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Erik Wölm
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Dieses Kapitel stellt die Prozesse in Packmittel herstellenden Betrieben vor. Die Anzahl der Packmittel ist so vielfältig wie die Menge der zu verpackenden Güter selbst. Packmittel aus den unterschiedlichsten Packstoffen werden heute am Markt zum Verpacken verwendet – zum Beispiel Papier, Karton, Pappe, Glas, Kunststoff, Metall, Verbundstoffe. Das ist ein riesiger Markt, der nur richtig strukturiert beherrscht werden kann.
Die Herstellungsbetriebe von Verpackungen sind nach den verwendeten Verpackungsmaterialien gegliedert. Der Packmitteltechnologe sowie auch der Maschinen- und Anlagenführer mit dem Schwerpunkt Papier- und Druckweiterverarbeitung befassen sich „nur“ mit Packmitteln aus den sogenannten Faserpackstoffen Papier, Pappe, Karton und Verbundstoffen. Kunststoffe werden oft in Kombination mit den Faserpackstoffen verwendet. Es gibt darüber hinaus auch andere Verpackungsmaterialien wie Glas, Holz oder Metall. Um diese geht es hier aber nicht.
In der Verpackungsindustrie werden Betriebe bis 9 Mitarbeiter als Kleinstunternehmen geführt, Betriebe zwischen 10 und 49 Mitarbeitern als Kleinunternehmen, Unternehmen zwischen 50 und 249 Mitarbeitern als mittlere Unternehmen und Betriebe ab 250 Mitarbeitern als Großbetriebe. Weitere Kriterien, um herauszufinden, wie klein oder groß ein Unternehmen ist, sind die Umsätze oder die Bilanzsumme (siehe Abb. 1).
KMU-Schwellenwerte der EU seit 01.01.2005
Abb. 1: Schwellenwerte für kleinere und mittlere Betriebsgrößen nach EU seit 01.01.2005 (Quelle: ifm-Bonn.org)
Anzahl der Betriebe zwischen 2005 und 2009
Abb. 2: Betriebszahlen nach Branche geordnet (Quelle: IGM-Studie)
Rund 500 Betriebe in Deutschland sind in der Papier, Pappe, Karton und Kunststoff verarbeitenden Industrie aktiv. Hiervon haben etwa 98 % weniger als 500 Beschäftigte und erzielen 80 % des Gesamtumsatzes der Branche. Das bedeutet: Der Großteil aller Verpackungen wird in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) produziert.
Kunden sind Unternehmen der Nahrungs- und Genussmittelindustrie, Getränkehersteller, Pharmaindustrie, Kosmetikindustrie, Konsumgüterindustrie, Chemieindustrie und verarbeitendes Gewerbe.
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Erik W. 09.12.2019
Frage 1.1a: Wie viele Mitarbeiter hat ein Kleinunternehmen in der Verpackungsindustrie?
Antwort 1.1a
Antwort 1.1a: Ein Kleinunternehmen in der Verpackungsindustrie hat 10 bis 49 Mitarbeiter.
Packmitteltechnologen stellen Packmittel, Packhilfsmittel und teilweise auch die Packstoffe selbst her. Das Packmittel und die Packhilfsmittel werden zusammen als Verpackung bezeichnet. Unter dem Begriff „Verpacken“ beziehungsweise „Abpacken“ wird das Zusammenbringen von dem zu verpackenden Gut mit der Verpackung beschrieben. Logischerweise folgt er der Herstellung des Packmittels. Der Packmitteltechnologe ist für das Verpacken nicht mehr selbst zuständig. Er bestimmt den Verpackungsvorgang aber durch die Art des Packmittels, das er entwickelt hat. Abbildung 3 zeigt, wie all das zusammenhängt.
Abb. 3: Definition der einzelnen Begriffe (Quelle: Lexikon Verpackungstechnik, Bleisch, Goldhan; S. 439 Behrs Verlag Hamburg 2003)
Verpackung: Gesamtheit von Packmittel und Packhilfsmittel, die zum Schutz des Packgutes, des Menschen und der Umwelt, zur Sicherung der Rationalisierung bei der Handhabung in der Produktion, bei der Warenverteilung, bei der Darbietung und beim Verbrauch des Packgutes sowie zur Information über und Werbung für das Packgut dient.
Die von der Verpackung zu erbringende Funktion kann demnach den Bereichen Schutzfunktion, Rationalisierungsfunktion und Kommunikationsfunktion zugeordnet werden.
Packhilfsmittel sind zum Beispiel Heftklammern, Klebestreifen, Umreifungsbänder, Dichtungsringe, Etiketten, Plomben, Trockenmittel, Holzwolle, Luftkissen und Schaumkunststoff.
Das Verpacken: Das Einpacken und Abpacken sind Vorgänge im Verpackungsprozess. In diesem Prozess wird das Packgut mit der Verpackung vereinigt. Dies geschieht durch die Verwendung von Verpa- ckungsmaschinen oder von Hand. Das Verpacken umfasst die je nach dem Verpackungsverfahren erforderlichen Verpackungsvorgänge aller im jeweiligen Verarbeitungsprozess notwendigen Stufen des Verpackungsprozesses – und zwar vom primären Verpacken bis zur Abgabe der geforderten Versand- oder Ladeeinheit. Aus dem Packstoff und dem Packhilfsmittel wird das Packmittel beziehungsweise die Verpackung hergestellt. Das Packgut wird unter Verwendung der Verpackung verpackt. So entsteht die Packung.
Verpackung = Packmittel + Packhilfsmittel Packung = Verpackung und Packgut (verpackte Ware)
Verpackungen aus den Packstoffen Papier und Kunststoff stellen fast drei Viertel des gesamten Verpackungsmarktes (genaue Prozentzahlen finden Sie in Kapitel 1.2). Der „Papieranteil“ lässt sich in sechs Sparten aufteilen. Wellpappe hat hier den größten Anteil, gefolgt von Karton und Vollpappe. Die flexiblen Packmittel Papierbeutel und -tüten sowie Papiertragetaschen – haben eine um den Faktor zehn geringere Tonnage. Hartpapierwaren, wie zum Beispiel Papierhülsen für Verpackungszwecke und Kantenschutz, sowie Papiersäcke und Etiketten runden das vielfältige Angebot aus Faserpackstoffen ab.
Abb. 4 Verpackungsmarkt in Deutschland (als weitere Sparte sind noch die Etiketten zu nennen)
(Quelle: Eigene Darstellung)
Diese Sparten lassen sich in flexible und biegesteife Packmittel gliedern. Flexible Packmittel sind Briefhüllen, Versandtaschen, Papierbeutel, Papiertragetaschen, Papiersäcke, Verpackungen aus Verbund- stoffen sowie Etiketten. Biegesteife Packmittel sind Faltschachteln, Packmittel aus Wellpappe, Displays, Verpackungen aus Vollpappe sowie Papierhülsen für Verpackungszwecke und Rundgefäße.
Sobald mehr als eine Person in einem Betrieb arbeitet, wird der Unternehmer zur Organisation der Arbeit und zur Aufgabenteilung gezwungen.
Packmittel herstellende Betriebe lassen sich wie jeder Industriebetrieb in einen betriebswirtschaftlichen und einen gewerblich-technischen Bereich gliedern. Wer die vielen vernetzten Prozesse in einem Industriebetrieb besser verstehen will, muss sich die Schnittstellen zwischen den einzelnen Bereichen anschauen.
Abb. 5: Der Blick in einen modernen Packmittelbetrieb zur Herstellung von Faltschachteln
(Quelle: Heidelberg)
Je nach Branche (Dienstleistungsgewerbe, Produktionsunternehmen) und Betriebsgröße haben die Betriebe eine unterschiedliche Struktur. Entscheidend dafür ist auch die Zahl der beschäftigten Mitarbeiter. Damit eng verbunden ist die räumliche Betriebsstruktur sowie die Ausstattung der gesamten zur Verfügung stehenden Betriebsmittel. Diese richtet sich nach den zu verarbeitenden Packstoffen und den daraus hergestellten Packmitteln. Handelt es sich um einen Betrieb, der im Kleinseriensegment fertigt? Oder ist es ein Großbetrieb, der auf Millionenstückzahlen spezialisiert ist? Oder ist es eine Mischung aus beiden Extremen? All das erfordert wiederum unterschiedliche Arbeitszeitmodelle. So kann 1-, 2- oder 3-Schichtbetrieb eine passende Organisationsform der Arbeitszeiten sein.
Ein erfolgreiches Unternehmen achtet dabei auf klar definierte Schnittstellen sowie auf einen reibungslosen Informations- und Materialfluss zwischen den Nahtstellen der einzelnen Bereiche.
Die Ausrichtung der Betriebsstruktur muss immer die Qualität der Produkte, die Produktionsgeschwindigkeit und die Kosten im Fokus haben.
Die Organisationsstruktur eines Betriebes wird wesentlich von der Betriebsgröße, dem Kundenstamm und der herzustellenden Produktpalette beeinflusst. Es gibt zwei grundlegende Organisationsstrukturen: die Funktionsorganisation und die Spartenorganisation. Die Funktionsorganisation herrscht bei kleineren und mittleren Unternehmen sowie bei Unternehmen mit einheitlichem Produktionsprogramm vor. Die meisten Packmittelhersteller arbeiten so: Der Geschäftsleitung sind unterschiedliche Abteilungen unterstellt, die für unterschiedliche Aufgaben zuständig sind – vom Wareneingang/Einkauf bis zum Versand.
Abb. 6: Funktions- und Spartenorganisation (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Spartenorganisation ist vor allem für größere Unternehmen mit unterschiedlichen Produktgruppen vorteilhaft. Die Spartenleiter sind komplett verantwortlich für ihren Bereich.
Je größer ein Betrieb wird, desto wichtiger ist es, die Aufgaben klar zu verteilen. In schlecht organisierten Betrieben ist das oft nicht so: Die Mitarbeiter wissen dann nicht genau, wofür sie zuständig sind. Die Grenzen zwischen den einzelnen Tätigkeitsfeldern sind unklar. Dadurch treten zum Beispiel vermehrt Fehler auf. Mehrere Arbeiter arbeiten am selben Problem (Doppelarbeit), oder es treten Stillstandszeiten in der Produktion auf.
Abb. 7: Überblick der grundlegenden betrieblichen Funktionen in einem Packmittel erzeugenden Betrieb
(Quelle: Eigene Darstellung)
Die Grundstruktur eines Betriebes lässt sich ganz allgemein nach den betriebswirtschaftlichen Grundfunktionen in drei große Bereiche unterteilen: Die Beschaffung von Ressourcen, die Leistungserstellung der Packmittel und der Absatz der produzierten Packmittel.
Der Einkauf beschafft alle für die Produktion notwendigen Rohstoffe, Hilfsstoffe und Betriebsstoffe. Einkäufer ermitteln zunächst den Bedarf sowie die Bezugsquellen für die Materialien – zum Beispiel die Lieferanten für das Papier, den Klebstoff, die Druckfarben usw. Der Einkauf holt dafür Angebote ein, vergleicht die Preise und bestellt die gewünschte Qualität. Wenn die Ware termingerecht angeliefert wurde, muss eine Wareneingangsprüfung nach bestimmten zuvor festgelegten Kriterien durchgeführt werden. Wenn alles zur Zufriedenheit erledigt ist, kann die Zahlung der Rechnung angewiesen werden.
Rohstoffe sind die Hauptbestandteile des fertigen Packmittels: zum Beispiel Rohpapier, Karton, Wellpappe, Verbundstoffe. |
Hilfsstoffe sind Nebenbestandteile eines Packmittels mit geringe- rem Kostenanteil: zum Beispiel Klebstoffe, Klebestreifen, Heftdraht, Druckfarben und Lacke, Kunststoffverschlüsse, Aufreißbänder. |
Betriebsstoffe gehen nicht in das Produkt ein, sind aber notwendig für den Produktionsprozess: zum Beispiel Strom, Wasser, Schmierstoffe, Reinigungsmittel, Reparaturmaterial. |
Betriebsmittel sind alle Anlagen und Maschinen, die den Produktions- prozess ermöglichen: zum Beispiel Gebäude, Maschinen, Fahrzeuge. |
Ausführende Arbeit leisten alle Arbeiter und Angestellten, die keine Führungsaufgaben haben. |
Abb. 8: Im Einkauf steht die Beschaffung aller für die Aufrechterhaltung der Produktion wichtigen Betriebsstoffe auf dem Programm: Zugekaufte, offsetbedruckte Kartonbögen zur Aufkaschierung auf eine offene Welle. Farben, Reinigungsmittel, Lösungsmittel, Gummitücher als Hilfsstoffe für die Offsetdruckmaschine. Rohpapier für die Erzeugung von Wellpappe oder die Weiterverarbeitung auf Beutel-, Briefhüllen- und Papiersackmaschinen (Quelle: links, Mitte Heidelberger Druckmaschinen AG)
Die Leistungserstellung beinhaltet die Entwicklung neuer Verpackungen. Größere Betriebe erforschen hier auch neue Techniken und Lösungsverfahren. Sie setzen bei der Verpackungsentwicklung auch immer genauere Testverfahren zur Vorhersage der Festigkeitswerte ein. Zur Leistungserstellung gehört auch, Herstellungsprozesse zu planen und vorzubereiten. Was wird auf welcher Maschine, wann und mit wel- chem Mitteleinsatz hergestellt? Wartung und Instandhaltung werden immer wichtiger, um langfristig einen störungsfreien Produktionsprozess zu sichern.
Auf dem Absatzmarkt muss eine Bedarfsanalyse (Marktforschung) zur genauen Abbildung der Kundenwünsche durchgeführt werden. Welcher Verkaufspreis lässt sich auf dem Markt für diese Produktqualität erzielen? Daraus entsteht dann eine interne Absatzplanung. Kunden erwarten aber auch nach der Warenauslieferung eine Betreuung und Beratung durch die Serviceabteilung. Zum Abschluss des Geschäftsprozesses erhält der Kunde eine Rechnung über die erbrachte Leistung (= Fakturierung).
Abb. 9: Leistungserstellung im Packmittel herstellenden Betrieb: CtP-Anlage zur digitalen Druckplatten-Herstellung, Flachbettstanze, Blick in die Klebereiabteilung mit Faltschachtel-klebemaschinen (Quelle: Heidelberger Druckmaschinen AG ) CtP = Computer to Plate oder deutsch: Digitale Druckplatten- belichtung (DDB). So nennt man ein Verfahren in der Druckvorstufe, bei dem die Druckplatten vom PC aus direkt im Plattenbelichter bebildert werden. (Quelle: Heidelberger Druckmaschinen AG)
Ein erfolgreicher Betrieb muss solide finanziert sein. Dies beginnt mit der Anschaffung der gesamten Betriebsausstattung, der für die Organisation benötigten Hard- und Software. Hinzu kommen die Ent- lohnung der Mitarbeiter, die Beschaffung der Verarbeitungsmaterialien sowie der Betriebsstoffe. Weiter müssen Messeauftritte und Werbemaßnahmen in Online- und Printmedien finanziert werden. Ohne solide Finanzen und ein zukunftsorientiertes Management kann kein Unternehmen bestehen.
Abb. 10: Startklar für den Absatzmarkt: verschiedene Produktmuster der Packmittelbranche (Quellen: links BS-Lindau, rechts Heidelberger Druckmaschinen AG)
Die Steuerung und Führung eines Betriebes ist ohne ein verantwortungsbewusstes, innovatives und zielorientiertes Management nicht denkbar. Mitarbeiter müssen auf Basis eines Wertesystems aktiv ge- führt werden (Führungsfunktion). Denn sie sind eine zentrale Voraussetzung für zufriedene Kunden. Dies setzt eine vorbildliche sowie auf Kontinuität ausgerichtete Unternehmensstruktur voraus (Organisati- onsfunktion). Dazu sind heute leistungsfähige innerbetriebliche Kommunikations- und Datenverarbeitungssysteme sowie moderne Produktionsanlagen (Planungsfunktion) notwendig. Management, Mitarbeiterführung, Unternehmensstruktur und moderne Produktionsanlagen entscheiden über den Erfolg eines Unternehmens.
Aufgaben der Geschäftsleitung:
=> Legt kurz-, mittel- und langfristige Unternehmensziele fest,
=> koordiniert Kernprozesse im Betrieb,
=> ergreift existenzsichernde Maßnahmen (zum Beispiel Unternehmensbeteiligungen auf dem Rohstoffsektor, Zukauf von weiteren Werken, Stilllegung von Abteilungen, Outsourcing),
=> klärt Personalfragen der Führungspositionen.
Outsourcing = Abgabe von Unternehmensaufgaben und -strukturen an Dienstleister
Ein Unternehmen muss langfristig bestrebt sein, seine Existenz zu sichern. Hauptziel eines Unternehmens ist es, Gewinne zu erzielen und zu maximieren. Der Gewinn ist die Differenz zwischen Einnahmen und Ertrag oder Leistung auf der einen Seite sowie Ausgaben, Aufwand oder Kosten auf der anderen Seite. Wichtig dabei ist auch zu beachten, wie rentabel das Unternehmen arbeitet. Ohne eine positive Bilanz kann ein Unternehmen langfristig am Markt nicht bestehen. Erreicht wird diese in aller Regel durch Produkte, die vom Kunden in einer bestimmten Qualität nachgefragt werden. Ein zufriedener Kunde ist der Schlüssel für langfristigen Unternehmenserfolg.
Natürlich hat jede Unternehmung auch soziale Funktionen. Dazu gehört es, Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern. Wichtig ist auch die ergonomische Gestaltung der Arbeitsplätze. Hier geht es um die Redu- zierung gesundheitsbelastender Einflüsse am Arbeitsplatz – denn nur ein gesunder Arbeiter ist auf Dauer ein zuverlässiger, motivierter und engagierter Mitarbeiter.
Gerade in Packmittelbetrieben ist der verantwortungsbewusste Einsatz und somit die Erhaltung von Ressourcen wichtig. Aktuell stellt die Packmittel erzeugende Industrie den Begriff der Nachhaltigkeit (Sus- tainability) stark in den Vordergrund. Nachhaltigkeit kommt aus der Forstwirtschaft: Es dürfen nicht mehr Bäume gefällt werden, als nachwachsen können. Die Umweltbewegung hat den Begriff in die Politik eingebracht. Die Packmittelindustrie setzt sehr stark auf Wiederverwertung, zum Beispiel von Altpapier und weitere umweltschonende Verfahren. Die Wiederverwertung von Altpapier bei der Produktion neuer Verpackungen stellt hier ein langjährig bewährtes Paradebeispiel dar. Ferner lässt sich dieses Ziel auch als spezielle Marketingstrategie weiterverwenden, indem die Produkte dahingehend untersucht und zertifiziert werden. Dies geschieht zum Beispiel beim Rohstoff Holz durch die FSC- und PEFC-Zertifizierung (Ab- kürzungen stehen für „Forest Stewardship Council“ und „Programme for the Endorsement of Forest Certification“). Der CO₂-Fußabdruck wird hier als Beleg für eine klimaneutrale Verpackung diskutiert. Er wird auch CO₂-Bilanz genannt. Er ist ein Maß für den Gesamtbetrag von Kohlendioxid-Emissionen (ge- messen in CO₂), der durch eine Aktivität verursacht wird.
Ein weiteres Beispiel für den sparsamen Umgang mit Ressourcen ist der extrem reduzierte Wasserverbrauch bei der Papierherstellung durch die Kreislaufführung des Prozesswassers. Die Entwicklung von immer besseren Abwasserklärverfahren hat wesentlich dazu beigetragen. Im Bereich Flexodruck sind heute Druckfarben auf Wasserbasis bereits Standard. (Flexodruck = Rollenrotationsdruckverfahren, bei dem flexible Druckplatten aus Fotopolymer oder Gummi und Druckfarben mit niedriger Viskosität verwendet werden.)
Durch perfekt auf das zu verpackende Gut abgestimmte Verpackungen werden Lebensmittel geschützt und die Haltbarkeit verlängert. Dadurch landet weniger hochwertige Nahrung im Müll. Aber auch kleinere Packungsgrößen – zum Beispiel für Single-Haushalte – tragen zur Einsparung und zum verantwortungsbewussten Umgang mit den Konsumgütern bei. So lassen sich auch ethische Ziele in einem Unternehmen finden.
Speziell entwickelte Gefahrgutverpackungen machen Transporte von gefährlichen Gütern sicherer und tragen so zum Schutz der Umwelt bei. Umweltschutzaspekte lassen sich an allen Stellen der Wertschöpfungskette von Produkten wiederfinden. 71 % des Altpapiers in Deutschland gehen zurück in die Wiederverarbeitung. Der Energieverbrauch wird ständig durch immer moderner arbeitende Produktionssysteme drastisch reduziert.
Alleine durch diese wenigen Beispiele werden die in ihrer Qualität und Quantität steigenden unterschiedlichen Kundenanforderungen an die in Zukunft zu produzierenden Packmittel deutlich.
Abb. 11: Anders ausgedrückt sind Produktionsfaktoren alle Mittel und Kräfte, mit denen Sachgüter und Dienstleistungen erstellt werden. Die betriebswirtschaftlichen Produktionsfaktoren lassen sich in Elementarfaktoren, bestehend aus menschlicher Arbeit, Materialien und Energie, sowie den ganzen Betriebsmitteln, wie Maschinen, Transportsysteme, Informations- und Datensysteme, untergliedern
(Quelle: Eigene Darstellung)
Damit ein Packmittelbetrieb eine Leistung (Packmittel) erstellen kann, benötigt er elementare Einsatzmittel. Diese werden im Packmittelbetrieb als Produktionsfaktoren „Boden“, „Arbeit“, „Kapital“ und „Wissen“ bezeichnet. Wer diese Produktionsfaktoren sinnvoll kombiniert, sichert die Leistungserstellung. (vgl. Abb. 11)
Hinzu kommt der dispositive Faktor (leitender Faktor); ihn repräsentiert die Geschäftsleitung. Ihre Aufgabe ist die Planung, Organisation, Entscheidung und Kontrolle. Die Geschäftsführung führt die elementaren Produktionsfaktoren zusammen und stimmt sie sinnvoll aufeinander ab. So müssen Rohstoffe, Hilfsstoffe und Betriebsstoffe rechtzeitig in ausreichender Menge im Produktionsprozess zu Verfügung stehen. Gut qualifizierte Mitarbeiter verrichten an den Betriebsmitteln – gemeint ist damit die gesamte technische Betriebsausstattung – engagiert und motiviert ihre Arbeit. Eng damit verbunden ist die dabei entstehende Produktqualität. Wenn die Qualität der hergestellten Produktpalette stimmt, spiegelt sich dies in der Kundenzufriedenheit und somit im Erfolg des Unternehmens wider.
Die Arbeitsteilung führt also zu einem positiven Ergebnis: Die Geschäftsführung sorgt dafür, dass alle Vorprodukte rechtzeitig zur Verfügung stehen. Mitarbeiter tun engagiert ihren Job an modernen Betriebsmitteln. Ergebnis: Gute Produkte und zufriedene Kunden.
Die bereits vorgestellte Grundstruktur „Beschaffung“, „Leistungserstellung“, „Absatz“ muss in immer feiner strukturierte übersichtliche Teilaufgaben untergliedert werden, je vielschichtiger und komplexer ein Betrieb
wird. Geschäftsprozesse müssen also in Haupt- beziehungsweise Kernprozesse und Teilprozesse beziehungsweise unterstützende Prozesse sowie Management- oder Führungsprozesse zerlegt werden. Nur so ist es möglich, die Arbeitsleistung jedes Mitarbeiters optimal zu nutzen.
Abbildung 12 zeigt das Prozessmodell eines Packmittelherstellers für den Packstoff Wellpappe und die daraus erzeugten Packmittel aus Wellpappe. (Quelle: Eigene Darstellung)
Der folgende Film zeigt den Berufsalltag eines Packmitteltechnologen in der Firma G & G Preißer. Der technische Ablauf der Produktion einer Verpackung wird von der Konzeption bis zur Abholung gezeigt.
In Abbildung 13 ist schematisch ein Prozess dargestellt. Ein Prozess ist eine Handlungsabfolge, bei der die beteiligten Personen mit den zur Verfügung stehenden Mitteln und Tätigkeiten einen Input in einen Output umwandeln. Diese Personen sind für die ausgeführten Tätigkeiten verantwortlich. Ein Prozess wird durch ein Startereignis angestoßen, unter Einbezug von Ressourcen (Produktionsfaktoren: Menschliche Arbeit, Betriebsmittel, Material und Energie) durchgeführt und durch ein Endereignis abgeschlossen. Der Output ist dann mehr wert als der Input. Die für den Prozess benötigte Zeit wird als Prozesszeit tP bezeichnet, die es in aller Regel zu verringern gilt. Ein industrieller Prozess soll also in einer möglichst kurzen Zeit zu einem Ergebnis (Output) führen, das mehr wert ist als die Summe der verwendeten Produktionsfaktoren (Input).
Abb. 13: Schematisierte Darstellung eines Prozesses (Quelle: Eigene Darstellung)
Beispiele dafür, wie in der Packmittelindustrie Mehrwerte erwirtschaftet werden:
=> In einer WPA werden drei einzelne Papierbahnen so verarbeitet, dass daraus ein Packstoff (Wellpappe) entsteht, der bessere Festigkeitseigenschaften hat als die drei einzelnen Papierbahnen.
=> In der Druckvorstufe wird aus einer Cyrel-Platte, durch ein spezielles Verfahren, ein Flexodruckklischee zum Erstellen von Druckbildern erstellt.
=> Einzelne flachliegende Nutzen werden in einer Faltschachtelklebemaschine zu einer Faltschachtel mit Automatikboden zusammengeklebt.
=> ...
Zur Kontrolle der Prozesse ist ein ständiger Soll-Istwert-Vergleich notwendig. Das setzt voraus, dass für jeden Prozess klare Vorgaben (Soll-Werte) definiert sind und während des gesamten Prozessablaufes eine Messung des Ist-Zustandes erfolgt. Dieser Prozess ist Aufgabe des Qualitätsmanagements. Das Qualitätsmanagement kontrolliert also, ob der Ist-Zustand im Prozess den Soll-Vorgaben entspricht.
In der Verpackungsbranche wird oft von „Workflow“ gesprochen. Der englische Begriff mit der Bedeutung „Arbeitsfluss“ wird hier als die gesamte Vernetzung von einzelnen Prozessen vom Kundenauftrag bis zum fertigen Packmittel unter Einbezug des Informations- und Materialflusses verstanden. Oft sind auch noch die Rohstoffhersteller und Abpackbetriebe einzubeziehen.
Gerade im Produktionsprozess von Verpackungen, in dem eine feste Reihenfolge in der Produktionsabfolge eingehalten werden muss (Linienproduktion), ist die anschauliche Darstellung unverzichtbar. Die Abstimmung der einzelnen in Reihe geschalteten Maschinengeschwindigkeiten der Weiterverarbeitungsmaschinen ist hier besonders wichtig. Eine leistungsfähige Druckmaschine kann so zum Beispiel mehrere Flachbettstanzen mit bedruckten Materialbogen versorgen. Können die Paletten in der Reihenfolge, wie sie gestanzt wurden, weitertransportiert werden, oder müssen sie zuvor noch umgestapelt und im Halbfertigwarenlager eingelagert werden? Im anschließenden Klebeprozess ist eine Faltschachtelklebemaschine, deren Arbeitsgeschwindigkeit wesentlich höher ist als die der Stanze, ausreichend, um die flachliegenden Nutzen aufzustellen und zu kleben. Für einen effektiven Produktionsablauf ist die Abstimmung der Geschwindigkeiten der beteiligten Maschinen unverzichtbar. Wichtig ist auch die Frage, wie viele Arbeiter notwendig sind, um die gefalteten und geklebten Faltschachteln in Umkartons abzupacken.
Um die Abläufe in einem Packmittelbetrieb besser verstehen zu können, ist es nützlich, die typischen Prozesse des Verpackungs-Workflows mit den standardisierten Geschäftsprozessen eines Unternehmens zu kombinieren. Dadurch wird deutlich, dass bei der Neuentwicklung eines Packmittels (blaue Kurve in Abbildung 14) alle typischen Prozessschritte des Verpackungs-Workflows im Unternehmen durchlaufen werden. Bei einem Wiederholauftrag (grüne Kurve) werden nur die Prozesse „Produktion“ und „Versand“ aktiviert. Handelt es sich um eine geringfügige Auftragsänderung (rote Kurve), sind die Prozesse „Pack- mitteldesign“, „Druckvorstufe“, „Produktion“ und „Versand“ betroffen.
Abb. 14: Prozessmatrix bestehend aus den standardisierten Geschäftsprozessen und den typischen Prozessen des Verpackungs-Workflows (Quelle: Eigene Darstellung)
Als Beispiel kann hier die Änderung des Packmitteldesigns angeführt werden, wenn das gleiche Produkt in einer anderen Sprache auf den Markt kommt. Bei einem Entwicklungsauftrag sind zunächst nur die Packmittelentwicklung und das Packmitteldesign aktiv (orangefarbene Kurve).
Zur übersichtlicheren Darstellung lassen sich Prozessabläufe in Flussdiagrammen darstellen. Dadurch erhalten alle am Prozess beteiligten Mitarbeiter einen guten Überblick. Diese Visualisierung ist sehr gut zur Analyse des gesamten Prozesses geeignet. Engpässe können so frühzeitig erkannt und Verbesserungsmöglichkeiten eingebaut werden. Das Flussdiagramm wird von den leitenden Mitarbeitern der einzelnen Abteilungen in sogenannten Prozessmeetings erarbeitet. Je feiner die einzelnen Prozesse im Diagramm abgebildet werden, desto reibungsloser wird später der Ablauf in der betrieblichen Praxis statt- finden. All diese Fragen, um nur einige exemplarisch zu nennen, werden von den Prozessteams genau untersucht und anschließend zur weiteren Präzisierung des Flussdiagramms eingepflegt. Die hier dargestellten Prozessdiagramme sind nicht auf ein konkretes Unternehmen abgestimmt. Deshalb weisen sie immer eine gewisse Vereinfachung gegenüber der Realität aus.
Abb. 15: allgemeine Darstellung von Prozessen Erklärung der Symbole: (Quelle: Eigene Darstellung)
Rechteck: Ein Prozess besteht aus einer Abfolge von Tätigkeiten.
Pfeile: Die Abfolge wird durch Pfeile in entsprechender Richtung beschrieben. Die Pfeilrichtung kennzeichnet den Informations- und Materialfluss.
Raute: Ergebnisse werden durch Rauten dargestellt. Jedem Ergebnis folgt eine Entscheidung.
Kreis: Verbindungspunkte mit entsprechender Funktion „v“ und/ „ˆ“ oder ...
Farbe: zur besseren Verständlichkeit und übersichtlicheren Darstellung
Die folgende Abbildung zeigt ein ereignisorientiertes Prozesskettendiagramm für ein Standard-Packmittel aus Wellpappe.
Abb. 16: Prozessflussdiagramm oder Prozessdarstellung „von der Kundenanfrage zum fertigen Packmittel“ (Quelle: Eigene Darstellung)
Ein Kernprozess trägt direkt zur Wertschöpfung bei. Das Management bildet einzelne nach Aufgaben und Kompetenzbereichen geordnete Abteilungen. Durch einen hohen Spezialisierungsgrad in diesen Teams kann bei gleichzeitiger Erhaltung der Flexibilität wesentlich effizienter gearbeitet werden. Jede Abteilung ist bei einer vorgeschalteten Abteilung interner Kunde. In der Abteilung selbst wird eine Prozessaufgabe wie zum Beispiel die Erstellung eines Angebotes verarbeitet. Die Abteilung tritt anschließend als Lieferant für die nachfolgende Abteilung auf, an die sie das erstellte Angebot weitergibt. So sind die einzelnen Bereiche in sogenannten Prozessketten (Workflow) miteinander verschaltet. Es findet ein Material- und Informationsfluss zwischen den einzelnen Bereichen statt. Bei den Kernprozessen gibt es kundennahe (Kundenanforderungen) und kundenferne Prozesse (Produktion). Ein Hauptprozess ist ein abteilungsübergreifender Prozess. Dieser wird dann in Teilprozesse, also in einen jeweils in sich abgeschlossenen Vorgang, zerlegt.
Spezialisierte Abteilungen erledigen Teilschritte eines Gesamtprozesses: Zum Beispiel die Erstellung eines Angebotes. Wenn sie das an die nachfolgende Abteilung weitergeben, treten sie intern als Lieferanten auf. Die nachfolgende Abteilung hat die Rolle eines „Kunden“.
Abb. 17: innerbetriebliche Geschäftsprozesse, in denen ein Packmitteltechnologe eingesetzt wird
(Quelle: Eigene Darstellung)
Zentraler Bestandteil der Akquisition ist die Gewinnung von Neukunden. Unternehmen sprechen Neukunden bei Messen oder durch ihren Außendienst an. Produktneuheiten helfen dabei, neue Kaufinteressenten zu finden. Neukunden sind Kunden, die das erste Mal mit dem Unternehmen in Kontakt kommen, aber auch Kunden, die schon seit längerer Zeit nicht mehr beim Unternehmen bestellt haben. Die Kundenakquise erfolgt über Produktpräsentationen auf Messen und durch einen agilen Außendienst.
Abb. 18: Die Produktpräsentation auf Messen ist eine beliebte Möglichkeit, um Neukunden auf das Unternehmen aufmerksam zu machen (Quelle: Eigene Darstellung)
Parallel dazu wird eine permanente Bedarfsanalyse des Marktes durchgeführt, um langfristig produkt- und kapazitätsbezogene Mengen zu erzielen. Produktneuheiten helfen dabei, neue Zielgruppen anzu- sprechen. Das Ziel: möglichst viele Kaufinteressenten finden.
Bei Wiederholaufträgen entfällt der umfangreiche Prozess der Verpackungsentwicklung nach konkreten Kundenanforderungen. Der Auftrag kann sofort von der Produktionsplanung abgeholt werden, da alle er- forderlichen Werkzeuge bereits vorhanden sind; lediglich die Materialbestände müssen im Vorfeld abgeklärt werden. Die Kundenakquise steht in direktem Kontakt zum Prozess „Angebotserstellung“.
Die Kundenanfrage mit den gewünschten Kundenanforderungen wird heute in fast allen Unternehmen im Verkaufsgespräch durch den Außendienst oder Vertriebsinnendienst in einer Checkliste erfasst. Diese ist je nach Unternehmen unterschiedlich detailliert.
Fragen die in einer Checkliste enthalten sein sollten:
=> Bei dieser Menge an Anforderungen ist es unmöglich, alle in gleichem Maße zu erfüllen. Deshalb ist es wichtig, dass die Fülle von Anforderungen zusammen mit dem Kunden in einer Prioritätenliste geordnet wird!
Nach der Anfrage wird intern die Zahlungsfähigkeit des anfragenden Unternehmens abgeklärt. Aus den gewonnenen Eindrücken des Kunden wird die Wahrscheinlichkeit einer Bestellung abgeklärt. Anschlie- ßend wird intern abgesteckt, welcher Aufwand dem Angebotserstellungsprozess zugemessen wird. Wenn es sich um individuell bedruckte Packmittel handelt, liegt immer eine kundenbezogene Auftragsfertigung vor. Handelt es sich dabei um eine komplizierte Neuentwicklung einer ganzen Abpacklinie mit großem Entwicklungseinsatz über mehrere Monate oder gar Jahre? Oder ist die Anfrage relativ einfach durch die Abänderung eines Standards oder die Modifizierung einer bereits durchgeführten Lösung zu realisieren? Der Angebotspreis sollte sich weniger an den eigenen Kosten als vielmehr an dem Preis orientieren, den der Kunde zu zahlen bereit ist – beziehungsweise den der Markt akzeptiert.
Bei kundenanonymer Lagerfertigung von Großserienprodukten, wie zum Beispiel Packmittel nach ECMA- oder FEFCO-Code, Briefhüllen der DIN-Formatreihe sowie Standardbeutel werden die Angebotsangaben in einem Verkaufskatalog veröffentlicht. Spiral- oder parallel gewickelte Papierhülsen für Rollenpapiere oder Kunststofffolien werden nach konkreten Kundenanforderungen kalkuliert.
Ausgehend von den Kundenanforderungen regelt der Prozess „Angebotserstellung/-kalkulation“ die Erstellung der Produktkalkulation und der Angebotserstellung. Ausgelöst wird der Prozess durch die Anfrage des Kunden und den dabei besprochenen Kundenanforderungen. Dieser Prozess lässt sich in folgende Teilprozesse untergliedern: Planung und Konstruktion eines Handmusters am CAD, Einholung von Materialpreisen, Kalkulation der Maschinenlaufzeiten, Fertigungskosten. (CAD = computer-aided design = deutsch: rechnerunterstütztes Konstruieren. Am Computer entwerfen Unternehmen Handmuster (Prototypen) eines Packmittels.) Aus den Informationen der Teilprozesse wird dann der Verkaufspreis kalkuliert. Die Hauptaufgabe dieser Abteilung besteht in einer detaillierten Angebotskalkulation sowie einem konkreten Angebot, in dem die Kundenanforderungen erfasst sind. Das Ziel ist die abschließende Auftragserteilung durch den Kunden.
Einige Firmen treffen besondere Festlegungen für Produkte, die über eine Preisliste verkauft werden. Dies können zum Beispiel Bogenware im Wellpappbereich, Papierhülsen nach Laufmeter, Durchmesser und Wandstärke, Wellpappkisten nach FEFCO-Code oder Faltschachteln nach ECMA-Katalog sein. (FEFCO-ESBO-Code (fibre- board case code), deutsch: Internationaler Code für Versandverpackungen.) Im Bereich der flexiblen Packmittel werden Standardbriefhüllenformate und Versandtaschen sowie Standardbeutel und Papiertragetaschen je nach Anzahl der verwendeten Druckfarben nach Preisliste verkauft. Sonst überwiegt in der Verpackungsbranche die auftragsbezogene Fertigung nach konkreten Kundenanforderungen. Bis auf Massenprodukte wie Wellpappkisten nach FEFCO- Code oder zum Beispiel auch Standard-Briefhüllen arbeitet die Verpackungsbranche vor allem nach individueller Kundenanforderung.
Das Angebot (Beispiel siehe Abbildung 19) ist eine schriftliche oder mündliche Erklärung des anbietenden Unternehmens. Es ist zeitlich befristet und sollte aus juristischen Gründen immer schriftlich abgegeben werden. Im Angebot werden die Leistungen des angefragten Produktes sowie die Zahlungs- und die Lieferbedingungen genau beschrieben. Alle Informationen, die während des Angebotserstellungsprozesses entstehen, werden archiviert. So wird eine rationellere Arbeitsweise bei ähnlichen Anfragen ermöglicht. Bei der Angebotsgestaltung ist darauf zu achten, dass die äußere Form des Angebotes eine positive Außenwirkung des Unternehmens erzeugen soll. Ferner muss das Angebot gesetzlichen Normen entsprechen. So müssen zum Beispiel die allgemeinen Geschäftsbedingungen des Unternehmens für den Kunden zugänglich sein. Falls das Angebot nicht zum Geschäftsabschluss führt, müssen die Ursachen für den Auftragsverlust analysiert und die Erkenntnisse in den neuen Angebotserstellungsprozess eingepflegt werden.
Abb. 19: Diese Grafik zeigt, welche Informationen einem Kundenangebot entnommen werden können
(Quelle: Eigene Darstellung)
Wie kommt nun der Angebotspreis zustande? Hierzu müssen umfangreiche innerbetriebliche Überlegungen angestellt werden. Der Einsatz und die sinnvolle Kombination der betriebswirtschaftlichen Produktionsfaktoren (Rohstoffe, Kapital, Arbeit, Wissen) verursachen Kosten. Ein elementares Betriebsziel ist die ständige Kontrolle der Betriebsabläufe unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Nur wer die Kosten der betriebswirtschaftlichen Produktionsfaktoren kennt, kann fundiert Angebotspreise kalkulieren.
Abb. 20: Grundlage für die Kalkulation eines Angebotspreises: beispielhafte Kosten der Produktionsfaktoren (Quelle: Eigene Darstellung)
Unter Kosten versteht man den in Geld bewerteten Aufwand bei der Erzeugung von Gütern und Dienstleistungen innerhalb eines festgelegten Zeitraums. Unter Ausgaben versteht man den Gegenwert für die vom Unternehmen getätigten Einkäufe. Beispiele hierfür sind Bargeldzahlungen von Rohpapieren, Krediterhöhungen bei der Bank für die Anschaffung einer neuen Rotationsstanze oder Forderungsminderungen beim Lieferanten oder für bereits gelieferten Stärkeleim.
Als Packmitteltechnologe gehört man zu den Kostenverursachern (Löhne/Gehälter, Sozialleistungen, Produktion von Ausschuss aufgrund mangelnder Fachkompetenz) im Betrieb. Das ist nicht weiter tragisch – vorausgesetzt, die Arbeitsleistung ist höher zu bewerten als die verursachten Kosten. Gute Arbeitsleistungen erbringt ein Packmitteltechnologe zum Beispiel, wenn er kreativ innovative Packmittel entwickelt, als Maschinenführer geringe Ausschussquoten verursacht oder handwerklich geschickt Stanzformen herstellt. So kann er – obwohl er zunächst Kostenverursacher ist – durch gute Arbeitsleistung auch wesentlich zum Gewinn des Unternehmens beitragen. Als Anerkennung kann es dann zu Urlaubs-, Weihnachtsgeld oder sonstigen Prämienzahlungen kommen.
Das Kostenmanagement ist zweifelsohne das Kerngeschäft der kaufmännischen Abteilungen (Betriebsbuchführung) im Betrieb. Als Packmitteltechnologe ist man jedoch Teil des gesamten Unternehmens und – wie oben kurz beschrieben – einerseits Kostenverursacher (Kostenstelle beziehungsweise Kostenträger) und auf der anderen Seite Kostenoptimierer (Prinzip der Gewinnmaximierung), zum Beispiel bei der Optimierung von Produktionsprozessen von Packmitteln. Ferner muss man Kunden bei der Tätigkeit im Verpackungsentwicklungsprozess auch dahingehend beraten, welche Kosten die Packmittel entlang der gesamten Lieferkette (Supply-Chain) eines zu verpackenden Gutes verursachen werden.
Dies erfolgt in enger Zusammenarbeit mit der Kalkulationsabteilung. Dabei handelt es sich um eine sehr komplexe Aufgabe, die sehr viel Know-how, Erfahrung und Überblick des gesamten Packmittelmarktes erfordert.
Um die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens besser beurteilen zu können, werden Kosten in unterschiedliche Arten eingeteilt und sogenannten Kostenstellen (Entstehungsort der Kosten) zugeordnet. Eine genauere Einteilung insbesondere auch aus verschiedenen Perspektiven ermöglicht der Geschäftsleitung einen schnellen Überblick (Analyse) zur aktuellen wirtschaftlichen Lage des Unternehmens. Planungen können gezielt optimiert werden, und eine Kontrolle des Betriebsverhaltens (Controlling) ist für ein seriöses Wirtschaften unumgänglich.
Abb. 21: So funktioniert die Zuordnung von Kosten nach verursachenden Kostenträgern
(Quelle: Eigene Darstellung)
Fixkosten, variable Kosten und Gesamtkosten
Fixe Kosten fallen unabhängig von der Höhe der Beschaffung für einen Betrachtungszeitraum in stets gleicher Höhe an. So sind die Stromkosten für die Ausleuchtung der Produktionshalle vollkommen unabhängig vom Produktionsvolumen. Je größer die Produktionsauslastung, desto geringer wird der Fixkostenanteil pro Stück.
Variable Kosten ändern sich mit der Ausbringungsmenge (produzierte Stückzahl). Der Anstieg kann direkt proportional, degressiv oder progressiv erfolgen (siehe Abbildung 21). Die Gesamtkosten für einen Auftrag setzen sich aus Fixkosten und variablen Kosten zusammen.
Abb. 22: Entwicklung von variablen und fixen Kosten in Abhängigkeit von der Stückzahl
(Quelle: Eigene Darstellung)
➔ Degressiv: Werte sinken im Verhältnis zu einer Bezugsgröße
➔ Progressiv: Werte steigen im Verhältnis zu einer Bezugsgröße
Teil dieser Fragestellung ist, genau berechnen zu können, welche Herstellungskosten bei den beiden Produktionsprozessen (Blockbodenbeutel, Faltschachtel für Müsli) anfallen. Zunächst muss genau ermittelt werden, wie viel Papier beziehungsweise Karton für die Packmittel bei entsprechender Stückzahl benötigt wird. Im zweiten Schritt erfolgt die Mengenbewertung mit dem Preis. Dies ist je nach zu bewertendem Gut in einer typischen Einheit vorzunehmen: So bezieht sich der Preis bei den Rohstoffkosten Papier, Karton, Vollpappe immer auf die Einheit Kilogramm. Bei Wellpappe bezieht er sich eher auf die benötigte Quadratmeteranzahl.
Erfassung der Gemeinkosten
Bei einer Stanzform ist eine umfangreichere Kalkulation notwendig, bei der alle benötigten Materialien und die zur Herstellung erforderliche Arbeitszeit ermittelt werden müssen. Diese werden in einem Betriebsabrechnungsbogen genau den Kostenstellen zugeordnet. Lässt sich die Arbeitszeit für einen Auftrag nicht genau ermitteln, weil zum Beispiel gleichzeitig mehrere Stanzwerkzeuge im Stanzformenbau von vier Arbeitern gleichzeitig gebaut werden, so spricht man von Lohngemeinkosten. Hinzu kommen Betriebsgemeinkosten – dies sind Kostenanteile, die immer anfallen. Solche Kosten sind zum Beispiel Mieten für Gebäude, Stromkosten für Produktionshallen, Reinigungskosten. Häufig wird in der Packmittelbranche auch vom Maschinenstundensatz gesprochen. Hier sind bereits alle anfallenden Kosten, die eine Maschine innerhalb eines Bewertungszeitraumes (meist eine Betriebsstunde) verursacht, berücksichtigt. Dazu gehören die Abschreibungen, die Lohnkosten des Maschinenführers, die Abnutzungspauschale sowie die Kosten für Strom und Wartungs- und Instandhaltungskosten. Der Maschinenstundensatz wird dann mit der errechneten Maschinenlaufzeit multipliziert. Daraus ergeben sich dann die Produktions- oder Fertigungskosten.
Maschinenstundensätze, in die alle Kosten eingerechnet sind, die der Betrieb einer Maschine verursacht, vereinfachen die Kalkulation und Abrechnung von Aufträgen.
Berechnung der Selbstkosten
Die Kosten, die während des gesamten Herstellungsprozesses für den gesamten Produktionsauftrag Faltschachtel für ein Kilo Müsli entstehen, bezeichnet man als Selbstkosten. Hierzu müssen sämtliche am Produktionsprozess zu berücksichtigenden Kostenstellen aufaddiert werden.
Die Selbstkosten sind der gesamte Aufwand, der zur Herstellung des Kundenauftrages erforderlich ist.
Entstehung des Nettopreises
Da alle Unternehmen zur langfristigen Existenzsicherung – wie in Kapitel 1.1.7.3 bereits angesprochen – nach Gewinn (Lohn des Unternehmers und Rücklage, um wirtschaftliche Krisenzeiten möglichst unbeschadet überstehen zu können) streben, wird zu den Selbstkosten noch ein Gewinnzuschlag hinzugerechnet. Dieser beträgt in der Packmittel herstellenden Industrie je nach Sparte zwischen 2 % und 20 % und dient dem Unternehmer als Entschädigung für das Wagnis beziehungsweise Risiko, das er für seine Unternehmung zu tragen hat. Der prozentuale Gewinnaufschlag richtet sich natürlich auch nach den am Markt für das jeweilige Packmittel zu erzielenden Preis. Je härter umkämpft ein Markt ist, desto niedriger ist der Marktpreis – und damit auch der Gewinn. Preise für innovative und qualitativ hochwertige Packmittel sind in aller Regel höher als für Massenprodukte. In diesen Fällen kann der Gewinn auch deutlich höher ausfallen.
Der zu erzielende Marktpreis kann durch Kundenumfragen (Marktforschung) ermittelt werden. Umgekehrt finden bei Massenverpackungen (Millionenstückzahlen für 100-Gramm-Tafel Schokolade) regelrechte Preisschlachten statt, bei denen der Preis für eine Faltschachtel weit unter einem Cent liegt. Hier kann es auch zu Aufträgen kommen, die gar keinen Gewinn mehr abwerfen.
Der Bruttopreis wird vom Kunden bezahlt
Da alle Güter, die zum Verkauf angeboten werden, mit einer Mehrwertsteuer beaufschlagt sind, muss dem Nettopreis noch die Mehrwertsteuer hinzugerechnet werden. Diese beträgt zurzeit im Packmittelbereich 19%. Die Mehrwertsteuer für Bücher und sonstige Drucksachen liegt bei 7 %.
Abb. 23: So setzt sich der Gesamtpreis zusammen (Quelle: Eigene Darstellung)
Mit diesem Beispiel aus der Sparte „Flexible Packmittel“ wird anhand eines Blockbodenbeutels eine einfache Kostenberechnung vorgestellt. Aus welchen einzelnen Bestandteilen setzen sich die Produktionskosten für einen Blockbodenbeutel zusammen? Eine Analyse des Herstellungsprozesses – unter Berücksichtigung aller Kosten verursachenden Faktoren – führt hier zum Ziel. Dies soll mit dem vorliegenden stark vereinfachten Beispiel veranschaulicht werden. Eine Übertragung der grundsätzlichen Vorgehensweise bei der Kalkulation anderer Packmittel ist möglich und erwünscht. Der Zusammenhang zwischen Materialbedarf und Materialkosten, Hilfsstoffmengen und Hilfsstoffkosten sowie Maschinenlaufzeit und Maschinenstundensatz wird hier exemplarisch durchgerechnet. Die Vorgehensweise dient als „Rezept“ für weitere Übungsaufgaben.
Aufgabe:
Die Großmetzgerei „Scharfe Henne“ fragt bei der Flexibelpack GmbH telefonisch ein Angebot über 172.000 Blockbodenbeutel mit Bodendeckblatt an. Die geforderten Maße des Beutels sind 130 + 30 x 260 (b₁ = 130 b₃ = 30 l₁ = 260). Die Standbodenüberlappung (ü2) soll 20mm betragen. Es soll eine mittlere weiße Papierqualität zum Einsatz kommen. Das Druckbild ist ein einfarbiges Rautenmuster. Die Ware soll selbst abgeholt werden. Gewünschter Liefertermin: eine Woche nach Auftragseingang. Das Zahlungsziel beläuft sich auf 30 Tage, 2 % Skonto bei Zahlung innerhalb einer Woche.
Folgende Informationen stehen innerbetrieblich aus den verschiedenen Abteilungen zur Verfügung:
Wareneinkauf – Rohstoff- und Hilfsstoffpreise
– Eine Tonne Papier der Qualität e ́gl 70 g/m2 kostet 950 €.
– Ein Kilo Dispersionsleim kostet 1,2 €.
– Ein Kilo Flexodruckfarbe in weiß/schwarz kostet 3,5 €.
– Ein Kilo blaue Farbe kostet 4,5 €.
Informationen aus der Packmittelentwicklung
– Der Farbauftrag beträgt 4 g/m2.
– Pro Beutel werden für Längsklebung und Bodenklebung 7 g Leim benötigt.
Produktionsplanung und -steuerung, Produktion
– Der Maschinenstundensatz für die Flexodruckmaschine beträgt 280 €/Stunde.
– Durchschnittliche Maschinengeschwindigkeit der Flexodruckmaschine 500 m/min.
– Die Rüstzeit beträgt 15 Minuten.
– Der Maschinenstundensatz für die Blockbodenbeutelmaschine beträgt 110 €/Stunde.
– Die Maschinenleistung beträgt 220 Beutel/min.
– Die Rüstzeit beträgt 45 Minuten.
– Der Produktionsausschuss liegt bei 4 %.
Druckvorstufe
– Das Flexodruckklischee kostet für eine Farbe 250 € zuzüglich 50 € Proofkosten.
Controlling
– Gemeinkostenzuschlag 18 %
Verkauf
– Gewinnaufschlag 4 %
Abb. 25: Blockbodenbeutelhandmuster. Rechts: Zeichnung des flachliegenden Zuschnitts des Blockbodenbeutels mit allen nötigen Abmessungen
Der am Markt zu erzielende Verkaufspreis richtet sich danach, was die Kunden bereit sind, für das jeweilige Produkt zu bezahlen. Je weniger Konkurrenzprodukte auf dem Markt sind, desto höher ist in der Regel der zu erzielende Marktpreis. Natürlich sollte bei der Produktion ein Gewinn für das Unternehmen entstehen, da die Unternehmung nur so langfristig auf dem Markt existieren kann. Der Gewinnaufschlag in der Verpackungsbranche liegt je nach Produkt zwischen 4 und 20 %.
Die Auftragserfassung (meist im Verkaufsinnendienst angesiedelt) wird aktiv, wenn der Kunde das Angebot positiv bewertet. Durch die übereinstimmende Abgabe zweier Willenserklärungen (Antrag und Annahme) kommt es zu einem Vertragsabschluss zwischen den bei-en Parteien. Der Auftrag wird nun mit allen relevanten Daten im BDE- System angelegt (BDE = Betriebsdatenerfassung). Ab diesem Zeitpunkt können alle Abteilungen über innerbetriebliche Kommunikationssysteme darauf zugreifen und den aktuellen Auftragsstand einsehen.
PPS = Produktionsplanungs- und Steuerungssystem. Dieses Computerprogramm unterstützt den Anwender bei der Produktionsplanung sowie -steuerung und übernimmt die damit verbundene Datenverwaltung.
In der Produktionsplanung werden für den zukünftigen Produktionsablauf die Ziele sowie die Aufgaben zum Erreichen dieser Ziele festgelegt. Es findet ein ständiger Soll-Ist-Wertvergleich statt.
