9.3.4.1 Prägen
Prägen ist ein druckumformendes Verfahren, bei dem das flächige Verarbeitungsgut eine dauerhafte dreidimensionale Formänderung erfährt. Im Gegensatz zu allen Druckverfahren erlaubt es das Prägen, die dritte Dimension dekorativ und gestalterisch mitzuverwenden. Wenn dann auch noch wie beim Folienprägen Gold- und Silberfarben sowie Hochglanzeffekte einbezogen werden, entsteht ein Produkt edelster Anmutung. Außer dekorativen Zwecken dient das Prägeverfahren auch dazu, zum Beispiel tastbare Symbole zu erzeugen, wie es bei der Blindenschriftprägung auf Pharmafaltschachteln geschieht. Nicht zu vergessen ist auch, dass so einfache Dinge wie Partyteller oder Schalen aus Karton durch ein Prägeverfahren entstanden sind.
Insgesamt sind beim Prägen somit drei Verfahrensziele zu unterscheiden:
• die Strukturierung flächiger Gebilde wie Tapeten, Überzugspapiere usw.,
• die Hervorhebung von Zeichen wie Schriften oder Symbole oder schmückenden Ornamenten auf Siegelmarken, Visitenkarten, Verpackungen usw. und
• die Formung von Hohlkörpern wie Teller und Schalen.
Beim Prägen wird die sehr niedrige Elastizitätsgrenze von Verarbeitungsgütern aus Papier bei Druckbelastungen ausgenutzt. Papier lässt sich also verhältnismäßig leicht durch Druck plastisch, das heißt dauerhaft, verformen. Normalerweise kann Papier dabei auf etwa 50 Prozent seiner Anfangsdicke komprimiert werden. Stets bleiben auch elastische, das heißt nicht dauerhafte, Verformungsanteile erhalten; diese sorgen dafür, dass die erzeugte Verformung sich zu einem Teil zurückbilden kann, wenn der verformende Druck abgeschaltet wird. Dieser Vorgang wird mit Rückschwellung bezeichnet.
Die bleibende plastische Verformung des Verarbeitungsgutes nach dem Druckumformprozess wird durch die bezogene Formänderung beschrieben, worunter der Quotient aus Dickenänderung und Anfangsdicke verstanden wird. Ein Richtwert für die Rückschwellung mag 20 Prozent der Anfangsdicke sein, entsprechend einer bezogenen Formänderung von 0,2. Die durch die Druckumformung bewirkte Gestaltänderung ist mit Dehnungs- und Stauchungsvorgängen verbunden. Erstere begrenzen die Verformbarkeit von Papier, denn die Bruchdehnung liegt in der Regel bei 4 Prozent, im Einzelfall kann sie aber sehr stark davon nach oben und nach unten abweichen. Stets ist die Dehnbarkeit stark vom Feuchtegehalt des Verarbeitungsgutes und der Temperatur abhängig. Generell können folgende Werte bei Prägevorgängen als typisch angesehen werden:
• bez. Formänderung: 0,3 – 0,6
• Feuchte, % 7 – 10
• Druck, Mpa 25 – 35
• Temperatur, °C 20 – 120
• Zeit, s 0,3 – 3
Prägewerkzeuge
Ein Prägewerkzeug besteht aus zwei Teilen, der Patrize und der Matrize. Als Matrize wird das aus Metall oder Kunststoff gefertigte Werkzeugteil bezeichnet, in dem die Partien, die später hochgeprägt werden sollen, vertieft eingraviert sind (Negativform). Die Patrize ist ein Werkzeug aus Metall, Kunststoff oder Hartpappe, bei dem die zu prägenden Partien erhaben sind (Positivform). Schematische Darstellungen von Matrize und Patrize siehe Abbildung 9.3.21 (b) und (c). Bei zweiseitigen Vollprägen können auch zwei Matrizen ohne Patrize zum Einsatz kommen, bei einseitigen Vollprägen wird eine Matrize durch eine ebene Patrize ersetzt.
