Bücher über Typografie kann es, wenn es nach mir ginge, nicht genug geben. Die Typografie hat so viele Facetten, dass es einem kaum langweilig wird. Daher habe ich mich zunächst gefreut, dass der Niggli-Verlag ein neues Buch über Typogarfie veröffentlichte, zumal ich den Verlag für die Qualität seiner Veröffentlichungen schätze.
Leider hat mich Pascal Schönings Buch »Bleiwüste« mehr als enttäuscht. Das Buch ist zunächst – zum Glück – gar keine Bleiwüste. Also warum dann dieser Titel?
Nach einer Einleitung durch Horst Moser bekommt der Leser drei Teile präsentiert. Im ersten Teil werden 50 bedeutende Satzschritten erklärt und mit Beispielen aus der Alltagstypografie – so die Beschreibung des Autors – präsentiert. Der zweite Teil erläutert 50 Begriffe aus der Bleisatzzeit, und im letzten Teil werden 50 Tricks für den Typo-Alltag vorgestellt.
Papierverschwendung
Diese 50 Tricks sind hauptsächlich Shortcuts für typografischen Satz-, Sonder- und Währungszeichen, sowie Angaben zu DIN-Formaten und Korrekturzeichen. Seltsam mutet es an, wenn der Autor vorschlägt, Schriften über Suchen und Ersetzen auszutauschen:
»Suche nach: Arial/Helvetica/Chicago/Verdana/Times … – Ersetze durch: PostScript-Schriften« Als ob Helvetica keine PS-Schrift sein könne … und eigentlich sehr umständlich, ebenso wie der Vorschlag »ch« durch eine »ch-Ligatur« über Suchen und Ersetzen auszutauschen.
Und warum nun gerade 50 Seiten lang Bleisatzbegriffe, meist wenig ansprechend mit Fotografien oder Grafiken illustriert, unbedingt in ein Typobuch gehören, ist mir nicht begreiflich. Schließlich macht dies ein Drittel des Buches aus. Und wenn ich als »Illustration« des Wortes »Blindband« ein Foto eines Textes in Braille-Schrift sehe, frage ich mich, ob hier einfach Platz gefüllt wurde ohne groß nachzudenken. Warum kein Foto eines Blindbandes? Oder soll das witzig sein?
Um auf genügend Begriffe aus der Bleisatzzeit zu kommen wurden viel »Aufwand« betrieben. So findet man hier u.a. Begriffe wie »Blitzer« und wieder stellt sich mir die Frage, was das mit Bleisatz zu tun hat – kommt das im Offsetdruck nicht mehr vor, oder was soll uns das sagen?
Alles in allem: Papierverschwendung.
Unwissenheit, Oberflächlichkeit, …
Meine Hoffnung lag zum Schluß auf dem ersten Teil des Buches. Doch auch das enttäuschte bei genauerem Hinsehen. 50 Satzschriften wurden hier ausgewählt, und bis auf die ITC Bauhaus hat der Autor eine gute Wahl getroffen. Die Beispiele der Alltagstypografie sind aber größtenteils misslungen ausgewählt, unscharf fotografiert und vielfach zeigen sie andere Schriften wie angegeben. Zudem was soll der Leser mit Abbildungen aus Zeitungen der 30er Jahre anfangen?
Die Erläuterungen der Schriften strotzen zudem von Fehlern und Ungenauigkeitenn, dass man sich fragt, ob es Unkonzentriertheit, Unwissenheit oder Unfähigkeit war, als der Autor diese Schriftportraits schrieb.
Hier einige Beispiele des typografischen »Know-hows« des Autors:
Über Wiliam Martin, Entwerfer der Bulmer, wird geschrieben, dass er bei Baskerville in die Lehre gegangen sei. Martin wurde 1765 geboren, Baskerville starb 1755. Sind Zeitreisen doch möglich?
Underware wird zu einem dänischen Designbüro, und der Autor scheint versucht zu haben, englischsprachige Texte zu übersetzen ohne sie richtig zu verstehen:
»Dieser Font wurde auf dem Zeichenbrett entwickelt und enthält viele schöne Details, die erst auf größeren Displays sichtbar werden.«
Halbwissen und aufgeschnappte Brocken werden zu einem kaum verständlichen und wenig aussagekräftigen Abschnitt über die Schrift »Bauhaus« verwurschtet:
»Die runden, extrem konstruierten Buchstaben sind – typisch Bauhaus – eher kopflastig geformt. (…) Herbert Bayer war der erste, der bewusst auf Versalien in Zeichensätzen verzichtete, gemäß der Bauhaus-Philosophie ›weniger ist mehr‹. Goebbels empfand einen seiner Entwürfe als zu modern und unterband dessen Veröffentlichung.«
Oder noch ein Beispiel zum Schluss:
»Da sie (die Minion) auf dem Rechner gestaltet wurde, eignet sie sich natürlich hervorragend für den Einsatz unter heutigen Bedingungen.« Weiß der Autor eigentlich was er da sagt?
Man sollte nur Bücher über Themen schreiben, bei denen man sich auskennt, und ein Verlagslektorat sollte auch fachlich die Veröffentlichungen prüfen lassen.
Autor Pascal Schöning
Verlag Niggli
ISBN 978-3-7212-0704-0
Preis 30 Euro