Abb. 26: Abstimmung des Produktionsplans am ERP-System (Enterprise-Resource-Planning = Unternehmensressourcenplanung) (Quelle: Heidelberger Druckmaschinen AG)
Die Produktionssteuerung hat dafür zu sorgen, dass diese Pläne trotz der in jedem Betrieb auftretenden Störungen in die Realität umgesetzt werden. Konkret heißt das: Die Abteilung Produktionsplanung und -steuerung erhält den Auftragsdatensatz aus dem betriebsinternen BDE-System. Sie koordiniert die Produktionstermine der eingesetzten Maschinen, die erforderlichen Materialien, legt Fertigungsablaufpläne fest und nimmt die Versandplanung vor. Sie berücksichtigt dabei Liefertermine und die Auslastung der Produktionsmaschinen. Dazu müssen im Vorfeld Rüstzeiten von Maschinen erfasst werden. Aus technisch realisierbaren Produktionsgeschwindigkeiten müssen Maschinenlaufzeiten für jeden Auftrag berechnet werden. Zusätzlich zu den daraus ermittelten Produktionszeiten sollten Pufferzeiten einkalkuliert werden, um Störungen im Produktionsablauf aushalten zu können. Somit werden in diesem Prozess alle Parameter für einen möglichst effizienten Fertigungsprozess festgelegt. Hauptziel ist es, die mengengerechte und termingenaue Lieferung sicherzustellen, um den Kunden zufrieden zu stellen.
Der Produktionsprozess beschreibt die internen Produktionsabläufe vom Produktionsbeginn bis zur Fertigstellung. Anstoß für diesen Prozess ist der Auftragsdatensatz aus dem Produktionsplanungssystem sowie der Produktionsplan. Ziel dieses Prozesses sind fertig verpackte und versandfertige Produkte, die kundengerechte Ausführung und Abwicklung in Bezug auf innerbetriebliche Qualitätskriterien, Liefertermin, Stückzahl und Gesamtproduktivität. Die meisten Prüfungen in der Produktion finden heute in der „Werkerselbstprüfung“ statt. Bei der Werkerselbstprüfung werden Mitarbeiter befähigt, die Qualität ihrer Arbeit selbst zu überprüfen und gegebenenfalls notwendige Maßnahmen einzuleiten. Zusätzlich geforderte Prüfungen werden in den Prüflaboren der Fachabteilungen (zum Beispiel Wareneingangsprüfung, Druckbildkontrolle, Kontrolle der Nutzen beim Stanzen) durchgeführt. Gegebenenfalls wird ein Prüfprotokoll für den Kunden erstellt. Eine Rückverfolgbarkeit des Auftrags sollte lückenlos möglich sein – dies kann zum Beispiel über Palettenzettel mit Auftragsnummer gewährleistet werden. Beurteilungskriterien für einen effektiven und wirtschaftlichen Produktionsprozess sind unter anderem folgende Prozesskennzahlen: Der Nutzungsgrad der Maschinen, der Produktionsabfall (Ausschuss), die effektive Leistung (Stk./h) sowie die Reklamationsquote.
Abb. 27: Kaschiermaschine zum Aufkaschieren von offsetbedruckten Bogen auf Wellpappe (Quelle: bobstgroup.com)
Unter Logistik versteht man die wirtschaftliche Planung, Steuerung und Durchführung aller Waren- und Materialbewegungen innerhalb und außerhalb des Unternehmens. Die Logistikkette beschreibt den Materialfluss von der Rohstoffbeschaffung in der Papierfabrik (Zulieferer) über den Produktionsprozess der Packmittel im Unternehmen bis zur Auslieferung der produzierten Ware beim Kunden. Parallel dazu muss auch die Entsorgung der anfallenden Produktionsabfälle – wie zum Beispiel Ausschuss, Randbeschnitt und Stanzabfälle – geregelt werden. Logistik im Industriebetrieb wird unterteilt in Beschaffungs-, Produktions- und Absatz- beziehungsweise Lagerlogistik. Die Logistikabteilung erstellt die Lieferpapiere und regelt den Versand der Fertigware. Sie ist ist zuständig für den Materialfluss – von der Rohstoffbeschaffung bis zur Lieferung des fertigen Produktes an den Kunden. Optional kann, wenn eine hauseigene Spedition vorhanden ist, die Tourenplanung durchgeführt und optimiert werden. Ausgelöst wird dieser Prozess, wenn aus der Produktion die Meldung der Versandbereitschaft eintrifft. Die Abteilung erfüllt ihren Prozessauftrag, indem sie den Lieferschein sowie die Ladeliste erstellt und die termingerechte Zustellung zum Kunden organisiert.
Abb. 28: Die gestapelten, vorgefertigten Wellpappbogen werden in einem Beladeroboter für den Kunden, der diese auf einer Abpackmaschine aufstellt, versandfertig gemacht (Quelle: Minda.de)
Unterstützende Prozesse/Teilprozesse leisten keinen direkten Wertschöpfungsbeitrag, sind aber nötig, damit die Kernprozesse/Hauptprozesse zielgerichtet ablaufen können. Beispiele für unterstützende Prozesse sind die Packmittelentwicklung, der Druckvorstufenprozess, das Qualitätswesen sowie die Informations- und Kommunikationstechnik. Aber auch der Wareneinkauf und die Wartung- und Instandhaltung der Betriebsmittel gehören zu den unterstützenden Prozessen. Im weiteren Verlauf sollen einige Support-Prozesse exemplarisch etwas genauer betrachtet werden.
Die Darstellung zeigt, welche Inputs notwendig sind, um den Druckprozess in Gang setzen zu können.
Abb. 29: Hier sind die unterstützenden Prozesse, Design und Druckvorstufe für den Kernprozess „Produktion“, Teilprozess „Drucken“, dargestellt. Der Informationsfluss zwischen den einzelnen Teilprozessen findet über das ERP-System beziehungsweise Telefon statt. Auch der Materialfluss wird über das ERP-System gesteuert. Die realen Materialbewegungen werden zwischen Roh- und Hilfsstofflager durch Transportsysteme realisiert. (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Aufbereitung der Druckdaten wird in der Abteilung „Druckvorstufe“ in sinnvolle Teilschritte zerlegt. Die Verteilung der Arbeitsaufgaben sowie die Verantwortung für den Prozess „Druckvorstufe“ übernimmt der Leiter „Druckvorstufe“. Input für diesen Prozess sind die Information aus der Designabteilung und die Rohlinge der Druckplatten. Ziel dieses Prozesses sind einsatzfähige Druckplatten für die jeweilige Druckabteilung.
Das Qualitätsmanagement ist heute in jedem Unternehmen verankert. Jeder Prozess sollte sich dem Blick aus der Qualitätsperspektive unterziehen. Denn Qualität ist die bestmögliche Erfüllung der gestellten Kundenanforderungen. Über die Erfüllung der Anforderungen entscheidet einzig und allein der Kunde. Unternehmen tragen dem Trend zu immer höheren Kundenerwartungen durch ständige Qualitätsver- besserung Rechnung.
Der Unternehmenserfolg eines Packmittel erzeugenden Betriebes wird von der Qualität des Packmittels, dem Preis und der termingerechten Lieferung bestimmt.
Qualitäts-Definition nach DIN 55350 Qualität ist „die Beschaffenheit einer Einheit bezüglich ihrer Eignung, festgelegte und vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen“. |
Folgende Ziele des Qualitätsmanagements lassen sich daraus ableiten:
Zielgerichtete, geplante und gesteuerte Prozesse sind notwendig (Qualitätsplanung). Alle im Unternehmen beteiligten Personen müssen in diesen Qualitätsverbesserungsprozess einbezogen werden (Quali- tätsverbesserung). Hier geht es um die persönliche Einstellung jedes Mitarbeiters (Qualitätslenkung). Insbesondere soll durch das Qualitätsmanagement die Produktqualität durch regelmäßige Prüfverfahren gesichert werden (Qualitätsprüfung). Warum all das so wichtig ist: Damit das Unternehmen konkurrenzfähig bleibt, müssen die Produkte fehlerfrei und rechtzeitig am Markt sein; nur beste Qualität bindet Kunden langfristig an das Unternehmen. Der gesamte Qualitätssicherungsprozess ist fortlaufend zu protokollieren, um bei eventuell auftretenden Reklamationen Fehler zurückverfolgen zu können. Dazu ist ein QM-Handbuch notwendig, in dem alle Maßnahmen des Qualitätsmanagements klar definiert sind (Qualitätsmanagementdarlegung). Auch das Qualitätsmanagement (= QM) selbst muss in regelmäßigen Abständen überprüft werden (Qualitätsaudit. Audit kommt vom lateinischen audire (hören) und bedeutet Anhörung.). Das bedeutet, dass alle am Produktionsprozess beteiligten Stationen vom Kundenauftrag bis zur fertigen Verpackung beteiligt werden müssen.
Abb. 30: Der Qualitätskreis nach DIN 55350 lässt sich auf den gesamten Produktlebenszyklus eines Packmittels übertragen (Quelle: Eigene Darstellung)
Ein Qualitätsmanagementsystem erfordert, dass es vom Kunden anerkannt wird. Der Kunde muss sich auf die Kompetenz des eingeführten Qualitätsmanagementsystems verlassen können. Dafür sorgen sogenannte Zertifizierungsgesellschaften, die von verschiedenen Institutionen (Anerkennung und Kontrolle von Zertifizierungsgesellschaften durch EQS = European Committee for Quality System Assessment) da- für autorisiert sind, eine Zertifizierung nach DIN ISO 9000 durchführen zu können.
ISO 9000 steht für eine Normenreihe, die von der International Organization for Standardization (ISO) herausgegeben wird. In Deutschland erfolgt die Herausgabe der Norm durch das Deutsche Institut für Normung (DIN) in Berlin.
Die Zertifizierung zeigt auf, dass ein angemessenes Vertrauen in die Normkonformität besteht. Die Bestätigung durch einen unparteiischen Dritten (akkreditierte Stelle) gewährleistet, dass die Zertifizierung nach einer vorgegebenen Norm erfolgt ist. Das Ergebnis einer Zertifizierung ist ein Zertifikat.
In den beiden folgenden Abschnitten werden exemplarisch Inhalte dargestellt, die im QM-Handbuch eines Unternehmens genau beschrieben sein müssen.
Prüfplan für einen Blockbodenbeutel
Im folgenden Abschnitt wird der Prüfplan eines Blockbodenbeutels, der vor der Produktionsfreigabe vom Maschinenführer zu unterzeichnen ist, kurz dargestellt. Welche Qualitätsmerkmale sind für einen qua- litativ hochwertigen Blockbodenbeutel beurteilungsrelevant?
Das Prüfintervall, bei dem eine Stichprobe gezogen werden soll, muss festgelegt sein. Es wird mit Datum und Uhrzeit in einem entsprechenden Formular protokolliert – zum Beispiel alle 2000 Stück. Der verwendete Rohstoff muss mit Lieferantenbezeichnung und Chargennummer festgehalten werden. Nur so lässt sich bei später auftretenden Mängeln eine Rückverfolgbarkeit gewährleisten. Dies ist wichtig, wenn es um die Frage geht, wer für den entstandenen Schaden aufkommen muss.
Als Erstes sind Beutelabmessungen zu prüfen. Die Druckqualität muss gemäß Druckvorlage kontrolliert werden. Die Längsnahtklebung und die Bodenklebung werden von Hand auf Festigkeit überprüft. Dies erfordert die nötige Erfahrung der ausführenden Prüfperson. Insgesamt hat der Maschinenführer eine Qualitätsbeurteilung abzugeben, die vom Schichtführer zu kontrollieren ist. Besondere Vorkommnisse sind in den Prüfplan einzutragen.
Qualitätskontrolle von Packstoffen im Materialprüflabor
Zur standardisierten Materialprüfung wurden im Laufe der Jahre für nahezu alle Papiere und den daraus gefertigten Verpackungen auf wissenschaftlicher Basis Prüfsysteme entwickelt, wie sie kaum ein anderes Verpackungsmaterial in dieser Vielfalt aufzuweisen hat.
Aus diesen Prüfsystemen beziehungsweise Prüfverfahren wurden und werden Normen erarbeitet. In Deutschland heißen sie DIN-Normen (DIN = Deutsches Institut für Normung), für Europa gelten EN-Normen (EN = European Norm), international sind sie in den ISO-Normen festgelegt (ISO = International Organization for Standardization). Normen, die einander angepasst wurden, werden teilweise mit kombinierten Bezeichnungen geführt, z. B. DIN EN ISO 536, in der die Ermittlung der flächenbezogenen Masse genau beschrieben ist. DIN, EN, ISO – das sind deutsche, europaweit und international gültige Normen. Sie garantieren, dass entsprechend gekennzeichnete Produkte bestimmte Mindestanforderungen einhalten.
Der Verband der Wellpappenindustrie e.V. hat vor Jahren schon einen in Sorten eingeteilten Standard entwickelt. Auf diesem Standard aufbauend ist die Norm DIN 55468 erarbeitet worden. Die dort genormten Sorten fordern bestimmte Werte – unabhängig von den eingesetzten Rohstoffen und Flächengewichten.
Abb. 31: Wellpappenverpackungen, die diesen Vorschriften entsprechen, können mit dem VDW-Prüf- und Überwachungszeichen bedruckt werden. Neben der Kennzeichnung der Wellpappenverpackungen mit dem VDW-Zeichen ist die Kennzeichnung auch mit dem RAL- Zeichen möglich, soweit die Wellpappensorte den Vorgaben der RAL-Gütevorschrift GZ 492 entspricht und geprüft ist (Quelle: wellpappe-wissen.de, ral-wellpappe.de)
Die genauen Anforderungen an die einzelnen Wellpappsorten sind in der DIN 55468 festgelegt. Die Inhalte und die genauen Prüfverfahren sind auch Teil der Ausbildung zum Packmitteltechnologen und werden zu einem späteren Zeitpunkt genau behandelt.
Der Verpackungsentwicklungsprozess nimmt unter den Support-Prozessen eine Sonderstellung ein. Von einer innovativen Entwicklungsabteilung gehen viele positive Impulse für den gesamten Unternehmens- erfolg aus. Eine durchdachte und bis ins Detail fehlerfreie Entwicklung unter vorausschauendem Einbezug der später noch folgenden Prozesse erspart viel zeitintensive Nacharbeit in der Wertschöpfungskette. Unter Aspekten des Qualitätsmanagements ist ein Fehler, der zu Beginn gemacht wird, ein besonders schwerer, da er sich durch die gesamte Prozesskette durchzieht.
Der Verpackungsentwicklungsprozess wird durch den Kunden angestoßen, der auf der Suche nach Erledigung einer konkreten Verpackungsaufgabe ist. In einem ersten Gespräch erörtern ausgebildete Ansprechpartner im Verkauf gemeinsam mit dem Interessenten die Anforderungen an die Verpackung. Diese Verpackungseigenschaften werden in der Regel in einer Checkliste erfasst. Ideal ist als Grundlage einer solchen Besprechung ein Produktmuster oder vielleicht sogar ein 3D-Datensatz des zu verpackenden Gutes. In der Entwicklung von Verpackungen aller Art stehen heute Hochleistungsrechner mit moderner CAD-Software zur Verfügung. Diese sind zum reibungslosen Informationsaustausch über das ERP-System vernetzt. Zur richtigen Materialauswahl werden die entsprechenden Materialtests aus dem Prüflabor herangezogen. Inzwischen arbeiten erfahrene, kreative Verpackungsentwickler an der optimalen Lösung der Verpackungsaufgabe. Mit den ersten 3D-Entwürfen wird der Kunde kontaktiert.
Abb. 32: Intelligente 2D- und 3D-CAD-Software ist der Schlüssel zur erfolgreichen Entwicklung von komplexen Verpackungssystemen. Mit der 3D-Darstellung ist eine komplette Visualisierung der virtuellen Verpackung möglich (Quelle: erpa.de)
Parallel wird in der Kalkulation der voraussichtliche Preis der Verpackung unter Einbezug der Informationen aus der Entwicklungsabteilung erarbeitet. Der Kunde kann so lange in Ruhe die Ideen prüfen und gegebenenfalls seine weiteren Vorstellungen direkt in den Entwicklungsprozess einfließen lassen. Wenn der Kunde mit dem Entwurf zufrieden ist, wird aus dem CAD-Datensatz am Schneidplotter/Cutter ein erstes Handmuster erstellt. Ist der Kunde vor Produktionsbeginn auch noch an einem mit allen Designdaten gestalteten Farbmuster interessiert, oder handelt es sich um eine Kleinserie bis rund 200 Stück, so kann vor dem Cut-Prozess das Material auf einem Digitaldrucker mit der eigentlich erst später zu realisierenden Designvorlage bedruckt werden.
Abb. 33: Mit einem Flachbettdigitaldrucker kann sowohl Rollenmaterial als auch Bogenware (Papier, Karton, Wellpappe, Verbundmaterial) direkt bedruckt werden (Quelle: erpa.de)
Ist der Interessent mit dem Handmuster und dem kalkulierten Angebot zufrieden, so kommt es zur Auftragserteilung durch den Kunden. Der Entwicklungsprozess ist vorerst abgeschlossen, die Abteilung wird aber während des weiteren Produktionsprozesses immer wieder mit Aufgaben (zum Beispiel Datenaufbereitung für die Druckvorstufe und den Stanzformenbau) konfrontiert werden. Je nach dem geforderten Liefertermin beginnt nun die Auftragsvorbereitung mit der Koordination aller für die Produktion wichtigen Vorgänge.
Verpackungen haben viele Funktionen über den Schutz des Verpackungsgutes hinaus. Sie informieren beispielsweise über Produkte und deren Haltbarkeit. Sie können durch eine gute Aufmachung Kaufent- scheidungen beeinflussen. Und sie können helfen, Ressourcen zu schonen.
In Deutschland wurden im Jahr 2011 rund 20 Millionen Tonnen Packmittel im Wert von etwa 32,1 Milliarden Euro hergestellt. Die Verpackungsproduktion hat damit einen Anteil von rund 1,5 % am Brutto- inlandsprodukt, dem Wert aller Waren und Dienstleistungen unserer Volkswirtschaft.
Verpackungen aus Papier, Karton und Pappe hatten 2011 mit 47,6 % den größten Anteil an der mengenmäßigen Verpackungsproduktion – gefolgt von Verpackungen aus Kunststoff (21,7 %), Glas (21,9 %) und Metall und Aluminium (8,8 %).
Abb. 34: Verpackungsmaterialien und ihre Produktionsmengenanteile in der Verpackungsindustrie
Die Verpackung wird nicht um ihrer selbst willen hergestellt. Sie soll vielmehr andere Waren vor Beschädigung, Verderb und Verlust schützen sowie verkaufs-, lager- und versandfähig machen. Die Verpackung ist unverzichtbare Voraussetzung für einen funktionierenden Warenaustausch.
Aufgaben der Verpackung sind die Schutz-, Distributions-, Informations- und Werbefunktion. Hinzu kommen Anforderungen an die Funktionsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit der Verpackung sowie ihrer Übereinstimmung mit den geltenden Verpackungsvorschriften.
Der Schutz der Waren gegen Beschädigung und Verderb ist zentrale Aufgabe der Verpackung. Die Verpackung muss sicherstellen, dass ein Erzeugnis auf dem Weg zwischen Herstellung und Verbrauch keine Qualitätsminderung erfährt. Sie schützt Waren vor Transportschäden und vor klimatischen, biologischen sowie chemischen Einflüssen. Sie schützt umgekehrt aber auch den Menschen und die Umwelt, wenn es zum Beispiel um den Transport gefährlicher Güter geht.
Was passiert, wenn Verpackungen fehlen oder unzureichend sind, zeigt sich in Entwicklungsländern: Dort verderben lebenswichtige Nahrungsmittel oder gehen ganz verloren, nur weil sie nicht geeignet verpackt sind. Erst durch angemessene Verpackungen wird die Versorgung einer wachsenden Weltbevölkerung mit Nahrungsmitteln möglich und können Ressourcen geschont werden.
Die Distribution (= Verteilung) vieler Güter wird durch die Verpackung überhaupt erst möglich. Lebensmittel, Verbrauchs- und Gebrauchsgüter sind bei uns an allen Orten zu jeder Zeit verfügbar – unabhängig davon, wann und wo sie hergestellt worden sind. Man braucht eine gut entwickelte Verpackungstechnik, um Waren wirtschaftlich und umweltverträglich zu lagern und zu transportieren.
Die Verpackung ist Träger wichtiger Informationen über das Füllgut. Sie informiert zum Beispiel über Qualitäts-, Gewichts- und Mengenangaben und Haltbarkeitsdauer. Sie gibt Gebrauchs- und Verbrauchs- hinweise usw.
Die Verpackung als Werbeträger ermöglicht dem Hersteller, sein Produkt durch die Verpackungsgestaltung von vergleichbaren Erzeugnissen abzuheben. Die Verpackung steht heute im Mittelpunkt der Kom- munikation mit dem Verbraucher und entscheidet damit vielfach über den Markterfolg. Dies gilt nicht nur für die traditionelle Verkaufsverpackung, sondern mehr und mehr auch für Transportverpackungen, die als „Shelf Ready Packaging“ Transport- und Werbefunktionen vereinen (Shelf ready = fertig fürs Verkaufsregal).
Das optimale Preis-Leistungs-Verhältnis einer Verpackung hängt von folgenden Faktoren ab:
– Effizienz von Packstoff und Packmittel
– Kosten des Abpackprozesses
– Distributionsaufwand
– Werbewirksamkeit
– Entsorgungsaufwand
In Deutschland entfallen durchschnittlich nur zwei Prozent des Warenwerts auf die Verpackung.
Ökologie und Nachhaltigkeit sind heute Standardansprüche an die Verpackung. Diese soll ressourcenschonend und wiederverwertbar sein und für eine umweltverträgliche Warendistribution sorgen.
Hersteller von Verpackungen müssen Ökologie und Funktion in Einklang bringen. Dabei geht es zum Beispiel darum, wie mit einem ressourcenschonenden Materialeinsatz eine stabile Verpackung entstehen kann. Dadurch wird die Verpackungsplanung und -gestaltung immer komplexer.
Hier erfahren Sie mehr über die umfassenden Regeln, die der Staat in Sachen „Verpackung“ setzt. Dies reicht von der „Produktverantwortung“ in der Kreislaufwirtschaft (Recycling) bis zu lebensmittelrechtlichen Vorschriften.
Bereits 1991 hat der Staat der Verpackungswirtschaft die „neue Produktverantwortung“ in der Kreislaufwirtschaft auferlegt. Dies geschah über die Verpackungsverordnung. Diese verpflichtete die Wirtschaft, Verpackungen nach Gebrauch zurückzunehmen und stofflich wiederzuverwerten. Bis zu diesem Zeitpunkt waren ausschließlich die Gemeinden für die Abfallentsorgung zuständig gewesen.
Die Verpackungsverordnung schreibt folgende Mindest-Recyclingquoten vor:
__________________________________________________________________________________
Max M. 28.11.19
Seit 01.01.2019 gilt nicht mehr die Verpackungsverordnung, sondern das juristisch höherrangige Verpackungsgesetz
Siehe Link: https://verpackungsgesetz-info.de/
Verpackungen aus Papier, Karton und Pappe werden zu rund 50 Prozent für Produkte der Ernährungsindustrie eingesetzt. Die Sicherheit der Lebensmittel und damit der Verbraucher nimmt dabei einen zentralen Stellenwert für die Verpackungshersteller ein. Lebensmittelproduzenten und Verpackungshersteller sind gleichermaßen verantwortlich dafür, dass rechtliche Regelwerke zur Lebensmittelsicherheit eingehalten werden. Die Verpackungsmittel herstellenden Unternehmen müssen sich im Lebensmittelsektor mit einem komplizierten staatlichen Regelwerk auseinandersetzen.
Rechtliche Grundlage (Rahmenverordnung) für den Einsatz von Verpackungen mit Lebensmittelkontakt ist die europäische Verordnung 1935/2004/EG vom 24. Oktober 2004 über Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen. Diese gilt nach Art. 1 Abs. 2 für Materialien und Gegenstände, die als Fertigerzeugnis
a) dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen oder
b) bereits mit Lebensmitteln in Berührung sind und dazu bestimmt sind oder
c) vernünftigerweise vorhersehen lassen, dass sie bei normaler oder vorhersehbarer Verwendung mit Lebensmitteln in Berührung kommen oder ihre Bestandteile an Lebensmittel abgeben.
Nach Art. 3 Abs. 1 sind „Materialien und Gegenstände (...) nach guter Herstellungspraxis so herzustellen, dass sie unter den normalen oder vorhersehbaren Verwendungsbedingungen keine Bestandteile auf Le- bensmittel in Mengen abgeben, die geeignet sind,
a) die menschliche Gesundheit zu gefährden oder
b) eine unvertretbare Veränderung der Zusammensetzung des Lebensmittels herbeizuführen
c) oder eine Beeinträchtigung der organoleptischen Eigenschaften der Lebensmittel herbeizuführen“.
Nach Art 16 Abs. 1 sind sogenannte Konformitätserklärungen nur für solche Lebensmittelbedarfsgegenstände abzugeben, für die es spezifische Detailregelungen gibt. Diese gibt es bislang weder für Papier / Karton / Pappe noch für Druckfarben, Lacke oder Klebstoffe.
Ein weiteres europäisches Regelwerk ist die Verordnung 2023/2006/ EG vom 22. Dezember 2006 über gute Herstellungspraxis für Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen (GMP-Verordnung).
Mit dieser Verordnung werden für die in Anhang 1 der Rahmenverordnung 1935/2004/EG aufgeführten Materialien, für die es (noch) keine spezifischen Richtlinien gibt, Regeln für die gute Herstellungspraxis festgelegt.
Danach ist zur Produktion von Lebensmittelbedarfsgegenständen nach den Prinzipien der „Guten Herstellungspraxis“ ein angemessenes Qualitätssicherungs- und -kontrollsystem zu implementieren und zu dokumentieren („Konformitätsarbeit“). Diese Dokumentation ist auf Verlangen den Behörden vorzulegen.
Sogenannte Einzelmaßnahmen gemäß Art. 5 der Rahmenverordnung 1935/2004/EG gibt es für Papier, Karton und Pappe nicht. Dass Verpackungen aus Papier, Karton und Pappe den Vorgaben des Art. 3 der Verordnung entsprechen, kann in Deutschland mit der Einhaltung der Empfehlung XXXVI des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), die Anforderungen an die fertigen Produkte und die eingesetzten Stoffe be- schreibt, belegt werden. Die BfR-Empfehlung XXXVI regelt unter anderem den Einsatz von Altpapier für Verpackungen aus Papier, Karton und Pappe mit Lebensmittelkontakt.
Die Wahl der geeigneten Verpackung ist eine Aufgabe für Spezialisten, denn unterschiedliche Güter erfordern ebenso unterschiedliche Verpackungen. Die Wahl der Packstoffe und der Packmittelgestaltung müssen sich danach richten,
• ob es sich bei dem zu verpackenden Gut um einen pulverisierten, festen, flüssigen, fettigen oder gasförmigen Stoff handelt,
• ob die Verpackung sauerstoff-, feuchtigkeits- oder aromadicht sein muss und
• ob sie vor extremen Temperaturen, vor Stoß, vor Verderb und vor Substanzveränderungen schützen soll.
Das erfordert Packstoffe mit den unterschiedlichsten Eigenschaften: Papier, Karton und Pappe, Kunststoff, Metall, Glas, Holz und Verbund- packstoffe (zum Beispiel Papier kombiniert mit Kunststoff- oder Metall- folien). Bei der Wahl der geeigneten Packstoffe und Packmittel spielen nicht nur technische, sondern auch wirtschaftliche Überlegungen eine wichtige Rolle, denn die Verpackungskosten hängen zum wesentlichen Teil von den Rohstoffpreisen ab.
Projekte in einem Packmittel erzeugenden Betrieb können sehr verschiedenartig sein. Sie reichen von Kartonverpackungen für Flüssigkeiten, Etiketten, Säcken, Beuteln und Tüten, Transportverpackungen aus Wellpappe, Schachteln für z.B. den Pizza-Bringdienst, Blister-Verpackungen für die Verkaufspräsentation bis Thekendisplays für z.B. Bücher - es gibt eine schier unglaubliche Vielfalt an Verpackungen. Unter Blistern (= Blase, Bläschen) versteht die Verpackungsindustrie eine Produktverpackung, bei der Kunden den verpackten Gegenstand sehen können.
Je nach Art und Einsatzzweck des Packmittels wird gemäß deutscher Verpackungsverordnung unterschieden zwischen:
• Transportverpackungen: zum Beispiel Fässer, Kanister, Kisten, Säcke, Paletten, Kartonagen, geschäumte Schalen, Schrumpffolien und ähnliche Umhüllungen, die vor allem dem Warentransport dienen.
• Verkaufsverpackungen: Verpackungen aller Art, die als Verkaufseinheit angeboten werden.
• Umverpackungen: zum Beispiel Blister, Folien, Kartonagen oder ähnliche Umhüllungen, die als zusätzliche Verpackungen um Verkaufsverpackungen verwendet werden.
• Serviceverpackungen: Verkaufsverpackungen des Handels, der Gastronomie und anderer Dienstleister, die die Übergabe von Waren an die Endverbraucher ermöglichen – dazu gehören zum Beispiel Bäckertüten, Pizzaschachteln aus der Pizzeria, Tortenschachteln aus der Konditorei, Pappschalen und -becher.
• Verpackungen für schadstoffhaltige Güter haben eine Sonderstellung. Denn für sie gelten spezielle gesetzliche Regeln.
Papier-, Karton- und Pappeverpackungen sind für eine moderne und arbeitsteilig organisierte Volkswirtschaft unverzichtbar und mengenmäßig die führende Packmittelgruppe. Dazu zählen:
• Wellpappe-Verpackungen
• Faltschachteln
• Kartonverpackungen für Flüssigkeiten (Getränkekartons)
• Vollpappe-Kartonagen
• Flexible Verpackungen
• Papiersäcke
• Hartpapierwaren und Rundgefäße
• Etiketten und Selbstklebeetiketten
Abb. 35: Umsatzentwicklung von Verpackungen aus Papier, Karton, Pappe und Folien 2004–2012 – Jahresumsatz in Mrd. Euro (Quelle: Statistisches Bundesamt)
Mehr zu Behältern und Etiketten findest du hier:
"Grundlagen der Verpackungstechnologien. Verpackungstechnologie Einführung. Ausgabe Behälter und Etikett.", bereitgestellt von Keyence.
Wellpappe-Verpackungen sind die größte Gruppe unter allen Papier-, Karton- und Pappeverpackungen und die führenden Transportverpackungen. Mehr als zwei Drittel aller in Deutschland hergestellten Waren werden in Wellpappe zu Abnehmern im In- und Ausland transportiert. 2011 wurden in Deutschland rund 5 Millionen Tonnen Wellpappe und Wellpappe-Verpackungen mit einem Produktionswert von rund 4,9 Mrd. Euro hergestellt.
Transportverpackungen aus Wellpappe sind enorm leistungsfähig. Sie gewährleisten den notwendigen Produktschutz, um Waren sicher zu befördern. Wellpappe-Verpackungen sind sehr vielseitig. Damit lassen sich unterschiedlichste Waren zu zweckmäßigen Versandeinheiten zusammenfassen. Die hohe Stabilität der Wellpappe bei niedrigem Gewicht erlaubt eine rationelle Lagerhaltung und einen effizienten Transport.
Die Aufgabe der Transportverpackung endet jedoch längst nicht mehr an der Rampe des Supermarktes oder Discounters. Wellpappe-Verpackungen können hochwertig bedruckt und optimal für die Warenpräsentation gestaltet werden. Transportverpackungen aus Wellpappe nehmen als „Shelf Ready Packaging“ (siehe Kapitel 1.2.3) zunehmend Display-, Werbe- und Verkaufsfunktionen wahr.
Wellpappe besteht durchschnittlich zu etwa 80 % aus Recyclingmaterialien und zu nur 20 % aus Frischfasern, die aus Bruch- und Durchforstungsholz aus nachhaltiger Forstwirtschaft gewonnen werden. Nahezu 100 % aller gebrauchten Wellpappe-Verpackungen werden wieder dem Recycling zugeführt.
Im Jahr 2011 haben die rund 240 Unternehmen der deutschen Faltschachtelindustrie 860.000 Tonnen Faltschachteln mit einem Produktionswert von rund 1,9 Milliarden Euro hergestellt. Sie dienten vorrangig als Verkaufsverpackungen für Konsumgüter. Faltschachteln werden zu 58 % in der Lebensmittel-Industrie (Food-Industrie) hergestellt. 42 % gehen in die Non-Food-Industrie.
Da vorrangig Verkaufsverpackungen für Konsumgüter hergestellt werden, ist die Branchenentwicklung unmittelbar vom Kaufverhalten der Konsumenten abhängig. Die wirtschaftliche Entwicklung der Faltschachtelindustrie verläuft entsprechend parallel zur Einzelhandelsentwicklung in Deutschland.
Aus funktioneller Seite spielt bei Faltschachteln die Informationsvermittlung für den Kunden eine kaufentscheidende Rolle. Mehrfachfunktionalität, Stapelbarkeit, Schutz und Sicherheit für das Produkt, zielgruppengerechte Verpackungsgrößen und Umweltverträglichkeit sind einige weitere Beispiele aus dem Anforderungskatalog.
Durch entsprechenden Materialeinsatz sowie abgestimmte Verarbeitung und Veredelung transportiert die Verkaufsverpackung aus Karton auch eine emotionale Botschaft. Eine riesige Formenvielfalt unterstützt dabei die Produktidentität und eignet sich zum Beispiel auch für saisonale Sonderverpackungsformen. Sie unterstützt das Branding eines Produkts, vermittelt Lifestyle-Identifikation und bietet so Kaufanreize. Branding kommt in seiner ursprünglichen Bedeutung vom „Brandzeichen“, mit dem Tierhalter ihre Tiere kennzeichneten. Branding beschreibt heute alle Aktivitäten zum Aufbau einer Marke, mit der eigenes Angebot aus der Masse gleichartiger Angebote hervorgehoben werden soll. Verpackungen sind ein wichtiges Medium für das Branding.
Die Signalwirkungen einer Marke am „Point-of-Purchase“ sind für den Erfolg eines Produktes von großer Bedeutung. Studien zeigen, dass in Faltschachteln abgepackte Produkte schneller und kaufstimu- lierender erkannt werden als in Verpackungen aus anderen Materialien. Dies ist besonders wichtig, weil bis zu 70 % der Einkäufe erfolgen, ohne dass dies vorher geplant war. Der Konsument hat sich vor dem Regal im Angesicht der Produktverpackung zum Kauf entschieden.
2011 wurden rund 500.000 Tonnen Kartonverpackungen für Flüssigkeiten (Getränkekartons) mit einem Produktionswert von ca. 1 Milliarde Euro hergestellt. Die wichtigsten Märkte für Getränkekartons sind Frischmilch sowie Fruchtgetränke, Eistee und Mineralwasser ohne Kohlensäure. Beim Getränkekarton werden unterschiedliche Materialien zu einem Verbund kombiniert: Der Karton sorgt für Stabilität, der Kunst- stoff „Polyethylen“ (PE) macht die Packung dicht, und Aluminium verhindert, dass Licht und Sauerstoff das Füllgut beeinträchtigen. Etwa 20 % eines Getränkekartons bestehen aus PE. Das PE wird aufgeschmolzen – und ein dünner Film wird von beiden Seiten auf die Kartonbahn aufgetragen; man sagt „extrudiert“. Dadurch bleibt die Packung dicht.
2011 wurden rund 540.000 Tonnen Vollpappe-Kartonagen mit einem Produktionswert von ca. 540 Millionen Euro hergestellt. 80 % davon setzte die Ernährungsindustrie ein.
Vollpappe ist der Oberbegriff für alle massiven Pappen (im Gegensatz zu Wellpappe), die einlagig, mehrlagig (gegautscht) oder mehrschichtig (geklebt) hergestellt werden. Die Bezeichnung „Vollpappe“ charakterisiert eine der Haupteigenschaften dieses Packstoffes, nämlich die Dichte und die homogene Struktur, treffend. Altpapier ist der wichtigste Rohstoff für die Herstellung von Vollpappe. Viele Vollpappe-Sorten bestehen bis zu 100 % aus Altpapier, ähnlich wie bei Wellpappe.
Das Spektrum von Verpackungen aus Vollpappe ist sehr vielfältig und umfasst
2011 wurden rund 175.000 Tonnen Etiketten mit einem Produktionswert von rund 1,4 Mrd. Euro hergestellt, davon rund 108.000 Tonnen Selbstklebeetiketten im Produktionswert von rund 955 Millionen Euro.
Die ersten auf Rollen gewickelten selbstklebenden Etiketten kamen 1935 in den USA auf den Markt. Sie waren aus Papier. Seit den 50er-Jahren gibt es sie auch in Deutschland. Selbstklebeetiketten haben in- zwischen viele Funktionen. Sie dienen heute unter anderem:
• der Versiegelung von Verpackungen,
• der Identifikation (RFID), (RFID = „radio-frequency identification“. Übersetzt bedeutet das so viel wie „Identifizierung mit Hilfe elektromagnetischer Wellen“. Mehr dazu im Kapital 4.5.)
• der Anzeige einer intakten Kühlkette (TTI) (TTI = Time Temperature Indicator System. Diese Etiketten verändern unter Einfluss von Wärme ihre Farbe. Sie zeigen damit zum Beispiel an, ob
ein Produkt immer lückenlos gekühlt und zum Beispiel nie angetaut war. Fachleute nennen das eine lückenlose Kühlkette.) und
• der Unterstützung des Marketingauftrittes eines Produktes.
Damit heben sie die eigene Ware von der des Wettbewerbs ab, erzeugen Sympathie und wirken verkaufsfördernd. Etiketten sind damit nicht mehr nur ein Mittel zur Produktkennzeichnung, sie dienen in vielen Fällen auch der Produktausstattung.
Selbstklebende Etiketten werden heute in großer Vielfalt und in einer breiten Materialpalette angeboten. Dies beeinflusst ganz entscheidend die Wirtschaftlichkeit ihrer Verwendung. Voll- und halbautomatische Etikettierer werden in Bereichen eingesetzt, an die vor einigen Jahren niemand dachte. Diese Geräte arbeiten entweder als selbstständige Etikettierstationen, oder sie werden in die Verpackungsphase integriert. Verpackungs- und Etikettiermaschinenhersteller arbeiten auf diesem Gebiet eng zusammen.
Der Etikettendruck wird oft auch als „Schmalbahndruck“ bezeichnet. Dies liegt daran, dass Etiketten in aller Regel mit einen Bahnbreite von 500 Millimeter oder weniger durch die Druckmaschine laufen. Andere Druckbereiche (Akzidenzdruck) haben zumeist deutlich mehr Arbeitsbreite.
Akzidenz kommt aus dem lateinischen accidentia – das Zufällige, das Veränderliche, das Hinzukommende. Akzidenzdruck bedeutet: Gelegenheitsdrucksachen wie beispielsweise Prospekte, Broschüren oder Speisekarten.
Flexible Verpackungen sind Packmittel, die erst im befüllten Zustand ihre raumfüllende, kompakte Form erhalten. Zum Endkunden kommen flexible Verpackungen entweder schon befüllt als industrielle Vorverpa- ckungen – zum Beispiel für Mehl, Zucker, Kaffee, Chips oder Tiefkühlkost. Oder sie werden unbefüllt als Serviceverpackungen angeboten – die Befüllung erfolgt dann erst an der Ladentheke – zum Beispiel als Brötchentüte oder als Tragetasche im Supermarkt.
In Deutschland werden rund 2,2 Mio. Tonnen flexible Verpackungen im Jahr in Verkehr gebracht.
Rund 80 % der flexiblen industriellen Vorverpackungen werden im Nahrungs- und Genussmittelsektor eingesetzt. Weitere 10 % werden im medizinisch/pharmazeutischen Bereich und 5 % im industriellen Sektor verwendet. Lebensmitteleinzelhandel, Bäckereien und Metzgereien, Textilhandel und viele andere Handelsbereiche verwenden flexible Serviceverpackungen aus Papier und Kunststoff.
Flexible Verpackungen bestehen aus Papier, Folien oder Materialkombinationen. Durch die Vielzahl der Materialien und ihrer möglichen Kombinationen können sie die Forderungen des Marktes nach verbesserten Barriere-Eigenschaften, einfacher Handhabung, Wiederverschließbarkeit, Individualisierung und kleineren Verpackungseinheiten optimal erfüllen. Sie sind leicht und sie kosten in der Herstellung und vom Material her vergleichsweise wenig. Und sie sind geeignet für eine weite Anwendungspalette. All das macht sie zu erfolgreichen und wachstumsstarken Verpackungen. Sie bieten ein hervorragendes Produkt-Verpackungs-Verhältnis: So verpackt zum Beispiel nur ein Kilogramm Polyethylenfolie über 300 Kilogramm Pommes frites. Flexible Verpackungen kosten auch wenig Rohstoffe und Energie. Sie sind leicht zu transportieren und wiederverwertbar. All das macht sie auch zu einer nachhaltigen Verpackungslösung.
2011 wurden in Deutschland rund 800 Millionen Papiersäcke mit einem Produktionswert von rund 218 Millionen Euro hergestellt.
Papiersäcke sind eine universell einsetzbare, einfach zu handhabende, preiswerte und ökologische Verpackung für kleinteilige Güter beziehungsweise Massenschüttgüter wie Zement, Kalk, Düngemittel, chemische Grundstoffe, Farben und Kunststoffgranulat sowie Nahrungs- und Futtermittel. Papiersäcke eignen sich gut, um körnige, granulierte, pulverförmige oder in Brocken anfallende Güter zu verpacken. Die Papiersackindustrie bietet für diese Anwendungsgebiete jeweils maßgeschneiderte Lösungen an. Der moderne Papiersack ist häufig eine kundenspezifische Hightech-Verpackung. Die wichtigsten Kunden der Papiersackindustrie sind die Zement- und Baustoffindustrie, die chemische Industrie, die Düngemittelindustrie und die Nahrungsmittelindustrie.
Der Papiersack ist ein hauptsächlich aus einer oder mehreren flachgelegten Papierschlauchlagen befestigtes und mindestens an einem Ende geschlossenes Behältnis. Ein wesentliches Merkmal des Papiersacks ist die Möglichkeit der Zusammenstellung der Sackwandung beziehungsweise des Schlauches aus mehreren Lagen Kraftsackpapier, das mit anderen flexiblen Materialen wie zum Beispiel Kunststoff kombiniert werden kann. Normalerweise bewegt sich die Anzahl der Lagen zwischen zwei und sechs. Jede der einzelnen Lagen nimmt einen Teil der Beanspruchung auf, die der Papiersack während des Gebrauchs erfährt. Papiersäcke werden heute mit hoch spezialisierten Produktionsmaschinen hergestellt.
Papiersäcke werden zu 100 % aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt und nach dem Gebrauch in Deutschland flächendeckend gesammelt und zu einem hochwertigen Sekundärrohstoff aufbereitet, der teilweise wieder zu Papiersäcken verarbeitet werden kann.
2011 wurden rund 130.000 Tonnen Hartpapierwaren und Rundgefäße mit einem Produktionswert von ca. 163 Mio. Euro hergestellt.
Die Branche „Hartpapierwaren und Rundgefäße“ umfasst die Produktgruppen:
• Wickelkerne (keine Verpackungen), Hülsen und Rohre
• Kombidosen und Kombitrommeln
• Becher und Schalen
Rund 50 Hersteller in Deutschland produzieren jährlich insgesamt etwa 350.000 Tonnen Hartpapierwaren im Produktionswert von € 450 Mio. (ohne Hartpapierbecher und -schalen). Über 55 % dieser Produktion entfallen dabei auf Wickelkerne, Hülsen und Rohre – der Rest auf auf Dosen, Trommeln, Becher und Schalen.
Wickelkerne/Hülsen und Rohre
Wickelkerne beziehungsweise Hülsen und Rohre bestehen zu über 90 % aus recyceltem Altpapier. Die Bandbreite der Einsatzmöglichkeiten reicht von Wickelkernen der kleinen Textilrolle über Wickelkerne für Papier-, Folien- und Teppichrollen bis hin zu Schalungsrohren in der Bauindustrie und – mengenmäßig ein geringer Teil – zu Versandhülsen. Letztere sind als Verpackungen einzuordnen, während industriell eingesetzte Wickelkerne, auf die flächige Materialien aufgewickelt werden, als Bestandteil einer Maschine (Achse) gelten.
Die Wickelkernindustrie liefert ihre Produkte hauptsächlich an folgende Industriezweige:
• an die Papierindustrie für Verpackungs-, Druck-, Dekor- und Hygienepapiere sowie für technische Papiere,
• an die Folienindustrie für Lebensmittel-, Verpackungs-, Stretch- und Baufolien sowie für technische und medizinische Folien bis hin zu hochsensiblen Film- und Fotomaterialien,
• an die Textilindustrie für Fäden, Garne, Stoffe und für großflächige Gewebe, wie Teppiche, Böden oder andere Bodenbelege.
Wickelkerne/Hülsen und Rohre fließen seit Jahren in den Stoffkreislauf zurück.
Kombidosen und Kombitrommeln
Insgesamt werden in Deutschland Kombidosen und -trommeln im Wert von rund 150 Millionen € im Jahr hergestellt. Kombidosen/-trommeln werden als wirtschaftliche Verpackung eingesetzt in:
• der Lebensmittel- und Nährmittelindustrie für Kaffee- und Instantprodukte, Snacks, Milchpulver, Fette und Öle,
• der Pharmazie,
• der Wasch- und Reinigungsmittelindustrie,
• der Tabak- und Zigarettenindustrie,
• der Mineralölindustrie,
• technischen Bereichen (zum Beispiel als Verpackung von Dichtungen).
Heute ist die Kombidose eine maßgeschneiderte zeitgemäße Verpackungslösung, die wegen ihrer ausgezeichneten Dekoration auch unter Marketingaspekten gefragt ist. Die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten an Materialien und Verschlüssen haben der Kombidose ihren Namen gegeben. Der Verpackungskörper ist rund oder unrund, bevorzugt aber modulgerecht und besteht aus verschiedenen Schichten. Die Hauptschicht, also der eigentliche Verpackungskörper, wird zu über 80 % aus Recyclingpapier gefertigt. Darauf wird während des Wickelprozesses eine Barrierefolie kaschiert, die dem jeweiligen Füllgut angepasst ist und aus Papier, Aluminium oder Kunststoff besteht. Als äußerste Schicht wird das Etikett aufkaschiert.
Becher und Schalen
Der Absatz von Hartpapierbechern und -schalen wird oft unterschätzt. Allein der tägliche Konsum von Coffee-to-go-Bechern verschiedener Größen ist außerordentlich hoch. Dazu kommen die Pappbecher und Pappschalen, in denen Suppen, Snacks, Salate und vieles andere verkauft werden. Auch Fast-Food-Restaurants brauchen sehr große Mengen an Papierbechern (Heißgetränke, Kaltgetränke, Salatschalen).
Becher und Schalen für den industriellen Gebrauch werden teilweise mit einer Aluminiumschicht kaschiert, um den Barriere-Effekt zu gewährleisten, sodass leicht verderbliche Erzeugnisse länger haltbar sind.
Dieser Abschnitt informiert darüber, wie die theoretischen Grundlagen aus Kapitel 1.1 in die Praxis umgesetzt werden. Da der Packmitteltechnologe in einem sehr breit gefächerten Berufsbild zu Hause ist, werden zum Einstieg verschiedene Praxisbeispiele aus verschiedenen Sparten vorgestellt. Trotz der enormen Vielfalt an Packmitteln, die ein Packmitteltechnologe produzieren kann, zeigen sich gerade an den ausgewählten Praxisbeispielen die vielen gemeinsamen Lerninhalte im Herstellungsprozess der Packmittel. Alle dafür relevanten Lerninhalte werden in der beruflichen Grund- und Fachstufe vermittelt.
Gerade zu Beginn der beruflichen Ausbildung ist es wichtig, dass sich Auszubildende auch über Abläufe in den Betrieben ihrer Mitschüler und Mitschülerinnen informieren. Dadurch wächst einerseits das Verständnis für die vielfältigen Problemstellungen im Berufsfeld des Packmitteltechnologen. Andererseits werden dadurch auch die vielen Einsatzmöglichkeiten im weiteren Berufsleben des Packmitteltechnologen bewusster.
Herausforderung Packmittelvielfalt – beispielhaft wird dies im Folgenden an diesen drei Praxisbeispielen aufgezeigt:
Abb. 36: „Supply-Chain-Management“ – betriebsübergreifende Geschäftsprozesse (Supply-chain = Lieferkette) (Quelle: Eigene Darstellung)
Packmittel begleiten ein zu verpackendes Gut während der gesamten Transportkette. In die Packmittelentwicklung fließen gerade aus diesem Bereich viele Informationen ein. Diese beeinflussen das spätere Erscheinungsbild des Packmittels wesentlich. Deshalb sollten im Entwicklungsprozess auch betriebsübergreifende Prozesse bei Zulieferbetrieben sowie auch bei den „verpackungssuchenden Kunden“ berücksichtigt werden. Dieser Blick über den Tellerrand des eigenen Betriebes hinaus in die Unternehmen der gesamten Wertschöpfungskette eines Produktes wird als Supply-Chain-Management bezeichnet. Supply-Chain-Management beschreibt alle Geschäftsbeziehungen – von den Lieferanten der Lieferanten bis zu den Kunden der Kunden.
Herr Überall ist im Außendienst für den Verpackungskonzern Faltschachtel-Allgäu AG tätig. Der Konzern gehört zu den großen Packmittelherstellern der Lebensmittelbranche. Nach mehreren Telefonaten hatte Herr Überall (Überall, Kaufmann, Market, Prodbeck = fiktive Namen) für Montag, 9 Uhr, endlich einen persönlichen Gesprächstermin bei der Haarburger Fischfabrik (HF) vereinbart. Die HF ist Marktführer für tiefgekühlte Meeresfrüchte. Herr Überall weiß aus Insiderkreisen, dass die HF für ihre Fischstäbchenproduktion eine neue Verpackungslinie plant.
Gut vorbereitet und gut gelaunt erscheint Herr Überall pünktlich zum Meeting bei der HF in Haarburg. Der Fischstäbchen-Produzent ist durch Herrn Kaufmann, Leiter Einkauf, Herrn Market, Leiter der Marketingab- teilung, und Herrn Prodbeck aus der Produktion vertreten. Nach kurzem Small Talk beginnt Herr Überall mit einer kurzen Unternehmenspräsentation der Faltschachtel-Allgäu AG. Geschickt leitet er zu seinem Packmittelportfolio für Tiefkühlprodukte über.
Als Branchenspezialist weiß Herr Überall, worüber er spricht. Von der bis zu acht Farben offsetbedruckten Faltschachtel bis zur kompletten Abpackmaschine für Fischstäbchen ist alles aus einer Hand möglich. Die Herren von der Haarburger Fischfabrik haben sich dazu durchgerungen, einen neuen Generalanbieter für die Verpackung ihrer Fischstäbchen zu suchen. Seit längerem haben sie mit ihren Faltschachteln auf dem Markt Probleme: Die seitliche Klebelasche platzt beim Öffnen öfter auf – und die Kunden sind deshalb unzufrieden. Weiter traten in unterschiedlichen Chargen erhebliche Farbunterschiede an den Packungen auf. Herr Überall zeigt den Interessenten einige Produktbeispiele bereits produzierter ähnlicher Produkte.
Je mehr Informationen man im Vorfeld über die Bedürfnisse eines Kunden hat, umso gezielter kann man sein Angebot darauf abstimmen. |
Die Herren aus der Fischfabrik sind auf der Suche nach einer Tiefkühlverpackung für 10er-Fischstäbchen, 5-farbig bedruckt plus Lack. Die Lagerzeit soll maximal zwei Jahre bei –18 °C betragen. Die Faltschachteln sollen flachliegend, geklebt beim Kunden angeliefert, maschinell aufgestellt und auf einer Endload-Maschine befüllt werden. Bei Endload wird das Produkt seitlich in die Schachtel ge- schoben, bei Topload wird die Schachtel von oben befüllt. Als Auflage sind 2 Millionen Stück geplant. Herr Überall nimmt die Kundenanforderungen in eine vorbereitete Kundencheckliste auf, die er in seinem Notebook hinterlegt hat.
Kundenbedürfnisse werden über eine Checkliste abgefragt und notiert. Dies ist die Basis für ein detailliertes Kundenangebot. |
Er sendet diese Informationen an die Verkaufsabteilung bei Faltschachtel-Allgäu AG, damit dort ein detailliertes Kundenangebot erstellt werden kann. Dort werden die Daten intern an die Kalkulation und die Entwicklungsabteilung weitergeleitet.
Abb. 37: Kartonverpackungen zeichnen sich durch viele positive Eigenschaften für Tiefkühlprodukte aus (Quelle: iglo; Eigene Darstellung)
Nachdem intern alle Arbeiten zur Erstellung des Kundenangebots abgeschlossen sind, wird Herr Überall eingeladen, dem potenziellen Neukunden das Ganze persönlich vorzustellen. Der HF-Chefeinkäufer, Herr Kaufmann, ist begeistert von der schnellen und reibungslosen Umsetzung seiner Vorstellungen. Das Material, ein auf der Rückseite PE-beschichteter GC, fällt ihm sofort positiv auf. (Die Abkürzung GC steht für „Gestrichener Chromokarton“. PE ist ein Kunststoff.) Eine hoch weiße Außenseite, die fühlbare Biegesteifigkeit und die leichtgängige Aufreißperforation – das ist genau das Material, das ihm vorschwebte. Und der Angebotspreis stimmt auch. Gemeinsam mit Herrn Überall schaut sich Herr Kaufmann noch ein animiertes Video der Abpackmaschine an. Der Handel ist perfekt – und Herr Überall tritt die Heimreise an. Allerdings ist hier hinzuzufügen, dass solche Kundenbesuche nicht immer so erfolgreich verlaufen.
Aus dem Auto informiert Herr Überall den Verkaufsinnendienst. Dieser legt sofort einen neuen Auftrag an. Die Auftragsvorbereitung kontaktiert den Einkauf. Im Einkauf wird abgeklärt, ob der GC 260 g/m² im 6er-Format (102 x 142 cm) noch auf Lager ist oder ob dieser beim Lieferanten bestellt werden muss. Eine Materialbestellung für diesen Auftrag wird veranlasst. Weitere Abklärungen:
• Sind Maschinenkapazitäten frei?