Abb. 9.3.21: Prägewerkzeuge. (a) zweiseitiges Vollprägen, (b) Hohlprägen, (c) Hohlkörperprägen, (1) Matrize, (2) Prägegut, (3) Patrize (Quelle: Eigene Darstellung)
Prägearten
Es gibt zahlreiche Arten der Prägung. Zur Kennzeichnung der Prägearten sind folgende Bezeichnungen üblich:
Blindprägung oder Vollprägung
Sehr allgemeiner Begriff, der keine Aussagen darüber macht, ob die Prägung vertieft ist (Tiefprägung) oder erhaben ist (Hohlprägung). Das Prägegut wird verformt, wobei die Farbe unverändert bleibt. Auf der Rückseite kann das Prägegut plan (einseitige Blindprägung), vertieft oder erhaben sein (zweiseitige Blindprägung). Blind- beziehungsweise Vollprägungen werden oft auch mit Farblosprägung, Druckprägung oder Kaltprägung bezeichnet.
Reliefprägung
Der Begriff kennzeichnet eine Prägung mit erhabenen Strukturen (Hohl- oder Hochprägung) mit entsprechenden Vertiefungen auf der Rückseite. Das Prägewerkzeug besteht aus einer Matrize und einer Patrize. Die Prägung kann farblos ausgeführt sein oder mit Farbe erfolgen.
Kaltprägung und Heißprägung
Die Begriffe kennzeichnen lediglich die Temperatur, bei der die Prägung ausgeführt wird. Kaltprägungen werden bei Raumtemperatur und Heißprägungen bei höheren Temperaturen mit beheizten Werkzeugen erzeugt. Die Verformung von Papier und Karton geschieht dauerhafter, wenn sie bei höherer Temperatur vorgenommen wird. Der Begriff Heißprägung darf nicht mit der Heißfolienprägung verwechselt werden.
Prägedruck
Kombination von Prägen und Drucken in einem Arbeitsgang. Wenn ein fertig vorgedrucktes Motiv nachträglich herausgeprägt wird, spricht man vom geprägten Druck.
Schneidschriftprägung
Vor der Heißprägung wird das Prägegut mit einem heißsiegelfähigen Papier abgedeckt. Beim Prägeprozess wird das Papier vom beheizten Prägewerkzeug aktiviert und wird von diesem im Bereich der Prägung auf das Prägegut aufgesiegelt. Hat das Prägewerkzeug angeschärfte Kanten, kann im Prägeprozess der überstehende Rest des heißsiegelfähigen Papiers durchstanzt und abgezogen werden. Es lassen sich so farbige Embleme erzeugen, die bei Verwendung mehrerer unterschiedlich gefärbter Papiere auch mehrfarbig sein können.
Hohlkörperprägen
Das Hohlkörperprägen ist eine Sonderform des Hohlprägens, das sich von diesem durch die Größe der Prägefläche unterscheidet. Angewendet wird es zur Herstellung von Tellern und Schalen aus in der Regel beschichteten Papieren und Kartons.
Maschinentechnik
Maschinell können Prägungen rotativ mit zylindrischen Prägewerkzeugen oder mit Flachbettprägewerkzeugen hergestellt werden. Für rotative Prägungen werden Prägekalander verwendet.
Kalander (von frz. calandre „Rolle“) ist ein System aus mehreren aufeinander angeordneten beheizten und polierten Walzen aus Schalenhartguss oder Stahl. Sie bestehen aus einem gegebenenfalls auch beheizbaren Walzenpaar, die mit entsprechendem Druck zugestellt werden und durch deren Drucknip die zu prägende Bahn hindurchläuft. In der Regel besitzt einer der Zylinder eine weiche Oberfläche aus Gummi oder Papier, während der zweite Zylinder mit einem Relief entsprechend der gewünschten Prägestruktur versehen ist. Um zu verhindern, dass sich das Relief im Laufe der Nutzungszeit in die Oberfläche des glatten Zylinders abprägt, haben beide Zylinder unterschiedliche Durchmesser.
