und der Prüfgeräte notwendig. Ein einfacher Vergleich des „Zahlenwerts“ der Viskosität auf Datenblättern ist daher nicht möglich.

Ein newtonsches Fluid (nach Isaac Newton) ist ein Fluid (also eine Flüssigkeit oder ein Gas) mit linear viskosem Fließverhalten. Bei diesen Fluiden ist also die Schergeschwindigkeit proportional zur Scherspannung. Solche Fluide, wie beispielsweise Wasser und Luft, werden durch eine belastungsunabhängige Viskosität charakterisiert. Ihre Bewegung gehorcht den Gleichungen von Navier-Stokes. Davon abweichendes Verhalten heißt nichtnewtonsch und ist Gegenstand der Rheologie. Beispiele für nichtnewtonsche Flüssigkeiten sind Blut, Zementleime, Treibsand und Ketchup. Das Verformungsverhalten derartiger Stoffe lässt sich nicht mehr einfach durch das Newtonsche Gesetz (siehe unten) beschreiben. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Newtonsches_Fluid

Da die Viskosität in der Regel auch temperaturabhängig ist, ist auf eine genaue Temperierung während der Messung zu achten. Viskositäten werden in der Maßeinheit Pascalsekunde (Pa s) angegeben. In der Praxis wird der tausendste Teil dieser Einheit, die Milli-Pascalsekunde (mPa s), verwendet, um besser handhabbare Zahlenwerte zu bekommen.

Bestimmung des pH-Wertes wässriger Klebstoffe
Der pH-Wert (Maßzahl für den basischen oder sauren Charakter einer Lösung; der dekadische negative Logarithmus der Wasserstoffionenkonzentration) von wasserbasierenden Klebstoffen ist eine wichtige Kenngröße, beispielsweise bei Dispersionsklebstoffen. Bei Verdünnungen von Dispersionsklebstoffen und Latices sollte darauf geachtet werden, dass der pH-Wert nicht verändert wird, damit keine Koagulation entsteht. Koagulation = Gerinnung: Allgemeiner Begriff für die Änderung des kolloidalen Zustandes, insbesondere den Übergang vom Sol- in den Gelzustand durch den Zusatz von Elektrolyt, Neutralsalzen, Säuren, Basen oder durch Erhitzung.

Bestimmung der Abbindezeit
Nach DIN 16920 ist die Abbindezeit die Zeitspanne, innerhalb der die Klebung nach dem Vereinigen eine für die bestimmungsmäßige Beanspruchung erforderliche Festigkeit erreicht. Die Abbindezeit ist, wie die offene Zeit, von der Zusammensetzung des Klebstoffs, aber auch von vielen Parametern, die bei der Verarbeitung relevant sind (Temperatur, Auftragsmenge und Auftragsart), abhängig. Aufgrund der Kom-plexität der Messung erfolgt die Prüfung in der Regel nach so genannten Hausmethoden. Das Verfahren ermöglicht einen relativen Vergleich von Klebstoffen untereinander, die nach der gleichen Methode gemessen worden sind. Der Vergleich von „Zahlenwerten“ unterschiedlicher Hersteller ist nur bedingt möglich.

Prüfung der Klebung
Die Prüfung von Klebverbindungen (Bauteilprüfungen) dient einerseits zur Ermittlung der Eigenschaften des geklebten Produkts und andererseits der Qualitätskontrolle bei der Verarbeitung der Klebstoffe. Für diese Tests steht eine Vielzahl, in der Regel auf das geklebte Produkt optimierte Methoden, zur Verfügung. Bei diesen Methoden kann es sich um zerstörende als auch zerstörungsfreie Kurz- und Langzeittests handeln. In der Praxis überwiegen die Kurzzeittests, da diese mit geringerem Zeit- und Geräteaufwand verbunden sind.

Bei der Herstellung einer Klebung wird im Allgemeinen das Ziel verfolgt, dass die Fügung bei deren Überlastung Materialbruch in den Fügeteilen zeigt. Oft entstehen allerdings Mischbrüche, das heißt sowohl Brüche in den Fügeteilen als auch im Klebstoff sowie zwischen Fügeteil und Klebstoff (siehe Abb. 6.4.18a). Reine Adhäsionsbrüche deuten meist auf eine unzureichende Oberflächenvorbehandlung oder falsche Klebstoffauswahl hin und sollten vermieden werden, da hier eine erhöhte Gefahr besteht, dass durch Unterwanderung der Klebschicht, zum Beispiel durch Feuchtigkeit, die Alterungsbeständigkeit der Klebung leidet.


Abb. 6.4.18a: Kohäsionsbruch (Faserausriss) bei einer Verpackungsklebung (Quelle: Eigene Darstellung)


Abb. 6.4.18b: schematische Darstellungen Kohäsionsbruch, Adhäsionsbruch und Mischbruch (Quelle: Fraunhofer IFAM)

Prüfung von Klebnähten
Wenn man die Festigkeit der Klebnähte testen will, muss man sich darüber im Klaren sein, wie weit der Abbindeprozess bereits fortgeschritten ist. Die Endfestigkeit wird erst erreicht, wenn das Abbinden vollständig abgeschlossen ist. Je nach Klebstoffsystem und Verarbeitungsbedingungen kann das Minuten bis Tage dauern. So ist beim häufig eingesetzten wässrigen System im Bereich der Klebungen von Papier, Pappe und Karton zu berücksichtigen, dass das aus den Klebstoffen diffundierende Wasser zuerst die Festigkeiten der Substrate verringert, bis der Klebstofffilm „trocken“ ist und das Verpackungsmaterial seine Gleichgewichtsfeuchte wieder erreicht hat. Die Prüfungen können dann maschinell oder auch manuell durchgeführt werden. Sinnvoll ist daher eine Messung, wenn man aus Erfahrung davon ausgehen kann, dass das Abbinden weitestgehend abgeschlossen ist. Sicherheitshalber sollte der Prüftest nach 24 Stunden wiederholt werden.

Photographic Activity Test (PAT)
Der PAT-Test hat sich als Eignungstest für Archivmaterialien durchgesetzt, der heute als internationale Norm ISO 18916 „Photographic Activity Test“ – kurz PAT – vorliegt. Die Norm beschreibt ein Prüfverfahren, bei welchem Materialproben bei 70°C und 86 Prozent relativer Luftfeuchte über längere Zeit in engen Kontakt mit speziellen Detektormaterialien gebracht werden. Die messtechnische Bewertung der Detektormaterialien vor und nachder Inkubation ergibt dann eine als zuverlässig eingestufte Aussage, ob ein Material als Archivmaterial geeignet ist oder nicht (Inkubation: vom lateinischen incubare – „aufliegen“, „ausbrüten“).

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