• Sind alle erforderlichen Druckfarben und Lacke noch am Lager? Oder müssen sie beim Lieferanten geordert werden?
Bestellt wird außerdem eine Endload-Abpackmaschine beim Hersteller Comic. Weiter gibt die Auftragsvorbereitung in der Druckvorstufe die benötigten Stanzwerkzeuge im Stanzformenbau sowie die benötigten Druckplatten in Auftrag.
Hierzu werden die CAD-Zeichnungen aus der Entwicklungsabteilung per Betriebsdatenerfassungs-System direkt an den Stanzformenbau übermittelt. Dort wird nach Zeichnung ein 20-nutziges Flachbettstanzwerkzeug gebaut. Parallel zu diesem Geschäftsprozess kontaktiert die Druckvorstufe die Designagentur der HF. Nachdem die CAD-Zeichnungen der Faltschachtel aus der Entwicklungsabteilung über Internet direkt dort eingetroffen sind, kann die Agentur das Drucklayout auf die Faltschachtelgröße anpassen.
Abb. 38: Standbogen der Offsetdruckform für diesen Auftrag (Quelle: iglo)
Die Druckvorstufe erhält dann von der Agentur eine PDF-X3-Datei zur Erstellung der Offsetdruckplatten. PDF-X3 ist ein speziell für Druckzwecke entwickeltes PDF-Format. Faltschachtel-Allgäu verfügt hier über eine moderne CtP-Anlage (CtP = Computer to Plate = Belichtungsverfahren für Druckplatten.). Abschließend bestellt die Auftragsvorbereitung noch die Umkartons inklusive Etiketten, in denen später die fertig produzierten, flachliegenden Faltschachteln zum Kunden HF gehen.
Jetzt wird die Produktionsplanung aktiv. Sie hat den vereinbarten Liefertermin beim Kunden immer fest im Visier. Sie muss den Produktionsablauf so planen, dass auch bei Störungen noch genügend Zeit vorhanden ist, das vereinbarte Lieferdatum einzuhalten. Liefer- und Termintreue sind ein entscheidendes Qualitätskriterium in einer Kundenbeziehung.
Die Produktion muss aus fertigungstechnischen Gründen immer in einer fest vorgegebenen Reihenfolge die einzelnen Produktionsstationen durchlaufen. Dazu muss der in Rollenware angelieferte Karton zuerst in einem Breitschlitzdüsenextruder mit einer PE-Schicht von 12 bis 14 g/m² beschichtet werden. Dies entspricht einer Schichtdicke von ca. 16 μm.
Anschließend wird der beschichtete Karton auf einem Querschneider auf das Bogenformat der Offsetdruckmaschine zugeschnitten. Im Anschluss an diesen Oberflächenveredelungsprozess kommt der Karton an die Druckmaschine. Die Druckmaschine wurde bereits mit den in der Druckvorstufe hergestellten Druckplatten gerüstet. In die Farbwerke wurden zuvor die von der Druckvorstufe ermittelten Druckfarben eingefüllt. Nach einer kurzen Andruckphase muss der Maschinenführer die Freigabe für den kompletten Auftrag bekommen. Dies geschieht entweder durch den Abgleich mit einem farbverbindlichen Druckproof, den der Kunde bereits abgezeichnet hat. Ein Proof (oder Prüfdruck) bezeichnet im Druckwesen simuliert das spätere Druckergebnis. Am Bildschirm lässt sich dieses nicht einschätzen. Oder der Kunde – in diesem Fall Herr Kaufmann von der HF – kommt zur Auftragsfreigabe direkt an die Maschine. Nun kann der Druckjob in der von der Produktionsplanung vorgeplanten Maschinenlaufzeit durchgeführt werden. Der Drucker kontrolliert permanent das Druckergebnis und stellt bei Bedarf die Maschine entsprechend nach.
Abb. 39: Extruder mit Breitschlitzdüse zur Kartonbeschichtung mit einer dünnen PE-Schicht
(Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 40: Einzelnutzenzeichnung einer Fischstäbchenfaltschachtel (L x B x H: 200 x 105 x 33)
(Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 41: Dem geschulten Auge eines Druckers entgeht nichts (Quelle: Heidelberger Druckmaschinen AG)
Abb. 42: Offsetdruckmaschine 5-Farben+Lack (Quelle: Heidelberger Druckmaschinen AG)
Eine gute Produktionsplanung vermeidet lange Standzeiten zwischen den einzelnen Produktionsstationen. Da moderne Druckmaschinen heute bis zu 18000 Bg/h (Bögen pro Stunde) drucken und die Flachbettstanzen über 6000 Bg/h nicht hinauskommen, müssen mehrere Stanzmaschinen vorhanden sein, um einen Produktionsstau zu verhindern beziehungsweise einen reibungslosen Produktionsfluss zu gewährleisten.
An der Flachbettstanze rüstet der Maschinenführer, ein Packmitteltechnologe, den Auftrag ein. „Rüsten“ nennt man in der Produktion das Einrichten einer Maschine beziehungsweise Fertigungsanlage für einen bestimmten Arbeitsvorgang. Hierzu muss er die Stanzform sowie die Ausbrecher- und Nutzentrennwerkzeuge in die Maschine einbauen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Stanzwerkzeuge rechtzeitig aus dem Stanzformenbau an der Maschine sind. Wenn die Maschine richtig eingestellt ist und die einzelnen Nutzen sauber getrennt werden, kann der Produktionsauftrag für den Kunden HF nach der vorgegebenen Maschinenlaufzeit mit 5000 Bg/h gefahren werden.
Abb. 43: Moderne Produktionsanlagen sind die Basis für die reibungslose Auftragsbearbeitung (Quelle: Bobstgroup.com).
Der Maschinenführer kontrolliert während der Produktion fortlaufend stichprobenartig das Stanzergebnis. Die gezogenen Produktionsproben werden archiviert.
Abb. 44: Die maßhaltige Einstellung des Bogeneinzugs will gelernt sein. Das ist eine Tätigkeit, die der Packmitteltechnologe beim Flachbettstanzen durchführen muss
(Quelle: Heidelberger Druckmaschinen AG).
Abb. 45: Eine Feinjustage der Faltschachtelklebemaschine ist nur von geschultem Personal in brauchbarer Rüstzeit durchzuführen (Quelle: Heidelberger Druckmaschinen AG).
Von der Stanzerei gelangen die Paletten auf innerbetrieblichen Transportsystemen zur Kleberei. Dort werden die Nutzen auf der Faltschachtelklebemaschine (FKM) an der Längsnaht geklebt. Die Faltschachtelklebemaschine muss vom Maschinenführer und einem weiteren Facharbeiter auf die auftragsbezogenen Faltschachtelmaße eingestellt werden.
Wenn die Maschine gerüstet ist, kann mit der Produktion begonnen werden. Die Maschine läuft bei diesem Auftrag mit einer Produktionsgeschwindigkeit von rund 400 m/Min. Auch bei diesem Produktionsschritt findet nach einem genormten Stichprobensystem laufend eine Qualitätskontrolle statt. Die laufende Produktion wird nach einem genormten Stichprobensystem kontrolliert. Auch die Endkontrolle findet stich- probenartig statt. Moderne Faltschachtelklebemaschinen erreichen Stückzahlen von 200.000 Stk./h. Da diese Stückzahlen von Hand kaum mehr bewältigt werden können, sind diese Maschinen am Ende mit einem automatischen Kartoniersystem ausgestattet. So können die geklebten Faltschachteln zu je 300 Stück in einen Umkarton abgepackt werden.
Abb. 46: eine automatische Einstellung des neuen Formats ist mit der Baureihe Diana X 115 von Heidelberg kein Problem (Quelle: Heidelberger Druckmaschinen AG)
Um bei der Qualität auf Nummer sicher gehen zu können, durchlaufen alle produzierten Faltschachteln noch eine Endkontrolle. Stichprobenartig werden hier die Verklebung und die Faltbarkeit der Riller geprüft.
Abb. 47: Ein zertifiziertes Qualitätsmanagement-System erfordert eine ständige Kontrolle und Überwachung des Produktionsprozesses. So können eventuelle Fehler schnell erkannt und behoben werden (Quelle: Heidelberger Druckmaschinen AG)
Abb. 48: Stretchfolienpacker, nachdem die Faltschachteln an der FKM direkt in die Umkartons eingelaufen sind (Quelle: Heidelberger Druckmaschinen AG)
Die fertigen Paletten mit den aufgestapelten Umkartons werden direkt in die Versandabteilung transportiert. Je nach Zeitplan werden diese dann noch eingelagert oder schon versandfertig gemacht. Dazu werden die Paletten mit Stretch-Folie umwickelt, etikettiert und mit Lieferschein versehen. Da generell eine auftragsbezogene Produktion stattfindet, gibt es keine Vorratsware. Die Auftragsvorbereitung erhält über das BDE-System eine aktuelle Fertigmeldung des Auftragsstands. So kann die Spedition bereits mit der Auslieferung beginnen.
Die Buchhaltung wird durch die Auftragsvorbereitung über den momentanen Auftragsstand informiert. So kann parallel zur Warenauslieferung die Rechnung mit dem vereinbarten Zahlungsziel erstellt werden. An einem Auftrag in der Verpackungsmittelindustrie arbeiten viele Abteilungen mit. Koordination untereinander
ist eine Voraussetzung dafür, dass alles termingerecht und in bester Qualität erstellt wird.
Fragen zum Praxisbeispiel 1:
Im Verkauf der Flexibelpack GmbH klingelt das Telefon – ein Kundengespräch. Frau Sache (alles fiktive Namen) nimmt den Anruf freundlich entgegen. Herr Toner, Einkaufsleiter der Büroartikelversand AG, ist auf der Suche nach speziellen Versandtaschen: Er will zerbrechliche Güter wie CDs, DVDs, aber auch LCD-Bilderrahmen versenden. Frau Sache berät Herrn Toner, indem sie sich gemeinsam das Produktportfolio der Flexibelpack auf ihrer Internetseite ansehen. Herr Toner bekommt so recht schnell eine gute Vorstellung von der speziellen Polsterfunktion, den Formaten, den Verschlussmöglichkeiten, Stückzahlen und individuellen Bedruckungsmöglichkeiten. Herr Toner ist begeistert von den informativen Webseiten des Unternehmens.
Eine gute Erstberatung verstärkt das Kundeninteresse und steht am Anfang eines jeden Neuauftrags. |
Die Angebotsabteilung, vertreten durch Frau Sache, vereinbart mit Herrn Toner, dass er noch heute ein schriftliches Angebot über 25.000 Stück im Format 170 x 225 + 50 mm per Fax und per E-Mail erhält. So- fort wird im Betriebsdatenerfassungssystem – ein genau auf die Bedürfnisse der Flexibelpack GmbH abgestimmtes SAP-Betriebssystem – ein Kundenangebot erstellt. Um den Kundenangebotspreis genau zu ermitteln, muss zuerst eine interne Kalkulation durchgeführt werden. Hierzu müssen die Kosten für alle anfallenden Tätigkeiten bis zum fertigen Endprodukt, die Kosten für die benötigten Materialien sowie der zu erzielende Gewinn berücksichtigt werden.
Für den Kunden sind die folgenden Details aus dem Angebot ersichtlich: Die genaue Artikelbezeichnung, das Material, der Preis pro Einheit, die Lieferzeit sowie die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Flexibelpack GmbH. Ein Angebotspreis muss alle unternehmensintern anfallenden Kosten für die Herstellung eines Produktes sowie die Gewinnmarge des Unternehmens beinhalten.
Abb. 49: Kundenangebot der Flexibelpack GmbH für Herrn Toner von der Büroartikelversand AG
(Quelle: Eigene Darstellung)
Parallel gehen per Post einige Produktmuster direkt zum Kunden. Der Außendienst erhält ebenfalls eine Kopie des Angebots, falls auf diesem Informationsweg weitere Rückfragen an das Unternehmen herangetragen werden.
Abb. 50: Produktmuster von verschiedenen Versandtaschen mit Polsterfunktion
(Quelle: Eigene Darstellung)
Wenig später erhält Herr Toner das Angebot per E-Mail. Es macht für Herrn Toner einen vielversprechenden Eindruck. Das liegt an dem versprochenen kurzfristigen Liefertermin und dem gleichzeitig moderaten Preis. Das Tempo der Angebotserstellung und der Bemusterung beeindruckt den Kunden. Herr Toner möchte mit seiner Entscheidung, den Auftrag zu erteilen, aber noch abwarten, bis er die Handmuster gesehen hat. Bereits am nächsten Tag hat er fünf verschiedene Versandtaschenmuster per Postexpress auf dem Schreibtisch. Beeindruckt von der Papierqualität, der speziellen Polsterfunktion, den verschiedenen Verschlusstechniken und der 4-farbigen Druckqualität greift er sofort zum Telefonhörer.
Spontan erteilt Herr Toner mündlich den Auftrag. Frau Sache bittet ihn jedoch noch um eine kurze schriftliche Erklärung per E-Mail und erhält diese. Aufträge sollte man nur schriftlich annehmen. Anschließend erstellt sie im BDE-System einen Produktionsauftrag. Auftragsnummer und Kundennummer werden automatisch vom Programm erstellt. Eine Auftragsmappe wird angelegt. Der Kundenauftrag ist nun in der Auftragsvorbereitung registriert.
Nach Kundenwünschen erstellt die Designabteilung mit einem Grafikprogramm ein Druckmotiv. Von diesem Motiv wird mit einem Proofdrucker ein farbverbindlicher Ausdruck (Proof) erstellt. Eventuelle Unstimmigkeiten können so vor dem Druck vom Kunden korrigiert und in der Designabteilung abgeändert werden. Erst nach der Druckfreigabe durch den Kunden und der Klärung des endgültigen Produktionstermins geht eine Auftragsbestätigung an den Kunden.
Abb. 51: Handskizze einer Versandtasche im Format B5 (Quelle: Eigene Darstellung)
Erst jetzt legt Frau Sache im SAP-Betriebssystem einen genauen Produktionsauftrag an. Dieser beinhaltet die Artikelnummer und die Menge sowie eine Stückliste mit der genauen Produktionsmenge inklusive Materialbedarf zuzüglich Ausschuss. Gleichzeitig wird ein Arbeitsplan erstellt. In diesem werden die Maschinenbelegung, die Maschinenlaufzeiten, der Fertigungsbeginn und das Fertigungsende festgelegt.
Da der Kunde mit dem Druckbild zufrieden ist, kann der Auftrag direkt in die Druckvorstufe weitergeleitet werden. Dort wird vom Motiv ein Film erstellt. Dieser Film wird als seitenrichtiges Negativ erstellt. Dazu wird der Film auf eine Cyrel-Druckplatte gelegt und im Belichter belichtet. Im Anschluss daran wird die Platte ausgewaschen und nachbelichtet. Cyrel® FAST ist eine spezielle thermische Technologie für die Entwicklung von Druckplatten. Dabei werden herkömmliche Lösemittel und Auswaschflüssigkeiten eingespart. Neben der Umweltfreundlichkeit dieses Verfahren soll nach Hersteller- angaben die Plattenverarbeitungszeit um bis zu 75 % reduziert werden.
In der Produktionsplanung/Auftragsvorbereitung wird der Auftrag nun wirtschaftlich sinnvoll an den Maschinen eingeplant. Dies wird von den momentan anstehenden Aufträgen und den geplanten Maschi- nenlaufzeiten bestimmt. Durch geschickte Kombination der Auftragsreihenfolge lassen sich auch die Aufwände für das Rüsten und damit Rüstzeiten deutlich reduzieren. Das steigert die Produktivität. Einige Tage vor dem Produktionstermin kommt der Auftrag beziehungsweise die Auftragsmappe an die Maschine. Darin enthalten ist auch ein Formular für den Produktionsbericht, in dem alle wichtigen Punkte während der Produktion dokumentiert werden.
In der Produktion bestellt der Maschinenführer rechtzeitig im Wareneingang die Materialien für den Auftrag – Mantelpapier für die Versandtasche, Polyethylenfolie, Farbe, Leim, Verschlüsse, Kartons mit Etiketten für den Abpackprozess sowie die benötigten Europaletten.
Der Wareneingang unterzieht alle diese Materialien einer Wareneingangsprüfung. Diese beinhaltet den Soll-Ist-Vergleich des Lieferscheins, verschiedene stichprobenartige Materialprüfverfahren je nach Spezifikation (zum Beispiel flächenbezogene Masse, Dickenmessung, Feuchtgehalt, Saugfähigkeit), die Einbuchung in das SAP-System sowie die Einlagerung ins Rohstofflager. Eine genaue Wareneingangs- kontrolle ist sehr wichtig. Fehler in den Vorprodukten beeinträchtigen später sonst die Produktion.
Aus der Druckvorstufe wird die auf den Druckzylinder aufgeklebte Druckplatte angefordert. Für jeden Produktionstag gibt es einen genauen Maschinenlaufplan, aus dem die Auftragsreihenfolge ersichtlich ist.
Die Produktion kann beginnen. Der Maschinenführer rüstet die Maschine nach den Erfordernissen des Auftrags um. In unserem Fall muss nur das Druckklischee gewechselt werden.
Abb. 52: Produktionsbericht zur Dokumentation aller wichtigen Vorfälle während der Produktion. So lassen sich eventuell entstandene Fehler genau zurückverfolgen. Die Fehlerbehebung wird dadurch erleichtert. (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 54: moderne Sleevetechnologie (Quelle: WuH-Lengerich.de)
Da sich der Kunde für einen einfarbigen schwarzen Druck entschieden hat, muss die Farbe nicht gewechselt werden. Die richtigen Papierrollen müssen in die Maschine eingespannt werden. Das Format ist gegebenenfalls anzupassen. Für den speziellen Verschluss der Versandtasche muss ein Aufreißfaden eingezogen werden. An der Maschinenablage müssen die richtigen Abpackkartons mit den passenden Etiketten sowie ausreichend Paletten bereitgestellt werden. Parallel dazu müssen alle Tätigkeiten auf den entsprechenden Formularen protokolliert beziehungsweise in das BDE-System eingegeben werden. Während der Produktion zieht der Maschinenführer Stichproben zur Überwachung der Produktionsqualität (Format, Druckbild, Aufreißfaden).
Produktionsfehler können so sofort festgestellt werden. Und bei Bedarf kann eingegriffen werden. Da es sich beim Auftrag für Herrn Toner um einen Erstauftrag handelt, muss dieser zusätzlich vom Schichtfüh- rer oder Bereichsleiter abgezeichnet werden.
Der aktuelle Stand des Auftrags kann jederzeit in SAP abgerufen werden. Dazu wird im Produktionsprozess jede fertige Palette mit einem Palettenlaufzettel versehen und im BDE-System eingetragen: So ist der Vertrieb jederzeit über die aktuelle Produktionsmenge informiert. Über die Betriebsdatenerfassung und das SAP-System kennen alle Beteiligten im Unternehmen jederzeit den Stand der Auftragserfüllung. Der Palettenlaufzettel wird für die Einlagerung im Hochregallager benötigt.
Innerbetriebliche Logistik – der Weg von der Maschine ins Hochregallager
Die Paletten laufen über ein Rollband zu einem Sammelpunkt. Dort werden sie vom Staplerfahrer abgeholt. Dieser lagert die Palette an einem vom BDE-System vorgesehenen Platz im Hochregallager ein. Wenn die geforderte Stückzahl erreicht ist, wird der Auftrag im BDE-System komplett fertig gemeldet.
Abb. 55: Briefhüllen- und Versandtaschenmaschine der Baureihe W+D 349 (Quelle: Winkler-Dünnebier)
Was, wo, wie? Innerbetriebliche Kommunikation als Schlüssel zum Erfolg
Rechtzeitig vor dem geplanten Liefertermin bestellt Frau Sache, mit dem dafür vorgesehenen Formular, im Hochregallager die fünf Europaletten mit je 250 Kartons, einem Kartoninhalt zu je 100 Stück Polster- versandtaschen. Die Fertigware kann nur mit dieser Bestellanforderung vom Hochregalwarenlager an das Versandbüro ausgelagert werden.
Abb. 56: Blick in ein Hochregallager. Alle Stellplätze sind nummeriert. Blick in das Papierlager. Die Rollen sind teilweise mit PE-beschichtetem Papier zum Schutz gegen Feuchtigkeit eingeschlagen. (Quelle: Eigene Darstellung)
Das Versandbüro plant die Auslieferung des Auftrags zum von Frau Sache vereinbarten Termin. Der Lieferschein wird erstellt. Die Kommissionierung der bestellten Liefermenge wird veranlasst. Staplerfahrer Klaus verlädt die Paletten auf dem LKW der Versandabteilung oder einer beauftragten Spedition.
Abb. 57: Eine eigene Fuhrparkflotte erfüllt Marketingaufgaben. (Quelle: Eigene Darstellung)
In der Buchhaltung wird im SAP-System des Unternehmens nach der Warenausgangsbuchung automatisch die Rechnung für den Postversand generiert. Die Buchhaltung verfolgt den Zahlungseingang durch den Kunden innerhalb des vereinbarten Zahlungszieles. Gerät der Kunde in Zahlungsverzug, erhält er automatisch eine Mahnung (Mahnverfahren: 7-tägig). Falls der Kunde permanent nicht bezahlt, wird nach der vierten Mahnstufe ein Inkasso-Unternehmen beauftragt.
Einige Wochen nach Abschluss dieses Geschäftsprozesses wird Herr Toner von der Kundenbetreuung telefonisch kontaktiert. Herr Toner zeigt sich im Telefonat begeistert von der absolut reibungslos abgelaufenen ersten Geschäftsbeziehung. Weitere Aufträge sind schon in seiner Planung. Gute und schnelle Bedienung von Kundenanliegen macht Wiederholungsaufträge wahrscheinlicher.
Fragen zum Praxisbeispiel 2: Versandtasche mit Polsterfunktion
Kalkulieren Sie dazu die Materialkosten, die Hilfsstoffkosten, die Maschinenkosten sowie die Gesamtkosten für diesen Auftrag!
Folgende Angaben sind bekannt:
• Format: B4 (250 x 353 mm)
• Stückzahl: 250.000
• Papierqualität: Kraftpapier gelbbraun mgl. 80g / m2
• Papierpreis: 1050€ / t
• Blanko ohne Druckbild, ohne Sichtfenster
• Leimauftrag pro Tasche: 3,5 g
• Leimpreis: 1,8€ / kg
• Haftklebestreifen für Verschlusstasche: 5ct / m
• Maschinenstundensatz: 250€ / h
• Maschinengeschwindigkeit: 300 Stück / min
• Gewinnaufschlag: 8%
Herr Produce, Produktmanager eines großen deutschen Lebensmitteldiscounters, ist zur Weinverkostung an das bayerische Bodenseeufer gereist. Für Mitte Oktober plant er eine Angebotsaktion mit deutschen Spitzenweinen.
In einer Weinwirtschaft trifft Herr Produce Mitte Juli auf den Traditionswinzer Gustav Weins. Die Weine sind sehr gut. Gustav Weins weiß zu diesem Zeitpunkt noch nicht, wer sein Gegenüber ist. Bei einer gemütlichen Brotzeit, der auch die regionale Weinkönigin beiwohnt, und Fachgesprächen rund um den Weinanbau kommt Herr Produce auf den Punkt. Als Produktmanager der Firma Songl ist er auf der Suche nach neuen Weinen für das Sortiment des Lebensmitteldiscounters.
Herrn Weins schießen alle Vorurteile über Lebensmitteldiscounter durch den Kopf: Große Mengen, enormer Preiskampf. Und er hat keine Schachteln und keinen LKW. Große Handelsketten fordern professionelle und gut aufgemachte Verpackungen für alle Produkte, die sie ins Angebot nehmen. Doch der Produktmanager, Herr Produce, macht einen sympathischen Eindruck. Vorsichtig fragt dieser nach, ob eine Produktionsmenge von 200.000 Flaschen à 0,75 Liter dieses Topweines zu realisieren sei. Von der Menge her sei dies machbar, antwortet Gustav Weins. Da er aber nur über eine einfache Abfüllanlage verfüge, werde es Wochen dauern, bis ein solch großes Kontingent abgefüllt sei. Er habe außerdem keine ordentlichen Weinkartons. Doch Winzer Weins will das Angebot dennoch nicht einfach ziehen lassen, weil ihm der Produktmanager des Discounters einen fairen Ankaufpreis angeboten hat. Als alter Fuchs kennt Herr Produce die Bedenken von kleinen Winzerbetrieben. Er habe Lohnabfüller, die Abfüllung und Logistik für Winzer Weins übernähmen. Zur Präsentation des Weins in den Verkaufsräumen des Discounters brauche der Winzer aber eine indviduelle Verpackung für jeweils 6 Weinflaschen.
Eine eigene professionelle Verpackung – davon hat der kleine Winzer immer schon geträumt. Der Produktmanager des Discounters kennt einen kompetenten Verpackungshersteller in seiner Region – die Wellpappe Allgäu. Die Produktfotos auf der Internetseite dieses Packmittelherstellers gefallen Winzer Weins. Gedanklich sieht er schon die Flaschen mit seinem Etikett in einer stabilen und sauber bedruckten Wellpappkiste.
Abb. 58: Der Wein muss gut sein. Aber auch richtige Verpackung trägt wesentlich zum Verkaufserfolg bei.
(Quelle: https://www.mdf-verpackungen.de/kartons-und-kartonagen/weinkartons/1370/6er-ptz-weinverpackung-system-pronto)
Winzertochter Anna Weins, die auch regionale Weinkönigin ist, nimmt gleich am nächsten Morgen telefonisch Kontakt mit Wellpappe Allgäu auf. Herr Hunter vom Vertrieb ist bereits von Herrn Produce vorinformiert worden. Anna Weins ist begeistert darüber, dass alles so schnell geht und dass keine Ortstermine erforderlich sind.
Telefonisch geht Herr Hunter, der im Vertriebsinnendienst tätig ist, mit Anna Weins die Checkliste für Neukunden durch. Systematisch fragt er alle Kundenanforderungen ab. Danach legt er die Winzerei Weins als Neukunden im SAP-System der Wellpappe Allgäu an. Solche Systeme nennt man übrigens auch ERP-Systeme. ERP steht für „Enterprise Resource Planning“. Ein ERP-System ist eine komplexe Anwendungssoftware zur Unterstützung der Ressourcenplanung eines gesamten Unternehmens.
Zuvor hat er der Entwicklungsabteilung bereits den Auftrag erteilt, eine Fefco 0201 für sechs Weinflaschen mit den A x B x H-Maßen 150 x 225 x 335 mm am CAD zu zeichnen und davon eine 3-D-Simulation beziehungsweise eine Animation von verschiedenen Seiten zu erstellen. Fefco bezeichnet die Bauart eines Kartons. Der Fefco 0201 ist der gängigste aller Kartonagenbauweisen. Er hat aneinander stoßende Bodenklappen und Deckelklappen. Um ihn zu verschließen wird z.B. Klebeband oder Umreifungsband benötigt.
Abb. 59: Entwicklung neuer Verpackungen durch CAD (von engl. computer-aided design) = rechnerunterstütztes Konstruieren = Konstruieren eines Produkts per EDV (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Flaschen sollen beim Lohnabfüller befüllt werden. Anschließend sollen sie automatisch im Weinkarton positioniert und auf einer Europalette abgesetzt sowie mit Kantenschutz versehen umreift werden. Auf diese Weise soll eine Transportverpackung nach Logistikstandards des Lebensmitteldiscounters entstehen; diese soll gleichzeitig Präsentationsfunktionen am Point of Sale, also den Verkaufsräumen des Discounters, erfüllen. Die flachliegenden Wellpappzuschnitte sollen in einer automatischen Aufrichtmaschine aufgestellt und anschließend mit den Flaschen bestückt werden.
Da Frau Weins sehr kreativ ist, möchte sie die Grundzüge des Verpackungsdesigns selbst entwerfen. Ihr Entwurf wird von der Druckvorstufe bei Wellpappe Allgäu mit einer speziellen Software in einer psd-Datei umgesetzt sowie nach drucktechnischen Kriterien für das Flexodruck-verfahren (7 Farben + Lack) aufbereitet. Von der Kalkulation, die eng mit der Entwicklungsabteilung zusammenarbeitet, erhält Herr Hunter vom Vertrieb die Daten, die er für die Erstellung des Kundenangebots benötigt.
PSD steht für Photoshop Document. Es handelt sich dabei um ein Dateiformat von Adobe Photoshop, einem professionellen Bild- und Foto- bearbeitungsprogramm. |
Nachdem der Vertrieb alle nötigen Daten aus der Entwicklungsabteilung erhalten hat, erstellt er zügig ein Kundenangebot inklusive einer vollständigen Fotosimulation der Weinkiste. Da eine Weinkiste für einen Packmittelhersteller Standard ist, hat Anna Weins nach wenigen Stunden per E-Mail eine vollständige Foto-Simulation der Weinkiste auf ihrem Laptop. Winzertochter Anna Weins ist begeistert über die umfassende und schnelle Rückmeldung und bestätigt das Angebot per Fax.
Anfang Oktober beginnt bei Wellpappe Allgäu die Auftragsvorbereitung sowie die Produktionsplanung, das sogenannte Routing des Auftrags. Da es sich bei dem Auftrag um ein größeres Auftragsvolumen von 30.000 Weinkisten handelt, lohnt sich hier das sogenannte Preprint-Verfahren. Das heißt: Das Deckenpapier wird auf einer Flexodruckmaschine bereits vor der Wellpappeerzeugung mit dem Design bedruckt.
Abb. 60: Anwendungsbeispiel für das Abfüllen von Wein in Flaschen mit Transportverpackung und Ladeeinheit (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 61: 3-D-Animation der 6er-Weinkiste Fefco 0201 mit und ohne Stegsatz (Quelle: Erpa.de)
Abb. 62: Flexodruckmaschine zur Bedruckung der Papierrollen im Preprint-Verfahren (Quelle: Bobstgroup.com)
Zusätzlich verfügt Wellpappe Allgäu an einem anderen Produktionsstandort über eine eigene Papiermaschine.
Die Papierherstellung vom Rohstoff (Altpapier, Einjahrespflanzen, Holz, Lumpen, synthetische Fasern) bis zum speziellen Verpackungspapier ist für alle Packmittel, die aus Faserpackstoffen hergestellt werden, ein eigener, sehr umfangreicher Produktionsprozess.
Abb. 63: Für den Wellenstoff wird ausschließlich Altpapier eingesetzt. Das Altpapier wird nach Sortenliste genau sortiert. Ein fertig aufgerollter Tambour am Ende der Papiermaschine (Quelle: Eigene Darstellung)
Im Anschluss daran erfolgen die Papierweiterverarbeitungsverfahren. Das Papier für die Außen- und Innenlage wird teilweise von anderen Papierherstellern zugekauft.
Der Materialeinkauf richtet sich nicht nach den anstehenden Aufträgen, sondern es wird immer ein bestimmtes Papiersortiment, zur Kombination von bis zu 500 Wellpappesorten, auf Lager (FiFo) vorgehalten. Die einzelnen Lagen werden speziell nach Kundenanforderungen kombiniert. Die technischen Daten (Festigkeitswerte, Verhalten gegenüber Wasser usw.) der einzelnen Papierlagen sind einem firmeneigenen Sortenverzeichnis zu entnehmen.
Die Rohpapiere sind alle aus nachhaltiger Forstwirtschaft, um den hohen Standards der FSC-Zertifizierung gerecht zu werden. Diese Zertifizierung hat nach FSC-Richtlinien alle fünf Jahre zu erfolgen. Durchgeführt wird diese Zertifizierung durch die Landesgewerbeanstalt, die wiederum Lizenznehmer von FSC Deutschland ist. FSC steht für Forest Stewardship Council (Forest = Wald, Stewardship = Verantwortung). FSC ist eine internationale Organisation, die ein System zur Zertifizierung nachhaltiger Forstwirtschaft betreibt.
Das Papier befindet sich bereits in ausreichender Menge im Rohstofflager. Packmittel herstellende Unternehmen halten immer ein bestimmtes Papiersortiment vor, um für unterschiedliche Kundenaufträge gewappnet zu sein. Eine Wareneingangsprüfung gehört nach DIN ISO 9001:2008 ebenso zum hohen Qualitätsstandard wie die stichprobenartige Prüfung bei allen weiteren Fertigungsschritten nach einem genau festgelegten Prüfplan. Diese Prüfanweisungen, die genauen Prozessbeschreibungen sowie die Ablauforganigramme der Haupt-, Teil- und Managementprozesse sind in einem für jeden Mitarbeiter zugänglichen QM-Handbuch hinterlegt. Die Rezertifizierung durch eine Zertifizierungsgesellschaft hat alle drei Jahre neu zu erfolgen.
EN ISO 9001 legt die Mindestanforderungen an ein Qualitätsmanagementsystem (QM-System) einer Organisation fest. Die acht Grundsätze des Qualitätsmanagements sind:
• Kundenorientierung
• Verantwortlichkeit der Führung
• Einbeziehung der beteiligten Personen
• Prozessorientierter Ansatz
• Systemorientierter Managementansatz
• Kontinuierliche Verbesserung
• Sachbezogener Entscheidungsfindungsansatz
• Lieferantenbeziehungen zum gegenseitigen Nutzen
Abb. 64: Layout eines Wellpappenwerkes. Blau dargestellt sind die innerbetrieblichen Transportsysteme, bestehend aus palettenlosen Rollstraßen und Transferwagen (Quelle: minda.de).
Als erster Produktionsschritt muss aufgrund des angewendeten Preprintverfahrens die Außendecke im Flexodruckverfahren (Druckgeschwindigkeit 300 m/min) bedruckt werden. Die Abmessungen der Schachtel ergeben einen offenen Zuschnitt, der eine zweinutzige Bedruckung in der Breite (Papierbahnbreite 1,6 m) erlaubt. So werden inklusive Ausschuss rund 16.000 Laufmeter benötigt. Der Maschinenlaufplan ist von der Produktionsplanungssoftware Kiwiplan™ bereits so optimiert, dass an der Maschine nur die für den Produktionsauftrag geforderten Rohpapiere eingehängt werden müssen.
Abb. 65: Prozessdarstellung einer WPA (= Wellpappenanlage) (Quelle: BHS)
Alle anderen Einstellungen können durch die Auftragsabfolgeoptimierung aus dem vorherigen Auftrag übernommen werden. Anschließend kann die B-Welle für die Wellpappweinkiste auf der WPA mit 300 m/min gefahren werden. Die einzelnen Lagen bestehen aus folgenden Flächengewichten (180 g/m² KWGD / 127 g/m² HPF / 140 g/m² TW)
Die dabei entstehenden Wellpappbögen werden auf zwei Paletten abgestapelt. Die Wellpappherstellung auf der WPA wird nun im ERP-System mit einer Fertigmeldung versehen. Auf einem innerbetrieblichen Transportsystem werden diese direkt an die Inline-Maschine transportiert.
Abb. 66: Modernste innerbetriebliche Transportsysteme kommen ohne Paletten aus, dadurch werden höchste Hygienevorschriften erfüllt (Quelle: minda.de).
Die Maschine muss von den Facharbeitern mit dem richtigen Rotationsstanzwerkzeug gerüstet werden. Die Slotter, die Riller und die direkt im Anschluss zu durchlaufende Faltschachtelklebemaschine müssen eingestellt werden. Nun kann der dritte Produktionsschritt beginnen.
Abb. 67: Inlinemaschine (Modell FFG 618 3D) zum Bedrucken, Schlitzen und Rillen der Wellpappbögen (Quelle: bobstgroup.com)
Direkt aus dem Inliner werden die an der sogenannten Fabrikkante geklebten Zuschnitte zu 20-er-Bündeln umreift und auf einem Palettierroboter auf einer Europalette palettiert.
Abb. 68: FFG-Palettierstation (Quelle: bobstgroup.com)
Da sich dieser Produktionsschritt aus mehreren Teilprozessen zusammensetzt, wird die Fertigmeldung erst mit der fertig gepackten Palette im ERP-System eingetragen. Ein Lieferschein und die Rechnungspapiere für den Auftrag werden erstellt.
Von der Palettiermaschine fahren die Europaletten wieder auf dem innerbetrieblichen Transportsystem direkt in die Versandabteilung. Aufgrund des vorterminierten Versandplans steht der LKW aus dem eigenen Fuhrpark schon zur Verladung der Paletten bereit. In weniger als einer halben Stunde ist der Verladevorgang abgeschlossen, und die Fracht kann ihren Weg zum Lohnabfüllbetrieb aufnehmen.
Termingerecht kommen die Weinkisten im flachliegenden Zustand beim Lohnabfüller an. An dieser Stelle endet der Auftrag für Wellpappe Allgäu. Nur zwei Wochen nach Auftragseingang sind die Wellpappkisten beim Kunden angekommen. Dort werden die Wellpappkisten zunächst in einem maschinellen Kartonierer aufgestellt und anschließend mit je sechs Weinflaschen Topload befüllt. Auf der gleichen Abpackmaschine werden die beiden Deckellaschen mit Leim vollautomatisch verklebt. Bei Topload werden Kartons die Schachtel von oben befüllt. Bei Endload wird das Produkt seitlich in die Schachtel geschoben. Siehe auch Kapital 1.4.1.
Wenn die Weinkisten im flachliegenden Zustand beim Lohnabfüller eingetroffen sind, endet der Auftrag der Wellpappe Allgäu.
Abb. 69: Gezeigt wird ein Kartonaufrichter der Modellreihe Variocart. (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 70: Deckelklappenverklebungsanlage der Serie Varicol (Quelle: krones.com)
Anschließend werden die befüllten Weinkisten ebenfalls vollautomatisch mit einem Palettierroboter auf Europaletten gestapelt. Abschließend werden die Paletten noch mit Kantenschutz versehen sowie mit Kunststoffumreifungsbändern gesichert. In einem Stretchfolienpacker erhalten die Paletten noch einen Schutz gegen Nässe.
Am nächsten Tag werden die Weinpaletten wieder per LKW auf die süddeutschen Auslieferungslager des Lebensmitteldiscounters verteilt. Dies geschieht wie vereinbart termingetreu Mitte Oktober. Von dort gelangen sie in die Verkaufsläden des Lebensmitteldiscounters.
Einen Tag später sieht der Endkunde, Herr Gubi, den Wein von Winzer Weins zum ersten Mal in seinem Lebensmitteldiscounter. Gubi sieht das Ergebnis eines vor zwei Monaten im Weinrädle eingefädelten Geschäftes zwischen Herrn Produce und Herrn Gustav Weins.
Bequem kann Herr Gubi in einem sehr attraktiv bedruckten Weinkarton gleich sechs Flaschen auf einmal in den Einkaufswagen stellen. Da er von der Qualität des Weines mit dem tollen Etikett und der kreativ gestalteten Kiste überzeugt ist, nimmt er gleich noch fünf weitere Weinkisten mit. Den Wein will er in seinem kleinen Kiosk verkaufen.
Fragen zum Praxisbeispiel 3: 6er-Weinkiste für Weinkönigin
Abb. 71: Mit einem Palettenoptimierungsprogramm lassen sich die Paletten mit der maximalen Anzahl von Wellpappweinkisten beladen (Quelle erpa.de)
In der Bundesrepublik Deutschland ist jeder Arbeitnehmer – also auch jeder Auszubildende – bei der Berufsgenossenschaft gegen Arbeitsunfälle versichert. Die Beiträge für diese Pflichtversicherung, die ein Teil der Sozialversicherung ist, zahlt der Betrieb. Die Berufsgenossenschaften sind aber nicht nur für die Entschädigung der Folgen von Arbeitsunfällen, sondern auch für die Überwachung der Unfallverhütungsvorschriften und für die Beratung der Unternehmen in allen Fragen der Arbeitssicherheit zuständig.
Insgesamt gibt es über neun verschiedene Berufsgenossenschaften; die Packmittelindustrie gehört zur Berufsgenossenschaft Energie, Textil, Elektro, Medienerzeugnisse. In der Druck- und in der papierverarbeitenden Industrie ereignen sich jährlich über 12.000 Arbeitsunfälle, hierunter sind leider auch viele schwere Unfälle. Diese können zu Behinderungen führen, die das ganze weitere Leben bestimmen. Häufig sind nur Kleinigkeiten die Ursachen. Die folgenden Abschnitte enthalten die wichtigsten Regeln für das sichere und unfallfreie Arbeiten im Betrieb. Mit ausführlicheren Fragen wendet man sich an seinen Vorgesetzten, denn dieser ist auch dafür verantwortlich, dass die Unfallverhütungsvorschriften eingehalten werden.
An neuen Maschinen sind alle erreichbaren Gefahrenstellen, an denen man sich verletzen kann, mit Schutzeinrichtungen gesichert; öffnet man diese Schutzeinrichtungen, kommen die Maschinen zum Still- stand.
Wer die Maschinen der papierverarbeitenden Industrie kennt, weiß aber, dass es unmöglich ist, alle gefährlichen Ecken und Winkel so zu sichern, dass überhaupt keine Verletzungsgefahr mehr besteht. Das gilt insbesondere auch für solche Maschinen, die bereits einige Produktionsjahre hinter sich haben. Gerade bei diesen Maschinen treten jedoch Störungen (Fachsprache: „Stopper“) besonders häufig auf – und zwar meistens dann, wenn es eilt. Dann brechen Hektik und Nervosität aus. Gerade in diesen Momenten ist jedoch Besonnenheit nötig. Auf keinen Fall darf man an der laufenden Maschine entstören. Die Praxis bestätigt diese Forderung, denn Entstören bei laufender Maschine gehört zu den häufigsten Unfallursachen. Das Argument „Ich passe schon auf“ ist einfach falsch, denn irgendwann ist die Maschine immer ein klein wenig schneller als der Mensch. Daher gelten folgende Grundsätze:
• Entstören immer nur bei still stehender Maschine.
• Schutzeinrichtungen nie funktionsunfähig machen.
• Nach Reparatur- oder Wartungsarbeiten müssen die Schutzeinrichtungen wieder vollständig angebracht werden.
• Sicherheitstechnische Mängel an Maschinen sind unverzüglich dem Vorgesetzten zu melden.
• Maschine nie eigenmächtig in Betrieb setzen.
Weitere Informationen enthält die Broschüre „Der sichere Start ins Berufsleben“ (PDF), die gedruckt bei der Berufsgenossenschaft Energie, Textil, Elektro, Medienerzeugnisse, Rheinstraße 6–8, 65185 Wiesbaden, Tel. 0611 / 131-0, bezogen werden kann.
Die deutsche gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), die Unfallkassen und Berufsgenossenschaften bieten außerdem ein Videoportal an, auf dem über 450 Filme zu verschiedensten gesundheitlichen Themen zu finden sind: https://www.arbeitsschutzfilm.de/
Außerdem bietet die Seite E-Learning-Einheiten. Diese dauern circa 20 Minuten und schließen mit Testaufgaben ab.
Folgende Themen sind hier relevant:
• Arbeitsmedizin und Erste Hilfe
• Elektrischer Strom und elektrostatische Aufladung
• Flurförderzeuge
• Gefahrstoffe und Staub: hier u.a. Sicheres Arbeiten im Bogenoffsetdruck
• Lärm
• Persönliche Schutzausrüstung
• Transport von Stoffen mit gefährlichen Eigenschaften
Zu jeder Sportart, zu jedem Hobby und auch zur beruflichen Tätigkeit gehört die richtige Arbeitskleidung. Falsche Arbeitskleidung führt zu Unfallgefahren – zum Beispiel können weite Ärmel an einem bewegten Maschinenteil hängen bleiben.
Zu den am meisten gefährdeten Körperteilen gehören die Füße. Durch ungünstiges Schuhwerk steigt die Gefahr umzuknicken, abzurutschen oder zu stolpern. Deshalb werden an die Schuhe, die von Mit- arbeitern in Produktionsbetrieben getragen werden, einige wichtige Anforderungen gestellt:
Der Schuh soll fest und über den Zehen geschlossen sein; er soll dem Fuß einen guten Halt geben. An vielen Arbeitsplätzen, überall dort, wo die Füße besonders gefährdet sind, stellt der Betrieb Schutzschuhe zur Verfügung. Diese Schuhe, die heute bequem und leicht sind, müssen von den Mitarbeitern auch getragen werden. Sie können zweifellos nicht alle Unfälle verhindern, aber die Folgen häufig erheblich vermindern.
• Festes Schuhwerk tragen!
• Sandalen ohne Fersenriemen sind ungeeignet!
• Geeignete enganliegende Arbeitskleidung tragen!
• Keine Ringe, Halsketten oder Armreifen!
• Lange Haare nicht offen tragen!
Unordnung und Unfallgefahr stehen in direktem Zusammenhang. Beispiele hierfür gibt es genügend: „Über Palette gestolpert und hingefallen“, „Auf Papierresten ausgerutscht“ usw. ...
Es ist bestimmt falsch anzunehmen, dass Unordnung eine Arbeitserleichterung darstellt. Das Gegenteil ist der Fall. Gerade bei Zeitdruck und Platzmangel ist deshalb peinliche Ordnung noch wichtiger. Auch sollte man sich darüber im Klaren sein, dass es den wenigsten Vorgesetzten gleichgültig ist, wie der Arbeitsplatz aussieht. Hier einige wichtige Grundsätze:
• Abfälle gehören sofort in den Abfallbehälter!
• Leere Paletten müssen immer auf dem richtigen Platz abgestellt werden!
• Verunreinigungen auf dem Fußboden sind sofort zu beseitigen!
Bei der Packmittelherstellung ist die Materialmenge, die tagtäglich durch den Betrieb läuft, oft erheblich. Das Material muss häufig mehrmals in Maschinen eingelegt, abgelegt und dazwischen transportiert werden. Dies alles funktioniert aber nur reibungslos, wenn einige Regeln beim Umgang mit Material eingehalten werden:
• Verkehrswege müssen unbedingt freigehalten werden – insbesondere keine Paletten oder Hubwagen dort abstellen!
• Lasten dürfen nicht vor Notausgängen und Feuerlöschern abgestellt werden!
• Transportgeräte darf man nur benutzen, wenn man dazu befugt ist!
• Bei Arbeiten mit Verletzungsgefahr sind Handschuhe zu tragen!
• In der Produktion sollen Schutzschuhe getragen werden, die Verletzungsrisiken an den Füßen vermeiden.
• Nie mit Handhubwagen „Rollerfahren“! Der Wagen lässt sich ab einer gewissen Geschwindigkeit nicht mehr beherrschen.
• In großen Betrieben gibt es getrennte Verkehrswege für Fußgänger und für Gabelstapler. Jeder muss den für ihn vorgeschriebenen Weg benutzen!
Unter Lärm versteht man die störende Wirkung von Schallwellen, also etwas Unangenehmes. Nicht alles was laut ist, empfinden wir aber in gleicher Weise als unangenehm – denken wir zum Beispiel an laute Musik. Unabhängig von einer angenehm oder unangenehm empfundenen Wahrnehmung gefährdet Schall ab einer gewissen Lautstärke das menschliche Gehör und kann zu Störungen in unserem Körper führen.
Um uns davor zu schützen, gibt es mehrere Möglichkeiten. Zuerst muss selbstverständlich versucht werden, Maschinen herzustellen, die leise arbeiten. Dies stößt jedoch an Grenzen – insbesondere bei Maschinen mit hohen Laufgeschwindigkeiten. In diesen Fällen hilft man sich, indem man um das lärmerzeugende Maschinenteil eine Kapsel baut. Beispiele: Falzmaschinen, Wellpappemaschinen.
In einigen Fällen ist die Kapselung lauter Maschinenteile technisch noch nicht möglich. Wenn an solchen Arbeitsplätzen eine Lautstärke von 85 (dB) herrscht, muss im eigenen Interesse Gehörschutz getragen werden. Diese Bereiche sind durch ein Hinweisschild gekennzeichnet.
Die schädigende Wirkung von Lärm auf den Menschen ist zweifach. Schon ab 60 (dB) kommt es zu „vegetativen Reaktionen“, die unbewusst in unserem Körper ablaufen und zusätzliche körperliche Belas- tungen bedeuten. Ab 85 (dB) kann es zu Schädigungen der Zellen im Innenohr und damit zu Schwerhörigkeit kommen. Wer sich nicht gegen Maschinenlärm schützt, kann schwerhörig werden.
Ohne Strom könnte der Mensch nicht leben, weil unsere Bewegungen, auch die Bewegungen des Herzmuskels, elektrisch gesteuert werden. Diese Steuerung erfolgt selbstständig und unabhängig von unserem Gehirn. Was passiert nun, wenn der menschliche Organismus in einen Stromkreis gerät, wenn der Körper von Strom durchflossen wird? Dieser Strom überlagert die schwachen Impulse des menschlichen Steuerzentrums und bewirkt eine Verkrampfung der Muskeln, die wir alle aus eigener, unangenehmer Erfahrung kennen. Die Verkrampfung löst sich, wenn der Stromkreis unterbrochen wird.
Wann wird es nun aber gefährlich? Im industriellen Bereich können an Maschinen oder auch Handgeräten Ströme einer solchen Stärke auftreten, dass die Verkrampfung des Herzmuskels zu stark wird und es zum Herzstillstand oder zum Herzkammerflimmern kommt. Das ist ein Zustand, bei dem die Herzkammern nur noch ohne Pumpwirkung vibrieren. Das Herz pumpt nun kein Blut mehr in den Körper und das Gehirn; wenn die Gehirnzellen länger als drei Minuten ohne Sauerstoffversorgung bleiben, sterben sie ab. Der Tod des Menschen ist die Folge.
Da der elektrische Strom mit den menschlichen Sinnen nicht wahrnehmbar ist, müssen besonders weitgehende Schutzmaßnahmen getroffen werden. Die wichtigste Maßnahme ist der Schutz gegen direktes Berühren – das heißt: vor direktem Kontakt mit einem stromführenden Teil. Wenn irgendein Fehler an einem elektrischen Gerät auffällt – zum Beispiel, wenn die Sicherung an der Maschine häufig herausspringt, muss das Gerät sofort außer Betrieb gesetzt werden. Außerdem muss der Fehler umgehend gemeldet werden. Netzstecker ziehen beziehungsweise Hauptschalter ausschalten! Andere Mitarbeiter sind davon entsprechend zu unterrichten.
• Schäden an Stromkreisläufen und stromführenden Teilen sofort melden!
• Gerät oder Maschine vom Netz nehmen!
• Beschädigungen an elektrischen Geräten darf nur der Fachmann reparieren!
Probleme mit dem Strom? Maschine sofort abschalten! Meldung an Vorgesetzte und Kollegen! Lebensgefahr!
In den meisten Betrieben unserer Industrie herrscht Rauchverbot. Die genaue Abgrenzung, wo geraucht werden darf und wo nicht, wird individuell vom Betrieb geregelt.
Alkohol stellt ein wachsendes Problem dar. Alkohol führt bekanntlich zur Abhängigkeit. Die Alkoholkrankheit gehört zu den großen Problemen unserer Zeit; körperliche, psychische und soziale Störungen sind die Folge. Schon bei geringem Alkoholgenuss tritt ein deutlicher Leistungsabfall ein. Selbstkritik lässt nach, man überschätzt das eigene Leistungsvermögen, während man zugleich die Gefahren der Umgebung unterschätzt. Es kommt zu erhöhter Selbstgefährdung und Gefährdung von Arbeitskollegen. Nach Schätzungen werden 10 bis 20 % der Arbeitsunfälle auf Alkoholeinwirkung zurückgeführt.
In vielen Betrieben ist es deshalb untersagt, während der Arbeitszeit alkoholische Getränke zu trinken. Erkennt ein Vorgesetzter, dass ein Mitarbeiter zu viel Alkohol getrunken hat, so ist er verpflichtet, ihn vom Arbeitsplatz zu entfernen. Kommt es zum Unfall – das gilt auch für den Heimweg –, ist der Versicherungsschutz nicht mehr gegeben, wenn Alkohol die wesentliche Ursache des Unfalls ist.
Kein Alkohol im Betrieb!
Genau wie im Straßenverkehr gibt es auch zur Regelung verschiedener Arbeitsabläufe eine feststehende Sicherheitskennzeichnung. Diese Schilder verzichten bewusst auf schriftliche Hinweise wie „Rauchen ver- boten“, damit ihr Signal in kurzer Zeit von jedem aufgefasst werden kann.
Hier erfahren Sie Grundsätzliches über Papier, Karton und Pappe – die wichtigsten Grundstoffe in der Packmittelindustrie. Sie lernen, wie die Faserstoffe (hauptsächlich aus Holz und Altpapier) gewonnen und aufbereitet werden. Sie finden Informationen darüber, wie Zusatzstoffe Eigenschaften von Papier verändern können, damit es zum Beispiel besonders weiß oder besonders fest wird. Grundlagenwissen bietet dieser Abschnitt auch zu allgemeinen Eigenschaften von Papier, Karton und Pappe.
Papier
Nach DIN 6735 ist Papier ein flächiger, im Wesentlichen aus Fasern meist pflanzlicher Herkunft bestehender Werkstoff, der durch Entwässerung einer Faserstoffaufschwemmung auf einem Sieb gebildet wird. Dabei entsteht ein Faserfilz, der anschließend verdichtet und getrocknet wird; flächenbezogene Masse ≤ 225 g/m².
Pappe
Pappe ist nach DIN 6735 der Oberbegriff für Vollpappe und Wellpappe, deren Definitionen im Folgenden aufgeführt sind:
Vollpappe
Massiver (im Gegensatz zur Wellpappe) im Wesentlichen aus Fasern pflanzlicher Herkunft bestehender Werkstoff, einlagig und gegautscht, auch zusammengeklebt, beklebt, imprägniert oder beschichtet als Maschinenpappe oder Wickelpappe hergestellt, dessen flächenbezogene Masse im Regelfall oberhalb derjenigen für Karton liegt.
Wellpappe
Pappe aus einer oder mehrerer Lagen eines gewellten Papiers, das auf eine Lage oder zwischen mehreren Lagen eines anderen Papiers oder Pappe geklebt ist.
Karton
Die Begriffsbestimmung für Karton in DIN 6735 ist äußerst vage. Sie lautet: Allgemeiner Begriff, angewendet für bestimmte Papierarten, die häufig durch ihre relativ hohe Festigkeit charakterisiert sind.