Prägekalander sind vor allem für die Verarbeitung bahnförmiger Materialien wie Papier, Karton, Kunststofffolien und Verbunde daraus geeignet. Ihre Herstellung ist sehr kostenintensiv, sodass der Einsatz von Prägekalandern nur bei entsprechend hohen Auflagen wirtschaftlich sinnvoll ist. Dies ist bei der Tapetenproduktion der Fall, auch im Rollentiefdruck produzierte Zuschnitte für Zigarettenschachteln können mit einem inline-Prägewerk mit Schmuckprägungen versehen werden. Rotative Prägeverfahren finden weiterhin bei der Veredelung von Papier, Karton und Kunststofffolien durch Leinenstrukturprägungen oder ähnliche Prägestrukturen Verwendung. Hologrammeffekte werden rotativ in Kunststofffolien geprägt.
Wesentlich kostengünstiger sind Flachbettprägewerkzeuge, die der Verarbeitung von bogenförmigen Materialien vorbehalten sind. Prägeklischees aus Metall, Hartpappe oder Kunststoff können in Flachbettstanzen integriert werden. Die Matrize mit der Negativform der Prägestruktur kann auf der Werkzeugplatte und die Patrize mit der Positivform der Prägung passgenau auf die Gegen-Zurichtung montiert werden. Der aufzubringende Prägedruck hängt von der Gesamt-Prägefläche und den Eigenschaften des zu prägenden Materials ab. Bei der Bestückung der Werkzeuge für die Flachbettstanze muss deren Druckbelastbarkeit beachtet werden.
Der Prägedruck, also die Kombination von Druck und Prägen, findet als Linien- oder als Flächenprägedruck Anwendung. Beispiel für den Linien-Prägedruck ist der Stahlstich-Tiefdruck oder Intaglio-Druck. Anders als beim normalen Tiefdruck wird hier das Druckmotiv in die Oberfläche der Tiefdruckwalze aus Stahl linienförmig oder in Schriftform mit feinen Sticheln eingestochen, also nicht aus Rasterpunkten zusammengesetzt. Die so erzeugten sehr feinen vertieften Linien werden eingefärbt und die Walzenoberfläche farbfrei gewischt. Wenn das Papier durch den Drucknip von Druckwalze und der mit einer dünnen Gummiauflage versehenen Gegendruckwalze (Presseur) läuft, wird es vom Presseur mit Drücken bis zu 10.000 N/cm gegen die Druckwalze gepresst. Dabei kommt es zur Farbübertragung; gleichzeitig wird das Papier in die vertieften Linien und Schriften gepresst. Auf diese Weise können sehr feine Striche und Schriften sehr präzise wiedergegeben werden, wobei diese gleichzeitig reliefartig herausgearbeitet werden.
Um den Reliefcharakter noch zu verstärken, kann der Presseur als zur Matrize passende Patrize ausgeführt werden. Stahlstich-Tiefdruck findet vor allem im Wertpapier- und Banknotendruck Verwendung. Die speziellen Linien und Schriftenstrukturen werden dort als Guillochen bezeichnet. Guilloche = spezielles Muster, ein Ornament aus mehreren ineinander verwickelten und überlappenden Linienzügen.
Beispiel für den Flächen-Prägedruck ist der Siegelmarkendruck, dessen Druckform als Hochdruckform ausgebildet ist, deren vertieften Stellen als Matrize fungieren. Die Oberfläche der Form wird eingefärbt und das Prägegut wird mit einer der Matrize entsprechenden Patrize angepresst. Die in die Vertiefungen der Druckform eingepressten Stellen der Prägung bleiben dadurch farbfrei, während die übrigen Flächen eingefärbt werden. Diese Technik, die allerdings keine Übertragung feiner Prägestrukturen ermöglicht, wird vor allem für Etiketten und Anhänger verwendet.
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