Im allgemeinen Sprachgebrauch versteht man unter Karton oft einseitig gestrichene papierne Flächengebilde im Grenzgebiet zwischen Papier und Pappe mit flächenbezogenen Massen im Bereich von 150 bis 600 g/m2, die vor allem für Verpackungszwecke verwendet werden. Hinsichtlich der Kartonsorteneinteilung vergleiche Abschnitt 2.1.7.
In Europa ist der Rohstoff zur Herstellung von Papierfasern Holz, insbesondere Stammholz, darüber hinaus Industrieresthölzer und Sägereiabfälle. Wie alle Pflanzen wird auch Holz aus Zellen aufgebaut, die im Falle von Holz mehrere Millimeter lang sein können, die hohl sind und die einen Durchmesser von etwa 50 μm haben. Die Zellen sind im Holz im Wesentlichen parallel zur Stammachse ausgerichtet, sie sind also hochgeordnet und füllen die Holzsubstanz porenfrei aus.
Chemisch gesehen bestehen die Zellwände im Wesentlichen aus Cellulose und Hemicellulose. Als Kittsubstanz zum Zusammenhalten des Zellverbundes dient das Lignin.
Direkt aus Holz können zwar sehr dünne Flächengebilde hergestellt werden (Furnierholz), aufgrund des Holzaufbaus (hoher Ordnungsgrad der Zellen, keine Poren) und der starken Abhängigkeit von der indivi- duellen Beschaffenheit des Baumes sind Furnierholztafeln aber als Bedruckstoff oder Verpackungsmaterial nicht gut geeignet. Um trotzdem aus Holz einen gut geeigneten Bedruckstoff machen zu können, ist ein Umweg erforderlich, der schließlich zu einem neuen Werkstoff, dem Papier, führt.
Die Grundidee des Papiers basiert auf der Schaffung eines neuen Werkstoffs, der die Nachteile des Holzes vermeidet. Sind im Holz die Zellen geordnet, dann sollen sie im neuen Werkstoff ungeordnet sein; enthält das Holz keine Poren, dann soll der neue Werkstoff Poren enthalten; sind die Eigenschaften einer Furnierholztafel von der Beschaffenheit des zugehörigen Baumes abhängig, dann sollen die Baumei- genschaften beim neuen Werkstoff keine Rolle mehr spielen. Natürlich sollen die Vorteile des Holzes, nämlich ein nachwachsender und biologisch abbaubarer Rohstoff zu sein, uneingeschränkt auch für den neuen Werkstoff gelten. Schließlich darf sich der neue Werkstoff auch hinsichtlich seiner Festigkeitseigenschaften nicht zu sehr vom Holz unterscheiden.
Weil im Folgenden die Papiertechnik im Vordergrund stehen wird, sollen auch die dort üblichen Begriffe verwendet werden. Das gilt zunächst einmal für die Zellen des Baumes, die in der Papiertechnik mit „Fasern“ bezeichnet werden. Dieser Begriff wird ab jetzt ausschließlich verwendet.
Der Weg vom Holz zum Papier besteht aus zwei Schritten. Im ersten Schritt wird das Holz in seine elementaren Bestandteile, die Fasern, zerlegt. Im zweiten Schritt werden die vereinzelten Fasern nach dem neuen Ordnungsprinzip wieder zusammengefügt.
Den Zerlegungsvorgang des Holzes in seine elementaren Bestandteile nennt man Aufschluss. Dieser Vorgang findet stets in der Gegenwart von Wasser statt. An seinem Ende liegen die vereinzelten Fasern in Wasser verteilt vor. Der Prozess des Zusammenfügens der vereinzelten Fasern zum neuen Werkstoff Papier geschieht auf dem Sieb der Papiermaschine. Im Zuge der weiteren Verdichtung und Trocknung des Papiers entstehen in den Kontaktflächen sich kreuzender Fasern Bindungskräfte. Diese sorgen letztendlich für die Festigkeit des fertigen Papiers.
Der Oberbegriff für die in der Papiererzeugung verwendeten Fasern ist Faserstoff. Darunter werden die aus Holz gewonnenen primären Fasern ebenso verstanden wie die aus Altpapier stammenden sekundären Fasern. Aber auch die für einige spezielle Papiersorten benötigten textilen Fasern oder synthetische Fasern zählen zu den Faserstoffen.
Von Holzstoff spricht man, wenn der Aufschluss des Holzes ausschließlich mechanisch oder mechanisch nach geeigneter Vorbehandlung des Holzes erfolgt. Wird ausschließlich chemisch aufgeschlossen, spricht man von Zellstoff.
Beim rein mechanischen Aufschluss verwendet man zwei unterschiedliche Hauptmethoden:
1. Steinschliff. Ein rotierender Schleifstein, gegen den Stammholzabschnitte mit einer Länge entsprechend der Schleifsteinbreite (meist etwa 1 m) in Gegenwart von Wasser gepresst wird, zerfasert das Holz. Dieses klassische Verfahren wird auch mit Holzschliff bezeichnet (vgl. Abbildung 72a).
Abb. 72a: Schematische Darstellung der Holzstofferzeugung mittels Schleifstein (Bildquelle: VDP)
2. Refiner-Holzstoff. Ein Refiner besteht im Wesentlichen aus zwei motorisch angetriebenen, im geringen Abstand zueinander rotierenden gezahnten Stahlscheiben. Vor dem Zerfaserungsprozess muss das Holz zunächst in Hackschnitzel mit einer Kantenlänge von 10 – 20 mm zerkleinert werden. Die Hackschnitzel werden dann in Gegenwart von Wasser zentrisch in den Spalt zwischen den Scheiben gepresst und dabei zerfasert (vgl. Abbildung 72b). Im Englischen wird der Prozess mit „Mechanical Pulping“ bezeichnet.
Abb. 72b: Schematische Darstellung der Holzstofferzeugung mittels Refiner (Bildquelle: VDP)
Beim Refiner-Holzstoff kann die Qualität des erzeugten Stoffs wesentlich verbessert werden, wenn die Hackschnitzel thermisch – in der Regel durch Dämpfen – vorbehandelt werden. Diese Holzstoffe werden nach der englischen Verfahrensbezeichnung mit TMP (Thermomechanical Pulp) bezeichnet. Mithilfe einer zusätzlichen chemischen Vorbehandlung können weitere Verbesserungen der Zerfaserbarkeit der Hackschnitzel und damit der Güte der Holzstoffe erreicht werden. Für dieses Verfahren wird das Kürzel CTMP (Chemithermomechanical Pulp) verwendet.
Bei der Holzstoffherstellung – auch beim CTMP – wird die chemische Zusammensetzung des Holzes nicht verändert. Da das im Holzstoff enthaltene Lignin mit der Zeit gelb wird, ist die Vergilbungsneigung ein typisches Merkmal von Holzstoff sowie aus Holzstoff hergestellter Papiere. Auf der anderen Seite können die mechanischen Aufschlussbedingungen in weiten Grenzen variiert werden, sodass je nach gewählter Bedingung sehr dichte, aber auch sehr voluminöse Papiere hergestellt werden können.
Aus Holzstoff hergestellte Papiere heißen holzhaltige Papiere. Aus Holzstoff hergestellte Papiere neigen zum Vergilben.
Der Aufschluss kann auch chemisch erfolgen, wobei aber ein ganz anderes Ziel verfolgt wird als beim CTMP und natürlich auch andere Chemikalien eingesetzt werden. Rohstoff sind wieder Hackschnitzel, die in einem aufwendigen Kochprozess mit geeigneten sauren oder alkalischen Chemikalien behandelt werden, wobei die Kittsubstanz im Holz – das Lignin – in eine wasserlösliche Form umgewandelt wird. Das Lignin kann dann nahezu vollständig aus der Holzsubstanz herausgewaschen werden. Übrig bleiben die Fasern aus Cellulose und Hemicellulose. Der so erzeugte Faserstoff heißt Zellstoff und die daraus herge- stellten Papiere sind die holzfreien Papiere.
Je nach Wahl der Aufschlusschemikalien erhält man den sogenannten Sulfitzellstoff für Papiere mit hohen Weißgrad- und geringen Festigkeitsansprüchen oder den Sulfatzellstoff für Papiere mit hohen Festigkeitsansprüchen. Für letzteren ist auch der Begriff Kraftzellstoff geläufig. Die daraus hergestellten Papiere heißen dann Kraftpapiere.
Zellstoffe sind je nach Grad der Ligninentfernung bräunlich bis weiß.
Der Prozess, mit dem die letzten Reste des Lignins aus dem Faserstoff entfernt werden und bei dem der anfänglich braune Faserstoff immer weißer wird, heißt Bleiche. Er erfordert andere Chemikalien als der Aufschlussprozess: Oft sind dies Chlordioxid, Peroxid oder Sauerstoff. Hoch gebleichte und nahezu ligninfreie Zellstoffe sind weiß, daraus hergestellte Papiere vergilben wegen des fehlenden Lignins nicht. Ungebleichte Kraftzellstoffe werden vorzugsweise für die Herstellung von Verpackungspapieren und Wellpappenrohpapieren verwendet, weil dort die bräunliche Färbung in der Regel nicht stört. Die Hauptprozessschritte der Zellstoffherstellung zeigt Abbildung 73 schematisch.
Abb. 73: Schematische Darstellung der Hauptprozessschritte der Zellstoffherstellung (Bildquelle: VDP). Zu den Verfahrensschritten „Mahlen“ und „Reinigen“ siehe Abschnitt 2.1.5.
Aus dem Rücklauf und der Aufbereitung (Recycling) gebrauchter holzhaltiger und holzfreier Papiere, nach Möglichkeit aufgeteilt in weiße oder helle Altpapiere und braune Altpapiere, entsteht der Altpapierstoff, die dritte sehr wichtige Rohstoffquelle der Papierindustrie. Die daraus hergestellten Papiere heißen Recyclingpapiere. Die Grundzüge der Altpapieraufbereitung für weiße Altpapiere zeigt Abbildung 74 schematisch.
Abb. 74: Grundzüge der Aufbereitung weißer und heller Altpapiere zu Altpapierstoff (Bildquelle: VDP)
Aus weißen beziehungsweise hellen Altpapieren werden Altpapierstoffe hergestellt, die überwiegend für grafische Neupapiere Verwendung finden. Die Aufbereitung dieser Altpapierstoffe ist durch den Prozessschritt Deinking gekennzeichnet, in dem die mehr oder weniger vollständige Entfernung von Druckfarben aus dem Faserstoff angestrebt wird. Deinking (engl. ink = Tinte) nennt man die Entfernung von Druckfarben aus Altpapier. Grundlage dafür ist ein mit Flotation bezeichneter Prozess, dessen prinzipielle Funktionsweise Abbildung 75 zeigt.
Abb. 75: Prinzip der Druckfarbenentfernung (Deinking) durch Flotation (Bildquelle: VDP)
Neben den Fasern werden für die Papierherstellung auch noch eine Reihe von Additiven benötigt. Einige davon dienen der Verbesserung des Papierherstellungsprozesses. Hierzu zählen beispielsweise Mittel, die das Schäumen des Faserstoffes verhindern, Mittel zur Verbesserung der Blattbildung auf dem Papiermaschinensieb und Ähnliches. Auf diese wird hier nicht weiter eingegangen.
Andere Additive dienen der Verbesserung der Papiereigenschaften. Die wichtigsten dieser Additive sind
• Füllstoffe
• Leimungsmittel
• Farbstoffe
• Trockenverfestigungsmittel und Nassfestmittel
Füllstoffe sind weiße anorganische Pigmente, die dem Papier zugesetzt werden, um dessen Bedruckbarkeit, Weiße, Porosität und viele andere Eigenschaften günstig zu beeinflussen. Häufig verwendet werden Calciumcarbonat und Kaolin als Weißpigmente.
Unter dem Begriff Leimungsmittel werden zwei ganz unterschiedliche Additivgruppen zusammengefasst. Klassische Leimungsmittel haben den Zweck, Papier mit wässrigen Tinten beschreibbar zu machen.
Dazu müssen die Fasern wasserabstoßend gemacht werden, damit die Tinte nicht in die Kapillaren des Papiergefüges eindringen kann. Man verwendet dafür natürliche oder synthetische Harze, mit denen die Faseroberflächen gewissermaßen imprägniert werden. Mit Leimungsmittel bezeichnet man auch Mittel, die die Festigkeit des Papiers im trockenen Zustand erhöhen sollen (siehe unten).
Farbstoffe dienen in erster Linie einer Färbung des Papiers. Für weiße Papiere spielen dabei die blauen Nuancierfarbstoffe und insbesondere die optischen Aufheller eine Rolle. Letztere sind Substanzen, die UV-Licht absorbieren und die die so aufgenommene Energie im sichtbaren Bereich wieder abgeben können. Dem sonst üblichen leichten Gelbstich von Papieren kann mit Hilfe dieser Additive entgegengewirkt werden – das Papier erscheint dadurch strahlend weiß. Allerdings wirkt dieser Effekt nur, wenn die Beleuchtung des Papiers UV-Anteile enthält. Auch mit Nuancierfarbstoffen kann dem Gelbstich entgegengewirkt werden. Sie lassen das Papier weißer erscheinen, aber auf Kosten der Helligkeit.
Für die Herstellung bunter Papiere stehen verschiedenste Farbstoffe zur Verfügung, die je nach Faserstoffzusammensetzung und Verfahrensbedingung ausgewählt werden müssen.
Trockenverfestigungsmittel dienen der Verstärkung von Faser-Faser-Bindungen im trockenen Papiergefüge. In der Regel werden dafür Stärke oder auf Stärke basierende Produkte eingesetzt. Oft genügt es, die verfestigenden Mittel nur in die Papieroberflächen mit Hilfe der Leimpresse oder der Filmpresse einzubringen. Man spricht dann von Oberflächenleimung. In vielen Fällen wird das verfestigende Mittel dem Faserstoff vor Beginn der Papierherstellung zugemischt. In dem Fall spricht man von Masseleimung.
Nassfestmittel reduzieren die Empfindlichkeit des Papiers gegen Wasser. Letztere beruht darauf, dass die Faser-Faser-Bindungen in den Kontaktflächen sich kreuzender Fasern, die bei der Verdichtung und Trocknung des Papiers in der Papiermaschine entstehen, wieder rückgängig gemacht werden können, wenn das Papier Wasser ausgesetzt wird. Durch die Zugabe spezieller polymerer Additive lässt sich dieser Prozess mehr oder weniger stark reduzieren. Nassfestmittel spielen eine besondere Rolle, wenn das Papier bestimmungsgemäß mit Wasser in Kontakt kommt (z.B. Teefilter oder Kaffeefilter aus Papier). Verfestigungsmittel sorgen zum Beispiel dafür, dass sich ein Kaffeefilter beim Brühvorgang nicht wieder in seine Faserbestandteile auflöst.
Nach der Faserstoffgewinnung ist die Faserstoffaufbereitung die erste Stufe der Papierherstellung. Sie umfasst die Maschinen und Anlagen, die zur Reinigung der Faserstoffe benötigt werden. Mit Hilfe verschiedener Techniken werden im Faserstoff enthaltene Verunreinigungen entfernt. Siebtechniken werden angewendet, um grobe Partikel herauszuholen. Mit Hilfe sogenannter Cleaner werden Zentrifugal- beziehungsweise Zentripetalkräfte genutzt, um spezifisch leichte und spezifisch schwere Partikel zu entfernen. Bei der Aufbereitung von Altpapierstoffen müssen die gegebenenfalls enthaltenen störenden Druckfarbenreste mittels Flotations-Verfahren entfernt werden.
Die Zentrifugalkraft (von lat. centrum, Mitte, und fugere, fliehen) nennt man auf Deutsch auch Fliehkraft. Im Alltag kann man sie zum Beispiel auf einem Kettenkarussell erleben, wenn die Sitze in der Drehung nach außen gedrängt werden, oder auch bei einer Wäscheschleuder. Die Zentripetalkraft (von lat. streben nach, sich begeben) oder Radialkraft hingegen bezeichnet den Drang von Gegenständen nach innen. |
Ein besonders wichtiger Verfahrensschritt der Faserstoffaufbereitung ist die Mahlung, für die wieder Refiner eingesetzt werden. Ziel der Mahlung: Die Fasern sollen gekürzt werden, um deren Neigung zur Bildung von Faserflocken zu reduzieren; darüber hinaus wird die Faserwand kontrolliert geschädigt, um die Bindefähigkeit der Fasern zu verbessern. Die Führung des Mahlprozesses hängt dabei ganz wesentlich von den eingesetzten Faserstoffen und den Anforderungen an das aus dem Faserstoff hergestellte Papier ab.
Generell gilt, dass die Intensität der Mahlung umso geringer ist, je voluminöser das spätere Papier sein soll. Bei manchen Papiersorten – zum Beispiel bei Filterpapieren oder Tissuepapieren, die besonders voluminös und saugfähig sein müssen – muss nicht oder nur ganz schwach gemahlen werden. Für die Herstellung sehr dichter bzw. feiner Papiere muss dagegen intensiv gemahlen werden.
Der Prozess der Mahlung spielt bei Zellstoffen eine besondere Rolle, weil die Fasern hier nahezu unbeschädigt aus dem Gewinnungsprozess herauskommen und durch die Mahlung erst den Anforderungen des Papiers angepasst werden müssen. Bei Holzstoffen, die aufgrund des Zerfaserungsprozesses so gut wie keine unbeschädigten Fasern enthalten, hat die Mahlung einen deutlich geringeren Stellenwert. Mit der Mahlung lassen sich Altpapierfasern reaktivieren.
Die Faserstoffaufbereitung endet mit der Bereitstellung des Faserstoffes in der für die Papierherstellung notwendigen Verdünnung sowie mit der Zumischung der Additive.
Die Papierherstellung findet in der Papiermaschine statt, die aus den folgenden Baugruppen besteht:
• Stoffauflauf
• Siebpartie
• Pressenpartie
• Trockenpartie
• Aufrollung
Eine Übersicht zeigt Abbildung 76.
Abb. 76: schematische Darstellung der Baugruppen einer Papiermaschine (Bildquelle: VDP)
Der Stoffauflauf, der vor der Siebpartie angeordnet ist, hat die Aufgabe, den Faserstoff gleichmäßig über die Breite des Siebes zu verteilen. Durch spezielle Einbauten werden im Stoffauflauf Turbulenzen erzeugt, mit denen die Flockenbildung der Fasern verhindert und schon gebildete Flocken aufgelöst werden sollen. In einem siebbreiten Strahl bestimmter Dicke und bestimmter Geschwindigkeit tritt der Stoff mit einer Stoffdichte kleiner als 1 % aus dem Stoffauflauf aus und trifft auf das Sieb, auf dem die Blattbildung stattfindet.
Die Siebpartie besteht aus einem endlosen umlaufenden Sieb, das über zwei Umlenkwalzen läuft. Der aufgebrachte hochverdünnte Faserstoff wird vom Sieb in Maschinenrichtung transportiert und dabei stark entwässert, anfänglich allein durch die wirkende Schwerkraft, später unterstützt durch Entwässerungselemente und Vakuum. Wenn das Sieb umgelenkt wird, hat sich ein Faservlies gebildet, dessen Stoffdichte etwa 20 % beträgt. Seine Festigkeit reicht aus, es mit Hilfe umlaufender Filze vom Sieb herunterzunehmen und der Pressenpartie zuzuführen.
Das auf dem Sieb gebildete Faservlies besteht idealerweise aus völlig ungeordneten Fasern, tatsächlich sind sie aber bevorzugt parallel zur Bewegungsrichtung des Siebes ausgerichtet und in z-Richtung geschichtet. Es gibt so gut wie keine Fasern, die senkrecht zur Blattebene angeordnet sind.
Durch die ausschließliche Entwässerung senkrecht zur Blattebene verarmt die Siebseite des Blattes an siebgängigen Feinstoffen, diese Verarmung ist auf der Oberseite wesentlich schwächer. Die Folge ist ein Blatt, dessen Oberseite und Unterseite unterschiedliche Eigenschaften haben. Das Papier ist „zweiseitig“.
In der Pressenpartie durchläuft das noch sehr feuchte Faservlies ein oder mehrere Walzenspalte, in denen Wasser mechanisch herausgepresst wird. Das Vlies wird dabei verdichtet und geglättet, seine Stoff- dichte steigt auf etwa 40 %.
Das nun noch im Faservlies enthaltene Wasser muss thermisch entfernt werden. Dazu wird es um dampfbeheizte Walzen geführt, bis die Stoffdichte auf etwa 94 % angestiegen ist, der Wassergehalt des Papiers also etwa 6 % beträgt. Das nun fertige Papier kann aufgerollt werden.
Mit beginnender Trocknung bilden sich Bindungen zwischen benachbarten Fasern aus, und das Papier gewinnt dadurch erheblich an Festigkeit. Bei noch etwas weiter fortgeschrittener Trocknung beginnt das Papier zu schrumpfen, wobei allerdings das Schrumpfen in der Maschinenrichtung durch die wirkenden Bahnzüge behindert wird, in der Querrichtung dagegen kann die Bahn mehr oder weniger ungehindert schrumpfen. Diese Erscheinung führt gemeinsam mit der auf dem Sieb geprägten Faserorientierung dazu, dass viele Papiereigenschaften richtungsabhängig werden. So ist beispielsweise die Feuchtdehnung eines Papiers in Maschinenrichtung kleiner als in Querrichtung.
Um die Vielzahl der verfügbaren Papiersorten abzudecken sind sehr viele verschiedene Papiermaschinenkonstruktionen erforderlich. In modernen und schnelllaufenden Papiermaschinen wird das klassische Langsieb durch Doppelsiebe ersetzt, die aus einem Untersieb und einem Obersieb bestehen. Dadurch kann die Effizienz der Entwässerung erheblich gesteigert werden und gleichzeitig die unerwünschte Zweiseitigkeit vermindert werden.
Papiermaschinen für die Herstellung mehrlagiger Produkte wie beispielsweise Faltschachtelkartons müssen für jede Lage eine eigene Siebpartie aufweisen. Alle von den Sieben erzeugten Bahnen werden im noch nassen Zustand zusammengeführt und dann gemeinsam an die Pressenpartie übergeben. Den Prozess des Verbindens noch nasser Vliese zu einem mehrlagigen Produkt bezeichnet man mit Gautschen.
Papiermaschinen können zudem eine Reihe von zusätzlichen Aggregaten aufweisen. Die größte Bedeutung haben dabei die Leimpresse beziehungsweise ihre moderne Form, die Filmpresse. Ihre Aufgabe ist es, auf die Oberfläche der Bahn ein Additiv (meist Stärke) aufzubringen, um auf diese Weise die Oberflächenfestigkeit des Papiers zu verbessern.
Viele Papier- und Kartonmaschinen enthalten ein oder mehrere Streichaggregate, mit denen ein dünner Pigmentstrich auf die Oberfläche aufgebracht werden kann. Oft wird der Vorgang des Streichens auch in eigenständigen Streichmaschinen vorgenommen (vgl. Abbildung 77). Durch das Streichen wird eine sehr gute Vergleichmäßigung der Oberfläche erreicht. Sie wird zudem weißer. Und vor allem verbessert sich die Bedruckbarkeit des Papiers wesentlich.
Abb. 77: Schemata einer Streichmaschine und eines Glättwerks (Satinierkalander) (Bildquelle: VDP)
Je nach Verwendungszweck eines Papiers muss dessen Oberfläche bestimmte Gebrauchseigenschaften wie zum Beispiel Glätte und Glanz besitzen. Für diese Eigenschaften sorgt der Kalander. Das ist eine Walzenmaschine mit bis zu 15 übereinander angeordneten Walzen, die unter Druck zusammengefahren werden und dann eine geschlossene Walzenspalte (Nips) bilden. Durchläuft die Papierbahn diese Nips, so wird sie mechanischen und thermischen Kräften ausgesetzt, die bewirken, dass das Papier die geforderten Oberflächeneigenschaften erhält. |
Das von der Papiermaschine aufgerollte Fertigprodukt wird schließlich an die letzte Abteilung einer Papierfabrik übergeben – die Ausrüstung. Im Bedarfsfall werden die Papiere zunächst geglättet; dafür werden Glättwerke oder Satinierkalander verwendet. Anschließend werden aus den maschinenbreiten Rollen Schmalrollen geschnitten, die sorgfältig verpackt in den Versand kommen. Wenn das Papier zu Formaten ausgerüstet werden soll, werden Querschneider benötigt. Die erzeugten Formate werden geriest oder auf Paletten gestapelt und nach sorgfältiger Verpackung zum Versand gebracht.
Riesen bedeutet verpacken. Möchte man „ein Ries“ haben, so heißt das, dass man ein einzeln verpacktes Paket Papier haben möchte. Normalerweise befinden sich mehrere Packungen beziehungsweise Riese in einem Karton. |
Abb. 78: Prinzip der Rollen- und Formatausrüstung von Papier. Mit Hilfe von Kreismessern werden in Rollenschneidmaschinen Schmalrollen geschnitten (oben). Um Formatpapiere daraus herzustellen, werden Querschneider eingesetzt (unten). Leichtgewichtige Papiere werden dabei mehrlagig geschnitten (Quelle: Eigene Darstellung)
Nun bleibt noch nachzutragen, dass die Festigkeit im Papier – wie bereits erwähnt – durch Bindungen in der Berührungsfläche zweier sich kreuzender Fasern entsteht. Je mehr Berührungsflächen vorhanden sind und je größer die Flächen sind, desto fester ist das Papier. Die Bindungskräfte selber werden durch Wasserstoffbrückenbindungen erzeugt, die nicht wasserfest sind. Taucht man ein Blatt Papier in Wasser, dann lösen sich die Bindungen zwischen benachbarten Fasern – und das Blatt zerfällt. Genau darin liegt aber auch eine große Chance: nämlich die Möglichkeit, Papier auf einfache Weise nur durch Einbringen in Wasser in seine Faserbestandteile zu zerlegen und diese dann erneut zur Papierproduktion zu verwenden. Das ist die Grundidee des Recyclings.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die gesetzten Ziele uneingeschränkt erreicht sind:
• Durch den Blattbildungsprozess ist erreicht worden, dass ein neuer Werkstoff – das Papier – entstanden ist, in dem die Fasern regellos angeordnet sind und der Poren enthält.
• Die Papiereigenschaften sind unabhängig von den Eigenschaften des Baumes, aus dem die Fasern stammen. Schon nach dem Aufschlussprozess können die Fasern im Faserstoff nicht mehr dem Baum zugeordnet werden, aus dem sie stammen. Da zum Beispiel für die Erzeugung eines Blattes üblichen Kopierpapiers im Format DIN A4 rund 16 Millionen Fasern benötigt werden, spielen ein paar Fasern, die vielleicht aus Holz minderer Güte stammen, keine Rolle.
• Holz ist biologisch abbaubar und ein nachhaltiger Rohstoff; es überträgt diese Eigenschaften auf das Papier.
Darüber hinaus hat der Werkstoff Papier noch weitere Vorteile:
• Der Papierherstellprozess vergleichmäßigt die Einflüsse der Einzelfasern und erlaubt deshalb zumindest theoretisch die Produktion beliebiger Mengen in immer gleicher Qualität.
• Papier kann problemlos recycelt werden, sofern der Zerfall der Faser-Faser-Bindungen im Wasser nicht durch Additive oder sonstige Maßnahmen verhindert wird. In dem Fall kann das Papier nicht oder nur mit zusätzlichem Aufwand recycelt werden.
• Papier kann äußerst wirtschaftlich mit Hilfe der Streichtechnik mit einer dünnen Schicht aus mineralischen Pigmenten versehen und dadurch zu einem hochwertigen Bedruckstoff veredelt werden.
Die von der Papierindustrie hergestellten Papiere werden in die folgenden vier Hauptgruppen eingeteilt:
• Druck- und Pressepapiere / Büro- und Administrationspapiere (Kurzbenennung „grafische Papiere“).
• Papier, Karton und Pappe für Verpackungszwecke (Kurzbenennung: „Verpackungspapiere“).
• Papier und Pappe für technische und spezielle Verwendungszwecke (Kurzbenennung: „Spezialpapiere“).
• Hygienepapiere.
Zu den grafischen Papieren gehören alle Druck- und Schreibpapiere. Diese gibt es in Rollenform oder als Formatpapiere. Besondere Bedeutung haben die Zeitungsdruckpapiere und die Papiere für den Tiefdruck sowie den Offsetdruck. Zu den Büro- und Administrationspapieren zählen die Kopierpapiere ebenso wie die Papiere für den Formulardruck und ähnliche Produkte für den Bürobedarf.
Besondere Bedeutung in der Gruppe der Verpackungspapiere haben die Wellpappenrohpapiere und der Faltschachtelkarton. Die Gruppe umfasst aber noch viele weitere Sorten, die im Verpackungsbereich Verwendung finden.
Unter den Spezialpapieren finden sich Papiersorten, die weder der Gruppe der grafischen Papiere noch den Verpackungspapieren zugeordnet werden können. Naturgemäß ist die Vielfalt der hier angesiedelten Papiersorten sehr groß, unter anderem sind es Tapetenpapiere, Filterpapiere, Zigarettenpapiere, Teebeutelpapiere, Silikonrohpapiere, Banknotenpapiere und viele weitere Spezialitäten.
Hygienepapiere umfassen alle Papiersorten, die zur Herstellung von Hygieneprodukten wie Toilettenpapier, Küchenrollenpapier, Taschentücher, Handtücher, Kosmetiktücher usw. verwendet werden. Im Wesentlichen sind das in der Regel aus Zellstoff hergestellte sehr dünne Tissuepapiere und die Krepp-Papiere, für deren Herstellung auch Holzstoff oder Altpapierstoff eingesetzt werden kann.
Neben der Zugehörigkeit von Papiersorten zu einer der genannten Hauptgruppen lassen sich Papiersorten auch nach anderen Gesichtspunkten unterscheiden. Nach der Oberflächenbeschaffenheit unterscheidet man
• Gestrichene Papiere. Dies sind Papiere, die einseitig oder beidseitig mit einer dünnen Pigmentschicht versehen wurden. Dadurch wird die Oberfläche vergleichmäßigt und glatter – und damit wesentlich besser bedruckbar. Beidseitig gestrichene grafische Papiere werden je nach der Dicke der aufgetragenen Strichschicht und der flächenbezogenen Masse des Rohpapiers unterteilt in:
o leichtgewichtige gestrichene Papiere (engl.: low weight coated LWC),
o Bilderdruckpapiere und die
o Kunstdruckpapiere
Einseitig gestrichene Papiere, die überwiegend Verpackungszwecken dienen, sind die
o Etikettenpapiere und der
o Faltschachtelkarton (vgl. Abbildung 79)
Abb. 79: Sorteneinteilung für Faltschachtelkarton nach DIN 19303. (Quelle: Eigene Darstellung)
• Naturpapiere. Dies ist der Oberbegriff für alle Papiere, die nicht gestrichen wurden. Deren weitere Untergliederung richtet sich nach der Oberflächenbeschaffenheit:
o Maschinenglatte Naturpapiere. Papiere, die ohne zusätzliche Glättung – wie von der Papiermaschine produziert – verarbeitet werden.
o Einseitig glatte Papiere. Papiere, die während der Trocknung in der Papiermaschine über einen sehr großen Glättzylinder mit spiegelglatter Oberfläche geführt wurden, wobei sich die Oberflächenglätte auf die kontaktierende Papieroberfläche abbildet.
o Satinierte Papiere. Papiere, die mittels eines Kalanders oder Glättwerks unter Druck und Wärme beim Durchlauf durch den Nip zweier Walzen geglättet wurden. Für eine sehr intensive Glättung werden Superkalander oder auch Satinierkalander, bei denen das Papier durch mehrere hintereinandergeschaltete Walzennips läuft, verwendet.
• Übergangsformen zwischen gestrichenen Papieren und Naturpapieren sind pigmentierte Papiere, deren Pigmentstrich so dünn ist, dass die Faserstruktur des Papiers noch sichtbar ist.
Nach dem eingesetzten Faserstoff unterscheidet man:
• holzfreie Papiere aus überwiegend Zellstoff
• holzhaltige Papiere aus Holzstoff
• Recyclingpapiere aus Altpapierstoff
Die Eigenschaften von Papier, Karton und Pappe können durch die Wahl der Rohstoffe, deren Aufbereitungsverfahren und das Herstellverfahren in weiten Grenzen variiert und an die Anwendungsanforderungen angepasst werden. Die Gesamtproduktion in Deutschland betrug 2017 etwa 22,9 Mio. t; sie kann in folgende Hauptgruppen unterteilt werden:
• Grafische Papiere (8,1 Mio. t)
• Papier, Karton und Pappe für Verpackungszwecke (11,8 Mio. t)
• Hygienepapiere (1,5 Mio. t)
• Papier und Pappe für technische und spezielle Verwendungszwecke (1,4 Mio. t).
Quelle für diese Produktionszahlen: Papierkompass, Verband Deutscher Papierfabriken VDP, Bonn (https://www.vdp-online.de/fileadmin/Datensammlungen/Statistik/2017/Kompass_dt.pdf)
Abgesehen von den speziellen Eigenschaften der Papiere in den vier Hauptgruppen gibt es allgemeine Eigenschaften, die den Werkstoff kennzeichnen.
Dazu gehören die hygroskopischen Eigenschaften (hygroskopisch: wissenschaftlicher Begriff für die Eigenschaft, Feuchtigkeit aus der Umgebung zu binden). Sie kennzeichnen die Eigenschaft von Papier, Feuchtigkeit aus feuchter Umgebungsluft aufzunehmen und Feuchtigkeit abzugeben, wenn die Luft trocken ist. Dieser Austausch geht so lange, bis das Papier im Gleichgewicht mit der umgebenden Luft ist. Es hat dann seine Gleichgewichtsfeuchte erreicht. Üblicherweise wird der Feuchtegehalt der Luft durch Angabe der relativen Feuchte angegeben. Das ist das Verhältnis der tatsächlich in der Luft vorhandenen Feuchte im Verhältnis zum maximal möglichen Feuchtegehalt. Letzterer ist stark von der Lufttemperatur abhängig. Bei Angaben der relativen Feuchte muss auch stets die zugehörige Lufttemperatur angegeben werden.
Je nach dem Feuchtegehalt des Papiers ändern sich viele physikalischen Papiereigenschaften mehr oder weniger stark. Diesem Umstand muss bei der Papierverarbeitung ebenso wie bei der Papierprüfung Rechnung getragen werden. Um einheitliche Bedingungen zu schaffen, wurde in der DIN ISO 187 als Standardklima festgelegt: Relative Luftfeuchte 50 % +/– 2 % und Lufttemperatur 23°C +/– 1°C. Dieses Klima wird auch mit „Normalklima“ oder „Normklima“ bezeichnet. In der Papierprüfung muss das zu prüfende Papier mit diesem Klima im Gleichgewicht sein.
Die wohl wichtigste Folge der Hygroskopizität ist die Veränderung der Dimension (der Abmessungen) eines Papierblattes je nach Feuchtegehalt. Beim Trocknen schrumpft Papier und beim Befeuchten dehnt es sich aus. Feuchtes Papier ist lappiger als trockenes, es lässt sich stärker dehnen als trockenes und es ist weniger zugfest als trockenes.
Weiterhin gehört zu den allgemeinen Eigenschaften die Richtungsabhängigkeit von Merkmalsausprägungen. Hauptrichtungen sind Maschinenrichtung (Produktionsrichtung), Querrichtung dazu in der Blattebene und die Richtung senkrecht zur Blattebene. Die aus dem Englischen abgeleiteten Kurzzeichen MD für Maschinenrichtung, CD für Querrichtung und ZD für die Senkrechte sind in der Papiertechnik gängige Bezeichnungen für die Hauptrichtungen. Die Abkürzung MD steht für Machine Direction, CD steht für Cross Direction, ZD steht für Thickness Direction.
Die Richtungsabhängigkeit von Papiereigenschaften ist eine Folge der maschinellen Produktion in Papiermaschinen.
Auch die Ungleichmäßigkeit des Blattaufbaus zählt zu den allgemeinen Eigenschaften. Ein Papierblatt ist aufgrund seines Aufbaus aus ungeordnet liegenden Fasern mit eingebetteten luftgefüllten Poren ungleichmäßig. Gegebenenfalls in das Faservlies eingearbeitete mineralische Partikel (Füllstoffe) verstärken noch die Ungleichmäßigkeit. Weitere Formen der Ungleichmäßigkeit entstehen durch Faserflocken, die sich im Faserstoff bilden und vom Stoffauflauf nicht beseitigt werden können. Sie erzeugen, dünnere und dickere Stellen im Papierblatt. In der Durchsicht erscheint ein Papierblatt an den dünneren Stellen heller und an den dickeren dunkler, es wirkt „wolkig“. Eine möglichst gleichmäßige Durchsicht, also eine möglichst geringe Wolkigkeit, wird bei einem Papier mit guter Bedruckbarkeit angestrebt.
Jedes Papier weist eine mehr oder weniger ausgeprägte Zweiseitigkeit auf, weshalb diese Eigenschaft auch zu den allgemeinen gehört. Bedingt durch die Herstellbedingungen in Papiermaschinen unterscheiden sich die Strukturmerkmale von Papieren auf der Oberseite von denen auf der Unterseite. Bei Langsiebpapiermaschinen ist in der Regel die Siebseite des Papiers offenporig, weil während der Blattbildung und Entwässerung siebgängiger Feinstoff ausgewaschen wird. Auf der Oberseite (dem Sieb abgewandten Seite) ist dieser Auswaschprozess wesentlich geringer ausgeprägt. Diese Papierseite bleibt dann feinstoffreicher und infolgedessen feinporiger. Die Bedruckbarkeitseigenschaften können dadurch seitenabhängig werden. Bei Doppelsiebmaschinen ist der Effekt der Zweiseitigkeit meist deutlich geringer ausgeprägt.
Sie erfahren hier mehr über Wellpappenrohpapiersorten und deren Eigenschaften. Sie lernen, aus welchen Komponenten sich Wellpappe zusammensetzt, welche Wellpappensorten es gibt und welche Eigenschaften diese haben.
Dieses Kapitel informiert auch über die vielfältigen Testverfahren, mit denen Wellpappe auf ihre Eignung als Verpackung und ihre Widerstandsfähigkeit zum Beispiel und beim Transport getestet wird.
2.2.1 Einführung
Wellpappe ist ein typischer Leichtbauwerkstoff mit hoher Steifigkeit bei geringer flächenbezogener Masse – also bei geringem Materialaufwand. Sie ist dadurch ideal zur Herstellung von Transportverpackungen aller Art geeignet.
Wellpappe geht zurück auf ein amerikanisches Patent aus dem Jahre 1871. Es bezog sich eigentlich nur auf die Herstellung einer gewellten (geriffelten) Papierbahn zur Verwendung als Polstermaterial. Aber schon wenige Jahre später wurde die Idee geboren, die gewellte Papierbahn mit einer ebenen Papierbahn mit Hilfe eines pflanzlichen Klebstoffs zu verbinden. Die einseitige noch wickelfähige Wellpappe war entstanden. 13 Jahre nach der Patenterteilung wurde die erste einwellige Wellpappe – das ist ein gewelltes Papier, das beidseitig mit ebenen Papierbahnen beklebt ist – maschinell hergestellt. Dieses Produkt kann nicht mehr gewickelt werden. Die hergestellte Endlosbahn muss am Ende des Produktionsprozesses mittels Querschneider zu Tafeln verarbeitet werden.
Als schließlich 1907 die Berstdruckprüfung eingeführt wurde und damit erstmals eine messende Güteprüfung möglich war, begann der Siegeszug der Wellpappe und der daraus gefertigten Transportverpackungen. Seither hat sich am Grundprinzip nichts mehr verändert – lediglich die Herstell- und Verarbeitungsprozesse haben sich stark weiterentwickelt. Heute wird Wellpappe auf großen Fertigungsanlagen mit enormer Produktivität und hoher Präzision hergestellt. Wellpappe kann heute mit einer Qualität bedruckt werden, die vor zehn Jahren noch für unmöglich gehalten wurde. Und die Entwicklung ist noch nicht am Ende. Die Wellpappenrohpapiere werden leichter, immer mehr werden gestrichene Papiere eingesetzt, die Klebetechnik wird verbessert, kurz: Die Wellpappe hat noch ein beachtliches Entwicklungspotenzial vor sich.
Wellpappe ist herstellungsbedingt ein Werkstoff, dessen Eigenschaften in MD und CD erhebliche Unterschiede aufweisen. Verursacher ist das gewellte Papier, dessen Wellen quer zur Maschinenrichtung (MD) der Deckenpapiere verlaufen.
Papiere, die speziell für die Verwendung in der Wellpappenproduktion ausgelegt sind, bezeichnet man als Wellpappenrohpapier. Unterschieden werden zunächst die Deckenpapiere (engl.: liner) von den Wellenpapieren (engl.: fluting). Auch im Deutschen werden Deckenpapiere oft als „Liner“ bezeichnet.
Deckenpapiersorten sind:
• Kraftliner KL. Sie werden hauptsächlich aus Kraft-Zellstoffen (Sulfat-Zellstoffen) mit Zumischung von Altpapierstoff aus Kraftpapier hergestellt. KL können braun (ungebleicht), weiß (gebleicht), geflammt (KL aus ungebleichtem Zellstoff mit dünner Auflage aus weißem Zellstoff) oder einseitig gestrichen sein.
• Testliner TL. Sie werden überwiegend aus Altpapierstoff hergestellt, oft zweilagig, oft farblich wie KL eingestellt, auch einseitig gestrichen beziehungsweise weiß gedeckt.
• Schrenzpapiere sind einlagige Papiere aus Altpapierstoff.
Wellenpapiersorten sind:
• Halbzellstoffpapier. Es handelt sich hier um Papiere hoher Festigkeit, die überwiegend aus speziellen ungebleichten Halbzellstoffsorten mit hohem Restligningehalt hergestellt werden.
• Wellenstoff aus Altpapierstoff, oft mit festigkeitssteigernder Leimung.
In der Wellpappenindustrie wird neben den genannten Sorten auch Faltschachtelkarton eingesetzt, insbesondere GD-Sorten (GD = gestrichener Sekundärfaserkarton, Einlage und Rückseite grau). So werden beispielsweise für die Herstellung von Displays und ähnliche Produkte für die Werbung und Warenpräsentation einseitige Wellpappe mit zuvor hochwertig im Bogenoffset bedruckte GD-Kartonbogen kaschiert. Vor allem GD-Sorten mit geringer flächenbezogener Masse in Rollen werden als besondere Linerart auch zur Produktion ein- oder zweiwelliger Wellpappen verwendet.
Darüber hinaus gibt es noch zahlreiche Sonderprodukte mit Spezialpapieren, die nicht zu den Standard-Wellpappenrohpapieren gehören. Fettdichte Papiere, gewachste Papiere, silikonisierte Papiere gehören dazu. Wellpappe eröffnet dem Verpackungsentwickler mit ihren vielseitigen Einsatzmöglichkeiten fast grenzenlose kreative Möglichkeiten.
Wellpappenrohpapiere sind in unterschiedlichen Güteabstufungen erhältlich. Maßgebend für die Güteeinstufung von Deckenpapieren in Abhängigkeit von ihrer flächenbezogenen Masse sind:
• Berstfestigkeit
Die Berstfestigkeit kennzeichnet die Energie, die aufgebracht werden muss, um einen Prüfkörper senkrecht durch eine Probe des Wellpappenrohpapiers durchzustoßen.
• Ringstauchwiderstand (RCT)
Der Ringstauchwiderstand wird mit einem speziellen mit RCT (engl.: Ring Crush Test) bezeichneten Verfahren gemessen. Bestimmt wird die maximale längenbezogene Kraft, der ein ringförmig aufgestellter Wellpappenrohpapierstreifen bei senkrechter Belastung ohne zu beulen widerstehen kann.
• Durchreißwiderstand
Der Durchreißwiderstand schließlich ist die Energie, die erforderlich ist, um eine Papierprobe von einem definierten Anriss aus durchzureißen.
Näheres zu den Prüfverfahren im Kapitel 2.4 „Prüfung der Grundeigenschaften von Papier, Karton, Pappe und Kunststofffolien“.
Die Güte von Wellenpapieren wird mit dem
• CMT( Concora Medium Test) und dem
• Kantenstauchwiderstand (CCT) labormäßig gewellter Papierproben eingestuft.
Die Güteeinteilung nach Rüger zeigt Abbildung 80.
Abb. 80: Kriterien für die Güteeinteilung von Wellpapperohpapieren nach Rüger. Quelle: K. Rüger, Einkaufsrichtlinien für Wellenpapier, Allgemeine Papier- Rundschau, 502 ff. (1984) Nr. 18
Für die Durchführung beider Testverfahren wird ein Labor-Wellenbildner benötigt, mit dem schmale Wellenpapierstreifen ähnlich wie in einer Wellpappenmaschine bei hohen Temperaturen gewellt werden können. Für diesen Vorgang ist der Begriff des Riffelns gebräuchlich. Das Walzenpaar, mit dem geriffelt wird, heißt Riffelwalzenpaar.
Beim CONCORA Medium Test (CONCORA = Container Corporation of America, abgekürzt CMT) wird der Widerstand einer flach liegenden geriffelten Papierprobe gegenüber senkrecht wirkenden Druckkräften bestimmt, beim CONCORA Corrugated Test (CCT) oder Kantenstauchwiderstand steht die geriffelte Papierprobe senkrecht und wird senkrecht mit Druckkräften beaufschlagt.
RCT und CCT sind heute weitgehend durch den Streifenstauchwiderstand (SCT) ersetzt, mit dem sich die Druckbelastbarkeit eines Papiers in der Blattebene sehr exakt und im Unterschied zum RCT und CCT weitgehend unabhängig von der flächenbezogenen Masse bestimmen lässt. Auch hier findet sich Näheres im Kapitel 2.4 „Prüfung der Grundeigenschaften von Papier, Karton, Pappe und Kunststofffolien“.
Für die maschinelle Weiterverarbeitung muss Wellpappe genau definierte Eigenschaften haben – zum Beispiel, was Bedruckbarkeit und Verklebbarkeit angeht. Neben den genannten technischen Eigenschaften müssen Wellpappenrohpapiere noch weitere Merkmale aufweisen. Dazu gehört ihre Verklebbarkeit mit den wässrigen Klebstoffen auf Stärkebasis, die in der Wellpappenindustrie zum Verbinden der Wellenpapiere mit den Deckenpapieren verwendet werden.
Weiterhin gehört dazu die Bedruckbarkeit. Deckenpapiere können vor der Verarbeitung zu Wellpappe im sogenannten Preprint-Verfahren in Rollen-Flexodruckmaschinen bedruckt und veredelt werden. Druckfarben und Lacke müssen dabei so beschaffen sein, dass die Papiere den Kontakt mit den Heizplatten in der Trockenpartie der Wellpappenmaschine unbeschadet überstehen.
Häufig wird erst die Wellpappe hergestellt; und dann erst werden die dabei erzeugten Wellpappebogen im sogenannten Postprint-Verfahren in Bogen-Flexodruckmaschinen bedruckt.
Die Ansprüche an die Druckqualität sind heute sehr hoch. Mehrfarbendruck und hohe Veredelungsgrade sind nicht ungewöhnlich. Um höchste Druckqualität erreichen zu können, werden immer mehr weiß gedeckte oder gestrichene Liner eingesetzt.
Nach DIN 55468-T1 wird Wellpappe zunächst nach dem Aufbau eingeteilt in
• einseitige Wellpappe, die sich noch aufrollen lässt, sowie
• die einwellige, zweiwellige und dreiwellige Wellpappe, die bogenförmig produziert werden muss (vgl. Abbildung 81).
Abb. 81: Wellpappearten nach DIN 55468. Die einseitige Wellpappe ist in der Norm nicht enthalten.
(Quelle: Eigene Darstellung)
Das zweite Einteilungskriterium ist die Geometrie der Wellen, die in der Regel näherungsweise sinusförmig ist. Maße zur Geometriebeschreibung sind die Wellenhöhe h und die Wellenteilung t. Die Wellenhöhe ist der senkrechte Abstand zwischen Wellenberg und Wellental, die Teilung ist der waagerechte Abstand benachbarter Wellenberge. Die damit vorgenommene Einteilung der Wellpappe zeigt Abbildung 82.
Abbildung 82: Einteilung der Wellenarten mittels Wellenteilung und Wellenhöhe nach DIN 55468
(Quelle: Eigene Darstellung)
Feinstwellpappe hat eine Wellenhöhe von einem bis 1,8 Millimeter. Die Spanne reicht bis zur Grobwellpappe mit einer Wellenhöhe von 4 bis 4,8 Millimeter. Die heute bereits weit verbreiteten Mikrowellen mit Wellenhöhen von 0,7 mm (F-Welle), 0,5 mm (G-Welle) oder noch geringeren Wellen- höhen sind von der DIN 55468 noch nicht erfasst.
Wellenteilung und Wellenhöhe sind auch die Größen, aus denen der Einzugsfaktor w berechnet werden kann. Unter dem Einzugsfaktor versteht man das Verhältnis der Länge eines Abschnitts der gewellten Bahn zur Länge des Abschnitts nach dem Herausziehen der Wellen, also des Abschnitts im planliegenden Zustand. Er ist wichtig, um den Wellenrohpapierbedarf für die Produktion einer Wellpappe zu berechnen. Es gilt nach Tenzer (vgl. H. J. Tenzer, Leitfaden der Papierverarbeitungstechnik, VEB Fachbuchverlag, 1989):
w ≈ 0,8 + 1,33 (h/t)
Das dritte Einteilungskriterium für Wellpappe ist die Güte. Zur Kennzeichnung der Sorten unterschiedlicher Gütestufen werden gemäß DIN 55468 folgende Eigenschaften der Wellpappe verwendet:
• Berstfestigkeit
• Durchstoßwiderstand und
• Kantenstauchwiderstand (ECT)
Zur Messung der Berstfestigkeit wird ein kreisförmiger Bereich der Wellpappe mit einer Gummimembran, die hydraulischem Druck ausgesetzt ist, bis zum Zerreißen gedehnt, wobei außer Dehn- auch Scher- und Biegebeanspruchungen auftreten. Maß für die Berstfestigkeit ist der im Moment des Zerreißens herrschende hydraulische Druck.
Der Durchstoßwiderstand wird bei der Wellpappe wie beim Rohpapier bestimmt.
Zur Bestimmung des Kantenstauchwiderstandes wird in einem mit ECT (edge crush test) benannten Verfahren eine senkrecht stehende Wellpappenprobe senkrecht zur Wellenachse auf Druck belastet. Alle Messverfahren werden im Kapitel 2.4 „Prüfung der Grundeigenschaften von Papier, Karton, Pappe und Kunststofffolien“ näher erläutert.
Der Grund für die Wahl gerade dieser drei Eigenschaften liegt darin, dass aus Wellpappe überwiegend Transportverpackungen hergestellt werden. Diese müssen Ansprüchen genügen, die sich in zwei Gruppen einteilen lassen, nämlich in Ansprüche an die Lagerfähigkeit und Ansprüche an die Transportfähigkeit. Wichtigstes Kennzeichen für die Lagerfähigkeit ist der Kantenstauchwiderstand, Berstfestigkeit und Durchstoßwiderstand erlauben eher Aussagen über das Verhalten von Wellpappeverpackungen bei Trans- portvorgängen.
Abbildung 83: Sorteneinteilung von Wellpappe nach DIN 55468 (Quelle: Eigene Darstellung)
Einige technische Eigenschaften von Wellpappe wurden bereits durch die Parameter beschrieben, die der Sorteneinteilung zugrunde liegen. Das Anforderungsprofil ist damit aber bei weitem noch nicht vollständig.
Die Dicke von Wellpappe ergibt sich aus dem Wellenprofil. Wie im Abschnitt 2.2.6 noch näher beleuchtet wird, bestimmt die Dicke maßgeblich die Biegesteifigkeit der Wellpappe. Schon geringe Dickenverluste, wie sie beispielsweise durch die Zustellung in Postprint-Druckmaschinen erzeugt werden können, reduzieren die Steifigkeit der Wellpappe und damit ihre Güte. Den Widerstand der Wellpappe gegen Druckbeanspruchungen wird mit dem Flachstauchwiderstand gemessen. Der Flachstauchwiderstand informiert über die Druckfestigkeit von Wellpappe. Das ist wichtig zum Beispiel für den Versand, wo Druckbelastungen auftreten.
Auf die Bedeutung des Feuchtegehalts wird ebenfalls unten noch näher eingegangen. Vom korrekten Feuchtegehalt hängt die Rillbarkeit und die Schneidbarkeit beziehungsweise Stanzbarkeit der Wellpappe ab.
Nach dem Verlassen der Wellpappenmaschine kann Wellpappe nicht mehr aufgerollt werden, sondern muss in Bogen weiterverarbeitet werden. Von besonderer Bedeutung ist die Planlage der Bogen. Fehler der Planlage entstehen durch unterschiedliche Feuchtdehnungs- beziehungsweise Trockenschrumpfungskoeffizienten der Papiere und durch Feuchteungleichmäßigkeiten in der fertigen Wellpappe. Sie können verhindert werden, wenn der Prozess der Wellpappenherstellung sorgfältig und sachgerecht geführt wird. Vorausgesetzt ist dabei immer die gleichmäßige Beschaffenheit der Rohpapiere bezüglich Feuchtegehalt und Feuchteverteilung. Günstig ist auch der möglichst symmetrische Aufbau der Wellpappe.
Nur teilweise durch den Feuchtegehalt bedingt ist die Erscheinung, dass die Deckenpapiere zwischen den Wellenspitzen des Wellenpapiers mehr oder weniger stark einsinken. Man bezeichnet das als Waschbretteffekt, der den visuellen Eindruck von Wellpappe stört und der erheblich die Druckqualität im Postprint-Verfahren beeinträchtigen kann. Obwohl die Ursachen des Waschbrettes noch nicht vollständig aufgeklärt sind, dürfte er wesentlich durch zu starken Klebstoffauftrag bedingt sein. Wenn große Mengen des Klebstoffs aus dem Wellengrat in den Flankenbereich der Wellen verquetscht werden und dort durch die Trocknung schrumpfen, ziehen sie dabei das Deckenpapier an die Wellenflanke heran. Zwar können möglichst biegesteife Deckenpapiere das verhindern – aber immer dann, wenn dünne und wenig biegesteife Deckenpapiere verarbeitet werden müssen, sollte der Klebstoffauftrag so weit wie irgend möglich reduziert werden, um die Ausbildung starken Waschbretts zu vermeiden.
Die Eigenschaften von Wellpappe müssen sicherstellen, dass die daraus hergestellten Verpackungen ihre Aufgaben erfüllen können. Die aus der Lagerung folgende Beanspruchung wird durch den Schachtelstauchwiderstand (BCT) beschrieben, der im Stauchversuch bestimmt wird (engl.: Box Crush Test). Aus dem Schachtelstauchwiderstand (BCT) lässt sich ersehen, wie viele Verpackungen im Lager später einmal übereinandergestapelt werden können.
Im Stauchversuch wird die aufgerichtete und verschlossene Wellpappenverpackung zwischen zwei planparallelen Platten zusammengepresst. Das dabei auftretende Druckkraftmaximum ist der BCT-Wert. Die Stauchprüfung stellt also die Beanspruchungen der Verpackungen dar, die im Lager durch das Übereinanderstapeln von Verpackungen entstehen können.
Der BCT-Wert einer Schachtel hängt auch vom Beulverhalten der Seitenwände ab. Der Stauchversuch muss so geführt werden, dass alle vier Schachtelwände in gleicher Weise nach außen beulen. Nur wenn dieser Sachverhalt beachtet wird, lässt sich der BCT-Wert hinreichend genau bestimmen.
Der BCT-Wert kann zumindest näherungsweise aus Eigenschaften der Wellpappe mit der folgenden empirischen sogenannten McKee-Formel überschlägig berechnet werden. Diese lautet im einfachsten Fall:
Zur Berechnung braucht man den ECT-Wert der Wellpappe, den Umfang U der Schachtel und die Dicke D der Wellpappe.
Viele Eigenschaften und Merkmale der Wellpappe sind von ihrem Feuchtegehalt mehr oder weniger stark abhängig. Es ist deshalb sehr wichtig, die Wellpappe nicht zu trocken und nicht zu feucht zu verarbeiten. Tendenziell ist Wellpappe zu trocken, wenn sie verarbeitet wird. Auch die aus ihr hergestellten Verpackungen sind meist viel zu trocken, wenn die flachliegend angelieferten Verpackungen aufgerichtet, befüllt und verschlossen werden.
Bei Feuchtegehalten unter 7 % (entsprechend < 40 % relative Gleichgewichtsfeuchte bei 23°C) ist die Wellpappe zu trocken. Sie wird spröde und neigt zu Papierbrüchen bereits beim Rillen oder später beim Falten um die Rilllinien.
Bei Feuchtegehalten größer als 10 % (entsprechend > 65 % relative Gleichgewichtsfeuchte bei 23°C) ist die Wellpappe zu feucht. Verklebungen können sich lösen und die Papiere verlieren stark an Elastizität. Schon geringe senkrecht wirkende Stauchdrücke führen zu Dickenverlusten.
Abb. 84: Feuchtegehalt der Wellpappe und das korrekte Verarbeitungsfenster – Erläuterungen im Text
(Quelle: Eigene Darstellung)
Ist der BCT auch die wichtigste Größe zur Kennzeichnung der Beschaffenheit von Wellpappenverpackungen, so gibt es doch noch eine Vielzahl von Spezialprüfungen, mit denen die Eignung als Packmittel für spezifische Packgüter geprüft wird. Dazu gehören die Fallprüfung ebenso wie die vertikale oder horizontale Stoßprüfung, die Umkippprüfung oder die Rüttelprüfung. Mit Letzteren werden die Beanspruchungen von Verpackungen und Packgütern während des Transportes mit LKW oder Eisenbahn simuliert.
Auch wenn Packmittel aus Faserstoffen die große Mehrheit aller verwendeten Materialien in der Packmittelindustrie darstellen: Wer dort beschäftigt ist, sollte sich auch mit Kunststoffen auskennen. Denn zum Beispiel bei Getränkekartons kommt PE-Folie zum Einsatz, die auf den Karton aufgebracht wird. Dieses Kapitel gibt Ihnen auch einen Überblick, was alles an Kunststoffen auf dem Markt ist und wie Sie zum Bei- spiel PE von PVC unterscheiden können.
Tipp: Zum Einsatz von PE finden Sie mehr in Kapitel 1.3.2.3 Kartonverpackungen für Flüssigkeiten (Getränkekartons).
Heutzutage werden Kunststoffe größtenteils synthetisch hergestellt. Hauptsächlich bestehen die Ausgangsprodukte aus ungesättigten Kohlenwasserstoffverbindungen (Erdöl, Kohle und Erdgas). In der Kunststoff-Synthese wird das Rohöl am häufigsten als Rohstoff genutzt. In den Ölraffinerien wird der Rohstoff Erdöl durch Destillation (destillieren = verdampfen) in mehrere Fraktionen (fraktionieren = aufteilen) zerlegt.
Raffinerie: Die zentrale Einheit bei der Erdölverarbeitung ist der Fraktionierturm. Hier wird das Rohöl auf rund 400 ° C erhitzt. Es beginnt bei einer Temperatur zu sieden, die etwas unter der Siedetemperatur von Wasser (100° C) liegt.
Fraktionierturm: Der Fraktionierturm besteht aus vielen Etagen, die sogenannte Glocken besitzen. Teile des aufsteigenden Ölgases kondensieren beim Abkühlen an den einzelnen Etagenglocken. Kohlen- wasserstoffe mit dem niedrigsten Molekulargewicht sieden bei den niedrigsten Temperaturen, während für immer größere Moleküle immer höhere Temperaturen erforderlich sind. So wird das Rohöl in Gas, Benzin, Petroleum und Gasöl getrennt. Als Rückstand bleibt Bitumen zurück. Es wird als Asphalt unter anderem im Straßenbau verwendet.
Abb. 85: Fraktionierturm (Quelle: Eigene Darstellung)
Die für die Kunststofferzeugung wichtigste Fraktion ist Rohbenzin (Naphta). In einem thermischen Spaltprozess, der Cracken genannt wird, wird das entstandene Benzin in Ethylen (Ethen), Propylen (Pro- pen), Butylen (Buten) und andere Kohlenwasserstoffverbindungen „auseinandergebrochen“ und umgebaut.
Während bei der Destillation nur die von Natur aus im Rohöl vorkommenden Kohlenwasserstoffe voneinander getrennt werden können, werden beim Cracken größere Kohlenwasserstoffketten in kleinere umgewandelt. Aus Ethylen kann dann in nachfolgenden Reaktionsprozessen zum Beispiel Styrol oder Vinylchlorid gewonnen werden. Das sind weitere Ausgangsstoffe für andere Kunststoffe.
Kunststoffe gehören zu den makromolekularen oder polymeren Stoffen – das heißt: Die Stoffe bestehen aus Makromolekülen (Riesenmolekülen). Diese Makromoleküle kann man durch chemische Umwandlung aus Naturprodukten oder durch Synthese aus kleineren Molekülen herstellen.
Beispiele für umgewandelte Naturprodukte sind unter anderem Gummi, der aus dem Milchsaft der Gummibäume erzeugt wird, oder Fasern, die aus Cellulose gewonnen werden. Alle Kunststoffe enthalten das Element Kohlenstoff. Weitere Bestandteile sind die Elemente Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff sowie Schwefel.
Synthetische Kunststoffe stellt man aus Rohstoffen her, die aus Erdöl gewonnen wurden. Bei der synthetischen Herstellung von Kunststoffen reagieren fast immer viele kleine Moleküle zu großen netz- oder kettenförmigen Molekülen, den Makromolekülen.
Obwohl es heute eine Vielzahl unterschiedlicher Kunststoffe gibt, beruht ihre Herstellung im Wesentlichen auf den drei Grundreaktionen zum Aufbau von Makromolekülen:
1. Polymerisation: Verknüpfung vieler gleichartiger Moleküle mit einer Doppelbindung zu langen Kettenmolekülen – zum Beispiel:
• Polyethylen (PE)
• Polyvinylchlorid (PVC)
• Polystyrol (PS)
• Polypropylen (PP)
• Polymethylmethacrylat (PMMA/Plexiglas)
2. Polykondensation: Bei der Polykondensation werden in der Regel zwei verschiedene Arten von Molekülbausteinen zusammengebaut. Es entsteht ein Spaltprodukt (größtenteils Wasser) - zum Beispiel:
• Polyamide (PA)
• vernetzteungesättigte Polyesterharze (UP)
• Phenoplaste (PF)
3. Polyaddition: Auch bei der Polyaddition werden zwei verschiedene Arten von Molekülbausteinen zusammengebaut. Diese besitzen ebenso zwei oder mehr reaktionsfähige Atomgruppen. Im Unterschied zur Polykondensation wird hier kein Spaltprodukt abgegeben. Ein Beispiel dafür sind Polyurethane (PUR).
Anwendungsbeispiel: Kunstofffolien aus Polyethylen werden in der Verpackungsindustrie zum Beispiel zur Beschichtung von Verpackungsmaterialien aus Faserstoffen verwendet. Siehe auch Kapitel 1.3.2.3 Kar- tonverpackungen für Flüssigkeiten (Getränkekartons).
Positive Eigenschaften:
• Kunststoffe sind leichte Werkstoffe; ihre Dichte ist nur ungefähr halb so groß wie die der Werkstoffe Glas, Porzellan oder der Leichtmetalle.
• Fast alle Kunststoffe sind Nichtleiter. Sie isolieren gut gegen Elektrizität und Wärme.
• Sie sind beständig gegen Wasser,viele auch gegen Säuren und Laugen.
• Sie haben eine glatte Oberfläche und sie lassen sich leicht reinigen.
• Sie oxidieren nicht.
• Sie lassen sich gut formen.
Diesen Vorzügen stehen jedoch einige Nachteile gegenüber, die beim Gebrauch und bei der Behandlung dieser Werkstoffe zu berücksichtigen sind.
Negative Eigenschaften:
• Kunststoffe sind meist nur wenig temperaturbeständig. Dies ist zum Beispiel beim Waschen und Bügeln von Chemiefasern zu beachten.
• Viele Kunststoffe sind brennbar.
• Sie können von organischen Lösungsmitteln angegriffen werden.
• Als Nichtleiter laden sie sich beim Reiben elektrisch auf und ziehen daher Staubteilchen an; dies bemerkt man zum Beispiel bei Schallplatten.
• Kunststoffe verrotten nur sehr langsam. Die Beseitigung von Kunststoffabfällen wird daher mit dem steigenden Kunststoffverbrauch zu einem Problem.
• Kunststoffe sind nicht kratzfest. Beim täglichen Gebrauch können sich Späne ablösen, die unbemerkt verschluckt und aus denen Schadstoffe im Magen freigesetzt werden können (zum Beispiel Zahnbürste, Hausrat).
2.3.4.1 Thermoplaste
Thermoplaste (warmumformbare Kunststoffe) werden durch Polymerisation (Makromoleküle werden aneinandergereiht) hergestellt. Bei Raumtemperatur sind die Thermoplaste hart-elastisch. Mit zunehmender Temperatur werden sie elastischer, bei weiterer Erwärmung plastisch weich und schließlich flüssig. Thermoplaste zersetzen sich beim Überschreiten einer Grenztemperatur. Thermoplaste sind warmum- formbar und schweißbar!
„therm“ ist ein Wortbestandteil. Er kommt vom griechischen „thermós“ = warm, heiß, hitzig. Er kommt in vielen deutschen Fremdwörtern mit entsprechender Bedeutung vor – zum Beispiel Thermik, Thermometer.
Thermoplaste (Plastomere) sind:
• Polyethylen (PE): gleitfähige Oberfläche, formsteif bis 80°C, säurebeständig, Massenkunststoff mit niedrigem Preis. Verwendung – zum Beispiel Folien, Rohre, Behälter, Schrumpfschläuche, Getränke- verpackungen.
• Polypropylen (PP): formsteif bis 130°C. Verwendung – zum Beispiel Waschmaschinenteile, KFZ-Teile, Kraftstofftanks.
• Polyvinylchlorid (PVC): an sich spröder Kunststoff, der durch Weichmacher und andere Additive seine Eignung für unterschiedliche Verwendungen erhält. Verwendung – zum Beispiel Rohre, Griffe, Stecker, Bodenbeläge, Fensterrahmen.
• Polystyrol (PS): wenig wärmebeständig. Verwendung – zum Beispiel Maschinen- und Gerätegehäuse.
• Polyamide (PA): milchig weiß, abriebfest, gute Gleiteigenschaften, hohe Zugfestigkeit bis 70 N/mm2. Verwendung – zum Beispiel Zahnräder, Lagerschalen.
Der Ordnungszustand im Molekülverband ist von verschiedenen Einflüssen, insbesondere vom chemischen Aufbau des Kettenmoleküls, abhängig (Abbildungen 85 und 86).
Abb. 85 & 86: Bei den amorphen Thermoplasten kann man diesen Zustand mit einem wirr verknäuelten Wattebausch vergleichen. Unter Kristalliten versteht man Parallelbündelungen von Molekülabschnitten oder Faltungen von Molekülketten. (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Herstellung erfolgt durch Polykondensation (Moleküle verbinden sich zu Makromolekülen). Dieses Material verändert sein Verhalten bei Erwärmung nur geringfügig. Weil sie auch bei Erwärmung fest und hart bleiben, nennt man diese Kunststoffe Duroplaste (vom Lateinischen: durus = hart).
Duroplaste sind nicht umformbar und nicht schweißbar! Reine Duroplaste werden auch Kunstharze genannt und als Kleber oder Lacke verwendet.
Einsatzgebiet von Duroplasten:
• Phenolharz: Verwendung–elektrischeSchalter,Gehäuse
• Epoxidharz (EP): beständig gegen schwache Säuren und Laugen. Verwendung – Kleberharze, Lackharze, Bindeharze und Gießharze.
• Polyesterharze (UP): beständig gegen Kraftstoffe, verdünnte Säuren und Laugen. Verwendung – Basisharz für glasfaserverstärkte Kunststoffbauteile, Klebeharz für Metalle, Lackharz
• Polyurethanharze(PUR): Verwendung–Lageschalen, Zahnräder, Rollen
Abb. 87: Duroplaste (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Herstellung erfolgt durch Polyaddition (Verbindung von Monomermolekülen zu Makromolekülen). Elastomere lassen sich durch äußere Krafteinwirkung um mehrere 100 % verformen und nehmen nach der Entlastung wieder ihre ursprüngliche Form an. Elastomere sind gummielastische Kunststoffe. Durch Erwärmung verändert sich das Verhaltung nur geringfügig – sie werden lediglich etwas weicher. Bei zu starker Erwärmung zersetzen sie sich. Elastomere sind nicht warmumformbar und nicht schweißbar!
Einsatzgebiet von Elastomeren:
• Synthesekautschuk: Verwendung – Fahrzeugreifen, Dichtungen
• Thermoplastische Polyurethan Elastomere (PURT): Durch die thermoplastischen Eigenschaften lassen sich diese Elastomere mittels Extrudieren und Spritzgießen formen. Verwendung – hartelastische Rollen (Hubwagen), Schläuche, Zahnräder
• Naturgummi (NR): Der Naturkautschuk wird aus dem Saft eines tropischen Baumes gewonnen. Verwendung – Luftballons, Schwämme
• Silikon Gummi (SIR): beständig gegen Schmieröl, unbeständig gegen Säuren, Lösungsmittel und Laugen. Temperaturbeständig bis 180°C, elastisch bis -40°C. Verwendung – Manschetten, Fugenfüllmasse, Dichtungen, Schaumkunststoffe, zum Beispiel für Polstermöbel
Abb. 88: Elastomere (Quelle: Eigene Darstellung)
Beim Extrudieren wird ein endloser Kunststoffstrang hergestellt. Beim Spritzgießen wird eine formbare Kunststoffmasse in ein Hohlformwerkzeug eingespritzt.
Abb. 89: Übersicht über die Verwendung verschiedener Kunststoffe (Quelle: Eigene Darstellung)
Beschichten
Beim Kunststoffbeschichten wird ein thermoplastischer Kunststoff mittels einer Breitschlitzdüse, die von einem Extruder beschickt wird, auf eine Papier- und/oder Alufolie aufgebracht.
Bei der Kunststoffbeschichtung sind fünf verschiedene Verfahren gebräuchlich:
1. Kunststoffbeschichten beziehungsweise Kaschieren
2. Kunststoff-Flammspritzen
3. Wirbelsinterverfahren
4. Elektrostatisches Pulverspritzen
5. Tauchverfahren
• Beim Kunststoff-Flammspritzen wird ein thermoplastischer Kunststoff in Schichten von 0,8-1,0 mm Dicke festhaftend auf Metall, Glas und dergleichen aufgespritzt.
• Beim Wirbelsinterverfahren wird das erwärmte Werkstück in die Wirbelschicht des Kunststoffpulvers getaucht.
• Beim elektrostatischen Pulverspritzen wird der elektrostatisch auf- gebrachte Kunststoff im Ofen auf das Werkstück aufgeschmolzen.
• Beim Tauchverfahren wird das Werkstück in Plastisole oder Kunststofflösung beziehungsweise -dispersionen eingetaucht.
Kaschieren
Kaschieren ist das vollflächige Verbinden von zwei bzw. mehreren Materialien mit Hilfe von Thermoplasten.
Abb. 90: schematische Darstellung der Herstellung einer 3-Schicht-Verbundfolie
(Quelle: Eigene Darstellung)
Metallisieren
Umgekehrt verhält es sich bei der Kunststoffmetallisierung. Man gibt ein Werkstück aus Kunststoff vor und überzieht dieses mit einer dünnen Metallschicht. Dabei können im Vakuum Metalldämpfe auf den Kunststoff aufgedampft werden. Es können bei der Spritztechnik aber auch Spritzpistolen, in denen sich ein Gemisch von Silbersalzlösung und Reduktionsmitteln befindet, verwendet werden, um auf dem Kunststoffgegenstand einen glänzenden Silberspiegel zu erzeugen.
Um die verschiedenen Eigenschaften für die beabsichtigte Verwendung des Kunststoffes zu erreichen, werden diverse Zusätze hinzugegeben – denn viele Kunststoffe werden erst durch Zusatz verschiedener Hilfsstoffe technisch verwendbar. Zu diesen Hilfsstoffen gehören die Stabilisatoren, Weichmacher und Füllstoffe.
• Stabilisatoren:
Stabilisatoren spielen eine wichtige Rolle zur Schaffung technisch verwendbarer Kunststoffe. Sie sind Alterungsschutzmittel, die strukturelle Veränderungen der Makromoleküle infolge von Umwelteinflüssen (Licht, Wärme, UV-Strahlung und Wasser) oder durch Überbeanspruchung im praktischen Gebrauch verhindern.
• Weichmacher:
Manche Kunststoffe (zum Beispiel PVC) sind für die gewünschten Verwendungszwecke zu spröde und zu hart. Durch Zusätze von Weichmachern lässt sich ihre Härte jedoch gut variieren. Weichmacher setzen speziell die Einfrier- beziehungsweise die Erweichungstemperatur hochpolymerer Kunststoffe herab. Weichmacher sollen möglichst die gleiche thermische und chemische Beständigkeit wie die Kunststoffe besitzen, für die sie verwendet werden. In der Praxis werden sehr häufig Ester (zum Beispiel Phosphorsäureester) mit hohem Siedepunkt als Weichmacher verwendet.
• Füllstoffe:
Füllstoffe sind Zusätze in fester Form, die sich in ihrer Struktur und ihren Eigenschaften wesentlich von den Kunststoffen unterscheiden. Sie dienen vor allem dazu, die Zugfestigkeit zu erhöhen. Daneben wendet man sie auch an, um eine Gewichts- oder Volumenerhöhung zu erzielen.
• Anorganische Füllstoffe sind zum Beispiel Gesteinsmehl, Kaolin, feinfaseriger Asbest, Kreide, Kieselgur und Glasfasern. Asbest sorgt zum Beispiel für die Chemikalienbeständigkeit und die Formbeständigkeit in der Wärme. Asbest verbessert auch die elektrischen Isoliereigenschaften, die Schlagzähigkeit, Maßbeständigkeit, Steifheit und Härte von Kunststoffen. Glasfasern sorgen auf ähnliche Weise für eine Verbesserung der Eigenschaften. Sie haben außerdem noch den Vorteil der Zugfestigkeit.
• Organische Füllstoffe sind zum Beispiel Holzmehl, Cellulose, Papier- und Textilfasern. Holzmehl verbessert die elektrischen Isoliereigenschaften, die Zugfestigkeit und die Maßbeständigkeit. Cellulose weist eine verbesserte Schlagzähigkeit, Zugfestigkeit und Steifheit auf.
Durch Stabilisatoren, Weichmacher und Füllstoffe lassen sich die Eigenschaften von Kunststoffen verbessern. Sie werden dadurch zum Beispiel formbeständiger und zugfester.
1. Visuelle Prüfung
2. Bruch-, Fingernagel-, Haptik-Prüfung
3. Physikalische Prüfung – spezifische Dichte
4. Chemische Prüfung
5. Brenn- und Geruchsprobe
Ein unbekannter Kunststoff kann oft schon durch relativ einfache Mittel und Methoden bestimmt werden. Die Prüfungen erfordern lediglich etwas Übung, ein gutes Auge und eine unbestechliche Nase. Rohstoff-Beimischungen (Additive, Füllstoffe, Compounds) erschweren allerdings diese einfachen Bestimmungsmethoden, sodass hier nur eine Laboruntersuchung Sicherheit geben kann. Vorgestellt werden hier die wichtigsten Erkennungsmethoden, die eine erste Näherung erlauben:
1. Visuelle Prüfung: Die Struktur der Kunststoffe beeinflusst ihre Lichtdurchlässigkeit.
Abb. 91: Sichttest zur Bestimmung von Kunststoffen (Quelle: Eigene Darstellung)
Diese visuellen Unterscheidungsmerkmale haben selbstverständlich nur für ungefärbte Kunststoffe Gültigkeit.
2. Bruch- / Fingernagel- / Haptik-Prüfung
Bruch-Probe: Das Bruchbild eignet sich hervorragend zur Bestimmung von Thermoplasten. Lässt sich nicht brechen, bricht an der Kante weiß aus, zeigt ein sprödes Bruchverhalten – so lassen sich Thermoplaste bestimmen.
Abb. 92: Bruchprobe zur Bestimmung von Thermoplasten (Quelle: Eigene Darstellung)
Fingernagel-Probe: Lässt sich der Kunststoff mit dem Fingernagel einritzen, handelt es sich um PE oder PP (PE ist weicher als PP).
Haptik-Probe: Fühlt sich der Kunststoff wachsartig an, handelt es sich um PP, PE oder PTFE. Eine glatte Oberfläche mit guten Gleiteigenschaften zeichnet PE, PA und PP aus.
PE und PP schwimmen außerdem auf dem Wasser. Viele andere Kunststoffe tun das nicht.
3. Physikalische Prüfung – spezifische Dichte
Kunststoffe mit einer Dichte < 1 g/cm³ schwimmen auf Wasser, wie zum Beispiel PE und PP. Alle anderen nicht gefüllten (reinen) Kunststoffe haben eine Dichte > 1 g/cm³. Sie versinken demnach im Wasser. Es können Lösungen mit verschiedenen Dichten angesetzt werden. So ist eine Dichtenbestimmung des Kunststoffes möglich.
4. Chemische Prüfung
Kunststoffe unterscheiden sich in ihrer Reaktion auf chemische Lösungsmittel. Polyamide zeigen zum Beispiel eine differenzierende Reaktion auf Ameisensäure.
5. Brenn- und Geruchsprobe
Die Brenn- und Geruchsprobe ist die am häufigsten durchgeführte Erkennungsmethode. Denn mit ihr lässt sich ein großer Teil der Kunststoffe bestimmen. Die Brennprobe erfolgt durch direktes Anzünden der Probe mit einer Flamme. Das Aussehen der Flamme, das Verhalten des Kunststoffs und der Geruch der Schwaden geben Auskunft über den Probekörper.
Unter Aussehen der Flamme ist die Färbung des brennenden Kunststoffs zu verstehen. Die überwiegende Färbung ist gelblich mit Nuancierungen des Flammenrands, zum Beispiel bläulich wie bei PE und PP. Aber auch eine bläuliche Flamme wie zum Beispiel bei PA oder eine gelbrote Färbung sind zu erkennen.
Beim Verhalten der Kunststoffe während der Brennprobe kann man folgende Unterschiede feststellen: Einige Kunststoffe brennen und tropfen, die Tropfen brennen weiter (PE, PP). Andere Kunststoffe brennen und tropfen – diese Tropfen brennen aber nicht weiter; PA bildet Blasen und knistert; einige Kunststoffe verlöschen außerhalb der Flamme.
Am Geruch der Schwaden beziehungsweise des Rauches lassen sich Bestandteile des Kunststoffs und damit der Kunststoff selbst erkennen. Abbildung 93 zeigt eine Zusammenfassung der eindeutigen Erken- nungsmerkmale durch Brenn- und Geruchsprobe.
Abb. 93: Zusammenfassung der eindeutigen Erkennungsmerkmale durch Brenn- und Geruchsprobe (Quelle: Eigene Darstellung)
Vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit stellt sich für viele Unternehmen der Kunststoff verarbeitenden Industrie die Frage, wo und wie Produktionsabfälle zu entsorgen oder zu verwerten sind. Inzwischen gibt es ein System, um diese Abfälle sinnvoll weiterzuverarbeiten. So werden zum Beispiel im Bereich der Blasfolienextrusion sogenannte Fehlrollen oder die anfallenden Randstreifen über Aufbereitungsein- richtungen bearbeitet. Die „Abfälle“ werden zerkleinert und dann als Schnipsel entweder direkt dem Produktionsprozess wieder beigefügt oder als Regranulat beziehungsweise Wertstoff weiterverkauft. Aus dem Granulat können Produkte wie Teich-, Landwirtschafts- oder Gewächshausfolien hergestellt werden.
Die anfallenden Folienreste werden mit der Schneidmühle zerkleinert und dem Extrusionsprozess zugeführt. Das Extrudat wird am Zylinderausgang durch eine Mehrlochdüse geschickt und mit Hilfe rotierender Messer zu Granulat geformt, welches nun abkühlen muss, um die bestellte Form zu erlangen.
Schneidmühle:
Abb. 94: RG Extruder (Quelle: Eigene Darstellung)
Lebenszyklus denken from PlasticsEurope on Vimeo. Dieser Film beschreibt das Recycling von Kunststoffen in der Kreislaufwirtschaft.
Wer mehr über die Eigenschaften von Kunststoff wissen möchte: Hier gibt es Informationen dazu, wie Kunststoffe zur Schonung von Ressourcen, zum Energiesparen und zum Klimaschutz beitragen. Außerdem eine Zusammenfassung über die Auswirkungen von Kunststoffverpackungen auf Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen in Europa.
Eine ordnungsgemäße Probennahme stellt sicher, dass die zu prüfenden Proben repräsentativ für die Gesamtheit der Papiere, Kartons oder Folien eines Lieferpostens sind, denen sie entnommen wurden. Das Vorgehen bei der Probennahme ist in EN ISO 186 beschrieben. Am Beispiel eines aus geriesten Papierbogen (Verpackungseinheiten) bestehenden Lieferloses erläutert Abbildung 95 das Vorgehen.
Abb. 95: Probennahme nach EN ISO 186. Vorgehen am Beispiel eines Lieferpostens aus geriestem Papier
(Quelle: Eigene Darstellung)
Voraussetzung für die ordnungsgemäße Prüfung von Papier, Karton und Pappe ist die korrekte Probenvorbereitung. Das Probenmaterial, an dem die Prüfungen durchgeführt werden sollen, muss in einem fehlerfreien Zustand sein – insbesondere darf es keine Falten oder Knicke sowie keine Einrisse und keine Verschmutzungen aufweisen. Werden Proben bestimmter Abmessung und Form benötigt, müssen Schneidegeräte verwendet werden, mit denen saubere und staubfreie Schnitte möglich sind. Probenschneidegeräte sind in vielfältiger Form im Handel erhältlich.
Besonderes Augenmerk kommt der Probenvorbehandlung zu. Grundsätzlich darf die Papierprüfung nur in klimatisierten Prüfräumen stattfinden. Das Klima muss dem standardisierten Vorzugsklima nach ISO 187 entsprechen (vgl. Abbildung 96). Statt Vorzugsklima wird oft auch der Begriff „Normklima“ verwendet.
Abb. 96: Prüfklima nach ISO 187:1990: Normklima für die Vorbehandlung und Prüfung und Verfahren zur Überwachung des Klimas und der Probenvorbereitung (Quelle: Eigene Darstellung)
Da der Feuchtegehalt des Papiers im Normklima davon abhängt, ob das Papier zuvor trockener oder feuchter war, müssen auch in dieser Hinsicht Vorsorgemaßnahmen ergriffen werden. Nach ISO 187 müssen die Proben vor der Konditionierung im Normklima vorgetrocknet werden – und zwar für 24 Stunden bei 40° C und 20 bis 35 % relativer Luftfeuchtigkeit. Erst nach normgerechter Vorbehandlung und Konditionierung dürfen die Prüfungen beginnen. Der Grund für dieses Vorgehen ist der Umstand, dass viele Papiereigenschaften vom Feuchtegehalt abhängen. Wenn auf die Vorgeschichte des Papiers nicht geachtet wird, können trotz Konditionierung im Normklima unterschiedliche Feuchtegehalte vorliegen, die dann dazu führen, das unterschiedliche Eigenschaftswerte gemessen werden. Damit Probenergebnisse aussagekräftig sind, muss akribisch nach einem standardisierten Verfahren vorgegangen werden.
Die Grundeigenschaften von Papier, Pappe und Karton sind die flächenbezogene Masse, die Dicke, die scheinbare Blattdichte, der Trockengehalt und der Glührückstand (Aschegehalt).
Die Bestimmung der flächenbezogenen Masse erfolgt nach DIN EN ISO 536.
Definiert ist die Grundeigenschaft als die Masse einer Flächeneinheit von Papier oder Pappe. Angegeben wird sie in g/m². Die Messung wird wie folgt durchgeführt: Mindestens 20 Proben mit > 500 cm² aus min- destens fünf Probestücken werden gewogen. Benötigt werden somit eine Analysenwaage und Werkzeuge zum Zuschneiden von Proben und zum präzisen Messen der Probenflächen. Bewährt haben sich speziell dafür ausgelegte kreisförmige Probenstanzen, deren Durchmesser mit D = 11,285 cm so beschaffen ist, dass die gestanzten Proben eine Fläche von A = 100 cm² haben.
Die Vorgehensweise bei der Bestimmung erläutert Abbildung 97.
Abb. 97: Vorgehen bei der Bestimmung der flächenbezogenen Masse (Quelle: Eigene Darstellung)
Die flächenbezogene Masse g jeder Probe ist zu berechnen nach:
Wird die Masse in g bestimmt und die Fläche in cm² , dann ergibt sich die flächenbezogene Masse in der Einheit g/m² .
Anmerkung: Auch wenn in der Norm für die flächenbezogene Masse das Formelzeichen g verwendet wird, hat sich doch in der Praxis das Formelzeichen mA durchgesetzt. Damit lautet die Berechnungsformel:
Zur Berechnung der durchschnittlichen flächenbezogenen Masse wird zunächst der Mittelwert m der Probenmassen aus den i Einzelwerten bestimmt:
Analog ist der Mittelwert Ā der Probenflächen zu bestimmen. Das kann im Allgemeinen vermieden werden, wenn die oben erwähnte Probenstanze zur Herstellung der Proben verwendet wird, weil dann alle Proben die gleiche Fläche A = 100 cm² haben.
Zur Berechnung von g wird dann wie folgt vorgegangen:
Hinweis: Ein weiterer Vorteil der Probenstanze ist, dass die mit ihr hergestellte Proben mit A = 100 cm² die Auswertung besonders einfach macht. In diesem Falle ist nämlich der an der Analysenwaage abgelesene Wert in g multipliziert mit 100 gleich mit der flächenbezogenen Masse in g/m² . Wird zum Beispiel ein Wert von 0,85 g an der Analysenwaage abgelesen, dann ist die flächenbezogene Masse 85 g/m².
Die zweite Grundeigenschaft ist die Dicke, für deren Messung ein spezielles Messinstrument (Mikrometer) benötigt wird, dessen Eigenschaften in DIN EN ISO 534 festgelegt sind. Es besteht im Wesentlichen aus einem festen und einem beweglichen Stempel, deren geschliffene Stirnflächen genau parallel zueinander sind. Die Dicke einer zwischen den Stempeln liegenden Papierprobe wird über den Abstand der beiden Stempel definiert, wenn diese unter folgenden Bedingungen auf das Papier einwirken:
• Stempelfläche: 200 mm²
• Flächenpressung: 100 ± 10kPa
• Absenkgeschwindigkeit des beweglichen Stempels: < 3 mm/s
• Fehler der Planparallelität: < 5 μm
Das Verfahren der Dickenmessung ist in der oben genannten DIN EN ISO 534 festgelegt. In Abbildung 98 ist das Vorgehen verdeutlicht.
Abb. 98: Vorgehen bei der Messung der mittleren Dicke (gemessen am Stapel) und der mittleren Einzelblattdicke. Zur Auswertung der Messwertablesungen siehe Text (Quelle: Eigene Darstellung)
Die mittlere Dicke δ₁ erfolgt, indem die fünf Messwertablesungen an mindestens vier Stapeln (mindestens 5 x 4 = 20 Ablesungen) addiert werden und das Ergebnis durch die Anzahl Ablesungen geteilt wird. Der so ermittelte Mittelwert muss noch durch die Anzahl der Probestücke im Stapel – vorzugsweise 10 – geteilt werden.
Bei der mittlere Einzelblattdicke δ₂ werden die mindestens 20 Messwertablesungen addiert; das Ergebnis wird durch die Anzahl der Ablesungen geteilt.
Die gleiche Norm legt auch fest, wie die scheinbare Dichte ρ als scheinbare Stapeldichte ρ? vorzugsweise für Papier oder als scheinbare Blattdichte δ? vorzugsweise für Karton und Pappe zu bestimmen ist. Sie wird ja im Unterschied zur flächenbezogenen Masse g und der Dicke δ nicht gemessen, sondern aus diesen Größen berechnet – und zwar gilt für die scheinbare Stapeldichte ρ? mit den Formelzeichen für die flächenbezogene Masse g gemäß der Norm beziehungsweise mA gemäß der Praxis:
Und für die scheinbare Blattdichte δ?:
Wird die flächenbezogene Masse in g/m² angegeben und die Dicke in μm, ergibt sich die scheinbare Dichte in der Einheit g/cm³. Der Kehrwert der scheinbaren Dichte ist das spezifische Volumen, angegeben in der Einheit cm³/g.
Der Begriff „scheinbare Dichte“ beruht darauf, dass die Messung der Dicke, die für die Berechnung der scheinbaren Dichte benötigt wird, aus erkenntnistheoretischen Gründen problematisch ist. Die Berechnung der Dichte basiert also auf einem Messwert, von dem man nicht genau weiß, ob er „richtig“ ist. Daraus resultiert die Benennung „scheinbare Dichte“. Umgangssprachlich ist statt von „scheinbarer Dichte“ oft von „Rohdichte“ die Rede. Dieser Begriff ist aber nicht normgerecht. Er verweist auch nicht auf die Problematik der Dickenmessung.
Sehr wichtig für alle papiernen Flächengebilde ist der Feuchtegehalt beziehungsweise der Trockengehalt.
Papier hat aufgrund seines hygroskopischen Charakters in Abhängigkeit von seiner Zusammensetzung und vom Umgebungsklima bestimmte Feuchtegehalte. Der Feuchtegehalt kann von Ort zu Ort un- terschiedlich sein, sodass sich in einer Papierbahn ein Längs- und Querprofil einstellen kann. Da viele Papiereigenschaften abhängig vom Feuchtegehalt sind, ergibt sich ein entsprechendes Längs- und Quer- profil dieser Eigenschaften.
Die Prüfnorm für den Feuchtegehalt ist DIN EN 20287. Für die Bestimmung des Feuchtegehaltes werden ein Trockenschrank, eine Analysenwaage und ein Exsikkator benötigt.
Ein Exsikkator ist ein mit einem Deckel verschlossener Behälter meist aus Glas, in dem mittels Trockenmittel eine extrem trockene Luft erzeugt werden kann. Zur Befüllung des Exsikkators mit der Probe und zu ihrer Entnahme darf der Deckel jeweils nur kurz abgenommen werden.
Die Vorgehensweise bei der Bestimmung des Feuchtegehaltes beziehungsweise des Trockengehaltes in vereinfachender Weise erläutert Abbildung 99. Bei normgerechter Bestimmung der Werte müssen unbe- dingt die Besonderheiten der Probennahme und Probenvorbereitung in der DIN EN 20287 beachtet werden.
Abb. 99: Vereinfachter Ablauf der Bestimmung von Feuchte- beziehungsweise Trockengehalt. Die Auswertung ist im Text erläutert (Quelle: Eigene Darstellung)
Aus der Einwaage mE und der Auswaage mA wird nun der Feuchtegehalt in % berechnet. Die DIN EN 20187 sieht für den Feuchtegehalt kein Formelzeichen vor. Deshalb wird hier als Formelzeichen das häufig anzutreffende FG verwendet:
Der mit dem Feuchtegehalt in engem Zusammenhang stehende Trockengehalt wird nach DIN EN 20638 bestimmt, die genau genommen für die Zellstoffprüfung gedacht ist. Im Unterschied zur Bestimmung des Feuchtegehaltes beträgt hier die Einwaage mE nur etwa 10 g. Für den Trockengehalt wird in der Norm das Formelzeichen X verwendet. In der Praxis wird stattdessen allerdings häufiger TG geschrieben. Die Trockengehalt TG in % ist dann:
Schließlich zählt noch der Glührückstand (oft auch mit Aschegehalt bezeichnet) zu den Grundeigenschaften von Papier. Darunter versteht man die Menge des Rückstandes, der bei der Verbrennung einer Probe bei festgelegter Temperatur zurückbleibt. Erfasst werden also die nicht brennbaren anorganischen Inhaltsstoffe von Papier – wie zum Beispiel die Füllstoffe beziehungsweise deren Reste nach der Verbrennung bei hohen Temperaturen.
Die Prüfnorm ist die DIN 54370. Sie sieht im Verfahren A eine Glühtemperatur von 575 ° C ± 25 ° C und im Verfahren B eine Glühtemperatur von 900 ° C ± 25 ° C vor. Die Glühdauer beträgt etwa drei Stunden. Die Menge des Probenmaterials (Einwaage) richtet sich nach der erwarteten Menge an Glührückstand. Sie liegt zwischen 50 g für Glührückstände bis 0,04 % und 5 g für Glührückstände über 0,5 %.
Für die Bestimmung werden ein Glühofen sowie Probentiegel aus Keramik oder Porzellan, ein Aluminiumblock zum Abkühlen und ein Exsikkator benötigt. Die Vorgehensweise erläutert Abbildung 100.
Abb. 100: Vorgehensweise bei der Bestimmung des Glührückstandes. Die Auswertung der Ergebnisse der Wägungen ist im Text erläutert (Quelle: Eigene Darstellung)
Aus der Masse der Papierprobe mE (Einwaage), der Masse des Glührückstandes mA (Auswaage) und dem Trockengehalt TG der Probe ergibt sich der Glührückstand GR in % wie folgt:
Vorsicht ist geboten, wenn aus dem Glührückstand GR nach Verfahren B (900 ° C) auf den Füllstoffgehalt FC geschlossen werden soll. Ein häufig eingesetzter Füllstoff ist Calciumcarbonat (CaCO₃). Bei Tempera- turen oberhalb von 800 ° C zerfällt CaCO₃ unter Abgabe von Kohlendioxid (CO₂) zu Calciumoxid (CaO). Da CaO leichter als CaCO₃ ist, stimmt der Glührückstand nicht mit dem Füllstoffgehalt FC überein, vielmehr ist GR > FCCaCO₃. Es ist dann ein zweiter Glühversuch nach Verfahren A (575 ° C), durchzuführen. Die mit dem Korrekturfaktor 2,29 multiplizierte Differenz der Glührückstände gibt dann den Gehalt an CaCO₃ in % an:
Wird neben CaCO₃ als weiterer Füllstoff Kaolin eingesetzt, das bei 900° C nicht zerfällt, dann bestimmt man den Kaolingehalt FCKaolin gemäß der folgenden Beziehung:
Der gesamte Füllstoffgehalt der Probe ist – sofern keine weiteren Füllstoffarten eingesetzt wurden:
Die Prüftechnik von Kunststofffolien unterscheidet sich aufgrund der unterschiedlichen Materialeigenschaften von der für Papier, Karton und Pappe. Kunststofffolien sind in der Regel nicht hygroskopisch, dafür sind viele ihrer Eigenschaften stark von der Temperatur abhängig. Folien sind nicht porös und deshalb wesentlich weniger kompressibel als Papier (kompressibel = zusammendrückbar, sich komprimieren lassend). Gemeinsam mit Papier besitzen viele Folien eine mehr oder weniger starke Abhängigkeit von Merkmalsausprägungen von der Prüfrichtung.
Selbstverständlich müssen auch bei Prüfung von Kunststofffolien die genommenen Proben sorgfältig vorbereitet werden. Zwar sind die meisten Kunststoffe gegenüber Feuchteschwankungen toleranter als Papier, konstante Luftfeuchte sollte aber dennoch angestrebt werden, und vor allem müssen Temperaturschwankungen unbedingt vermieden werden. Wichtig ist die Raumtemperatur, denn Kunststoffe verändern ihre Eigenschaften temperaturabhängig – siehe Kapitel 2.3 Eigenschaften von Kunststoffen. Lernfeld 2, Kap. 2.4. Konditionierung der Proben und deren Prüfung müssen unter konstanten Temperaturbedingungen durchgeführt werden.
Anders als beim kompressiblen Papier braucht die Dicke von Folien nicht so exakt durch die Merkmale des Prüfinstrumentes definiert zu werden. Ihre sehr viel geringere Kompressibilität erlaubt auch das Erfassen der Dicke mit ganz anders geformten Dickentastern, zum Beispiel solche mit punktförmigen Auflageflächen.
Die Prüfnorm ist DIN 53370. Sie unterscheidet zwischen Verfahren P und Verfahren F:
Verfahren P:
• Messfläche 1: plan, Durchmesser > 5 mm
• Messfläche 2: Kugelkalotte, Krümmungsradius etwa 40mm
• Anpresskraft: 0,1 – 0,5 N
Verfahren F:
• Messflächenplan, Durchmesser 8 – 16mm
• Anpressdruck: 10 – 100 kPa
Abb. 101: Dickenmessung von Folien. Messgeometrien (Verfahren F) in Abhängigkeit von der zu prüfenden Materialart nach DIN 53370 (Quelle: Eigene Darstellung)
Die flächenbezogene Masse spielt bei Kunststofffolien im Allgemeinen keine Rolle. Sie wird meist auch nicht spezifiziert. Ihre Bestimmung ist auch sehr schwierig, weil die Herstellung einer Probe bestimmter Fläche ohne Veränderung der Probendicke insbesondere bei dünnen und sehr dehnfähigen Folien kaum möglich ist.
Auch die Dichte von Folien spielt im Allgemeinen keine Rolle – sie wird in der Regel auch nicht spezifiziert. Im Gegensatz zum Papier kann sie direkt gemessen werden. Spezielle Messanordnungen dafür sind das Pyknometer oder die Nutzung der Auftriebsmethode (Mohr’sche Waage). Beide Methoden eignen sich aber nicht für die industrielle Praxis in einem Folien verarbeitenden Betrieb.
Welche weiteren Eigenschaften von Folien wichtig sind, richtet sich nach dem jeweiligen Verwendungszweck. Es können Festigkeitseigenschaften im Vordergrund stehen, jedoch auch thermische und optische Eigenschaften. Es würde den Rahmen sprengen, diese vielen Eigenschaften und ihre Messmöglichkeiten an dieser Stelle zu behandeln.
Standardisierte Festlegungen bezüglich der Breiten von Papier- und Kartonrollen gibt es nicht. Dazu ist die Vielfalt der Druck- und Verarbeitungsmaschinen, die von der Rolle arbeiten, viel zu groß. Wichtiger sind deshalb die zulässigen Toleranzen von Rollenmaßen. Für Druckpapiere sind diese in DIN 19306-1 definiert.
Danach darf die Rollenbreite um ± 0,5 % vom Sollwert abweichen. Ist dieser Wert kleiner als ± 2 mm, dann muss ± 2 mm akzeptiert werden. Die Toleranz darf ± 3 mm nicht überschreiten.
Bei einer Rolle mit der Sollbreite 1.000 mm würde die relative Toleranz ± 0,5 % der absoluten Toleranz von ± 5 mm entsprechen. Dieses Toleranzfeld darf aber nicht ausgenutzt werden, weil der obere Grenzwert von ± 3 mm nicht überschritten werden darf.
Die Toleranzen für Rollendurchmesser können, müssen aber nicht definiert werden. Möglich ist es, den Mindestdurchmesser, den Höchstdurchmesser oder beides festzulegen und in der Bestellung zu spezi- fizieren.
Aus dem Rollendurchmesser kann die Länge L der aufgewickelten Bahn überschlägig berechnet werden. Wenn D der Rollendurchmesser und Di der Wickelkerndurchmesser sowie s die Materialdicke ist, gilt
Unter einem Format versteht man nach DIN 6730 die Größe eines Blattes oder Bogens eines Papiers oder Kartons, die in den Maßen Breite x Länge angegeben wird, wobei die Breite stets das kleinere Maß ist (DIN 6730 (06/2000): Papier und Pappe, Begriffe). Die Maße werden in mm angegeben – und zwar stets so, dass das zweite Maß parallel zur Maschinenrichtung MD des Papiers liegt (vergleiche Abbildung 102).
Abb. 102: Festlegung der Angabe von Bogenabmessungen nach DIN 19306-1. Erläuterungen im Text
(Quelle: Eigene Darstellung)
Formate, deren größeres Maß senkrecht zur Maschinenrichtung MD liegt (oberes Beispiel in Abb. 102), bezeichnet man auch als Breitbahn-Formate. Liegt dagegen das größere Maß parallel zur Maschinen- richtung (Beispiel in Abb.102), spricht man vom Schmalbahn-Format.
Grundlage für die Festlegung von Papierformaten ist die DIN EN ISO 216 (DIN EN ISO 216 (10/2001): Schreibpapier und bestimmte Gruppen von Drucksachen, Endformate A- und B-Reihen). Ausgangspunkt ist das Format A0 mit einer Fläche von 1 m² und einem Verhältnis von Breite zu Länge von 1:√2. Das nächstkleinere Format ergibt sich dann aus der Halbierung der längeren Seite des größeren Formats unter Beibehaltung der kürzeren Seite. Den A-Reihen sind die B- und in DIN 476-2 die C-Reihen zugeordnet (DIN 476-2 (02/1991): Papier-Endformate, C-Reihe). Diese Formate gelten für Papiererzeugnisse, die zur Unterbringung von Produkten im A-Format bestimmt sind (zum Beispiel Briefumschläge, Briefmappen, Aktendeckel usw.). Die Formate mit ihren Abmessungen sind in Abbildung 103 aufgeführt.
Die Maße von Rohformaten (das sind die Maße von Papierbögen, deren Größe die Gewinnung des erforderlichen beschnittenen Formates ermöglicht) sind in DIN EN 6441 festgelegt (DIN EN 644 (04/1999): Papier, Rohformate). Für den Begriff Rohformat ist auch der Begriff „Bruttoformat“ geläufig. Das beschnittene Format ist dann das Nettoformat.
Die normgerechten Bogengrößen sind in den Abbildungen 104 und 105 aufgeführt.
Abb. 103: Maße der A- und B-Reihe nach EN ISO 216 und der C-Reihe nach DIN 476-2
(Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 104: Maße der Grundreihe in mm nach DIN EN 644
(Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 105: Maße der Ergänzungsreihe in mm nach DIN EN 644
(Quelle: Eigene Darstellung)
Im Bogendruck sind die in Abbildung 106 zusammengestellten Formatklassen zur Einteilung und Klassifizierung von Druckmaschinen üblich. Die Formatklasse kennzeichnet das größte mit der jeweiligen Druckmaschine bedruckbare Format.
Abbildung 106: Formatklassen von Bogen-Druckmaschinen (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Formatklasse 6 (Bogenformat 1.000 x 1.400 mm) erlaubt somit die Bedruckung von Bögen im Format RA0, deren Größe laut Abb. 104 860 mm x 1.220 mm beträgt. Der anhaltende Trend zu großen Formaten hat in jüngster Zeit zur Entwicklung von Druckmaschinen für Bogengrößen jenseits der Formatklasse 7 geführt. Diese mit XXL- oder XXL-Plus bezeichneten Formatklassen umfassen Bogenformate bis zu 1.510 mm x 2.050 mm.
Aussagen zu den Toleranzen von Bogenabmessungen lassen sich DIN 19306-1 entnehmen. Bei Rohformaten (Bruttoformaten) dürfen die relativen Formatabweichungen ± 0,2 % betragen, beim Nettoformat sind es ± 0,15 %. Wenn 0,2 % weniger als 2,5 mm ergibt, dann muss das nach der Norm 2,5 mm akzeptiert werden (im Falle des Nettoformats sind es 1,5 mm).
Bei Formatpapieren ist die Rechtwinkligkeit ein wichtiges Kriterium. Bei Nettoformaten darf die Abweichung von der Rechtwinkligkeit nicht größer als ± 0,2 % sein, wobei die zu akzeptierende Abweichung ± 1 mm betragen darf.
Zertifizierungen, Recycling und die im internationalen Vergleich überdurchschnittliche Nutzung von Sekundärfasern – das sind Beispiele für das Umweltbewusstsein der deutschen Papierindustrie. In diesem Kapitel erfahren Sie mehr über die Nachhaltigkeit, mit der hier gewirtschaftet wird. Hier finden Sie auch Informationen über das staatliche Regelwerk – insbesondere die Verpackungsverordnung.
In Deutschland stellt die Politik der Kreislaufwirtschaft höchste Anforderungen an das Recycling wertvoller Rohstoffe. Verpackungen aus Papier, Karton, Pappe und Folien folgen den ökologischen Leitgedanken der Nachhaltigkeit, der Ressourcenschonung und der Kreislaufführung. Das sind heute wichtige Maßstäbe für Packmittel herstellende Betriebe.
Papier, Karton und Pappe basieren auf erneuerbaren Rohstoffen. Entweder sind dies Primärfasern aus nachwachsendem Holz (sogenanntes Bruch- oder Durchforstungsholz, vorwiegend aus deutschen Wäldern, das bei der notwendigen Waldpflege anfällt und in der Forst- und Holzwirtschaft zu entsorgen ist) oder es sind Sekundärfasern aus wiederverwertetem Altpapier.
Holz ist ein wertvoller Rohstoff für die stoffliche Nutzung, weil gegenüber der thermischen Nutzung (Verbrennung zur Energiegewinnung) eine höhere Wertschöpfung erzielt wird und mehr Arbeitsplätze gesi- chert werden.
Der Holzbedarf der deutschen Zellstoff- und Papierindustrie kann weitestgehend im Inland gedeckt werden. Trotz steigender Nachfrage nach Holz (vor allem zur Energiegewinnung) ist in Deutschland eine Zunahme der Netto-Waldfläche festzustellen.
Die deutsche Papierindustrie kann für die von ihr eingesetzten Primärfaserstoffe eindeutige Herkunftsnachweise erbringen. Sie dokumentiert damit ihren weltweiten Einsatz gegen illegalen Holzeinschlag. Zertifizierungssysteme wie FSC oder PEFC belegen dies. FSC steht für Forest Stewardship Council (engl. stewardship‚ Verantwortung, Verwalteramt). Das FSC-System zur Zertifizierung von Forstwirtschaft wurde gegründet zur Sicherung der nachhaltigen Waldnutzung. PEFC steht für Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes. Diese unabhängige Organisation arbeitet für die Sicherstellung und Verbesserung einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung nach ökologischen, sozialen und ökonomischen Standards.
Abb. 107: Logos von FSC und PEFC (Quelle: FSC (fsc.org); PEFC (pefc.org))
Beim Einsatz von Altpapier nimmt die deutsche Papierindustrie im internationalen Vergleich eine Spitzenstellung ein. Jährlich werden in Deutschland rund 16 Millionen Tonnen Altpapier in der Papier- und Kartonindustrie wieder als Rohstoff eingesetzt.
Abb. 108: Entwicklung des Altpapier-Einsatzes bei der Papierherstellung in Prozent der Papiererzeugung (Quelle: Verband Deutscher Papierfabriken, VDP)
Papier, Karton und Pappe für Verpackungszwecke werden bis zu 100 Prozent aus Altpapier hergestellt, nach Gebrauch ebenfalls dem Altpapier zugeführt und stofflich wiederverwertet (Recycling). Verpackungen aus Papier, Karton und Pappe durchlaufen somit einen nahezu geschlossenen Materialkreislauf.
Abb. 109: Entwicklung der Altpapier-Einsatzquote bei Verpackungen aus Papier, Karton und Pappe seit Inkrafttreten der Verpackungsverordnung 1991 (Quelle: Verband Deutscher Papierfabriken, VDP)
Das Recycling trägt in erheblichem Umfang zur Nachhaltigkeit des Papierkreislaufs bei. Durch die Wiederverwertung der aufbereiteten Rohstoffe wird der Verbrauch an Energie, Holzfasern sowie der Aufwand zur Abwasseraufbereitung insgesamt verringert. Der große Erfolg des Altpapierrecyclings in Deutschland ist nur durch ein über Jahrzehnte bewährtes System der flächendeckenden und qualitativ hochwertigen Getrennterfassung des Altpapiers ermöglicht worden.
In der Papierverarbeitung werden energieschonende und materialsparende Produktionstechnologien eingesetzt. Die Herstellungsprozesse unterliegen der kontinuierlichen Verbesserung unter Effizienz- und Umweltaspekten. Die überwiegende Mehrzahl der Betriebe der Papierverarbeitung wird nach anspruchsvollen Qualitäts-, Umwelt- und Hygienestandards zertifiziert.
Bei der Herstellung von Papier- und Pappewaren werden seit langem Maßnahmen zur Abluftreinigung, Lösemittelrückgewinnung, Reduzierung des Farbeinsatzes bzw. zur Verwertung von Farbresten umgesetzt, die zur Begrenzung von Schadstoffemissionen und Wasserbelastungen beitragen.
Seit 1991 gilt in Deutschland die Verpackungsverordnung, die die Rücknahme und Wiederverwertung gebrauchter Verpackungen regelt. Die Verordnung bezweckt, die Auswirkungen von Abfällen aus Verpackungen auf die Umwelt zu vermeiden oder zu verringern. Wiederverwendung und stoffliche Wiederverwertung (Recycling) haben dabei Vorrang vor der Beseitigung von Verpackungsabfällen.
Der Verpackungswirtschaft wurde mit der Verpackungsverordnung als erstem Industriezweig die „neue Produktverantwortung“ in der Kreislaufwirtschaft auferlegt. Danach sind die Inverkehrbringer von Verpackungen (Packstoffhersteller, Packmittelhersteller, Abfüller und Handel) für den gesamten „Lebensweg“ der Verpackung, also auch für die Entsorgung und Wiederverwertung nach deren Gebrauch, verantwortlich.
Seit 1994 gilt europaweit die EU-Verpackungsrichtlinie, die entsprechende Recycling-Vorgaben für gebrauchte Verpackungen in allen EU- Mitgliedsländern vorschreibt.
Die Verpackungsverordnung wurde seit ihrem Inkrafttreten 1991 insgesamt fünfmal novelliert. Laut der 5. Novelle gilt die Verpackungsverordnung für alle in Verkehr gebrachten Verpackungen, unabhängig von den Materialien, aus denen sie bestehen. Bei den Vorschriften unterscheidet die Verpackungsverordnung zwischen
• Verkaufsverpackungen
• Umverpackungen
• Serviceverpackungen
• Verpackungen des Versandhandels
• Transportverpackungen
• Verpackungen für schadstoffhaltige Füllgüter
Als Verkaufsverpackungen gelten Verpackungen, die als eine Verkaufseinheit angeboten werden und beim Endverbraucher anfallen. Wichtigstes Kriterium ist also der Anfall der Verpackung beim Endverbraucher, der die Ware aus der Verkaufsverpackung auspackt. „Typische“ Verkaufsverpackungen sind demzufolge beispielsweise Primärverpackungen für Lebensmittel, Kosmetika, Spielwaren etc., aber auch Verpackungen für Güter wie Möbel, Fenster, Baustoffe und Elektrogeräte. Zu den Verkaufsverpackungen zählen auch Getränkekartonverpackungen (Verbundverpackungen), die aber als „ökologisch vorteilhafte Verpackungen“ nicht der Pfandflicht für Einweg-Getränkeverpackungen unterliegen.
Nach der 5. Novelle müssen alle Verpackungen, die zu privaten Endverbrauchern gelangen, bei dualen Systemen lizenziert werden („Beteiligungspflicht“). Damit sollen Wettbewerbsverzerrungen beseitigt und die haushaltsnahe Sammlung gebrauchter Verkaufsverpackungen durch die dualen Systeme dauerhaft gesichert werden.
Die Verpackungsverordnung schreibt folgende Recycling-Quoten für Verkaufsverpackungen vor:
• Glas 75%
• Weißblech 70%
• Papier, Karton, Pappe 70%
• Aluminium 60%
• Verbunde 60%
Als Umverpackungen gelten zusätzliche Verpackungen zu den Verkaufsverpackungen, wie zum Beispiel Faltschachteln, in denen Zahnpastatuben oder Fischdosen eingepackt sind. Umverpackungen können an der Verkaufsstelle zurückgelassen werden, worauf die Kunden hinzuweisen sind. Nimmt der Kunde dagegen die Umverpackung beim Kauf mit, gelten sie als Verkaufsverpackungen.
Serviceverpackungen sind Verkaufsverpackungen des Handels, der Gastronomie und anderer Dienstleister, die die Übergabe von Waren an die Endverbraucher ermöglichen sowie Einweggeschirr. Beispiele für Serviceverpackungen aus Papier, Karton und Pappe sind Bäckertüten, Pizzaschachteln (aus der Pizzeria), Tortenschachteln (aus der Konditorei), Pappschalen und -becher.
Für die Serviceverpackungen gelten grundsätzlich die gleichen Pflichten wie für Verkaufsverpackungen – allerdings kann die Beteiligungspflicht an einem dualen System von den Letztvertreibern (Bäcker, Metzger, Imbissbuden etc.) auf die Verpackungshersteller oder die Vorvertreiber (zum Beispiel der Papiergroßhandel) übertragen werden.
Internet- und Versandhandels-Verpackungen sind zwar Verkaufsverpackungen und wie diese zu behandeln, aber keine Serviceverpackungen. Das bedeutet, dass die Pflichten beim Versandhändler liegen und nicht auf den Verpackungshersteller zurücküberwälzt werden können. Briefumschläge, Versandtaschen und Pakete, die von privaten Internetverkäufern verwendet werden, gelten hingegen nicht als Verkaufsver- packungen.
Für Transportverpackungen gelten die Beteiligungspflichten an einem dualen System nicht. Transportverpackungen – das sind zum Beispiel Wellpappe-Kisten, Kartonagen und andere Verpackungen aus Papier, Karton, Pappe oder Kunststoff, die für Warenlieferungen an den Handel oder für Zulieferungen in die Industrie eingesetzt und dort auch ausgepackt werden. Die Hersteller und Vertreiber von Transportverpackungen sind aber verpflichtet, diese nach Gebrauch zurückzunehmen und einer erneuten Verwendung oder einer stofflichen Verwertung zuzuführen, soweit dies technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar ist. Diese Pflicht gilt auch für die von den Verpackungsherstellern selbst eingesetzten Transportverpackungen – dazu gehören Paletten, Folien oder Umreifungsbänder.
Bereits 1991 hat die deutsche Wellpappen-Industrie die RESY Organisation für Wertstoffentsorgung GmbH gegründet. RESY garantiert die gesamthafte Entsorgung und stoffliche Wiederverwertung aller mit dem RESY-Symbol gekennzeichneten Transport- und Umverpackungen aus Papier, Karton und Pappe. Mit Aufbringen des RESY-Symbols werden die Vorgaben der Verpackungsverordnung für Transportverpackungen erfüllt.
Abb. 110: Das RESY-Siegel der deutschen Wellpappen-Industrie bürgt für die gesamthafte Entsorgung und stoffliche Wiederverwertung aller Transport- und Umverpackungen aus Papier, Karton und Pappe, die mit diesem Symbol gekennzeichnet sind (Quelle: RESY, resy.de)
Für Verpackungen für schadstoffhaltige Füllgüter gelten Sonderregelungen: Danach sind die Hersteller und Vertreiber der Schadstoffverpackungen verpflichtet, deren unentgeltliche Rückgabe durch den Endverbraucher zu ermöglichen. Diese kostenlose Rückgabe muss in zumutbarer Entfernung möglich sein, es gelten entsprechende Hinweispflichten (auch im Versandhandel). Die zurückgenommenen Verpackungen sind einer erneuten Verwendung oder einer Verwertung zuzuführen, soweit dies technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar ist.
Für den Umweltschutz gibt es in Deutschland und auf europäischer Ebene viele Rechtsvorschriften, die sich je nach Rang der entsprechenden Regelung folgendermaßen zuordnen lassen:
• Gesetze: Grundlagen für Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften – zum Beispiel:
° Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG)
° Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG)
° Wasserhaushaltsgesetz (WHG)
• Rechtsverordnungen: Konkretisierung der Gesetze als verbindliches Recht – zum Beispiel:
° Verpackungsverordnung (VerpackungsV)
° Bundesimmissionsschutzverordnungen (BImSchV)
° EU-Reach-Verordnung
• Verwaltungsvorschriften: Detailregelungen zur behördlichen Durchführung der Gesetze und Rechtsverordnungen – zum Beispiel:
° Technische Anleitung Luft (TA Luft)
° Technische Anleitung Siedlungsabfall (TA Siedlungsabfall)
• Empfehlungen: kein verbindliches Recht – zum Beispiel
° BfR-Empfehlung XXXVI für Papiere, Kartons und Pappen für den Lebensmittelkontakt
Dieses Kapitel befasst sich grundsätzlich mit allem, was Packmitteltechnologen über die Herstellung standardisierter Verpackungsmittel wissen müssen. Sie lernen hier, wie man Skizzen und Zeichnungen erstellt und liest. Sie erfahren mehr über Kataloge mit Normen, die die Vielfalt der Verpackungen ordnen, und wissen zum Schluss dieses Kapitels, wie man ECMA- und FEFCO-Codes interpretiert und warum sie nützlich sind. Sie erfahren auch mehr über den Bau von Handmustern. Diese sind auch im Zeitalter des computer-aided-designs, der computergestützten Konstruktion von Verpackungen, wichtig, damit sich zum Beispiel Kunden vorstellen können, wie eine Verpackung aussehen wird. Sie erfahren hier mehr über Faltschachteln aus Karton, Vollpappe und Wellpappe sowie Säcke, Beutel und Briefhüllen. Hier geht es zum Beispiel um die Auswahl standardisierter Zuschnitte nach den bereits erwähnten Katalogen, um die Zuschnitt-, Nutzen- und Abfallberechnung in der Produktion sowie Gestaltungsgrundsätze für Verpackungen.
Die Machart von Verpackungen ist sehr vielfältig – und der Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt. Neben den Standardlösungen gibt es viele Sonderkonstruktionen. Bei Sonderkonstruktionen brauchen alle Beteiligten auf jeden Fall ein Handmuster. In modernen Fertigungsbetrieben können heute Standardverpackungen problemlos ohne Entwicklung und ohne vorheriges Erstellen von Handmustern in die Produktion gehen, da alle Parameter einer Standardverpackung international festgeschrieben sind.
Sonderkonstruktionen sind dagegen frei entwickelte Verpackungen, die gesondert behandelt werden müssen. Der Kunde möchte in der Regel ein Muster sehen, das vor Produktionsbeginn auch von ihm freigegeben werden muss. Der Sachbearbeiter, der Kalkulator, aber auch der Mitarbeiter in der Produktion benötigt bei Sonderkonstruktionen für seinen Produktionsschritt ein Handmuster, um die Besonderheiten und Vorgaben erkennen zu können.
Im folgenden Kapitel beschäftigen wir uns mit den Grundlagen zur Erstellung und zum Lesen von packmittelspezifischen Zeichnungen.
Die Maßangaben und Definitionen sind international festgelegt und beziehen sich in diesem Kapitel auf Verpackungen aus Karton.
Abb. 111: Vorgabe zur Abstandsmessung. Wir messen von Mitte zu Mitte der Rilllinie auf der Rückseite des offenen flachliegenden Zuschnitts. Unter „Zuschnitt“ versteht man eine ungeklebte flachliegende Faltschachtel. (Quelle: Eigene Darstellung)
Gemessen wird von Mitte Rilllinie bis Mitte Rilllinie bzw. Schnittkante. Das Maß Mitte Rilllinie bis Mitte Rilllinie ist auch als Innenmaß zu verstehen.
Ein genaues Messen ist nur von der Rückseite am flachliegenden Zuschnitt möglich. Die Aussage „Rillmaß gleich Innenmaß“ ergibt sich aus der geringen Materialdicke des Faltschachtelkartons. In der Praxis müssen natürlich Zugaben eingerechnet werden, um ein problemloses Konfektionieren zu gewährleisten (Konfektionieren = Aufrichten, Befüllen und Verschließen einer Verpackung).
Abb. 112: Vorgabe zur Abstandsmessung (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Maße einer Faltschachtel werden immer in der Reihenfolge
A x B x H
angegeben.
„A“ entspricht der „Länge“ des Körpers
„B“ entspricht der „Breite“ des Körpers
„H“ entspricht der „Höhe“ des Körpers
Mit folgenden Beispielen wollen wir die Maßangaben bei verschiedenen Grundkonstruktionen nochmals vertiefen. Grundkonstruktionen sind die Faltschachtel, die Klappdeckelschachtel sowie die Stülpdeckelschachtel.
Faltschachtel
Bei Faltschachteln verläuft das Maß „A“ immer parallel zur Anlenkung (Drehachse) des Deckels. Das andere Maß an der Grundfläche entspricht dem Maß „B“. Das Maß „A“ ist immer parallel zur Anlenkung des Deckels, auch wenn „B“ größer „A“ ist.
Abb. 113: Standard-Faltschachtel. Bei einer Standard-Faltschachtel ist die Öffnung an der kleinsten Fläche des Körpers. (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 114: Klappdeckelschachtel. Bei einer Klappdeckelschachtel ist die Öffnung an der größten Fläche des Körpers. (Quelle: Eigene Darstellung)
Auch wenn der Deckel an der kürzeren Seite der Faltschachtel angelenkt ist, wird diese Strecke als „A“ gekennzeichnet. Bei Faltschachteln ohne Deckelverschluss wird das längste Maß an der Grundfläche mit „A“ gekennzeichnet.
Stülpschachtel, Tray
Bei einer Stülpschachtel oder einem Tray steht das Maß „A“ für die längste Seite der Grundfläche. Das Maß „B“ ist das andere Maß an der Grundfläche. Ein Tray kann ein rechteckiger oder U-förmiger Zuschnitt (Tray Zuschnitt) oder jede andere oben offene Konstruktion sein. Die Definition der AxBxH-Maße ändert sich dadurch nicht.
Das Maß „H“ bestimmt die vertikale Strecke zwischen der Grundfläche und der offenen Seite des Körpers.
Abb. 115: Tray – Zuschnitt (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 116: Tray – U-förmiger Zuschnitt (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 117: Stülpschachtel – Deckel (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 118: Tray oder Stülpschachtel – Boden (Quelle: Eigene Darstellung)
Eine Stülpschachtel besteht immer aus einem Bodenteil und einem Deckelteil (gestülpt).
Ein Tray steht für sich alleine, mit einem Deckel wird daraus eine Stülpschachtel oder zusammen mit einer Hülse eine Schiebeschachtel. Bei der Definition der A/B/H- Maße einer Schiebeschachtel wird jedes Schachtelteil für sich definiert. Ein Schieber entspricht einer Stülpschachtel oder Tray. Eine Hülse entspricht einer Standard-Faltschachtel.
Abb. 119: Tray (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 120: Stülpschachtel (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 121: Schiebeschachtel (Quelle: Eigene Darstellung)
Wir fassen zusammen: Bei Standardschachteln wie Faltschachteln, Stülpschachteln, Trays und Schiebeschachteln gibt es klar definierte Vorgaben zur Bestimmung der A/B/H-Maße.
Bei Sonderkonstruktionen wie Mehreckschachteln, konischen Schachteln oder Mehrstückverpackungen (Sixpack) ist eine Abstimmung über die A/B/H-Maße mit dem Kunden notwendig.
Bevor wir uns der Konstruktion einer Faltschachtel zuwenden, müssen wir uns noch den Einfluss der Faserlaufrichtung (siehe Lernfeld 2) auf die Konstruktion anschauen. Bedingt durch den Produktionsprozess hat Karton eine stabile und eine flexible Seite. Man spricht dabei von der Biegesteifigkeit. Diese muss bei der Konstruktion von Verpackungen berücksichtigt werden. Die Biegesteifigkeit in Faserrichtung kann um ein Vielfaches größer sein als quer zur Faserrichtung. Das Verhältnis kann hier von
2 : 1 bis 5 : 1
reichen. Das bedeutet: Die Biegesteifigkeit quer zur Faserlaufrichtung erreicht im ungünstigsten Fall nur ein Fünftel jener Biegesteifigkeit, die das Material parallel zur Faserlaufrichtung aufweist.
Der Biegesteifigkeitswert des Kartons bestimmt neben der Konstruktionsart und der flächenbezogenen Masse (im Betriebsalltag auch „Grammatur“ genannt) des Materials, wie viel Stauchdruck die Verpackung aushält.
Abb. 122: Biegesteifigkeit eines Kartonbogens (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 123: Stauchdruck auf einen Körper (Quelle: Eigene Darstellung)
Wir fassen zusammen: Karton hat parallel und quer zur Faserlaufrichtung unterschiedliche Werte in der Biegesteifigkeit. Parallel zur Faserlaufrichtung ist die Biegesteifigkeit immer geringer. Je nach Anforderung des zu verpackenden Produkts muss dieser Umstand berücksichtigt werden. Ist die Verpackung einem hohen Stapeldruck ausgesetzt, könnte die Faserrichtung danach ausgerichtet werden. Merke: quer zur Faserlaufrichtung hoher Biegesteifigkeitswert – parallel zur Faserlaufrichtung niedrigerer Biegesteifigkeitswert.
Im Folgenden geht es um die Zuschnittsberechnung. Vor dem Konstruieren müssen die A/B/H-Maße der Verpackung ermittelt werden. Über die Zuschnittsberechnung kann dann das offene Maß der Verpackung errechnet werden. Am folgenden Beispiel werden die einzelnen Schritte dazu erläutert. Die Ausarbeitung erfolgt ohne CAD-Unterstützung.
In unserem Fall soll eine Verpackung für einen Taschenrechner mit den Maßen 65,00 mm x 11,00 mm x 128,00 mm konstruiert werden. Als Konstruktion wählen wir in diesem Beispiel eine Faltschachtel mit volldeckenden verklebten Laschen. Zur Bestimmung der A/B/H-Maße müssen zu den Maßen des Produktes noch die technisch notwendigen Zugaben hinzugefügt werden. Nettomaß des Produkts plus technisch bedingte Zugaben ergibt das Rillmaß.
In unserem Beispiel:
Maß A= 65,00 mm + 2,00 mm = 67,00 mm
Maß B = 11,00 mm + 2,00 mm = 13,00 mm
Maß H = 128,00 mm + 2,00 mm = 130,00 mm
Je nach Produkt oder Vorgaben bei der automatisierten Konfektionierung können auch andere Zugaben erforderlich sein. Die hier genannten Maße sind zufällig ausgesucht, um das Verfahren grundsätzlich zu verdeutlichen. Im Regelfall werden den Maßen des Produktes 2 mm Maßzugabe hinzu addiert, damit das Produkt leicht in die Schachtel gleiten kann. Diese Zugaben können im Einzelfall variieren.
ECMA A10.10.03.03.A
Die European Carton Makers Association (ECMA) veröffentlichte den ECMA-Code. Mit diesem lassen sich fast alle Zuschnitte und Faltschachteln beschreiben.
Definition:
A = Gruppe A rechteckig mit Längsnahtklebung
10 = Verschlusssystem volldeckend (Boden)
10 = Verschlusssystem volldeckend (Deckel)
03 = 3. Lasche – zählend von der Klebelasche, ist die zuletzt schließende Lasche (Boden)
03 = 3. Lasche – zählend von der Klebelasche, ist die zuletzt schließende Lasche (Deckel)
A = automatisiertes Aufrichten
Abb. 124: Faltschachtel mit volldeckenden verklebten Laschen (Quelle: Eigene Darstellung)
Um das offene Maß zu ermitteln, werden die einzelnen Strecken an der flachliegenden Faltschachtel in „x“ und „y“ Richtung (x/y-Achse) addiert. Hierbei sind auch die Versatzmaße zu berücksichtigen (Versatzmaß = Abstand zwischen Seitenlasche und Decklasche – siehe auch Abb. 125).
Das offene Format wird auch als „L1“ und „L2“ bezeichnet. „L1“ ist identisch mit der „x-Achse“ und „L2“ ist identisch mit der „y-Achse“.
Abb. 125: Skizze offener Zuschnitt. Die Buchstaben in der Ausrechnung stehen für die Flächenbezeichnungen C = Klebelasche, A = Breite, B = Tiefe, H = Höhe, B-x = Breite – Versatz, e = Decklasche, x = Versatz (Quelle: Eigene Darstellung)
Beispiel für die Ausrechnung eines offenen Maßes
Siehe auch unser Beispiel auf Seite 141. Zahlen sind zufällig ausgewählt, um die Methode zu verdeutlichen.
e = 11,50 | 11,00 C | |
x = 0,50 | 67,00 A | |
H = 130,00 | X | 13,00 B |
x = 0,50 | 67,00 A | |
e = 11,50 | 12,50 B-x | |
154,00 | X | 170,50 |
Nach Addition der einzelnen Strecken in unserer Konstruktion erhalten wir ein offenes Maß von 154,00 mm x 170,50 mm.
Im nächsten Schritt ist nun noch die Faserlaufrichtung unserer Konstruktion zu bestimmen. Für die Kennzeichnung der Faserlaufrichtung gilt folgende Regelung: Jeweils das Formatmaß, das quer zur Laufrichtung der Kartonbahn liegt, wird unterstrichen und damit definiert, ob es sich um eine Schmalbahn oder eine Breitbahn handelt.
Schmalbahn (SB): Laufrichtung parallel zur langen Seite. Der Bogen wurde aus der schmalen Seite der Papierbahn geschnitten.
Breitbahn (BB): Laufrichtung parallel zur kurzen Seite. Der Bogen wurde aus der breiten Seite der Papierbahn geschnitten.
Die folgende Grafik zeigt die Anordnung von Schmalbahnen (SB) und Breitbahnen (BB).
Abb. 126: Schmalbahn/Breitbahn. Erläuterung zum Buchstaben M: Das „M“ markiert das Maß, das in Maschinenrichtung liegt. (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Faserrichtung kann, wie Abbildung 126 verdeutlicht, auf unterschiedliche Art gekennzeichnet werden. Möglichkeiten sind hier:
<-Faserlauf->
Faserlauf parallel zum Schriftzug und den Pfeilen
Beispiel 70 M x 100
Faserlauf parallel zu 70 M
Beispiel 70 x 100
Faserlauf quer zu 100
M = Maschinenrichtung.
Wir fassen zusammen: Die Faserrichtung kann auf unterschiedliche Art und Weise gekennzeichnet werden. In der Faltschachtelbranche wird im Bogenformat überwiegend mit „SB“ und „BB“ (Schmal-, Breit- bahn) oder mit der Unterstreichung einer Zahl gekennzeichnet. Beim Einzelnutzen ist die Kennzeichnung mit „<-Faserlauf->“ üblich.
Abb. 127: Längs-/Querfaser (Quelle: Eigene Darstellung)
Nachfolgend betrachten wir die Gesichtspunkte, die bei einer Konstruktion für die jeweilige Faserrichtung sprechen. Bei Faltschachteln sind das die Querfaser und die Längsfaser.
Gesichtspunkte, die für eine Querfaser sprechen:
Pro Querfaser! Bei hoher Produktionsleistung (Kleben) und hoher Taktzahl bei der automatisierten Konfektionierung ist die Querfaser vorzuziehen.
Gesichtspunkte, die für eine Längsfaser sprechen:
1. hohe Steifigkeit beim Einstecken der Einstecklasche
2. geringe Wölbung der Decklasche,
3. formstabile Schachtel bei hohem Stapeldruck.
Bei Faltschachteln mit einem ungünstigen Seitenverhältnis – B größer A (Deckel an der schmalen Seite der Faltschachtel) kann die Längsfaser von Vorteil sein. Quer oder längs? Trotz der Pros und Kontras: Die Querfaser ist der Favorit bei Standard-Faltschachteln.
Wir fassen zusammen: Die Wahl der Faserlaufrichtung ist abhängig von der Konstruktion und Anforderung an die Verpackung. In den meisten Fällen bietet die Querfaser bei Standard-Faltschachteln größere Vorteile – sie wird daher bevorzugt verwendet.
In diesem Abschnitt befassen wir uns mit dem Erstellen von Handskizzen. Skizzen werden benötigt, wenn Konstruktionen extern digital umgesetzt werden. Skizzen müssen nicht maßstabsgetreu gezeichnet werden. Bei einer Skizze sind alle für die Konstruktion wichtigen Details zu vermaßen, die notwendig sind, um die Konstruktion 1:1 nachstellen zu können. Details können in einer Lupe vergrößert dargestellt und vermaßt werden. Maße werden immer in mm angegeben. Doppelvermaßungen sind zu vermeiden. Maßzahlen müssen auf der x-Achse und der y-Achse gleichmäßig ausgerichtet sein. Maß-, Schnitt-, Ritz-, Rill- oder Perforationslinien müssen in unterschiedlichen Linienarten dargestellt werden. Die Angabe der Faserlaufrichtung ist Bestandteil der Skizze. Hier sehen Sie eine beispielhafte Skizze. Die Vermaßung ist beispielhaft und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Abb. 128: Handskizze (Quelle: Eigene Darstellung)
Eine Handskizze muss alle Details und Linienarten klar kenntlich machen. Nach ECMA wird nur für die Schnittlinie, die Rilllinie und die Perforation eine Linienausführung vorgeschlagen. Perforationslinien können in Punkt oder in mm angegeben werden (1 pt. = 0,3527 mm).
Beispiel für eine Linienausführung:
Abb. 129: Linientypen (Quelle: Eigene Darstellung)
Eine 2 : 4 mm Perforation besteht im Wechsel aus 2 mm Brücke und 4 mm Schnitt. In Punkt entspricht das ~ 5,5 : 11 pt (pt = Punkt). Der erste Wert steht für die Brücke, der zweite Wert für den Schnitt. Stanzbrücken werden direkt in der Skizze vermaßt. Sind die Stanzbrücken alle identisch, so genügt ein Hinweis in der Legende.
Wir fassen zusammen: Skizzen werden hauptsächlich für eine digitale Datenübernahme benötigt. Eine lückenlose Vermaßung ist zwingend erforderlich. Linientypen müssen klar gekennzeichnet sein. Bei Perforationslinien muss zusätzlich die Schnitt- und Brückenlänge angegeben werden.
Nun geht es um das Anforderungsprofil für das zu verpackende Produkt. Wir überprüfen, welche Konstruktionsvariante hinsichtlich der Anforderung an das zu verpackende Produkte in Frage kommt. Anregungen zum Einsatz möglicher Konstruktionen können dem ECMA-Katalog entnommen werden. Die Konstruktion und Werkstoffauswahl einer Verpackung wird unter anderem vom Produkt, dem Einsatzgebiet und den gewünschten Funktionen bestimmt. Beispiele:
Rieseldicht | = verklebte Laschen |
Produkttrennung | = Zwischenstege |
SB-Verpackung | = Originalitätsverschluss |
Transport-Verpackung | = hohe Stabilität |
Präsentations-Verpackung | = guter Blick auf das Produkt |
Lebensmittelecht | = Frischfasermaterial |
Nassfest | = hohe Reißfestigkeit |
Fettdicht | = rückseitig beschichtet |
Tiefkühlgeeignet | = ein- oder beidseitig beschichtet |
Verklebte Laschen oder ein Originalverschluss lassen erkennen, ob eine Verpackung schon geöffnet wurde. Dies ist vor allem im Selbstbedienungsbereich sehr wichtig (Verschmutzung/Vollständigkeit).
Größe, Material, Konstruktionsart, geplante Auflage und Art des Vertriebs müssen beim Anforderungsprofil einer Packung berücksichtigt werden. In unserem Beispiel haben wir als Produkt einen Taschenrechner gewählt, für den eine Verpackung entwickelt werden soll. Das Anforderungsprofil einer Verpackung wird hier zusammengestellt nach Kundenwunsch:
Größe des Produkts: | 65x11x128mm |
Material: | 250 g/m2 GD2 |
Konstruktionsart: | Originalitätsverschluss |
Konfektionierung: | aufrichten und befüllen über Automaten |
Auflage: | 200.000 Stück |
Vertrieb: | Kaufhaus SB (Selbstbedienung) |
Anhand dieser Anfrage werden wir nun verschiedene Konstruktionen auf ihre Verwendungsmöglichkeit überprüfen:
Abb. 130: Schachteltypen (Quelle: Eigene Darstellung)
Entscheidungssituation: Alle genannten Varianten erfüllen die Vorgaben für das Aufrichten und die Befüllung über Automaten. Auswahlkriterien dafür, welcher Schachteltyp zum Einsatz kommt, sind zum Beispiel die Fragen, ob ein Originalitätsverschluss benötigt wird, und ob sich der Schachteltyp wirtschaftlich und damit am Ende auch für den Kunden kostengünstig produzieren lässt. Kriterien sind hier beispielsweise Materialverbrauch und Taktzahl in der Produktion, sowie die Frage, ob teure Spezialmaschinen oder Standardmaschinen benötigt werden.
Welche Variante entspricht den Vorgaben am besten?
Variante A – Originalitätsverschluss, sparsam im Materialverbrauch, schwierig zu öffnen.
Variante B – Einfaches Handling, Konfektionierung über teure Spezialmaschine.
Variante C – Guter Zugriff auf das Produkt, aber geringe Maschinenleistung.
Variante D – Konfektionierung über Standardmaschine bei hoher Taktzahl. Kein Originalitätsverschluss.
Entscheidung: Bei dem vorliegenden Anforderungsprofil kann die Variante „A“ die Vorgaben am besten erfüllen.
Wenn all das geklärt ist, kann die Erstellung eines Handmusters beginnen. Das Handmuster wird wie der Name nahelegt, in Handarbeit hergestellt. Es ist auch im Kundengespräch wichtig, um die Anmutung einer neuen Verpackung erlebbar zu machen.
Zur manuellen Herstellung eines Musters benötigt man:
• Rillbrett
• Falzbein
• Cuttermesser
• Stahllineal
• Maßband
• Reißzirkel oder Zeichenbrett
Abb. 131: Das Rillbrett ist ein Werkzeug für die manuelle Mustererstellung: Dabei handelt es sich um eine Kunststoffplatte mit Nuten in unterschiedlichen Breiten. Je nach Dicke des Kartons muss eine breite oder schmale Nut ausgewählt werden. (Quelle: Eigene Darstellung)
Als Vorgabe verwenden wir unsere Zuschnittsberechnung aus Unterkapital 3.1.3. In unserem Beispiel arbeiten wir mit einem Reißzirkel, der Aufriss wird auf der Vorderseite des Kartons erstellt. Bei der Arbeit mit einem Zeichenbrett ist der Ablauf identisch.
Zuschnittsberechnung
e = 11,50 | 11,00 C | |
x = 0,50 | 67,00 A | |
H = 130,00 | X | 13,00 B |
x = 0,50 | 67,00 A | |
e = 11,50 | 12,50 B-x | |
154,00 | X | 170,50 |
Zuerst schneiden wir einen Karton auf das offene Maß aus unserer Zuschnittsberechnung. Danach beginnen wir mit dem Anreißen auf der x-Achse mit der Linie „A“ und lassen das Maß auf der Linie „D“ (Klebelasche) auslaufen. Sollte sich beim letzten Maß eine Differenz ergeben, so ist das für die Funktion nicht relevant.
Auf der y-Achse arbeiten wir von innen nach außen. Zuerst stellen wir über die Linie „1“ die Höhe ein und danach das Versatzmaß „2“ . Sollte sich bei der Linie „2“ (Decklasche) eine Differenz ergeben, so spielt das für die Funktion keine Rolle.
Abb. 132: Muster schneiden (Quelle: Eigene Darstellung)
Nach dem Aufzeichnen der Konstruktion muss das Muster ausgeschnitten werden. Dies erfolgt mit einem Cuttermesser oder mit einem entsprechend geformtem Bandstahl. Zum Anfertigen eines Handmusters braucht man ein Cuttermesser, ein Rillbrett und ein Falzbein. Das Schneiden mit dem Cuttermessser sollte in einem Winkel von ca. 40 Grad stattfinden. Die Rillungen (Biegelinien) werden mittels Falzbein und Rillbrett angebracht. Alle Bearbeitungsschritte werden von der Vorderseite des Kartons durchgeführt.
Wichtig! Um unerwünschte Einschnitte in das Material zu vermeiden, sollte man den Schnitt immer von innen nach außen führen (siehe Pfeil Schnittrichtung). Um einen sauberen Schnitt zu bekommen, sollte das Messer in einem Winkel von rund 40 Grad geführt werden.
Die Biegelinien (Rillungen) werden mit Rillbrett und Falzbein in den Karton eingedrückt. Der Karton muss dabei mit dem runden Ende des Falzbeins in die Nut des Rillbretts gedrückt werden. Um ein Aufbrechen der Rillung zu vermeiden, muss das Falzbein unter gleichmäßigem Druck in einem Winkel von ca. 40 Grad über den Karton gezogen werden.
Abb. 133: das Falzbein – ein Werkzeug aus Knochen, Kunststoff, Holz oder Edelstahl (Quelle: Eigene Darstellung)
Wir fassen zusammen: Bevor das Muster gefertigt werden kann, muss eine Zuschnittsberechnung erstellt werden. Im nächsten Schritt wird der Karton auf das offene Maß zugeschnitten. Nach dem Aufriss der Kontur mittels Stechzirkel oder Zeichenbrett wird das Muster mit einem Cuttermesser ausgeschnitten (Kontur = Linien für Schnitt, Rillung, Ritzung, Perforation etc.). Danach werden mit dem Falzbein und dem Rillbrett die Rillungen eingeprägt.
Im letzten Arbeitsschritt wird das Muster geklebt und eine Funktionsprüfung durchgeführt.
Erfüllt das Muster alle Anforderungen, so kann es dem Kunden übergeben werden.
Die Machart von Verpackungen ist sehr vielfältig und der Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt. Neben den Standardlösungen gibt es viele Sonderkonstruktionen. Eigentlich können heute in modernen Fertigungsbetrieben Standardverpackungen problemlos ohne Entwicklung und ohne vorheriges Erstellen von Handmustern in die Produktion gehen, da alle Parameter einer Standardverpackung international festgeschrieben sind. Wegen der geringen Maß- und Fertigungstoleranzen ist es allerdings dennoch zu empfehlen, Muster zur Freigabe durch den Kunden zu erstellen.
Sonderkonstruktionen dagegen sind frei entwickelte Verpackungen, die gesondert behandelt werden müssen. Der Kunde möchte in der Regel ein Muster sehen, das vor Produktionsbeginn auch von ihm freigegeben werden muss. Der Sachbearbeiter, der Kalkulator, aber auch der Mitarbeiter in der Produktion benötigt bei Sonderkonstruktionen für seinen Produktionsschritt ein Handmuster, um die Besonderheiten und Vorgaben erkennen zu können. Handmuster sind jedoch auch bei standardisierten Verpackungen zu empfehlen. Bei Sonderkonstruktionen sind sie unverzichtbar für Kunden sowie auch für Sachbearbeiter, Kalkulatoren und Produktionsmitarbeiter. Im folgenden Kapitel beschäftigen wir uns mit den Grundlagen zur Erstellung und zum Lesen von packmittelspezifischen Zeichnungen.
Verpackungen aus Wellpappe werden folgendermaßen gemessen: Flachliegend, von Rilllinie Mitte bis Rilllinie Mitte – hier wird das Rillmaß festgestellt. Gemessen wird also von Mitte zu Mitte der Rilllinie auf der Innen- oder Außenseite des offenen flachliegenden Zuschnitts.
Abb. 134: Rillmaß (Quelle: Eigene Darstellung)
Gemessen wir das Innenmaß, im aufgestellten Zustand, mit Hilfe eines Zugmaßbandes, das ein Sichtfenster für Innenmessung hat. Dies geschieht parallel zu einer Dimension innerhalb der aufgestellten Verpackung.
Gemessen wird das Außenmaß, im aufgestellten Zustand, mit Hilfe einer Schiebleere oder eines „Messkastens“! Wichtig ist hierbei, dass die Verpackungen wirklich an der äußersten Stelle gemessen werden. Dies geschieht parallel zu einer Dimension außerhalb der aufgestellten Verpackung.
Abb. 135: Außenmaß, Innenmaß, Rillmaß (Quelle: Eigene Darstellung)
Folgende Formeln kommen bei einfacher Faltung zum Einsatz:
Rillmaß + 1 Materialstärke = Außenmaß
Außenmaß – 2 Materialstärken = Innenmaß
Innenmaß + 1 Materialstärke = Rillmaß
Um eine Verpackung aus Wellpappe genau auszumessen, sollten alle drei Methoden angewendet werden. Wellpappe kann ziemlich genau gemessen werden, wenn die Rillungen quer zur Welle eingebracht wurden. Wenn die Rillungen parallel zur Welle ausgeführt wurden, kann es hier zu Differenzen kommen, da die Faltung durch Wellental und Wellenberg beeinflusst werden kann.
Bei Verpackungen nach dem FEFCO-Katalog steht das Maß „L“ für Länge, die längste Seite der Grundfläche. Das Maß „B“ für Breite ist das andere Maß an der Grundfläche. Das Maß „H“ steht für die Höhe und bestimmt die vertikale Strecke zwischen der Grundfläche und der offenen Seite des Körpers.
FEFCO steht für Fédération Européenne des Fabricants de Carton Ondule (Europäische Vereinigung der Wellpappher- steller). Der FEFCO-Code (auch International fibreboard case code, deutsch: Internationaler Code für Versandverpackung) ist ein international verbindlicher Code zur Beschreibung von Verpackungsmitteln aus Wellpappe und Vollpappe. In den 1960er-Jahren wurde er von europäischen Industrieverbänden festgelegt.
Faltschachteln
Faltschachteln bestehen aus einem Stück mit einer Laschenklebung, Drahtheftung beziehungsweise Klebestreifen-verbundenen Fabrikkante sowie den Boden- und/oder Deckelklappen. Sie werden flachliegend versandt, sind gebrauchsfertig und werden mit den Boden- oder Deckelklappen verschlossen.
Der FEFCO 0201 ist der gängigste aller Kartonagenbauweisen (siehe Abb. 136). Er hat aneinander stoßende Bodenklappen und Deckelklappen. Um ihn zu verschließen, wird z.B. Klebeband oder Umreifungsband benötigt.
(Quelle: FEFCO)
Stülpschachtel
Eine Stülpschachtel oder auch Deckelschachtel besteht aus zwei oder mehreren Teilen. Ein Oberteil wird über ein Unterteil oder beides über einen Rumpf gestülpt. In Abb. 137 dargestellt ist FEFCO 0301: Durch die versetzten Schlitze verteilen sich die Überlappungen auf die verschiedenen Seiten der Schachteln und das Übereinanderstulpen wird erleichtert.
Abb. 137: FEFCO 0301 (Quelle: FEFCO)
Tray
Ein Tray oder eine Falthülle ist eine Verpackung, bestehend aus einem Zuschnitt, bei dem zwei oder alle Wände am Boden anhängen. Beispiel FEFCO 0422: Hier greifen bei der Stanzung stehen gebliebene Laschen in Schlitze. Dadurch entsteht eine Art Sperre, die das Zurückklappen des stirnseitigen Einschlages verhindert (siehe Abb. 138).
(Quelle: FEFCO)
Schiebeschachteln
Eine Schiebeschachtel oder auch Gürtelschachtel besteht aus mehreren in verschiedenen Richtungen ineinander schiebbaren Ringeinsätzen und Manschetten. Zu dieser Gruppe gehören auch Überschiebhülsen.
Abb. 139: FEFCO 0509. Diese Schiebeschachtel besteht aus FEFCO 0503 und FEFCO 0907. (Quelle: Eigene Darstellung)
Formfeste Schachteln
Formfeste Schachteln bestehen aus zwei Seitenteilen und einem Mittelteil, das Boden und Deckel bildet. Diese Schachteln können als vorbereitete Zuschnitte geliefert werden und sind dann vom Verbraucher durch Drahtheftung zu verbinden. Diese Verpackungsart hat heute an Bedeutung verloren.
(Quelle: FEFCO) Hier werden vorbereitete Zuschnitte durch Drahtheftung verbunden.
Fertig geklebte Schachteln
Fertig geklebte Schachteln sind einteilige faltbare Schachteln. Sie werden zusammengelegt und können durch einfaches Aufrichten gebrauchsfertig aufgestellt werden. Die Schachteln können mit einem Faltboden (Faltbodenschachtel) oder mit Diagonalbiegung (Aufrichteschachtel) ausgerüstet sein.
Abb. 141: FEFCO 0711. (Quelle: FEFCO) Diese Schachtel mit Faltboden hat zusammenstoßende Außenklappen und einen geklebten Faltboden.
Inneinrichtungen
Inneneinrichtungen sind Einlagen, Einsätze, Stege, Trennwände, Gefache, Polster und dergleichen – und zwar unabhängig davon, ob diese mit der Kiste fest verbunden sind oder als getrennte Elemente nur eingelegt sind. Zahlenangaben für Wände sind beliebig und können gegebenenfalls höher oder niedriger ausfallen.
Abb. 142: FEFCO 0901. (Quelle: FEFCO) Zum FEFCO Typ 09 gehören Inneneinrichtungen wie Ringeinsätze, Einlagen, Stegeinsätze, Zwischenwände und andere mehr.
Wir fassen zusammen: Bei Standardschachteln nach dem FEFCO-Katalog gibt es klar definierte Vorgaben zur Bestimmung der L/B/H-Maße. Bei Sonderkonstruktionen wie Mehreckschachteln, konischen Schachteln oder Mehrstückverpackungen (Sixpack) ist eine Abstimmung über die L/B/H-Maße mit dem Kunden notwendig.
Bevor wir uns der Konstruktion einer Wellpapp-Verpackung zuwenden, müssen wir noch den Einfluss des Wellenverlaufs auf die Konstruktion betrachten.
Durch den Produktionsprozess hat der Wellpappezuschnitt eine stabile Seite (quer zur Welle) und eine weniger stabile Seite (parallel zur Welle). Man spricht dabei von Wellenverlauf. Die Wellenstruktur selbst gibt hier die Stabilität vor. Dieser Umstand muss bei der Konstruktion von Verpackungen berücksichtigt werden. Der Wellenverlauf ist für die Stabilität des Bogens verantwortlich. Er ist quer zur Welle um ein Vielfaches größer als parallel zur Welle.
Der Wellenverlauf, der Einsatz der verschiedenen Papierarten und deren flächenbezogene Massen, die verschiedenen Wellenarten und die verschiedenen Kombinationsarten bestimmen den Kantenstauchwiderstand und somit den Stapelstauchdruck – dieser drückt aus, wie viel Gewicht auf eine Verpackung gestapelt werden kann. Das ist wichtig für die Palettierung und somit für Lagerung und Transport.
Wir fassen zusammen: Wellpappe hat parallel und quer zum Wellenverlauf unterschiedliche Festigkeiten. Parallel zur Welle ist die Festigkeit immer geringer. Je nach Anforderung des zu verpackenden Produkts muss dieser Umstand berücksichtigt werden. Ist die Verpackung einem hohen Stapeldruck ausgesetzt, so muss die Faserrichtung danach ausgerichtet werden.
Abb. 143: Die Pfeile in dieser Zeichnung zeigen mögliche Krafteinwirkungen aus unterschiedlichen Rich- tungen auf Wellpappe. Je nach Wellenverlauf ist diese gegen Druck unterschiedlich widerstandsfähig. Am stabilsten ist Wellpappe bei stehendem Wellenverlauf. Druckeinwirkungen seitlich zum Wellenverlauf bringen schnell Knicke mit sich. (Quelle: Eigene Darstellung)
Vor dem Konstruieren müssen nicht nur die L/B/H-Maße einer Verpackung ermittelt werden. Zu klären sind auch die verschiedenen Anforderungen an die Verpackung. Dabei helfen einige Kriterien, um die Auswahl an Verpackungsausführungen zum Beispiel aus dem FEFCO-Katalog einzuschränken. Beispiele für wichtige Eigenschaften, die vor der Konstruktion zu hinterfragen sind:
• Zu verpackendes Produkt,
• Warenwert,
• Menge,
• Versand, Logistik,
• Gewicht,
• Abpackprozess,
• Druckbild.
• Trägt der Inhalt mit (z.B. bei Flaschen)?
Über die Zuschnittsberechnung kann dann das offene Maß der Verpackung errechnet werden. Am folgenden Beispiel werden die einzelnen Schritte dazu erläutert. Die Ausarbeitung erfolgt ohne CAD-Unterstützung.
In unserem Fall sollen sechs Schlegelflaschen stehend (Durchmesser 89 mm, Höhe 310 mm) von Süd- nach Norddeutschland palettenweise versendet werden. Die Verpackung dient gleichzeitig als Verkaufsverpackung. Die Mengen liegen bei 2000 bis 5000 Stück. Der Warenwert pro Schachtel liegt bei 29,70 €.
Berechnung des Innenmaßes
Konstruktionsbeispiel für die Verpackung von sechs Schlegelflaschen nach FEFCO 0201.
Länge = 3 x 89 mm = 267 mm
Breite = 2 x 89 mm = 178 mm
Höhe = 310 mm
Folgende Fakten liegen für die Auswahl zugrunde:
• Sechs Schlegelflaschen (Produkt trägt mit)
• Warenwert 29,70€
• Gewicht pro Verpackung ca. 7,5 kg
• Menge: 2000 Stück oder 5000 Stück
• Verkaufsverpackung
• Versand: palettenweise von Süd- nach Norddeutschland
Die Entscheidung fällt auf eine Faltschachtel nach FEFCO 0201. Diese Verpackung ist günstig in der Produktion und kann gut bedruckt werden. In der Qualität entscheiden wir uns für ein 1.10 B mit einer weißen Außendecke, damit das Druckbild seine Wirkung voll entfalten kann. Die einfache B-Welle reicht in diesem Fall aus, da die Flaschen das Gewicht bei einer Stapelhöhe von 1,8 m tragen. Die B- und die E-Welle werden vorwiegend für Stanzverpackungen oder kleinere Versandverpackungen eingesetzt. Die Stapelhöhe gibt in der Regel der Kunde vor.
Die Verpackung dient in diesem Fall ausschließlich dazu, die 6 Flaschen zusammenzuhalten und einen werbenden Aufdruck für den Verkauf zu erhalten. Das Innenmaß wird knapp bemessen, es beträgt 267 x 178 x 310 mm. Zur Bestimmung der Rillmaße müssen zu den Maßen des Produktes noch die notwendigen Zugaben für die Materialzugaben hinzugefügt werden.
Abb. 144: FEFCO 0201 (Quelle: Eigene Darstellung)
Um das offene Maß zu ermitteln, müssen die Maße mit den entsprechenden Zugaben in die Skizze eingetragen werden. Wir beschriften die Zeichnung und skizzieren unsere Faltschachtel. Anschließend tragen wir die Maße ein und ermitteln die Maschinenbreite sowie die Zug- oder Haulänge (Haulänge = Bogenlänge).
Abb. 145: Skizze FEFCO 0201 (Quelle: Eigene Darstellung)
Beispiel für die Ausrechnung des offenen Maßes, Berechnung der Länge:
Innenmaß Länge + 1 Materialstärke = Rillmaß Länge
267 mm + 3 mm = 270 mm
Innenmaß Breite + 1 Materialsträke = Rillmaß Breite
178 mm + 3 mm = 181 mm
Innenmaß Höhe + 2 Materialstärken = Rillmaß Höhe
310 mm + 2 x 3 mm = 316 mm
1 ⁄ 2 Breite + ca. 70 % der Materialstärke = Rillmaß Deckelklappe (math. Runde)
89 mm + 70 % x 3 mm = 91 mm
Die Breite der Klebelasche und die Schlitzbreite definiert der Maschinenhersteller! Meist reichen bei dünneren Wellpappen Klebelaschen von 25 – 30 mm. Bei starken Qualitäten geht man hier auf zum Teil bis 50 mm. Die Schlitzbreite ist von Maschinenhersteller zu Maschinenhersteller unterschiedlich, meist jedoch zwischen 6 und 8 mm breit. Die Zugaben für Höhe und Deckelklappen werden häufig von den Wellpappherstellern selber festgelegt. Besonderheiten wie zum Beispiel Faltschachtel mit quadratischer Grundfläche, vollüberlappte Klappen oder auch Automatenpackungen bedürfen besonderer Zugaben.
Das Bogenmaß kann jetzt ermittelt werden:
91 mm + 319 mm + 91 mm = 501 mm = die Maschinenbreite (kurz MB oder auch Wellenmaß). Die Maschinenbreite muss immer zuerst genannt werden.
30 mm + 181 mm + 270 mm + 181 mm + 270 mm = 932 mm = die Zuglänge beziehungsweise Haulänge (kurz ZL oder HL).
In der Zeichnung muss noch der Wellenverlauf festgehalten werden. In technischen Zeichnungen aus dem CAD verwendet man vordefinierte Makros. Bei Handskizzen werden die Maße mit MB und ZL (oder HL) bezeichnet. Bei klassischen auf der Inline-Maschine produzierten Faltschachteln verläuft die Maschinenbreite immer parallel zur Höhe! Die Bogenproduktion auf der Wellpappanlage mit dem Endbeschnitt und dem Boden- und Deckelklappenriller bestimmt bereits den Wellenverlauf. Außerdem erhält die Faltschachtel mit seiner „stehenden“ Welle die maximale Stabilität.
Für die Kennzeichnung des Wellenverlaufes gilt folgende Regel: Jeweils das Formatmaß, das parallel zur Welle liegt, wird als Maschinenbreite (Wellenmaß, MB) definiert.
Maschinenbreite (Wellenmaß, MB): Das Maß parallel zur Welle wird immer zuerst genannt. Der Begriff wird durch die Produktion des Wellpappbogens bestimmt, siehe auch Kapitel Wellpappproduktion. Die Riffelwalzen prägen die Welle. Sie bestimmen die Maschinenbreite. Dieses Maß ist immer beschränkt auf die Arbeitsbreite einer Wellpappanlage – meist 2500 mm oder 3300 mm. Zug- oder Haulänge (ZL/HL): Das zweite Maß, man kann hier die Welle sehen. Die Haulänge beziehungsweise Zuglänge könnte rein theoretisch endlos sein. Die folgende Grafik veranschaulicht das Thema noch einmal:
Abb. 146: Maschinenbreite (Wellenmaß); Zug-/Haulänge (Quelle: Eigene Darstellung)
Wir fassen zusammen: Der Wellenverlauf kann auf unterschiedliche Weise gekennzeichnet werden. In der Wellpappbranche wird im Bogenformat überwiegend mit „MB“ und „ZL/HL“ (Maschinenbreite/Wellen- maß sowie Zug- oder Haulänge) gearbeitet. Beim Einzelnutzen ist die Kennzeichnung mit MB und ZL (oder HL) üblich.
Nachfolgend betrachten wir die Gesichtspunkte, die bei einer Konstruktion für den jeweiligen Wellenverlauf sprechen. Bei einer Faltschachtel nach FEFCO 0201 sind das die Maschinenbreite und die Zug- beziehungsweise Haulänge.
Abb. 147: Kennzeichnung des Wellenverlaufs. Mit dem CAD können Symbole dargestellt werden, die den Wellenverlauf darstellen. Bei klassischen FK verläuft die Welle immer parallel zur Höhe. Das bietet ein Optimum an Stabilität zum Beispiel dann, wenn die Verpackungen gestapelt werden. (Quelle: Eigene Darstellung)
Wie bereits angesprochen, bestimmt bereits die Bogenproduktion den Wellenverlauf. Es gibt jedoch noch einige Eigenschaften, die diesen Wellenverlauf begünstigen.
Gesichtspunkte, die für eine stehende Welle sprechen:
Gesichtspunkte, die für einen liegenden Wellenverlauf sprechen:
Ein liegender Wellenverlauf ist die Ausnahme. Derartige Faltschachteln werden vermutlich auf einem Automaten aufgerichtet – sie müssen gestanzt und anschließend separat auf einer Faltschachtelklebemaschine verklebt werden. Im Gegensatz zum FEFCO 0421 mit einer Gegenverriegelung gibt es verschiedene Ansichten, die für oder gegen einen liegenden Wellenverlauf stehen.
Abb. 148: FEFCO 0421 (Quelle: Eigene Darstellung)
Gesichtspunkte, die für einen stehenden Wellenverlauf sprechen (in der Skizze waagerecht – horizontal, siehe Abb. 148)
• Bei gestanzten Verpackungen muss der Wellenverlauf bestimmt werden. Eine Faustregel besagt: Der Wellenverlauf wird so gewählt, dass so viel Rillungen wie möglich quer zur Welle eingebracht sind, in diesem Fall waagerecht – horizontal; vor allem bei eng zueinander verlaufenden Doppelrillern sollte man den Wellenverlauf immer quer anordnen.
• Bei diesem Wellenverlauf stehen mehrere Wellen, was zu einer höheren Stabilität führt.
Gesichtspunkte, die für einen liegenden Wellenverlauf sprechen (in der Skizze senkrecht – vertikal)
Die Einstecklasche und die Gegenverriegelung erfordern eine vertikal verlaufende Welle, die Gegenverriegelung funktioniert mit liegender Welle nicht gut oder gar nicht. Die Papierbahnen splitten sich auf, man kann dadurch die Gegenverriegelung nicht in den Schlitz stecken. Die Doppelriller müssen jedoch mit einer Zurichtung oder einer Rill-Schneid-Kombination ausgerüstet werden.
Wir fassen zusammen: Der Wellenverlauf wird im Fall einer geslotterten Faltschachtel gemäß FEFCO 0201 maschinentechnisch vorgegeben (Slotter = Rillstation). Bei gestanzten Verpackungen muss der Wellenverlauf individuell bestimmt werden.
Hier geht es um das Erstellen von Handskizzen. Solche Skizzen werden benötigt, wenn Konstruktionen extern digital umgesetzt werden. Diese Art Zeichnung muss nicht maßstabsgetreu gezeichnet werden. Bei einer Skizze sind alle konstruktionsrelevanten Details zu vermaßen, die notwendig sind, um die Konstruktion 1:1 nachstellen zu können. Die Standards nach FEFCO werden mit dem Externen besprochen und einmal festgelegt. Details können in einer Lupe vergrößert dargestellt und vermaßt werden. Maße werden immer in Millimeter (mm) angegeben. Doppelvermaßungen sind zu vermeiden. Maßzahlen müssen auf der x-Achse und y Achse gleichmäßig ausgerichtet sein. Schnitt- und Rilllinien müssen in unterschiedlichen Linienarten dargestellt werden. Alle Linienarten müssen individuell benannt werden oder nach FEFCO definiert werden.
Abb. 149: Linienarten (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Angabe des Wellenverlaufs ist Bestandteil der Skizze. Normalerweise wird bei gestanzten Verpackungen keine Zurichtung eingesetzt. Deshalb werden die Zeichnungen mit Informationen ergänzt, wie zum Beispiel: „diese Rillungen mit Zurichtung stanzen“ oder „Negativrillungen“. Weiterhin werden anhängende Zuschnitte selten mit einer Perforation ausgestattet. Denn die vielen Unterbrecher ergeben ein hässliches Stanzbild. Man bringt unter anderem den Zusatz ein: „Mit ausreichend Unterbrechern oder Haltepunkten anhängend anliefern.“ Der Werkzeugbau setzt eine Schneidlinie ein – der Maschinenführer kann bei der Produktion Haltepunkte in erforderlichem Ausmaß einbringen. Ähnlich verhält man sich bei Fensterausstanzungen.
Abb. 150: Beispiel für die klare Kennzeichnung der Details und Linienarten (Quelle: Eigene Darstellung)
Grundsätzlich werden in der Wellpappverarbeitung Zeichnungen so angelegt, dass diese die Innenansicht zeigen – also die Seite, von der gestanzt wird. Weicht man von dieser Regel ab, weil man die Außenansicht beziehungsweise die Druckseite zeigen will, so muss in der Zeichnung darauf hingewiesen werden (Vergleich die Darstellung im FEFCO-Katalog.). Dies kann zum Beispiel bei offsetbedruckter Wellpappe erforderlich werden, wo die Rilllinien mit einer Gegenzurichtung versehen werden.
Normale Rillungen dienen meist der Biegung um 90°. Vor allem quer zum Wellenverlauf sind diese in ihrer einfachen Art sehr effektiv. Die Höhe der Riller wird vom Werkzeugbau ausgerechnet. Bei Rillungen parallel zur Welle könnte die Faltung ins daneben liegende Wellental fallen – somit würde sich das gewünschte Maß ändern. Um das zu vermeiden, sollte eine Rill-Schneid-Kombination eingesetzt werden; allerdings genehmigen Kunden die Schnitte nur selten. Oder man setzt eine Rillung ein, die mit einer Gegenzurichtung versehen wird (siehe Werkzeugbau). Für die Bodenklappen werden in unserem Beispiel Negativrillungen eingesetzt. Das bedeutet: Die Linie kann definiert nach außen gefaltet werden.
Folgende Linien und Informationen können unter anderem noch zum Einsatz kommen:
• breite Rillungen
• Ritzlinie von außen
• Ritzlinie von innen
• Reißverschlussperforationen
• Aufreißfaden
• Selbstklebestreifen
• Gummierung
• mit Kork oder Holz gepresste Zonen
• Klebeflächen
Die Darstellung der einzelnen Linienarten ist von Werk zu Werk und von CAD zu CAD unterschiedlich. Sie werden in Legenden erklärt.
Von Perforationen ist abzuraten. Denn wegen der hygroskopischen Eigenschaften von Papier und Wellpappe (sie nehmen Feuchtigkeit auf und geben Feuchtigkeit ab) kann eine Perforation nie richtig funktionieren. Ein Beispiel aus der Praxis: Sie sollen eine Verpackung mit einer Aufreißperforation fertigen, bei der man das Oberteil abnehmen kann. Die Perforation ist so zu wählen, dass die Schachtel noch genügend Stabilität für den Stapelstauch behält, aber sich gleichzeitig gut aufreißen lässt. Das stellt einen Widerspruch dar. Eine Verpackung, die sich gut aufreißen lässt, bringt im Verhältnis mehr Schnitt als Unterbrechung mit sich – darunter leiden jedoch die Stapeleigenschaften. Darüber müssen Kunden, die Perforationen wünschen, aufgeklärt werden.
Und da gibt es noch ein weiteres Dilemma, auf das die Kunden hingewiesen werden sollten: Komplikationen, die die Luftfeuchtigkeit mit sich bringen kann: Papierfasern nehmen Feuchtigkeit auf; sie werden in der Folge bei hoher Luftfeuchtigkeit sehr flexibel – die Stege reißen sehr schlecht. Für eine optimale Funktion müssten sie eigentlich kleiner ausfallen. Ist die Luft dagegen trocken, so gibt die Papierfaser diese Feuchtigkeit wieder ab, sie wird spröde und brüchig. Zu kleine Unterbrecher einer Perforation reißen zu leicht ein.
Wir fassen zusammen: Skizzen werden hauptsächlich für eine digitale Datenübernahme benötigt. Eine lückenlose Vermaßung ist zwingend erforderlich. Konstruktionen aus dem FEFCO-Katalog müssen nicht im Detail bemaßt werden, denn diese sind in CAD-Programmen meist hinterlegt. Linientypen müssen klar gekennzeichnet sein. Bei Perforationslinien und Rill-Schneid-Kombinationen muss zusätzlich die Teilung angegeben werden.
Im Folgenden geht es um das Anforderungsprofil für das zu verpackende Produkt: Welche Konstruktionsvariante kommt für ein bestimmtes zu verpackendes Produkt in Frage? Das Produkt, sein Einsatzgebiet und die gewünschten Funktionen bestimmen die Konstruktion und Werkstoffauswahl einer Verpackung. So müssen zum Beispiel Überseeverpackungen nassfeste Verklebungen haben. Beispiele:
Abb. 151: Anforderungen und Lösungen (Quelle: Eigene Darstellung)
Wir nehmen dieselben Maße an, wie im vorgenannten Beispiel der zu palettierenden Verpackung für sechs Schlegelflaschen. Denn so wird der Unterschied zwischen Posteinzelversand und palettenweisem Transport am besten klar. In diesem Fall wird nicht palettenweise versendet, sondern einzeln innerhalb Deutschlands – der Kunde ist ein Internetversender, der monatlich rund 500 Pakete versendet.
In diesem Fall sollen sechs Schlegelflaschen stehend (Durchmesser 89 mm, Höhe 310 mm) einzeln innerhalb von Deutschland versendet werden. Die Mengen liegen bei 5 000 bis 6 000 St., der Warenwert pro Schachtel liegt bei 29,70 €.
Folgende Fakten liegen für die Auswahl zugrunde:
– Sechs Schlegelflaschen (Produkt trägt mit)
– Warenwert 29,70 €
– Gewicht pro Verpackung ca. 7,5 kg
– Menge: 5000 St. oder 6000 St.
– Einzelversand
– Versand: einzeln innerhalb Deutschlands
Wir wählen eine Einzelversandverpackung.
Wir gehen davon aus, dass es sich bei der Flasche um eine gute Qualität handelt, da auch die Flasche eine Verpackung ist. Der Einzelversand stellt eine Besonderheit dar, da die dafür vorgesehenen Verpackungen vom Versand-Dienstleister (zum Beispiel UPS) geprüft und zertifiziert werden können. Sollte dann beim Versand eine Verpackung beschädigt werden, so wird der Schaden durch den Dienstleister ersetzt. Das ist zum einen wichtig für das Image des Internetversenders beim Kunden.
Die Schadensregulierungs-Garantie durch den Versand-Dienstleister ist zum anderen aber auch bedeutsam, weil damit auch mögliche Folgeschäden erfasst sind. Ein denkbares Szenario: Eine Flasche zerbricht in der Verpackung, und der Inhalt läuft in ein darunterliegendes Paket, in dem zum Beispiel ein Laptop oder ein anderes teures elektronisches Gerät verpackt ist.
Die Prüfungen für die Zertifizierung der Verpackung sind zum Teil kostenlos. Die Tests laufen zum Beispiel wie folgt ab: Das Produkt wird in einer Originalverpackung eingepackt, und man lässt diese Verpackung aus einer bestimmten Höhe acht Mal auf alle verschiedenen Ecken, Kanten und Flächen fallen. Es darf dabei keine Flasche zu Bruch gehen. Ist der Test bestanden, gibt es ein Zertifikat. Genauere Details über den Fallversuch können beim Versand-Dienstleister angefordert werden.
Beim Einzelversand ist darauf zu achten, dass keine Flasche an die andere stoßen kann – dazu benötigt man zwischen jeder Flasche eine Lage doppelwellige Wellpappe. Wir können hier eine Steglösung wäh- len – drei Längsstege und vier Querstege. Die Stegenden stehen über und bilden mit dem Hohlgefache einen Stoßschutz. Nun muss noch je eine Knautschzone am Boden und am Deckel eingebracht werden. Wir wählen dafür ein Ritzpolster. Für die Umverpackung wählen wir eine Faltschachtel.
Zur Erklärung für die Auswahl der Verpackungsausführung: Der Inhalt hat einen Warenwert von rund 30 €. Grundsätzlich sehen Kunden eine Verpackung immer als notwendiges Übel: Sie soll das Produkt gut schützen, darf aber kaum etwas kosten. Diesem Bedürfnis kommt eine Faltschachtel entgegen. Er kann kostengünstig und ohne Werkzeugkosten auf einer Inline produziert werden. Die Stege können auf einer Stegschlitzmaschine oder einem Slotter auch ohne Werkzeugkosten gefertigt werden. Das Ritzpolster fertigen wir auf der Kreisschere.
Berechnung Längssteg
2 x Hohlsteg + 4 x Material Quersteg + 3 x Flaschendurchmesser
2 x 24,5mm + 4 x 7 mm + 3 x 89 mm = 344 mm
Material: 2.20 BC
Abb. 152: Zeichnung eines Längssteges. Unten rechts die Markierung der Wellenrichtung (Quelle: Eigene Darstellung)
Berechnung Quersteg
2 x Hohlsteg + 3 x Material Längssteg + 2 x Flaschendurchmesser
2 x 24,5 mm + 3 x 7 mm + 2 x 89 mm = 248 mm
Material 2.20 BC
Abb. 153: Zeichnung eines Quersteges. Unten rechts: die Markierung der Wellenrichtung (Quelle: Eigene Darstellung)
Berechnung Boden- und Deckelpolster
Die Grundfläche entspricht der Länge des Längssteges, die Breite entspricht der Länge des Quersteges, also 344 x 248 mm
Material: 2.20 BC
Das Ritzpolster wählen wir rund 10 mm breiter als die Hohlstege des Stegsatzes, in unserem Fall 40 mm.
Abb. 154: Berechnung eines Ritzpolsters (Quelle: Eigene Darstellung)
Zur Abb. 154: Die Linien, die mit dem Pfeil nach oben gekennzeichnet sind, werden von außen geritzt, die Linien, die mit dem Pfeil nach unten gekennzeichnet sind, von innen. Ritzen bedeutet, dass das Material von außen oder von innen bis zu 70 % durchgeschnitten wird. Dabei ist das Messer im 90 Grad-Winkel zu halten. Biegt man die Ritzung ein und hält diese gegen das Licht, so darf nichts durchscheinen.
Achtung: Wir nehmen die Grundfläche des Stegsatzes und geben in Länge und Breite je 2 mm dazu.
Innenmaße: 346 x 250 x 352 mm
Ausführung: Faltschachtel nach FEFCO 0201
Material: 2.40 BC
Abb. 155: Faltkarton nach FEFCO 0201 (Quelle: Eigene Darstellung)
Zur Erklärung für die Wahl des Materials: Die Inneneinrichtung sollte aus doppelwelligem weichem Material bestehen – dieses bildet ein weiches Polster! Zu harte Materialien würden die Stöße beim Fall direkt an das Produkt weitergeben! Die Flaschen könnten zerbrechen! Weiche Materialien sind zudem kostengünstiger. Wenn ein Fallversuch damit endet, dass Flaschen zerbrechen, muss zur nächstbesseren Qualität gewechselt werden. Beim Umkarton muss sofort höherwertiges Mate•rial gewählt werden, denn der Umkarton muss das rund 8 kg schwere Paket in Form halten.
Im nächsten Schritt wenden wir uns der Erstellung des Handmusters zu. Zur manuellen Herstellung eines Musters benötigt man:
• Cuttermesser
• Stahllineal
• Maßband
• Reißzirkel oder Zeichenbrett
Als Vorgabe verwenden wir unsere Zuschnittsberechnung von der Einzelversandverpackung. Wir wählen den entsprechenden Wellpappebogen mit dem korrekten Wellenverlauf und der adäquaten Qualität. Wir schneiden die Zuschnitte auf Endformat zu.
Zur Faltschachtel:
• Zuerst zeichnen wir die Rilllinien ein.
Abb. 156: Darstellung der Rilllinien auf dem Bogen (Quelle: Eigene Darstellung)
• Anschließend bringen wir die Schlitze und die Klebelasche mit dem Cutter ein.
• Jetzt werden die Rillungen mit einem Rillwerkzeug eingedrückt.
• Vorzugsweise mit dem Mustermachertisch oder einer Abkantmaschine. Steht beides nicht zur Verfügung, kann die Rillung auch mit einem Falzbein eingedrückt werden (ein Rilleisen in einem Holz eingebracht).
• Abschließend wird die Faltschachtel noch an der Klebelasche mit Hotmelt verklebt und ausgerichtet (Hotmelt = heißer Schmelzklebstoff). Wichtig dabei ist, dass hier die Kanten oben und unten bündig sind und nicht überstehen.
• Die Schachtel darf nicht zu eng geklebt werden. Es entsteht oben und unten ein Verschlussspalt.
Abb 157: Darstellung des Verschlussspalts (Quelle: Eigene Darstellung)
Zum Stegsatz:
Die Schlitztiefe und die Abstände werden auf die bereits auf Endformat zugeschnittenen Zuschnitte übertragen und mit einer Stegschlitzmaschine ausgestanzt. Steht diese nicht zur Verfügung, so werden die Schlitze mit dem Cutter ausgeschnitten. Je nach Verarbeitungsmöglichkeit und Maschine sind die Schlitze 6 mm oder 8 mm breit.
Zum Ritzpolster:
Die Zuschnitte sind bereits auf Endformat zugeschnitten. Wir bringen die Ritzungen – wie dargestellt – von oben und von unten ein! Die Faltschachtel wird mit dem Klebeband verklebt, mit der Inneneinrichtung bestückt und mit den Flaschen befüllt. Die Schachtel kann nun für den ersten Falltest dem Kunden zur Verfügung gestellt werden. Achtung: In der Praxis verwendet man für den zertifizierten Fallversuch Produktionsmuster, da Hand- oder Plottermuster nicht der späteren Serie entsprechen.
Musterbau Blockpolster:
Es ist hilfreich, ein Blockpolster zu erstellen, wenn man das Ritzen vertiefen will. Hierbei kann man leicht feststellen, ob man das Messer senkrecht hält! Die Ritzungen werden abwechselnd von oben und von unten ausgeführt.
Abb. 158: Musterbau eines Blockpolsters (Quelle: Eigene Darstellung)
Das Blockpolster wird wie eine Ziehharmonika zusammengelegt. Die Lagen des zusammengelegten Blockpolsters liegen nun übereinander. Erhält man an der Seite einen 90°-Winkel, hat man das Messer gerade gehalten.
Noch ein handwerklicher Tipp: Man schneidet nie die volle Materialstärke auf einmal – je nach Stärke immer häufiger schneiden.
Musterbau einer Krempelverpackung nach FEFCO 0422
Bei einer Krempelverpackung schneidet man sich den Bogen umlaufend um 20 mm größer zu. Man zeichnet in beiden Dimensionen die Mitte ein, achtet darauf, dass die Linien parallel zur Welle beziehungsweise senkrecht zur Welle verlaufen und nimmt alle Maße von der Mitte aus. Ähnlich verhält man sich beim Musterbau zum Beispiel von einem FEFCO 0300 oder auch einem 4-Punkt-Kleber nach FEFCO 0451.
Abb. 159: Krempelverpackung nach FEFCO 0422 (Quelle: Eigene Darstellung)
Musterbau Automatikboden nach FEFCO 0701
Abb. 160: Bei einem Automatikboden wird der Bogen auch umlaufend um 20 mm größer zugeschnitten. Zum Übertragen der Maße fängt man hier bei der Bodenklappenrillung an. (Quelle: Eigene Darstellung)
Wir fassen zusammen: Bevor das Muster gefertigt werden kann, muss eine Zuschnittsberechnung erstellt werden. Im nächsten Schritt wird der Wellpappbogen auf das offene Maß zugeschnitten. Nach dem Aufriss der Kontur mit Stechzirkel oder Zeichenbrett wird das Muster mit einem Cutter ausgeschnitten. Danach werden mit dem Handriller die Rillungen eingeprägt.
Im letzten Arbeitsschritt wird das Muster bei Bedarf geklebt. Im Anschluss findet eine Funktionsprüfung statt. Erfüllt das Muster alle Anforderungen, so kann es dem Kunden übergeben werden.
Säcke aus Leder begleiten den Menschen schon seit Anbeginn der Zivilisation, aus Leinen-, Hanf- oder Baumwollgeweben seit der Antike. Im frühen neunzehnten Jahrhundert eroberte die billigere Jute für ein Jahrhundert lang die führende Stellung bei Säcken für die Verpackung von Schüttgütern wie Salz, Zucker, Getreide oder Chile-Salpeter – aber auch bei Sandsäcken für Befestigungen.
Tüten und Beutel aus Papier für kleine Füllgewichte waren bereits im Mittelalter in Gebrauch. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts wurden sie gewerblich in Handarbeit und seit etwa 1850 in USA auch maschinell hergestellt (Flachbeutel). In den folgenden zwanzig Jahren entstanden dort sowohl eine florierende Beutelindustrie mit Ausbildung von ersten Konzernstrukturen als auch die Technologie und die Maschinen für die Herstellung von Kreuzboden- und Blockbodenbeuteln. In Deutschland bildete sich erst mit der Reichsgründung 1871 eine ernstzunehmende, auf maschineller Basis arbeitende Tüten- und Beutelindustrie sowie eine eigene Maschinenindustrie heraus.
Säcke aus Leder, Leinen, Jute, Sisal oder Mischgeweben waren bis zur Jahrhundertwende für Schüttgüter wie Salz, Zucker, Getreide, Mehl – aber auch als Sandsäcke für Befestigungen – die gebräuchlichsten flexiblen Packmittel. Tüten und Beutel aus Papier für kleine Füllgewichte wurden bereits seit Anfang des 19. Jahrhunderts in Handarbeit und seit Mitte des 19. Jahrhunderts maschinell hergestellt (Spitztüten, Flachbeutel).
Im ersten Weltkrieg wurde als Ersatz für den knapp gewordenen Rohstoff Jute der um die Jahrhundertwende erfundene Papiersack verstärkt eingesetzt. Papiersäcke wurden bald für Füllgewichte bis 100 kg, neben Tüten und BeuteIn aus Papier, die für kleine Mengen und Gewichte im Konsumbereich Verwendung fanden, als billige zweckmäßige Einwegverpackung ein unentbehrliches Packmittel für die Industrie.
Anfang der 60er-Jahre wurden für Verpackungszwecke geeignete preiswerte Kunststofffolien entwickelt, die den Packstoff „Papier“ ergänzen. Massenschüttgüter wie Zement, Kalk, Düngemittel, chemische Grundstoffe, Farben und Kunststoffgranulat sowie Nahrungs- und Futtermittel, die gekörnt, granuliert, pulverförmig oder in Brocken als Packgut anfallen, werden heute in speziell für den einzeInen Anwendungszweck entwickelten flexiblen PackmitteIn, zum Beispiel in Papiersäcken, Plastikfoliensäcken, Kombinationssäcken aus Papier und Folie, zum Teil verstärkt durch Kunststoffbändchengewebe, sicher verpackt.
Begriffe und Formen von Säcken sind in den Normen DIN 55460, Teil 1 und Teil 2, sowie in der Norm DIN ISO 6591, Teil 1 und 2, definiert.
Die wichtigsten Begriffe entnehmen Sie bitte der nachstehenden Auflistung.
Papiersack: ein hauptsächlich aus einer oder mehreren flachgelegten Papierschlauchlagen gefertigtes und mindestens an einem Ende geschlossenes Behältnis. Papiersäcke sind nötigenfalls zur Erstellung besonderer Eigenschaften für die Befüllung und die Güterverteilungskette mit anderen flexiblen Materialien kombiniert – zum Beispiel Folie. Der Papiersack ist ein flexibles, vollflächiges, raumbildendes Packmittel von über 2700 cm2 (Länge x Breite).
Lage: ein Bogen aus Papier oder anderem flexiblem Material oder einer Kombination solcher Materialien, der die (oder einen Teil der) Sackwandungen bildet.
Seitenfalte: Eine Seitenfalte ist eine in die Längskanten eines (flachgelegten) Schlauches oder Sackes eingelegte Falte.
Schlauch: Dabei handelt es sich um eine oder mehrere Lagen in Form eines flachgelegten Zylinders in vorgegebenem Längenabschnitt.
Flachschlauch: Ein Flachschlauch besteht nur aus flachgelegten zylindrischen Lagen ohne eingelegte Seitenfalte.
Faltenschlauch: ein (flachgelegter) Schlauch mit in beiden Längskanten eingelegter Seitenfalte.
Geradschnittschlauch: ein Schlauch, dessen Lagen gemeinsam auf eine vorgegebene Länge geschnitten worden sind.
Staffelschlauch: ein Schlauch, dessen Lagen staffelförmig versetzt auf eine vorgegebene Länge geschnitten worden sind (flach oder mit Seitenfalten).
Kröpfschnittschlauch: ein Schlauch (flach oder mit Seitenfalten), dessen Lagen gemeinsam so auf eine vorgegebene Länge geschnitten worden sind, dass auf einem Ende eine vorspringende Ecke entsteht.
Abb. 161: Geradschnittschlauch, Staffelschlauch und Kröpfschnittschlauch (von links) (Quelle: Eigene Darstellung)
Nähen: Nähen, Kleben, Schweißen: Es gibt verschiedene Arten, Säcke zu verschließen. Das Nähen bezeichnet das Verbinden der Wandungsteile eines Sackes mittels Nähgarn. Anmerkung: In der Sackfertigung geht es dabei normalerweise um das Vernähen der Schnittränder, wodurch der Schlauch auf einem oder beiden Enden mit oder ohne einen Nähkreppstreifen verschlossen wird.
Kleben: Verbinden der Wandungsteile mit Klebstoff.
Längsnaht: Klebung, die die überlappenden Längskanten einer Lage mit Klebstoff miteinander verbindet. Anmerkung: Die Klebenaht kann durchgehend oder unterbrochen sein. Bei Kunststoffsäcken wird die Längsnaht als Extruderschweißnaht durchgeführt.
Querklebung: Klebeverbindung zwischen den einzeInen Lagen an einem oder beiden Enden eines Schlauches. Anmerkung: Die Querklebung erleichtert die Trennung der Vorder- von der Rückseite eines Schlauches während der Fertigung oder beim Gebrauch und kann die Festigkeit bestimmter Sackformen erhöhen.
Bodenklebung: Klebung, die den Schlauch an einem oder beiden Enden mittels Klebstoff verschließt. Anmerkung: Vor dem Verschließen des Schlauches werden seine Enden in dazu geeigneter Weise gefaltet und/oder anderweitig vorgeformt.
Schweißen: Verbinden der Wandungsteile mittels Wärmeeinwirkung. Extruderschweißnaht: Längsnahtverschluss durch thermoplastische Schmelze.
Überlappung: übereinanderliegende Flächenteile eines Schlauches oder einer Lage.
Längsnahtüberlappung: übereinanderliegende, den Längskanten einer Materialbahn benachbarte Flächenteile.
Bodenüberlappung: den Schnittkanten benachbarte Flächenteile eines Schlauches, die nach der Bodenformung übereinanderliegen.
Ventil: eine normalerweise in einer Sackecke gelegene Öffnung, durch die hindurch der Sack befüllt wird und die nach dem Befüllen den Inhalt nicht ohne weiteres wieder ausfließen lässt.
Sackformen
Flachsack: ein aus einem Flachschlauch gefertigter Sack.
Faltensack: ein aus einem (Seiten-)Faltenschlauch gefertigter Sack.
Genähter Sack: ein an einem oder beiden Enden mittels durchgehender Nähnaht geschlossener Sack.
Geschweißter Sack: ein an einem oder beiden Enden geschweißter Sack (meistens durch Impulsschweißnaht).
Geklebter Sack: ein an einem oder beiden Enden mittels Klebung geschlossener Sack.
Offener Sack: ein Schlauch, der während der Fertigung nur an einem Ende verschlossen wurde.
In diesem Kapitel geht es um Beutel. Dabei handelt es sich um ein flexibles, vollflächiges und raumbildendes Packmittel. Beutel haben meist unter 2700 cm² Zuschnittsfläche (Breite x Länge + gegebenenfalls Faltenbreite).
Die wichtigsten Beuteltypen nach DIN 55 450
Viele dieser Beutel werden später automatisiert befüllt.
Abb. 162: Beuteltypen (Quelle: Eigene Darstellung)
Spitztüte nach DIN 55 450
Unter einer Spitztüte versteht man ein gefaltetes und geklebtes Blatt in der Form eines gleichschenkligen rechtwinkligen Dreiecks, bei dem ein Schenkel die Öffnung bildet. Sie ist ein aus einem Zuschnitt gefaltetes konisches Packmittel mit einer Längsnaht. Bekannt ist sie hauptsächlich als Obstspitztüte oder Bonbontüte. Spitztüten werden mit und ohne Faltnaht (Fahne) hergestellt und entweder vom Blatt oder von der Rolle gefertigt. Man verwendet fast ausschließlich altpapierhaltige und holzhaltige Papiere mit einer flächenbezogenen Masse von etwa 40-60 g/m².
Abb. 163: Spitztüte (Quelle: Eigene Darstellung)
Zuschnitt
Die Rollenbreite b wird bestimmt aus der Tütenbreite a, Fahne F und Klebelasche m. Tütenbreite und Länge bilden die Schenkel des dreieckigen Füllkörpers (Breite : Länge - a). Fahne F und Klebelasche m gehen nicht in die Breite/Länge ein.
bR = a + F + m
Die Fahne beträgt in der Regel 20 mm und die Klebelasche 15 mm. Die Abschnittlänge sl₁ entspricht der Tütenbreite. Also sl₁ = a.
Abb. 164: Darstellung einer Fahne (Quelle: Eigene Darstellung)
Bei der maschinellen Herstellung wird von einer Papierbahn mit einer Streichschiene der spätere Klebefalz umgelegt. Auf diesem Klebefalz wird Klebstoff aufgetragen. Die Klebstoffspur ist an jenen Stellen, an denen später der Querschnitt erfolgen soll, ausgespart. Dann wird die Papierbahn in einzelne Abschnitte getrennt und einer Falzstation zugeführt. In der Falzstation werden die vereinzelten Zuschnitte erfasst und mit Hilfe eines Falzmessers in einem Winkel von 45 Grad gefalzt.
Zweinahtbeutel DIN 55 450
Abb. 165: Dimensionen des Zweinahtbeutels (Quelle: Eigene Darstellung)
Zuschnitt
Die Rollenbreite bR wird bestimmt aus der Beutelbreite b₁ und den Klebelaschen m. Die Klebelasche m beträgt in der Regel 12,5 mm
Also bR = b₁ + 2 m.
Die Abschnittlänge sl₁wird bestimmt aus der Beutellänge l₁ und der Verschlusslasche n. Also sl₁ = 2l₁ + n. Die Verschlusslasche n beträgt in der Regel 20 mm.
Abb. 166: Durchlaufen einer Längsfalzeinrichtung (Quelle: Eigene Darstellung)
Beim Durchlaufen einer Längsfalzeinrichtung werden die an beiden Seiten stehengebliebenen Klebelaschen von einem Streichblech hochgestellt und nach innen umgelegt. Diese Klappen werden nun als Klebstoffauftragsstreifen mit dünnen Klebstoffstreifen versehen.
Abb. 167: Klebstoffmuster für Querklebung (Quelle: Eigene Darstellung)
Flach- und Seitenfaltenbeutel DIN 55 450
Flachbeutel ist der Sammelbegriff für Beutel ohne Boden. Für Flachbeutel werden holzhaltige und holzfreie Papiersorten benutzt; für bestimmte Zwecke finden auch Pergamentersatz und Pergamin Verwendung. Mit einer flächenbezogen Masse von 30-130 g/m². In Ausnahmefällen auch noch schwerer.
Die Rollenbreite bR wird bestimmt aus der Beutelbreite b₁ und der Klebelasche m.
bR = 2 b₁ + m. Die Klebelasche beträgt 15-20 mm.
Die Abschnittlänge sl₁ wird bestimmt aus der Beutellänge l₁, Verschlusslasche n und Bodenverschluss n₁.
sl₁ = l₁ + n + n₁
Abb. 168: Dimensionen des Flachbeutels (Quelle: Eigene Darstellung)
Faltenbeutel DIN 55 450
Der Faltenbeutel hat gegenüber dem Flachbeutel zusätzlich Seitenfalten, die ein raumförmiges Packmittel ergeben.
Abb. 169: Dimensionen des Faltenbeutels (Quelle: Eigene Darstellung)
Berechnungsformel Faltenbeutel
Die Rollenbreite bR wird bestimmt aus der Beutelbreite b₁ , der Faltentiefe b₃ und der Klebelasche m.
bR = 2 b₁ + 4 b₃ + m
Die Abschnittlänge sl₁ ist gleich der Berechnungsformel des Flachbeutels.
Zweinutzige Schlauchbildung
Beim Auflaufen der Papierbahn auf das Formatblech sorgen schräg angeordnete Gummirollen für einen engen Kontakt des Papiers mit dem Formatblech.
Abb. 170: Andruckrollen für einen engen Kontakt des Papiers mit dem Formatblech (Quelle: Eigene Darstellung)
Herstellung von Faltenbeuteln
Um umfangreicheres beziehungsweise großvolumigeres Füllgut zu verpacken, wird der Faltenbeutel hergestellt. Der herstellungstechnische Unterschied zum Flachbeutel liegt hier in der Verwendung eines anders geformten Formatbleches. Das Faltenformatblech besteht aus zwei gleich breiten, jedoch unterschiedlich langen Teilen; diese sind so angeordnet, dass die Papierbahn mit seitlich montierten Faltenblechen zu einem Faltenschlauch geformt werden kann. Alle übrigen Arbeitsgänge entsprechen jenen der Flachbeutelherstellung.
Abb. 171: Formatblech zur Herstellung von Faltenbeuteln und Faltenschlauch (Quelle: Eigene Darstellung)
Schlauchbildung für Faltenbeutel
Die Faltenbildung kann auch durch verstellbare Rollen erfolgen (siehe Abbildung). Nach dieser Station wird der Schlauch mit Hilfe von Vorzugsrollen zur Trenneinrichtung vorgezogen.
Abb. 172: Faltenbildung durch verstellbare Rollen (Quelle: Eigene Darstellung)
Kreuzbodenbeutel DIN 55 450
Der Kreuzbodenbeutel ist ein Bodenbeutel ohne Seitenfalten, der nach dem Füllen einen rechteckigen oder quadratischen Boden hat. Die erste Maschine dafür kam 1894 auf den Markt, ihr Prinzip ist im Wesentlichen heute noch gültig.
Der Kreuzbodenbeutel wird immer von der Rolle gearbeitet. Im ungefüllten gefalzten Zustand hat er einen sechseckigen Boden. Wesentlicher Vorteil des Kreuzbodenbeutels sowie des später beschriebenen Blockbodenbeutels ist die eigene Standfähigkeit.
Abb. 173: Dimension des Kreuzbodenbeutels (Quelle: Eigene Darstellung)
Maßangaben/Bezeichnungen
b₁ = Beutelbreite
l₁ = Beutellänge
b₂ = Beutelbodenbreite
ü₂ = Bodenüberlappung
Die Rollenbreite bR wird bestimmt aus der Beutelbreite b₁ und der Klebelasche m.
bR = 2 b₁ + m
Die Klebelasche m beträgt in der Regel 20 mm.
Die Abschnittlänge sl₁ wird bestimmt aus der Beutellänge l₁, der Bodenbreite b₂ und der Bodenüberlappung ü₂.
Die Bodenüberlappung beträgt je nach Bodenbreite 30-40 mm.
Bodenbildung mittels Falznase
Die Papierrolle wird so in die Maschine eingespannt, dass die glatte Seite oben liegt. Nach dem Abzug der Papierbahn wird ein sogenannter S-Zug umschlungen. Dieser besteht aus zwei eng beieinander liegenden Walzen, welche von der Papierbahn beim Durchlaufen über einen großen Umschlingungswinkel berührt werden. Durch die hierbei auftretende Reibung wird ein konstanter Vorzug durch den angetriebenen S-Zug erreicht. Über Umlenkwalzen vorbei an der Längsklebeeinrichtung wird die Papierbahn auf das Formatblech gezogen, welches sie von oben nach unten zu einem Schlauch umschließt.
An der Oberseite des Formatbleches liegt die Bodenklappenausstanzvorrichtung. Es werden mittels dieser Vorrichtung in die vorbeilaufende obere Schlauchhälfte zwei Längsschlitze geschlagen, deren Abstand voneinander die Breite der später nötigen Bodenklappe ergibt. Die Schlitze werden von einem Stanzmesser geschlagen, welches für jede Klappenbreite ausgewechselt werden muss. Die Klappenhöhe kann durch die Einstechtiefe des Stanzmessers verschieden groß gestaltet werden.
Nach dem Durchlaufen der Stanzvorrichtung wird der Schlauch fertiggebildet, verklebt und von der Vorzugseinrichtung dem Querschneider zugeführt. Nach dem erfolgten Querschnitt wird die vordere Kante des Schlauchabschnittes zur Bodenquadratbildung vorgeschoben. Eine im Formatblech befindliche, in ihrer Längsrichtung verschiebbare und über Kipphebel bewegte Zungenfeder spreizt nun den Schlauch derart auseinander, dass er auf eine fest in der Maschine montierte Falznase aufgeschoben werden kann. Es gleitet hierbei die Oberseite des Schlauches über beziehungsweise die Unterseite unter die Falznase. Die Zungenfeder wird in diesem Augenblick nach rückwärts weggezogen. Sie muss sich zum Zeitpunkt des nächsten Querschnittes hinter der Schneideeinrichtung befinden.
Abb. 174: Schlitzung der Bodenklappe mittels Stanzmesser (Quelle: Eigene Darstellung)
Wenn der Schlauch bis zur halben Beutelbreite auf der Falznase aufgeschoben ist, so wird er von einem quer zur Maschine liegenden Falter erfasst und unter der Falznase durchgeschoben. Hierbei bildet sich das Bodenquadrat.
Abb. 175: Schlauchbildung über das Formatblech (Quelle: Eigene Darstellung)
Bodenquaderbildung
Abb. 176: Bildung des Bodenquaders (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 177: Falzstation zur Bildung der Bodenklappe (Quelle: Eigene Darstellung)
Der Schlauchabschnitt wird mit dem nun fertig gebildeten Bodenquadrat unter den Bodenformatzylinder (Bodenmacherzylinder) geführt und hier von einem in der Mitte des Formatzylinders befindlichen Klebstoffsegment mit dem für die Bodenverklebung erforderlichen Klebstoff versehen. Der Bodenformatzylinder muss für jede Abschnittlänge ausgewechselt werden. Sein Umfang bestimmt die Abschnittlänge. Die Länge des Klebstoffsegments ist abhängig von der Beutelbreite.
Der Schlauchabschnitt erreicht nun die erste Falzstation. Hier wird von einem Pendelfalzmesser die erste Bodenklappe gebildet, indem der Schlauchabschnitt zwischen einer Presswalze und der Bodenbildungstrommel durchgeschoben wird. Unmittelbar darunter liegt die zweite Falzstation. Der zweite Falter verschließt den Boden, indem er den vom ersten Falter vorgefalzten Boden durch die zweite Presswalze drückt. Der jetzt fertiggestellte Beutel wird über Bänderführungen zur Ablagetrommel gebracht und gezählt abgelegt.
Falzvorgang
Abb. 178: Falzvorgang im Bodenmacherzylinder (Quelle: Eigene Darstellung)
Blockbodenbeutel DIN 55 450
Der Blockbodenbeutel ist ein Bodenbeutel mit zwei Seitenfalten sowie einem gefalteten rechtwinkligen Boden. Dieser wird meist zusätzlich mit einem Bodenblatt versehen. Da er ursprünglich über einen Klotz hergestellt wurde, wird er gelegentlich noch Klotzbodenbeutel genannt.
Abb. 179: Dimensionen des Blockbodenbeutels (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Rollenbreite bR wird bestimmt aus der Beutelbreite b₁, Faltentiefe b₃ und der Klebelasche m.
bR = 2 x b₁ + 4 x b₃ + m
Die Klebelasche schwankt je nach Größe der herzustellenden Beutel zwischen 15 und 25 mm. Die Schlauchabschnittlänge sl₁ wird bestimmt aus der Beutelhöhe l₁, der Bodenbreite b₂ und der Bodenüberlappung ü₂. (Die Bodenbreite ist gleich der Faltenbreite.)
Die Bodenüberlappung beträgt 30 bis 40 mm, je nach Größe des Beutels.
Blockbodenbeutel oder Klotzbodenbeutel werden aus Faltenschläuchen hergestellt, besitzen einen rechteckigen bis quadratischen Boden und sind für die Verwendung auf automatischen Abpackmaschinen die günstigste Ausführung. Blockbodenbeutel werden in den unterschiedlichsten Größenausführungen dargestellt vom Gewürzsäckchen bis hin zu großen Tragebeuteln.
Tragbeutel und Tragtaschen DlN 55 455
Unter Tragbeutel versteht man einen Blockbodenbeutel mit Tragevorrichtung.
Als Tragtaschen werden Flach- oder Faltenbeutel mit ausgestanzten Grifflöchern oder zusätzlich angebrachten Tragegriffen bezeichnet.
Abb. 180: verschiedene Formen von Tragbeuteln und Tragetaschen (Quelle: Eigene Darstellung)
Je nach der Henkel- bzw. Grifflochausführung verwendet man zur Fertigung:
• Tragbeutelmaschinen, bei denen die Einklebung des Griffes in der
• Blockbodenbeutelmaschine (Innenhenkel) erfolgt (Tragbeutel für Lebensmittelsektor)
• Tragbeutelmaschinen, die als selbstständiges Aggregat an fertige Kreuzboden- oder Blockbodenbeutel Griffe anbringen (Außenhenkel)
• Tragtaschenmaschinen, die in einem Arbeitsgang Pappverstärkungen einkleben und durch anschließende Stanzung Grifflöcher anbringen (Textiltragtaschen)
• Sonstige Einrichtungen, wie Schnureinziehmaschinen für Tragbeutel mit kartonverstärktem Rand und Schnur, Aggregate für alle möglichen Sondergriffausführungen – zum Beispiel mit Kunststoff –, die vorgefertigt werden, usw.
Tragbeutel mit Innenhenkel
Moderne Herstellungsmaschinen für Tragbeutel besitzen eine Zusatzeinrichtung zur Herstellung von Papiertraggriffen. Diese werden aus einer schmalen und sehr reißfesten Papierbahn der Länge nach dreifach gefaltet und verklebt, so dass ein etwa 2 cm breites Papierband entsteht. Dieses wird auf die erforderliche Länge abgeschnitten und so geknickt, dass daraus der Traggriff entsteht. Dieser Griff wird nun in der Beutelmaschine so in die Innenbahn des Schlauches geklebt und mit einem Deckblatt fixiert, dass er nach dem Abtrennen des Schlauchabschnittes an dessen Oberkante herausragt.
Tragbeutel mit Außenhenkel
Die fertigen Beutel werden von oben kontinuierlich in eine Anlage gelegt, die auf die Beutelgröße eingestellt ist. Ein rotierender Zylinder erfasst mit einem Sauger den untersten Beutel in dieser Anlage und gibt ihn an Zangen des Zylinders ab, die ihn bei der weiteren Drehung des Zylinders auf eine Transportkette legen. Die Kette trägt ihn taktmäßig in die einzelnen Arbeitsstationen. Während dieser Vorgänge werden die beiden Traggriffe hergestellt. Von zwei schmalen Papierrollen, deren Breite gleich der zwei- oder dreifachen Griffbreite ist, werden die Papierstreifen abgerollt. In einer Rillstation werden in das Papier feine Längsrillen für die spätere Einlage von Textilfäden geprägt. In der nächsten Arbeitsstation wird am linken und rechten Rand des Papierstreifens durch Düsen ein schmaler Klebstoffauftrag vorgenommen.
Traggriffmaschine
Anschließend wird der angeleimte Papierstreifen zwei- oder dreifach übereinander zusammengelegt. Dann passiert die Papierbahn die Vorzugrollen, wodurch der zusammengelegte Streifen als laufende Bahn zusätzlich gepresst wird. Anschließend läuft die Bahn durch das Schneidwerk. Ein pendelndes Segment übergibt den Abschnitt an den Falzzylinder. An seinem Scheitelpunkt erfolgt der Vorbruch für die U-Formbildung (eine Rillung diagonal in den Streifen). Dann leitet der Zylinder den Abschnitt in Führungsbleche, durch die er an den gerillten Stellen zum Tragegriff geformt wird. Vom Falzzylinder übernimmt ihn der Übergabezylinder. Jetzt folgt der Klebstoffauftrag durch mit Schaumgummiklischees beklebte Segmente. Der Übergabezylinder presst dann den Griff an die Außenseite des Beutels. Der zweite Griff wird gleichzeitig gefertigt und aufgeklebt. Durch einen Bändertransport wird der fertige Beutel der Ablage zugeführt. In Fangblechen wird eine bestimmte Stückzahl Beutel gesammelt und dann gezählt ausgeworfen.
Abb. 181: Schema der Aufklebung des Griffes (Henkel) (Quelle: Eigene Darstellung)
Definitionen nach DIN
Benennung | Definition |
Briefhülle | Umhüllung aus Papier oder ähnlichem Material: Man unterscheidet noch Briefumschlag und Versandtasche. |
Briefumschlag | Diese flache rechteckige Briefhülle ist mit einer gummierten oder nicht gummierten Verschlussklappe entlang einer Längsseite versehen. |
Versandtasche | Diese rechteckige Briefhülle ist mit einer gummierten oder nicht gummierten Verschlussklappe entlang einer Schmalseite versehen. |
Zuschnitt | Hierbei handelt es sich um ein in eine Form zugeschnittenes Papier oder ähnliches Material für die Produktion von Briefhüllen. |
Klappen | Diese Teile des Zuschnittes lassen nach Faltung und Verleimung aus dem Zuschnitt eine Briefhülle entstehen. |
Verschlussklappe | Diese Klappe dient dazu, die Briefhülle durch Klebung vollständig zu verschließen oder durch Einstecken oder Ähnliches – gegebenenfalls mithilfe bestimmter Mechanik – den Inhalt vor dem Herausfallen zu sichern. |
Man unterscheidet:
• spitze Verschlussklappe,
• gerade Verschlussklappe und
• abgerundete Verschlussklappe.
Abb. 182, 183, 184: Quelle: Eigene Darstellung
Bodenklappe | Diese Klappe liegt gegenüber der Verschlussklappe. |
Seitenklappen | Seitenklappen liegen rechtwinklig zur Verschluss- klappe. |
Fenster | Hierbei handelt es sich um eine Ausstanzung in der Briefhülle, die mit einem transparenten Material hinterklebt ist. |
Selbstklebegummierung | Die Klebegummierung (auf Klappe und Rückseite) kann ohne Einwirkung von Wasser durch Anpressdruck fest oder wieder ablösbar (Adhäsivverschluss) miteinander verklebt werden. |
Abb. 185: Darstellung einer Klebegummierung (Quelle: Eigene Darstellung)
Haftklebegummierung | Diese Einkomponenten-Klebegummierung kann ohne Einwirkung von Wasser durch Anpressdruck fest oder wieder ablösbar (Adhäsivverschluss) verklebt werden. Sie ist durch einen Silikonschutzstreifen abgedeckt. |
Abb. 186: Schematische Darstellung einer Einkomponenten-Klebegummierung (Quelle: Eigene Darstellung)
Nassklebegummierung | Diese Leimgummierung wird durch Wasser aktiviert. |
Ungummierte Verschlussklappe | Diese Verschlussklappe hat keine Gummierung. |
Zungenverschluss | Bei dieser Verschlussart wird eine an der Verschlussklappe ausgestanzte Zunge in einen Schlitz in der Bodenklappe eingeschoben. |
Abb. 187: Schematische Darstellung eines Zungenverschlusses (Quelle: Eigene Darstellung)
Metallklammerverschluss | Dieser Verschluss wird mithilfe auf der Bodenklappe aufgenieteter Metallklammern oder loser Spreizklammern verschlossen. |
Abb. 188: Schematische Darstellung eines Metallklammerverschlusses (Quelle: Eigene Darstellung)
Papprückwandtasche | Diese Versandtasche hat eine Rücken- verstärkung aus Pappe, die den Inhalt vor Knicken schützen soll. |
Abb. 189: Papprückwandtasche (Quelle: Eigene Darstellung)
Briefhülle mit Seitenfalten | Diese Briefhülle hat eine Verschlussklappe und Falten an zwei Seiten sowie einen Keil- oder Blockboden. |
Abb. 190: Briefhülle mit Seitenfalten (Quelle: Eigene Darstellung)
Gepolsterte Briefhülle | Diese Briefhülle ist innen mit einem Polstermaterial versehen, um das Versandgut vor Schlag- oder Stoßeinwirkungen zu schützen. |
Gefütterte Briefhülle | Diese Briefhülle hat ein eingeklebtes Futter. |
Fensterbriefhülle | Diese Briefhülle hat ein Fenster, um die auf dem Schriftgut befindlichen Anschrift sichtbar zu machen. |
Wertbriefumschlag | Dieser Briefumschlag hat überlappende hochgezogene Seitenklappen. Sie sollen verhindern, dass man den Inhalt der Sendungen entnehmen kann, ohne den Umschlag zu beschädigen. |
Abb. 191: Wertbriefumschlag (Quelle: Eigene Darstellung)
Endlosbriefumschläge | Diese Briefumschläge sind auf einem Endlosträgerband aneinandergereiht befestigt und können auf diese Weise unmittelbar kontinuierlich beschriftet werden. |
Faltbriefsendungen | Hierbei handelt es sich um gefaltete, zusammengeklebte oder gesteckte Briefblätter beziehungsweise Ausschnitte aus Papierbahnen, bei denen Inhalt und Umhüllung aus einem Stück bestehen. |
Briefumschlag | Das ist ein Briefumschlag mit einer offenen und lediglich durch einen Adhäsionsleim oder eine Punktklebung gesicherten Seitenklappe – diese kann für die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Sendung geöffnet und wieder verschlossen werden. |
Abb. 192: Briefumschlag mit Scheinverschluss (Quelle: Eigene Darstellung)
Verschlussarten
Die Verschlussarten von Briefhüllen sind mannigfaltig – von der traditionellen Gummierung, die man durch Anfeuchten verschließt über den Klammern- und Ösenverschluss bis hin zum Adhäsionsverschluss.
Latex- oder Selbstklebeverschluss
Die normale Verschlussart bei Briefumschlägen oder Versandtaschen ist die wiederanfeuchtbare Gummierung. Die Latexklebung ist eine Verschlussart, die keine Anfeuchtung nötig hat, da der Klebstoff, der an der Schlussklappe und auf der Rückseite der Hülle oder Versandtasche aufgetragen wird, durch Kontakt der beiden Leimschichten sofort miteinander klebt. Ausschlaggebend sind hier die Latexanteile im Leim.
Adhäsionsverschluss
Er ist zum mehrmaligen Öffnen und Schließen der Versandtasche geeignet. Die Latexanteile sind hier geringer. Sowohl beim Selbstklebe- als auch beim Adhäsionsverschluss ist darauf zu achten, dass die Lebensdauer der Latexanteile begrenzt ist (rund sechs Monate).
Klammern- und Ösenverschluss
Eine andere, sehr aufwendige Verschlussart ist die Ausführung der Versandtasche mit einem Klammer- und Ösenverschluss. Dieser hat vor allem den Vorteil, dass er wiederverwendbar ist. Hier wird die Schlussklappe mit einer Metallöse versehen, die Rückseite der Versandtasche mit einer Klammer, die nach Umlegen der Schlussklappe durch die Öse geführt und umgebogen wird. Diese Ausführung wird nur selten verwendet, da sie sehr zeitraubend ist und zeitaufwendig herzustellen ist.
Haftklebung
Im Gegensatz zur Latexverklebung wird die Haftklebung nur einseitig aufgetragen und mit einem Schutzmaterial (Silikonpapier) abgedeckt. Will man einen Umschlag verkleben, so braucht nur der Silikonstreifen abgezogen zu werden, die Schlussklappe wird umgelegt und schon ist der Umschlag verschlossen.
Sonderausführungen
Auch bei Briefhüllen gibt es wie überall in der Packmittelindustrie viele Varianten und Sonderwünsche. Deshalb sind auch Hersteller von Briefumschlägen gezwungen, Sonderausführungen zu fertigen, die nicht auf den üblichen Maschinen herstellbar sind – das sind zum Beispiel:
1. Papprückwandtaschen
Diese Ausführung wird verwendet, wenn vermieden werden soll, dass der Inhalt der Tasche geknickt wird (zum Beispiel Dokumente, Urkunden). Die Herstellung erfolgt auf speziellen Maschinen, die den Papierzuschnitt mit der steifen Pappe verkleben können.
2. Gefütterte Briefumschläge
Wie der Ausdruck „gefüttert“ besagt, enthalten diese Briefumschläge ein Futter. Sie werden auf speziellen Maschinen gefertigt, die in die Innenseite der Umschläge ein Futter einkleben. Das Futter besteht vorwiegend aus einem Seidenpapier (rund 30-40 g/m²), das die Form des Briefumschlagzuschnittes besitzt und über einen separaten Einzug auf der Briefhüllenmaschine dem Trägerzuschnitt zugeführt und mit ihm verklebt wird. Diese Umschläge werden vorwiegend im persönlichen Briefverkehr eingesetzt. Die Ausführungsformen sind in DIN 678, Teil 1 und 2, sowie in DIN 680 festgelegt. Die Formate für Briefhüllen beziehen sich auf die DIN 476.
Die Bestimmung des Materialbedarfs ist für alle Ausführungsformen von gleicher Bedeutung. Beim Briefumschlag mit spitzer Verschlussklappe müssen bei der Bestimmung des Materialverbrauches folgende Werte ermittelt werden:
Abb. 193: Skizze eines Briefumschlages mit spitzer Schlussklappe (Quelle: Eigene Darstellung)
a = Breite der Briefhülle
b = Höhe der Briefhülle
c = Seitenklappenlänge
d = Bodenklappenlänge
k = Schlussklappenlänge
z = Überklebungen mindestens 7 mm
Dieser Zuschnitt ist für die maschinelle Kuvertierung ungeeignet. Beim Briefumschlag mit gerader Schlussklappe ist die Ermittlung des Materialverbrauches einfacher.
Abb. 194: Konstanziaschnitt (Quelle: Eigene Darstellung)
a = Breite der Briefhülle
b = Höhe der Briefhülle
c = Seitenklappenlänge
d = Bodenklappenlänge
k = SchlussklappenIänge
Merke: d + k = b + mind. 15 mm
Die Schlussklappe kann in vielen Fällen auch leicht abgeänderte Formen gegenüber den Standardformen besitzen. Dies ist aber meist dadurch bedingt, dass die Hersteller von Briefumschlägen drei wichtige Punkte im Auge haben:
1. eine für die Herstellung optimal geeignete Schnittform
2. Berücksichtigung der Probleme bei der Weiterverarbeitung
3. optimale Materialausnutzung
Abb. 195: Briefhülle in abgeänderter Form (Quelle: Eigene Darstellung)
Versandtaschen (VT) gibt es in zwei verschiedenen Fertigungsarten.
a) Seitenklebung ist die meistgefertigte Ausführung, da sie maschinentechnisch die optimale Voraussetzung bietet: Möglichst kurze Überklebungsstreifen, damit große Druckflächen für Werbeträger.
Abb. 196: Versandtasche mit Seitenklebung (Quelle: Eigene Darstellung)
a = VT Höhe
b = VT Breite
c = Seitenklappe
d = Bodenklappe
k = Verschlussklappenlänge
b) Mittelklebung
Sie findet heute meist noch in Sonderausführungen oder Sondergrößen ihre Anwendung beziehungsweise bei größeren Formaten und Rollenfertigung.
Abb. 197: Versandtasche mit Mittelklebung. Z = mindestens 20 mm/Überklebung. (Quelle: Eigene Darstellung)
Die 1960 gegründete European Carton Makers Association (ECMA) veröffentlichte den ECMA-Code, ein Katalog standardisierter Stanzverpackungen und Faltschachteln, der 2009 überarbeitet wurde. Dieser Katalog listet alle Grundformen und deren Variablen. Diese sind durch ECMA-Codes gekennzeichnet, die wichtige Grundlage für die Arbeit und Kommunikation in der Packmittelindustrie sind. Konstruktionsdetails fehlen, sie sind aber Grundlage für die Datenbanken von CAD-Programmen, mit denen Verpackungen konstruiert werden.
Wir gehen hier auf das Katalogsystem von ECMA ein und zeigen auf, wie und wo der Katalog eingesetzt werden kann.
Eine Klassifizierung der verschiedenen Faltschachteltypen ist die Grundvoraussetzung für eine Zusammenarbeit, wenn keine visuelle Unterstützung möglich ist. Allein durch die Code-Nummer und Angabe von A/B/H (ECMA) kann eine Konstruktion definiert werden. Bei einer computergestützten Packmittelentwicklung ist die Struktur der Datenbanken von CAD-Systemen nach ECMA ausgerichtet.
Die Grenzen einer Katalogisierung von Faltschachteltypen werden jedoch angesichts der Unmenge von Variablen und Sonderformen offensichtlich. Der ECMA-Katalog liefert keine Konstruktionsdetails. Die Aufgabe des Kataloges beschränkt sich ausschließlich auf die Katalogisierung von Grundformen und ihren Variablen.
Konstruktionsdetails können nur über eine DIN oder eigene Skizzen wiedergegeben werden. DIN steht für Deutsches Institut für Normung. DINs sind Normen, die bestimmte Standards festlegen. Die DIN verwendet eigene Bezeichnungen für die unterschiedlichen Variablen. Zurzeit ist nur eine DIN für die Standardfaltschachtel bekannt. In der DIN 55 522 werden die Details der Standardfaltschachtel nach ECMA A20.20.01.03.M/A bis A20.20.03.03.M/A beschrieben.
Abb. 198: Standard-Faltschachtel (Quelle: Eigene Darstellung)
Beispiel der Standard-Faltschachtel A20.20.03.01 M/A: Dabei handelt es sich um eine Faltschachtel mit wechselseitigen Einstecklaschen. Wir fassen zusammen: Der ECMA-Code dient in erster Linie der Kommunikation zwischen Kunde, Lieferant und der Datenbank einer computergestützten Packmittelentwicklung. Die gelisteten Konstruktionen im ECMA-Katalog enthalten keine Konstruktionsdetails.
In der Regel bestimmt das zu verpackende Produkt, wie die Verpackung aussieht. Aus diesem Grunde sind neben den Grundformen die verschiedensten Variablen notwendig. Durch die Variablen der Grundformen hat man die Möglichkeit, die Packung so zu gestalten, dass die Erfordernisse des Packgutes optimal erfüllt werden.
Mit der Überarbeitung der Ausgabe des ECMA-Codes vom September 2009 wurde das Nummernsystem geändert. ECMA kennt insgesamt sieben Bautyp-Gruppen. Die siebte Gruppe X ist Verschlüssen und Hilfsvorrichtungen aller Gruppen vorbehalten.
Bautyp-Gruppen ECMA
Gruppe A: Faltschachteln rechteckig mit Längsnahtklebung
Gruppe B: Faltschachteln rechteckig ohne Längsnahtklebung
Gruppe C: Faltschachteln nicht-rechteckig mit Längsnahtklebung
Gruppe D: Faltschachteln nicht-rechteckig ohne Längsnahtklebung
Gruppe E: Faltschachteln mit Produktbezug oder -integration
Gruppe F: sonstige Faltschachteln
Gruppe X: Verschlüsse/Hilfsvorrichtungen für alle Gruppen
Die ECMA-Codenummer setzt sich aus dem Bautyp und mehreren Variablen zusammen. Für jeden Bautyp gibt es eine Matrix, nach der die Codenummer erstellt wird.
Abb. 199: Bautyp-Schlüssel (Quelle: Eigene Darstellung)
Neben dem Bautyp gibt es nun auch eine Kennzeichnung dafür, ob eine Konstruktion manuell oder automatisch zu konfektionieren ist (konfektionieren = aufrichten, befüllen, verschließen etc.). Diese Kennung wird an den eigentlichen Code angehängt. Beispiel: A20.20.03.01 M/A
M: manuelles Konfektionieren / Aufrichten
A: automatisches Konfektionieren / Aufrichten
M/A: manuelles oder automatisches Konfektionieren / Aufrichten
M+A: erfordert manuelles und automatisches Konfektionieren / Aufrichten
Im nächsten Schritt sehen wir uns anhand von Beispielen an, nach welcher Logik der Code aufgebaut ist.
Abb. 200: ECMA A20.20.03.01 M/A – Standard-Faltschachtel mit wechselseitigen Einstecklaschen – Ansicht von der Druckseite (Quelle: Eigene Darstellung)
Beispiel: Standard-Faltschachtel 1
ECMA-Code der Standard-Faltschachtel, wie im Beispiel ermittelt: A20.20.03.01 M/A
Wir fassen zusammen:
A = Standardfaltschachtel mit Längsnahtklebung
20 = Boden mit Einsteckverschluss
20 = Deckel mit Einsteckverschluss
03 = Anlenkung des Einsteckverschlusses Seite 3 unten
01 = Anlenkung des Einsteckverschlusses Seite 1 oben
M/A= Konfektionierung manuell und automatisiert möglich
Beispiel: Standard-Faltschachtel 2
ECMA-Code der Standard-Faltschachtel, wie im Beispiel ermittelt: A55.20.01.03 M
Abb. 201: ECMA A55.20.01.03 M – Faltschachtel mit Steckboden Ansicht von der Druckseite (Quelle: Eigene Darstellung)
Wir fassen zusammen:
A = Standardfaltschachtel mit Längsnahtklebung
55 = Boden mit Steckverschluss
20 = Deckel mit Einsteckverschluss
01 = Anlenkung des Steckverschlusses Seite 1 unten
03 = Anlenkung des Einsteckverschlusses Seite 3 oben
M = Konfektionierung nur manuell möglich
Beispiel: Tray mit 4-Punkt-Klebung
Abb. 202: ECMA B40.22.00.00 M – Tray mit 4-Punkt-Klebung – Ansicht von der Druckseite (Quelle: Eigene Darstellung)
ECMA-Code des Trays, wie im Beispiel ermittelt: B40.22.00.00 M
Wir fassen zusammen:
B = Faltschachtel ohne Längsnahtklebung
40 = Tray geklebt, vier einfache Seitenwände
22 = geklebte Ecke/Klappe, nicht staubdicht, nach innen einklappbar
00 = nicht definiert
00 = nicht definiert
M = Konfektionierung nur manuell möglich
Beispiel: Faltschachtel mit Längsnahtklebung und Tragegriff
Abb. 203: ECMA A55.00.03.00.82M – Faltschachtel mit Längsnahtklebung und Tragegriff – Ansicht von der Druckseite (Quelle: Eigene Darstellung)
ECMA-Code der Standard-Faltschachtel, wie im Beispiel ermittelt: In diesem Beispiel wird der Code um 2 Ziffern zur Beschreibung einer Sonderfunktion erweitert. (siehe X)
Erläuterung zu X: Code mit Sonderfunktion:
• A, B, C, D, F für die Gruppe
• 4 Ziffernpaare für die Variablen
• 1 Ziffernpaar für die Sonderfunktion
• M, A für manuelles oder automatisiertes Konfektionieren
• M/A für manuelles und automatisiertes Konfektionieren
ECMA-Code der Faltschachtel, wie im Beispiel ermittelt: A55.00.03.00.82M
Wir fassen zusammen:
A = Standard-Faltschachtel mit Längsnahtklebung
55 = Boden Steckverschluss
00 = nicht definiert
03 = Anlenkung des Steckverschlusses Seite 3 unten
00 = nicht definiert
82 = 2 Hauptklappen mit Hohldeckel
M = Konfektionierung nur manuell möglich
Im folgenden Kapitel gehen wir auf das Katalogsystem von FEFCO ein und zeigen auf, wie und wo der Katalog eingesetzt werden kann.
Eine Klassifizierung der verschiedenen Kartonagentypen ist die Grundvoraussetzung für eine Zusammenarbeit verschiedener Akteure, die mit der Konstruktion, Herstellung und dem Vertrieb von Verpackungen befasst sind, wenn keine visuelle Unterstützung möglich ist. Allein durch die Code-Nummer und Angabe von L/B/H kann so eine Konstruktion definiert werden. Bei einer computergestützten Packmittelentwicklung (CAD) ist die Struktur der Datenbanken von CAD-Systemen nach FEFCO oder ECMA ausgerichtet.
Die Grenzen einer Katalogisierung von Faltschachteltypen werden jedoch durch die vielen Variablen und Sonderformen sehr schnell deutlich. Der FEFCO- und ECMA-Katalog liefert keine Konstruktionsdetails. Die Aufgabe dieser Kataloge beschränkt sich ausschließlich auf die Katalogisierung von Grundformen und ihren Variablen. Konstruktionsdetails können darüber hinaus nur über eigene Skizzen wiedergegeben werden.
Wir fassen zusammen: Der FEFCO- und ECMA-Code dient in erster Linie der Kommunikation zwischen Kunden, Lieferanten und der Datenbank einer computergestützten Packmittelentwicklung. Die gelisteten Konstruktionen im FEFCO- und ECMA-Katalog enthalten keine Konstruktionsdetails.
Offener genähter Flachsack: Ein Flachschlauch, der an einem Ende mittels durchgehender Quernähnaht verschlossen wurde.
Form A4 Flachsack: genäht (N) oder geschweißt (S)
DIN 55 460/1 | DIN ISO 6591/1 |
b₁ = Sackbreite | = b |
l₁ = Sacklänge | = a |
Abb. 204: Flachsack (Quelle: Eigene Darstellung)
Offener Faltensack: ein Faltenschlauch, der an einem Ende mittels durchgehender Quernaht verschlossen wurde.
Form A2 Faltensack: genäht (N) oder geschweißt (S).
DIN 55 460/1 | DIN ISO 6591/1 |
b₁ = Sackbreite | = b |
l₁ = Sacklänge | = a |
b₃ = Faltentiefe | = e / 2 |
2xb₃ = 2 x Faltentiefe | = |
= Faltenbreite | = e |
Abb. 205: Faltensack (Quelle: Eigene Darstellung)
Offener geklebter Kreuzbodensack: ein Flachschlauch, der an einem Ende mittels kreuzweisem Falten, Formen und Kleben einen sechseckigen Boden erhalten hat (Kreuzboden).
Form A1 Kreuzbodensack: geklebt (K)
DIN 55 460/1 | DIN ISO 6591/1 |
b₁ = Sackbreite | = b |
l₁ = Sacklänge | = a |
b₂ = Sackbodenbreite | = c |
Abb. 206: Kreuzbodensack (Quelle: Eigene Darstellung)
Offener geklebter Falzbodenflachsack: Ein gestaffelter Flachschlauch, der an einem Ende nach einfachem Umfalzen der Staffelung mittels Klebstoff verschlossen wurde.
Offener geklebter Falzbodenflachsack nach DIN ISO 6591/1 (nur Papiersäcke). Kurzzeichen nach DIN und DIN ISO 6591/1 1
b₁ | = | Sackbreite | = b |
l₁ | = | Sacklänge | = a |
p | = | Breite der offenen | = p |
Verschlussklappe |
Abb. 207: offener geklebter Falzbodenflachsack (Quelle: Eigene Darstellung)
Offener geklebter Falzbodenfaltensack: Ein gestaffelter Faltenschlauch, der an einem Ende nach einfachem Umfalzen der Staffelung mittels Klebstoff verschlossen wurde.
Offener geklebter Falzbodenfaltensack nach DIN ISO 6591/1 (nur Papiersäcke). Kurzzeichen nach DIN und DIN ISO 6591/1 1
b₁ | = | Sackbreite | = b |
l₁ | = | Sacklänge | = a |
b₃ | = | Faltentiefe | = e / 2 |
2xb₃ | = | Faltenbreite | = e |
p | = | Breite der offenen | = p |
Verschlussklappe |
Abb. 208: offener geklebter Falzbodenfaltensack (Quelle: Eigene Darstellung)
Offener geklebter Blockbodensack: Ein Faltenschlauch, der an einem Ende mittels Falten, Formen und Kleben einen rechteckigen Boden erhalten hat.
Form A3 Blockbodensack, geklebt (K)
Form A3
DIN 55460/1 | DIN ISO 6591/1 | ||
b₁ | = | Sackbreite | = b |
l₁ | = | Sacklänge | = a |
b₂ | = | Sackbodenbreite | = c |
b₃ | = | Faltentiefe | = |
2xb₃ | = | Faltenbreite | = e |
Abb. 209: offener geklebter Blockbodensack (Quelle: Eigene Darstellung)
Ventilsack: Ein an beiden Enden mit Ausnahme einer Ventilöffnung verschlossener Schlauch.
Abb. 210: Ventilsack (Quelle: Eigene Darstellung)
Genähter oder geschweißter Ventilflachsack: ein Flachschlauch, dessen beide Enden jeweils mittels einer durchgehenden Quernaht verschlossen wurden.
Form B3 Ventilflachsack: genäht (N) oder geschweißt (S)
DIN 55 460/1 DIN ISO 6591/1
b₁ | = | Sackbreite | = | b |
l₁ | = | Sacklänge | = | a |
c | = | Ventilweite | = | v oder g |
l₂ | = | Ventillänge | = | f oder i |
Genähter oder geschweißter Ventilfaltensack: ein Faltenschlauch, dessen beide Enden jeweils mittels einer durchgehenden Quernaht verschlossen wurden.
Form B2 Ventilfaltensack: genäht (N) oder geschweißt (S)
DIN 55 460/1 DIN ISO 6591/1
b₁ | = | Sackbreite | = | b |
l₁ | = | Sacklänge | = | a |
b₃ | = | Faltentiefe | = | |
2xb₃ | = | Faltenbreite | = | e |
c | = | Ventilweite | = | v oder g |
l₂ | = | Ventillänge | = | f oder i |
Abb. 211: Ventilfaltensack (Quelle: Eigene Darstellung)
Geschlossene Säcke
Geklebter Ventilbodensack: ein Flachschlauch, dessen beide Enden jeweils mittels kreuzweisem Falten, Formen und Kleben einen (sechseckigen) Boden erhalten haben (Kreuzboden).
Form B1 Ventilbodensack, geklebt (K)
DIN 55 460/1 DIN ISO 6591/1
b₁ | = | Sackbreite | = | b |
l₁ | = | Sacklänge | = | a |
b₂ | = | Sackbodenbreite | = | c₂ |
b₄ | = | Ventilbodenbreite | = | c₁ |
c | = | Ventilbreite | = | v oder g |
l₂ | = | Ventillänge | = | f oder i |
Abb. 212: geklebter Ventilbodensack (Quelle: Eigene Darstellung)
Anmerkung: Säcke mit unterschiedlichen Bodenkombinationen, genäht und geklebt, können hergestellt werden, zum Beispiel:
Geklebter und genähter Ventilflachsack mit einem Kreuzboden: ein Flachschlauch, der an einem Ende mittels durchgehender Quernähnaht verschlossen ist und dessen anderes Ende mittels Falten, Formen und Kleben einen Kreuzboden mit Ventilöffnung erhalten hat.
Abb. 213: geklebter und genähter Ventilflachsack mit einem Kreuzboden (Quelle: Eigene Darstellung)
Geklebter Ventilblockbodensack: ein Faltenschlauch, dessen beide Enden jeweils mittels kreuzweisem Falten, Formen und Kleben einen rechteckigen Boden erhalten haben.
Abb. 214: geklebter Ventilblockbodensack (Quelle: Eigene Darstellung)
Gradschnittboden mit Bodendeckblatt: ein Gradschnittschlauch, bei dem ein Ende oder beide Enden zu einem Boden gefaltet sind und bei dem die Wandungslagen gemeinsam so übereinander geklebt sind, dass eine Innenlage auf einer Außenlage liegt; versehen mit Bodendeckblatt.
Abb. 215: Gradschnittboden mit Bodendeckblatt (Quelle: Eigene Darstellung)
Ventilarten Gradschnittboden mit Bodendeckblatt
Ventilausrüstung: eine Einlage aus Papier oder anderem flexiblem Ma- terial oder einer Kombination solcher Materialien, die zur Verbesserung der Verschlusseigenschaften in die Ventilöffnung eingearbeitet ist.
Ventilausrüstungen in genähten Ventilsäcken
Einfaches Ventil:
Abb. 216: einfaches Ventil in einem genähten Ventilsack (Quelle: Eigene Darstellung)
Staffelboden mit oder ohne Bodendeckblatt: ein Staffelschlauch, bei dem ein oder beide Enden so zu einem Boden gefaltet sind, dass jede Staffellage der Wandung auf sich selbst trifft und mit sich selbst verklebt ist; versehen mit Bodendeckblatt oder ohne.
Eine Ecke eines (Falten-)Schlauches ist nach innen so eingefaltet, dass sich nach dem Nähen unterhalb der Verschlussnaht ein Ventil bildet.
Ventil-Innenmanschette: ein Ventil mit einer in das Sackinnere ragenden manschettenähnlichen Einlage.
Abb. 217: Ventil-Innenmanschette (Quelle: Eigene Darstellung)
Ventil-Außenmanschette: ein Ventil mit einer nach außen ragenden manschettenähnlichen Einlage.
Abb. 218: Ventil-Außenmanschette (Quelle: Eigene Darstellung)
Ventilausrüstungen in geklebten Ventilsäcken
Anmerkung: In bestimmten Fällen kann die Ventilweite wesentlich geringer sein als die Ventilbodenbreite.
Verstärktes Ventil: ein Ventil, das durch ein an seiner Oberseite von innen angeklebtes Blatt aus geeignetem Material verstärkt ist (Ventilverstärkungsblatt).
Abb. 219: verstärktes Ventil (Quelle: Eigene Darstellung)
Innenschlauchventil: ein Ventil, das mit einer in das Sackinnere ragenden schlauchförmigen Einlage ausgestattet ist.
Abb. 220: Innenschlauchventil (Quelle: Eigene Darstellung)
Außentaschenventil: ein Ventil, das mit einer nach außen ragenden schlauchförmigen Einlage ausgestattet ist; unterhalb des Schlauches ist normalerweise eine Einschlagtasche vorgesehen.
Abb. 221: Außentaschenventil (Quelle: Eigene Darstellung)
Andere Fertigungsmerkmale
Daumenaussparung: eine Ausstanzung durch alle Lagen einer Wandungsseite am Füllrand eines offenen Sackes oder am Außenrand eines Außentaschenventils, um das Öffnen vor dem Befüllen zu erleichtern.
Verschließhilfsmittel: Spezialausstattung an Säcken zum Verschließen nach der Befüllung – zum Beispiel Kopfverschlussstreifen bei offenen Säcken oder Haftkleber bei Ventilen.
Öffnungshilfsmittel: Spezialausstattung an Säcken, die das Öffnen eines befüllten verschlossenen Sackes erleichtert – zum Beispiel Aufreißstreifen.
Traggriff: Spezialausstattung, die das Tragen eines befüllten verschlossenen Sackes erleichtert.
Sackfenster: eine in eine Sackwandung eingearbeitete Fläche aus durchsichtigem Material, um den Sackinhalt von außen sichtbar zu machen.
Nadelung: eine Anordnung von Einstichen durch die Sackwandung oder einzeIne Lagen derselben, um den Luftaustritt während des Füllvorganges zu erleichtern.
Antigleitbehandlung: eine auf die Außenfläche eines Sackes aufgetragene Beschichtung zur Erhöhung des Reibungskoeffizienten.
Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit der Zuschnitt-, Nutzen und Abfallberechnung (Nutzen = flachliegende Verpackung). Diese Daten werden benötigt, um eine Verpackung kalkulieren zu können. Bei einer computergestützten Verpackungsentwicklung fallen diese Daten automatisch als Nebenprodukt an. Bei der konventionellen Arbeit müssen die Zuschnittsgröße, die Nutzeneinteilung und der Abfall rechnerisch ermittelt werden.
Um eine Nutzenberechnung durchführen zu können, benötigen wir zuerst die Zuschnittsgröße, mit der wir uns schon im Kapitel 3.1 beschäftigt haben.
Zur Ermittlung der Bogengröße muss eine Nutzeneinteilung erstellt werden. Die Nutzeneinteilung ist abhängig von dem zur Verfügung stehenden Maschinenformat.
Für die folgende Nutzeneinteilung werden wir unsere Zuschnittsberechnung aus dem Kapitel 3.1.3 verwenden.
A/B/H Maße: 67,00 x 13,00 x 130,00
offenes Maß: 170,50 x 154,00
Faserlauf: parallel zu 170,50
Abb. 222: schematische Darstellung eines Nutzens (Quelle: Eigene Darstellung)
Zuschnittsberechnung
11,50 | 11,00 | |
0,50 | 67,00 | |
130,00 | X | 13,00 |
0,50 | 67,00 | |
11,50 | 12,50 | |
154,00 | X | 170,50 |
Aufgrund der einfachen Konstruktion (rechteckiges Außenmaß) und der unbedruckten Ausführung können wir die Nutzen Schnitt an Schnitt stellen. Für die Bestimmung des Bogenformates muss nun das offene Format der Nutzen und die Ränder addiert werden.
Abb. 223: Nutzeneinteilung (Quelle: Eigene Darstellung)
Erläuterung zur Abbildung 223:
L1 = offenes Maß parallel zum Greiferrand. Greiferrand = Papierfläche, die nicht bedruckt werden kann, weil der Greifer der Maschine an dieser Stelle das Papier festhält (je nach Maschine etwa 7 bis 15 mm).
L2 = offenes Maß quer zum Greiferrand
der Bogen beinhaltet 4 X 3 = 12 Nutzen
Bei unserer Nutzeneinteilung haben wir vier Nutzen auf der breiten Seite des Bogens und drei Nutzen auf der schmalen Seite des Bogens angeordnet.
Im folgenden Rechenschritt wird nun das offene Maß des Bogens errechnet.
Berechnung der Bogengröße
Breite Seite | Schmale Seite | |||
linker Rand | 5,00 | |||
Nutzen 1 | 170,50 | Greiferrand | 12,00 | |
Nutzen 2 | 170,50 | Nutzen 1 | 154,00 | |
Nutzen 3 | 170,50 | Nutzen 2 | 154,00 | |
Nutzen 4 | 170,50 | Nutzen 3 | 154,00 | |
Rechter Rand | 5,00 | Rand Rückseite | 5,00 | |
692,00 | X | 479,00 |
Unsere Bogengröße beträgt 692,00 mm X 479,00 mm.
Im nächsten Schritt berechnen wir den Materialabfall. Neben den Bogenrändern fällt auch zwischen den einzelnen Nutzen Abfall an.
Abb. 224: Abfall zwischen den Nutzen – Ausschnitt aus der Nutzeneinteilung (Quelle: Eigene Darstellung)
Pro Nutzen fallen zwei Abfallstreifen in der Größe von 11,50 mm x 11,00 mm an. Das Maß ergibt sich aus der Breite der Klebelasche (11,00 mm) und der Länge der Decklasche (Maß „e“ 11,50 mm).
In unserer Bogeneinteilung haben wir 4 X 3 = 12 Nutzen. Pro Nutzen haben wir 2 x 11,50 mm x 11,00 mm Abfall = 253,00 mm² und bei 12 Nutzen einen Abfall von 253,00 x 12 = 3036,00 mm² = 0,003 m².
Zur Abfallberechnung muss man zunächst die Fläche des Bogenrandes ermitteln. Dazu kommt man, wenn man von der Fläche des Bruttobogens die Fläche des Nettobogens abzieht. Das ist aber nur ein Teil des Abfalls. Dazurechnen muss man noch die Fläche der Streifen zwischen den Nutzen.
Der Abfall des Bogenrandes errechnet sich aus der
• Brutto-Bogengröße 692,00 mm x 479,00 mm = 331.468,00 mm² = 0,331 m² abzüglich der
• Netto-Bogengröße 682,00 mm x 462,00 mm = 315.084,00 mm²
Bruttobogen 331.468,00 mm²
Nettobogen - 315.084,00 mm²
16.384,00 mm² = 0,016 m²
Abfall Bogenrand: 0,016 m²
Abfall zwischen den Nutzen: 0,003 m²
0,019 m²
Bei einer Bogengröße von 0,336 m2 entsprechen 0,016 m2 Abfall ~ 4,8 %
In einem weiteren Schritt führen wir die Nutzeneinteilung und Abfallberechnung bei einer Standard-Faltschachtel durch. Durch die Form der Faltschachtel müssen die Nutzen genestet werden, um möglichst wenig Abfall zu produzieren. Den Begriff "Nesten" verwenden Packmitteltechnologen, wenn sie die Nutzen möglichst platzsparend ineinander schieben.
In der Regel werden die Einzelnutzen Schnitt an Schnitt gestellt. Eine Ausnahme davon ergibt sich dann, wenn das Maß „g“ (Seitenlasche) größer als die Hälfte des Maßes e + f + x/2 ist. In diesem Fall wird ein Zwischenschnitt benötigt („z“). Der Zwischenschnitt muss aus technischen Gründen bei Karton mindestens 3 mm betragen. Ein weiterer Grund für einen Zwischenschnitt kann die Notwendigkeit einer Farbüberfüllung sein, wenn es zwischen zwei Nutzen einen Farbübergang gibt.
Abb. 225: Breitbahn – Nutzeneinteilung durch Nesten (Quelle: Eigene Darstellung)
Ausführliche Erläuterungen, welche Faserlaufrichtung für unterschiedliche Anwendungsfälle einzusetzen ist, finden sich im Kapitel 3.1.1 Skizzen und packmittelspezifische Zeichnungen erstellen, technische Zeichnungen lesen.
Die Bogengröße ergibt sich aus L1 und L2. Zu diesem Maß müssen noch der Greiferrand, die Seitenränder und der rückwärtige Rand hinzugerechnet werden (Greiferrand - Papierfläche, die nicht bedruckt werden kann, weil Greifer der Druckmaschine an dieser Stelle das Papier festhält (je nach Maschine etwa 7 - 15 mm)). Diese Ränder sind maschinenabhängig. Bei der Nutzeneinteilung sind die Arbeitsbreiten der Produktionsmaschinen zu berücksichtigen. Die Anzahl der Nutzen soll in Abhängigkeit zur Auflagenhöhe gewählt werden. Kleine Auflage – kleines Maschinenformat; große Auflage – großes Maschinenformat. Die Lage des Greiferrandes muss definiert werden.
Wir rechnen für L1
f = Einstecklasche +
e = Decklasche +
x = Versatz +
z = Zwischenschnitt +
f = Einstecklasche +
e = Decklasche +
x = Versatz +
f = Einstecklasche +
e = Decklasche +
x = Versatz +
e = Decklasche +
= L1
Wir rechnen für L2
B-x + A + B + A + C
B-x + A + B + A + C
= L2
In einem nächsten Schritt wenden wir uns der Abfallberechnung zu. Um eine Abfallberechnung durchführen zu können, benötigen wir die Fläche der Nutzen, die wir auf dem Bogen angeordnet haben. Für diese Aufgabe gibt es zwei Möglichkeiten der Berechnung.
1) Wir zerlegen einen Nutzen in seine einzelnen Flächen und rechnen diese aus.
2) Wir platzieren die Bodenlaschen gedanklich in die Lücken der Deckellaschen. Dies ist die schnellste Methode, um herauszubekommen, wie viel Fläche die Nutzen auf einem Bogen einnehmen. Der Kleberand wird nicht berechnet, um die Toleranz (Zwischenschnitt) auszugleichen.
Mit beiden Varianten bekommen wir einen guten Näherungswert. Die Variante 2 führt aber schneller zum Ziel. Dieses Verfahren ist nur bei Konstruktionen anzuwenden, die – wie im Beispiel – genestet werden können.
Die Faltschachtel in unserem Beispiel hat ein A/B/H-Maß von 51 x 51 x 127 m.
Durch das Nesten können doppelte Maße aus der Berechnung entfernt werden.
Abb. 226: Nutzen genestet (Quelle: Eigene Darstellung)
Das Maß „C“ (Klebelasche) wird wegen der Toleranz gestrichen.
Durch das Nesten können bei der Flächenberechnung „x, e, und f“ gestrichen werden.
Um die Fläche der Konstruktion zu berechnen, werden die Maße innerhalb der roten Umrandung addiert.
Wir errechnen für einen Nutzen eine Fläche von 39275,50 mm².
Unsere Bogeneinteilung haben wir mit sechs Nutzen angelegt. Unser Nettobogen hat somit eine Fläche von 6 x 39275,5 = 235653 mm² = 0,2356 m². Um den Abfall ausrechnen zu können, benötigen wir jetzt noch die Fläche des Bruttobogens. Dazu werden die Maße in L1 und L2 addiert.
Addierung Maße L1
In unserem Rechenbeispiel beträgt der Produktionsbedingte Abfall ~ 19%
Im Folgenden beschäftigen wir uns mit der Zuschnitt-, Nutzen und Abfallberechnung. Unter Nutzen versteht man die flachliegende Verpackung. Diese Daten braucht man, um eine Verpackung kalkulieren zu können. Bei einer computergestützten Verpackungsentwicklung (CAD, computer-aided-design, CAD) fallen diese Daten automatisch als Nebenprodukt an. Bei der konventionellen Arbeit müssen die Zuschnittgröße, die Nutzeneinteilung und der Abfall rechnerisch ermittelt werden.
Um eine Nutzenberechnung durchführen zu können, benötigen wir zuerst die Zuschnittgröße. Zur Ermittlung der Bogengröße muss bei Bedarf eine Nutzeneinteilung erstellt werden. Die Nutzeneinteilung ist abhängig von dem zur Verfügung stehenden Maschinenformat und der vom Kunden angefragten Abnahmemenge.
Die Bogengröße ergibt sich aus MB und ZL zuzüglich Greiferrand, Seitenränder und rückwärtiger Rand. (Greiferrand: Der Bogen wird beim Stanzautomaten in einen „Greifer“ genommen!) Diese Ränder sind maschinenabhängig. Die Anzahl der Nutzen sollte in Abhängigkeit zur Auflagenhöhe gewählt werden. Kleine Losgrößen erfordern ein kleines Maschinenformat mit wenig Nutzen, große Auflagen verlangen große Maschinen-ormate mit vielen Nutzen. Die Lage des Greiferrandes muss definiert werden.
Im folgenden Beispiel berechnen wir den Abfall bei einem Nutzen und zum Vergleich mit zwei Nutzen. Wir verwenden einen Steckboden nach FEFCO 0215 mit einem Innenmaß von 200 x 170 x 150 mm. Wir fertigen auf einem Flachbettstanzautomaten. Die Zugaben für Greifer und den Randbeschnitten werden vom Maschinenhersteller empfohlen und von der Betriebsleitung oder Produktionsleitung festgelegt. In unserem Fall gehen wir von 20 mm Greifer- und 10 mm Randbeschnitt aus. Netto: MB 470 x ZL 784; Brutto: MB 500 x ZL 804.
Abb. 227: Bogen- und Abfallberechnung bei einem Nutzen. Zu sehen ist hier auch das Symbol für die Ausrichtung der Wellen. Nach Möglichkeit sollte immer mit stehender Welle gefertigt werden. Der Bogen beinhaltet 4 x 3 = 12 Nutzen. (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Berechnung der Bogengröße erfolgt ähnlich wie bei der Zuschnittberechnung. Die Nutzenberechnung findet statt, indem die einzelnen Flächen gelistet und dann addiert werden. Es wird von Millimeter auf Meter umgerechnet!
Bogenberechnung:
MB = Greifer + Boden + Höhe + Deckel + Einstecklasche + Randbeschnitt
MB = 20 mm + 111 mm + 158 mm + 171 mm + 30 mm + 10 mm = 500 mm
ZL = Randbeschnitt + Klebelasche + 2 x Länge + 2 x Breite + Randbeschnitt
ZL = 10 mm + 20 mm + 2 x 203 mm + 2 x 173 mm + 10 mm = 792 mm
Abfallberechnung: Um eine Abfallberechnung durchführen zu können, benötigen wir die Fläche der Nutzen, die wir auf dem Bogen angeordnet haben. Für diese Aufgabe ist es am einfachsten, wenn der Nutzen in seine einzelnen Flächen zerlegt und anschließend addiert und vom Bruttoformat abgezogen wird. So bekommen wir einen guten Näherungswert.
Berechnung der:
Bodenklappe 1 und 3: 0,203 m x 0,111 m x 2 Stück = 0,045 m²
Bodenklappe 2: 0,173 m x 0,091 m x 1 Stück x 0,5 = 0,008 m²
Bodenklappe 4: 0,173 m x 0,111 m x 1 Stück x 0,5 = 0,01 m²
Grundkörper: 0,772 m x 0,156 m = 0,120 m²
Deckel: 0,203 m x (0,171 m + 0,03 m) = 0,041 m²
Staublaschen: 0,173 m x 0,03 m x 2 St. = 0,010 m²
Gesamt netto: rund 0,234 m²
Bruttobogenberechnung: 0,500 m x 0,792 m = 0,396 m²
Abfallberechnung:
Bruttobogen – Nutzen = Abfall
0,396 m² – 0,234 m² = 0,162 m²
Diese Konstruktion verursacht rund 40 % Abfall!
Bogen- und Abfallberechnung bei zwei Nutzen
Im nächsten Schritt führen wir die Nutzeneinteilung und Abfallberechnung beim Steckboden mit Einsteckdeckel und zwei Nutzen durch. Durch die Form der Faltschachtel müssen die Nutzen ineinander gedreht werden, um möglichst wenig Abfall zu produzieren.
Die Einzelnutzen werden Schnitt an Schnitt gestellt. Eine Ausnahme davon ergibt sich dann, wenn die Notwendigkeit einer Farbüberfüllung benötigt wird, wenn es zwischen 2 Nutzen einen Farbübergang gibt. In diesem Fall müsste man einen Zwischenschnitt setzen – das ist aber fertigungstechnisch nicht praktikabel. Folgende Möglichkeiten sind denkbar:
• Man fertigt nur im Einzelnutzen.
• Man hängt den Schleppnutzen mit den Bodenklappen aneinander.
• Man dreht den Nutzen um 90° und fertigt mit liegender Welle, dann könnte ein Zwischenschnitt eingebracht werden. Das kommt sehr selten vor!
Es bleibt dann nur noch zu klären, wer den Abfall entfernt. Im modernen Betrieb wird dieser nach dem Stanzen über den automatischen Nutzentrenner getrennt, automatisch gebündelt, palettiert und in den Versand gestellt. Es bringt also einen separaten Arbeitsgang mit sich, den Zwischenschnitt zu entfernen.
Abb. 228: Nutzen auf einem Bogen (Quelle: Eigene Darstellung)
MB = Greifer + Boden + Höhe + Deckel + Einstecklasche + Staublasche + Höhe + Boden + Randbeschnitt
MB = 20 mm + 111 mm + 158 mm + 171 mm + 30 mm + 30 mm + 156 mm + 111 mm + 10 mm = 797 mm
ZL = Randbeschnitt + Klebelasche + 2 x Länge + 2 x Breite + Randbeschnitt
ZL = 10 mm + 20 mm + 2 x 203 mm + 2 x 173 mm + 10 mm = 792 mm
Abfallberechnung: Siehe oben beim Beispiel mit einem Nutzen, nur doppelt so groß. Diese Fläche ziehen wir dann wieder von der Fläche des Bruttobogens ab und erhalten so den Abfall.
Nutzenberechnung:
Bodenklappe 1 + 3: 0,203 m x 0,111 m x 2 Stück = 0,045 m²
Bodenklappe 2: 0,173 m x 0,091 m x 1 Stück x 0,5 = 0,008 m²
Bodenklappe 4: 0,173 m x 0,111 m x 1 Stück x 0,5 = 0,01 m²
Grundkörper: 0,772 m x 0,156 m = 0,120 m²
Deckel: 0,203 m x (0,171 m + 0,03 m) = 0,041 m²
Staublaschen: 0,173 m x 0,03 m x 2 St. = 0,010 m²
Gesamt netto rund: 0,234 m²
Bruttobogenberechnung: 0,797 m x 0,792 m = 0,631 m²
Bruttobogen – Nutzen = Abfall
0,631 m² - 2 x 0,234 m² = 0,163 m²
Bei zwei Nutzen haben wir einen Abfall von rund 25 %!
Zur Nutzenanordnung: In unserem Beispiel spricht man von Schleppnutzen. Je mehr Schleppnutzen, umso größer sind die Unterbrecher und umso mehr treten sie auf. Es ist darauf zu achten, wie die Maschinen ausgerüstet sind und was der Hersteller in Bezug auf Nutzenanordnungen vorschlägt. In der Regel sollte man bei Flachbettstanzen nur maximal 3 Schleppnutzen anlegen. Die einzelnen Nutzen hängen direkt aneinander und hängen mit wenigen Unterbrechern aneinander. Weitere Information entnehmen Sie dem Werkzeugbau und Stanztechnik.
Abb. 229: Nutzenanordnung: Oben (falsch) läuft die Geometrie spitz zu. Die Folge: unsaubere Schnitte in der Fertigung. (Quelle: Eigene Darstellung)
Noch ein Wort zum Werkzeugbau: Die im Beispiel gezeigten Konstruktionen sind nur Skizzen für die Veranschaulichung. Es ist davon abzuraten, bei eingedrehten Nutzenanordnungen einen Radius auf eine Gerade treffen zu lassen. Während des Stanzprozesses treten enorme Kräfte auf. Mit der Zeit biegen sich diese Messer auf und es entsteht ein unerwünschter Unterbrecher. Die Messer im Werkzeug sollten immer stumpf zusammenlaufen; keine spitz zulaufenden Geometrien!
Allgemeine Problematik
Die genaue Vorabbestimmung der Formatgrößen für Ventil-Großsäcke stellt nach wie vor ein Problem dar. Theoretisch nimmt sowohl der Kreuzboden-Ventilsack als auch der genähte Ventilsack in gefülltem Zustand eine Quaderform an. Es zeigt sich jedoch, dass die Volumenberechnung „Breite x Länge x Bodenbreite“ nur bei extrem kleinen Formaten – und auch dort nur annähernd – stimmt. Großflächige Säcke zeigen im gefüllten Zustand Bauchbildungen, die rechnerisch nicht ohne weiteres erfasst werden können. Dies gilt besonders dann, wenn sie breite Böden oder tiefe Seitenfalten haben.
Reihenuntersuchungen über das Füllverhalten für viele verschiedene Sackabmessungen haben gezeigt, dass man einer passenden Volumenberechnung näher kommt, wenn man sich den gefüllten stehenden Sack als elliptische Säule mit einer scheinbaren Säulenhöhe vorstellt. Vor endgültiger Formatfeststellung sind allerdings stets Füllversuche mit dem wirklichen Füllgut und der zur Verwendung kommenden Füllanlage durchzuführen. Bei theoretisch gleichem spezifischem Gewicht kann der Verdichtungsgrad je nach Art der Füllanlage das „Schüttgewicht“ erheblich beeinflussen.
Berechnung von Volumina und Abmessungen bei Säcken
Für die Berechnung des Volumens und der Abmessungen bei Säcken wurden in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe „Säcke und Sackmaterialien“ am Fraunhofer-Institut für Lebensmitteltechnologie und Verpackung in München folgende Merkblätter entwickelt:
Maßangaben für die Bestellung
Grundsätzlich werden die Außenmaße des flachliegenden, ungefüllten Sackes angegeben.
Die zu vereinbarenden Maße sind in mm anzugeben.
Bemerkungen
Bei Form A1, A3 und B1:
Messen der Sacklänge l₁ im Anlieferungszustand und nach Umklappen der Böden um die Bodenfaltkante (180°). Bei unterschiedlichen Sackbodenbreiten sind diese getrennt anzugeben.
Offene geklebte Kreuzbodensäcke (OK)
Offene geklebte Kreuzbodensäcke (OK) sind Papier- oder Kunststoffsäcke, die aus einem Flachschlauch durch Bildung eines Kreuzbodens am unteren Schlauchende entstehen. Der OK-Sack wird vornehmlich da eingesetzt, wo an die Standfestigkeit des Sackes größere Anforderungen gestellt werden. Da er eine große Füllöffnung besitzt, ist er für automatische Abfüllanlagen geeignet. Nach dem Füllen wird der OK-Sack meist zugenäht. Der OK-Sack erhält dadurch eine Keilform und ist deswegen weniger gut für die Palettierung geeignet.
Formen und Bezeichnungen von Sackarten
Offene Säcke
Form A 1 Kreuzbodensack
geklebt (K) DIN 55460 - A1 – K DIN ISO 6591/1
Die Rollenbreite bR wird bestimmt aus der Sackbreite b₁, und der Klebelasche m, also
bR = 2 x b₁ + m
Die Klebelasche schwankt je nach Größe der herzustellenden Säcke zwischen 15 und 20 mm.
Die Schlauchabschnittlänge sl₁ wird bestimmt aus der Sacklänge l₁, der Bodenbreite b₂ und der Bodenüberlappung ü₂, also
Die Überlappung beträgt 40 mm.
Abb. 230: Form A 1 Kreuzbodensack (Quelle: Eigene Darstellung)
Form A 2 Faltensack
geklebt (K) oder geschweißt (S)
Dies sind Papier- oder Kunststoffsäcke, die aus einem Faltenschlauch entstehen, in dem die untere Schnittkante unter Verwendung eines Kreppstreifens oder beschichteten Abdichtungsstreifens (Reiterband) abgenäht werden. Kunststoffsäcke werden an der unteren Schnittkante verschweißt. Kunststoffsäcke können aus Schlauch oder Flachfolie hergestellt werden.
Die Rollenbreite bR wird bestimmt aus Sackbreite b₁, Faltentiefe b₃ und der Klebelasche m, also
bR = 2 x b₁ + 4 x b₃ + m
Die Schlauchlänge sl₁ ist gleich der Sacklänge l₁.
Bezeichnung eines offenen Sackes Form A 2 genäht (N) oder geschweißt (S)
Sack DIN 55460 - A2 - N beziehungsweise A2 - S DIN ISO 6591/1
Abb. 231: Form A 2 Faltensack (Quelle: Eigene Darstellung)
Form A 3 Blockbodensack
geklebt (K)
Der Blockbodensack ist wie ein Blockbodenbeutel mit zwei Seitenfalten und mit gefaltetem rechtwinkligen Boden gefertigt. Er wird meist zusätzlich mit einem Bodenblatt versehen.
Rollenbreite bR, wird bestimmt aus Sackbreite b₁, Faltentiefe b₃ und der Klebelasche m, also
bR = 2 x b₁ + 4 x b₃ + m
Die Klebelasche schwankt je nach Größe zwischen 15 und 20 mm. Die Schlauchabschnittlänge sl₁ wird bestimmt aus der Sacklänge l₁, der Bodenbreite b₂ und der Bodenüberlappung ü₂, also
Die Überlappung beträgt 40 mm.
Bezeichnung eines offenen Sackes Form A 3, geklebt (K):
DIN 55460-A3-K
DIN ISO 6591/1
Abb. 232: Form A 3 Blockbodensack (Quelle: Eigene Darstellung)
Form A 4 Flachsack
genäht (N) oder geschweißt (S)
Flachsäcke unterscheiden sich von Faltensäcken dadurch, dass der Schlauch keine Seitenfalten hat (im gefüllten Zustand kistenförmig). Die Fertigung ist der Faltensackherstellung gleichzusetzen.
Die Rollenbreite bR wird bestimmt aus Sackbreite b₁ und der Klebelasche m, also
bR = 2 x b₁ + m
Die Klebelasche beträgt zwischen 15 und 20 mm. Die Schlauchlänge sl₁ ist gleich der Sacklänge l₁.
Bezeichnung eines offenen Sackes Form A 4, genäht (N)
DIN 55460-A4-N
A4-S
DIN ISO 6591/1
Abb. 233: Form A 4 Flachsack (Quelle: Eigene Darstellung)
Falzbodensack als Seitenfaltensack
Der offene geklebte Falzbodensack wird aus einem Seitenfaltenschlauch im Staffelschnittverfahren hergestellt. Auf speziellen Falzbodenmaschinen wird der Falzbodensack mit einem geklebten Boden versehen.
Durch diese Anordnung entsteht beim Füllen eine Bodenbildung. Der Falzbodensack kann mit einer Verschlussklappe (p), die nach dem Befüllen meistens durch Hotmelt-Verklebung verschlossen wird oder bei gerade geschnittenem Füllrand, der nach dem Befüllen abgenäht wird, gefertigt werden.
Offener, geklebter Falzbodenfaltensack nach DIN ISO 6591/1 (nur Papiersäcke)
Die Rollenbreite bR wird wie bei den Seitenfaltensäcken berechnet. Die Schlauchlänge sl₁ wird bestimmt aus der Sacklänge l₁ und des Staffelschnittversatzes Mv, also
sl₁ = l₁ + Mv
Die Staffelschnittlänge ist gleich der Sacklänge l₁, also
ls₁ = l₁
Abb. 234: Falzbodensack als Seitenfaltensack (Quelle: Eigene Darstellung)
Falzbodensack als Flachsack
Der Falzbodensack als Flachsack unterscheidet sich vom Seitenfaltensack dadurch, dass er als Flachschlauch ebenfalls im Staffelschnitt gefertigt wird. Die Rollenbreite bR wird wie bei den Flachsäcken gerechnet. Die Staffelschnittlänge ist gleich der Berechnung der Falzbodenseitenfaltensäcke.
Offener geklebter Falzbodenflachsack nach DIN ISO 6591/1 (nur Papiersäcke)
Ventilbodensäcke nach DIN ISO 6591
Geklebter Ventilbodensack, Form B 1
(VK, VKST)
Abb. 235: Falzbodensack als Flachsack (Quelle: Eigene Darstellung)
Der hierzulande am häufigsten anzutreffende Ventilsacktyp ist der gekiebte Ventilbodensack. Er ist im Hinblick auf die Bodenkonstruktion ein Kreuzbodensack besonderer Art. Seine typischen Merkmale sind der gekiebte Boden sowohl auf der Fuß- als auch auf der Kopfseite des Sackes sowie das Vorhandensein einer Füllöffnung: das Ventil. Diese Einrichtung ermöglicht bei mechanischer Verpackung von Massenfüllgütern hohe Abfüll-Leistungen. Durch spezielle, der Natur des Füllgutes angepasste Ventilkonstruktionen werden Streuverluste weitgehend vermieden.
Die kastenförmige Gestalt des Sackes gewährleistet wegen der gleichmäßigen Spannungsverteilung innerhalb des Materialgefüges gute Haltbarkeit und bietet günstige Stapelmöglichkeiten.
Ventilsäcke bilden nicht nur mengenmäßig den größten Anteil des westdeutschen Sackaufkommens, sie weisen auch die meisten Spielarten von Konstruktionsformen auf. Ein besonderes Kennzeichen stellt hierbei die Ventilausführung dar. Abgesehen davon, dass die Ventilöffnung nach Belieben an einer der vier Ecken des Sackes untergebracht werden kann, kommen verschiedene Ventilformen in Betracht.
Abb. 236: geklebter Ventilbodensack (Quelle: Eigene Darstellung)
Eine Besonderheit stellt der in den Sackboden eingelegte Aufreißfaden dar, der von manchen Abnehmern gewünscht wird. Er ermöglicht das schnelle Öffnen des Sackes zur Entnahme des Füllgutes, ohne be- sondere Werkzeuge zu benötigen.
Bezeichnung eines Ventilsackes (VK)
Form B 1 geklebt (K)
DIN 55460-B1-K
DIN ISO 6591/1
Die Rollenbreite bR wird bestimmt aus der Sackbreite b₁ und der Klebelasche m,
also bR = 2 x b1 + m
Die Klebelasche m schwankt je nach Materialausstattung zwischen 15 und 20 mm. Ventilsäcke aus Kunststoff können auch aus Schlauchmaterial gefertigt werden. Hier entfällt die Klebelasche m.
Die Schlauchabschnittlänge sl₁ wird bestimmt aus der Sacklänge l₁ der Stand- und Ventilbodenbreite b₂ und b₄ und der Überlappung der Böden ü₂ und ü₄, also
Die Bodenüberlappung beträgt je Boden 40 mm. Bei Kunststoff-Ventilsäcken beträgt die Bodenüberlappung je Boden 20 mm. Aus Gründen der Materialeinsparung können Kunststoff-Ventilsäcke in bestimmten Fällen auch ohne Bodenüberlappung gefertigt werden. Die Festigkeit der Böden wird durch das Bodendeckblatt erreicht.
Bezeichnung eines Ventilsackes (VKST)
Form B 1 geklebt (K)
DIN 55460-B1-K DIN lSO 6591/1
(nur Papiersäcke)
Die Rollenbreite bR und die Schlauchlänge sl₁ errechnen sich wie bei einem VK-Sack.
Die Überlappung der Böden ist von der Breite der Staffelung
bst = Messerversatz M abhängig.
Zum Beispiel 40er-Staffelung = 40 : 2 X 3 = 60 mm Überlappung.
Die Staffelschnittlänge lst wird bestimmt durch die Schlauchlänge sl₁ – Messerversatz M.
also lst = sl₁ – M
Konstruktive Eigenarten von Säcken
Ein wesentliches Merkmal des Papiersackes ist die Möglichkeit der Zusammenstellung der Sackwandung beziehungsweise des Schlauches aus mehreren Lagen Kraftsackpapier kombiniert mit anderen geeigneten flexiblen Materialien. Normalerweise bewegt sich die Anzahl der Lagen zwischen zwei und sechs. In den USA spricht man aus diesem Grunde von „multiwall bags“ oder häufiger von „multiwalls“. In dieser Bezeichnung kommt zum Ausdruck, dass ein Papiersack üblicherweise ein System aus mehreren ineinander geschachtelten Säcken darstellt.
Jede der einzeInen Lagen nimmt einen Teil der Beanspruchung auf, der der Sack während des Gebrauchs ausgesetzt ist. Es liegt dieser Konstruktionsidee folgende Erfahrungstatsache zugrunde: Ein aus mehreren Lagen bestehender Sack hat bessere Festigkeitseigenschaften als ein Sack mit geringerer Lagenzahl bei sonst gleichen Papiereigenschaften und übereinstimmendem summarischem Flächengewicht. Der Zahlen- ausdruck, der angibt, um wie viel ein Papiersack die Falltisch-Prüfung besser übersteht als ein Sack mit gleicher statischer Papierfestigkeit, aber geringerer Lagenzahl, wird als Lagenfaktor bezeichnet.
Das Vorhandensein mehrerer Papierlagen bietet die Voraussetzung zur Ausführung einer besonderen Bodenkonstruktion für gekiebte Ventilsäcke. Die einzeInen Lagen des Papierschlauches werden hierbei gegeneinander versetzt, so dass sie in gestaffelter Folge auf dem Bodenleger verklebt werden können. Es entsteht so ein Sack mit gestaffelter Bodenklebung, der sogenannte „Staffelsack“. Dieser Sack zeichnet sich durch besondere Festigkeit und Dichtigkeit des Bodens aus. Ein weiterer Vorteil dieser Sackkonstruktion ist die damit verbundene Papiereinsparung.
Bei Geradschnittsäcken ist in Richtung der Sackachse (Längsrichtung) in den Böden jeweils die äußere Papierlage der unten liegenden Bodenklappe mit der inneren Papierlage der oben liegenden Bodenklappe verklebt (Lastverteilung durch Querklebung). Es wird immer ein Bodendeckblatt aufgebracht.
Beim Staffelbodensack sind die einzeInen Papierlagen auch in Richtung Sackachse (Längsrichtung) in den Böden gestaffelt, so dass die Lastverteilung auf die einzeInen Lagen durch Verklebung jeder Lage mit sich selbst erreicht wird (größere Festigkeit und Dichtigkeit der Böden). Ein Bodendeckblatt kann entfallen.
Abb. 237: Geradschnittsack und Staffelbodensack (rechts). Gut ist hier die versetzte Verklebung der Lagen zu erkennen, die den Boden besonders fest und dicht machen. (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 238: Anordnung der Formelzeichen am Ventilsack (VK beziehungsweise VKST) (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 239: geometrische Anordnung der einzelnen Papierbahnen des Staffelschnittschlauches – von außen angeordnet (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 240: zusammengelegte Staffelschnittbahnen – von innen angeordnet (Quelle: Eigene Darstellung)
Ventilanordnung – Längsnaht – Lage der Böden
Die folgenden Kennzeichnungen gelten für geklebte Ventilbodensäcke aus Papier oder Kunststofffolien.
Der Ventilsack soll so auf seiner Längsnaht liegen, dass diese sich von oben gesehen in der rechten Sackhälfte befindet. Die Ventilstellung wird als oben oder unten und links oder rechts – wie dargestellt – bezeichnet. Geklebte Ventilbodensäcke können so gefertigt werden, dass die Böden zur Rückseite (= die Seite mit Längsnaht) oder zur Vorderseite (= die Seite ohne Längsnaht) umgelegt sind.
Diese Kennzeichnung bleibt von der Lage des Aufdruckes, falls vorhanden, unberührt. Nicht alle Ventilausführungen können in allen Stellungen angebracht werden.
Abb. 241: Darstellung der Ventilanordnung und der Längsnaht an einem Ventilsack (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Klebung der Papiersäcke
Die Klebung der Papierbahn zum Schlauch wird als Längsklebung bezeichnet. Sie soll bei den Zwischenbahnen und der Innenlage in der Mitte der Überlappung angebracht werden, bei der Außenlage aber möglichst dicht am äußeren Rand. Etwa 10 mm vor dem Schlauchende soll sie aufhören, damit kein Klebstoff herausgedrückt werden kann. Denn die Schläuche sollen nicht untereinander zusammenkleben.
Die Querklebung verbindet die einzeInen Lagen eines Schlauchendes miteinander. Bei Geradschnittschläuchen überträgt sie die Belastung auf die einzeInen Papierlagen im Bereich der Böden. Sie muss deshalb in der Bodenüberlappung liegen. Die Querklebung wird als Rundumklebung ausgebildet, der Klebstoff wird hierbei punktförmig aufgetragen. Auf diese Weise wird verhindert, dass Füllgut zwischen
die einzeInen Lagen gerät.
Bei Staffelbodensäcken hat die Querklebung lediglich die Aufgabe, die einzeInen Lagen zusammenzuhalten, damit sich der Schlauch auf den Bodenlegern aufziehen lässt. Die negativ gestaffelten Bodenecken werden aber verklebt, um ein Eindringen des Füllgutes zwischen die einzeInen Lagen auszuschließen. Auf den positiv gestaffelten Bodenecken muss das Ventil eingeklebt werden.
Durch die Bodenklebung wird der Papiersack an einem (bei OK) oder an beiden Enden (bei VK) geschlossen. Sie muss besonders haltbar und dicht sein.
Geradschnitt: Beim Geradschnittsack verläuft sie im Bereich der Überlappung als etwa 20 mm breiter
Streifen, dem sich die Klebeflächen für die Verklebung an den Eckeneinschlägen anschließen.
Staffelschnitt: Bei Staffelschnittsäcken wird die Bodenklebung auf den Bodenklappen in Breite der Staffelung aufgetragen. Die Bodenecken dagegen werden wie beim Geradschnittsack vollflächig angeleimt.
Mit der Deckblattverklebung wird das Bodendeckblatt auf dem Boden befestigt. Sie wird im Regelfall streifenförmig ausgeführt.
Ventilarten
Die Ventilausrüstung (Ventilart) ist abhängig vom Füllgut, dem Format der Verpackung, der Abpackmaschine mit den nachgeschalteten Transporteinrichtungen sowie von der Länge des Transportweges, den der gefüllte Sack zurücklegen muss, und der voraussichtlichen Lagerzeit.
Für billige Massengüter wie Baustoffe verwendet man normalerweise keinen besonderen Ventileinsatz. Der Ventilboden wird mit einem Ventilverstärkungsblatt gegen Einreißen beim Füllvorgang geschützt.
Diese Ventilausrüstung nennt man auch verstärktes Ventil. Der Verschluss des Ventils erfolgt durch den nicht verklebten Eckeneinschlag, der beim Abwurf von der Füllmaschine vom Füllgut gegen den Ventilboden gedrückt wird.
Man verwendet dafür geschmeidigere Papiere wie Leichtkrepp- oder Clupak-Papiere. Durch einen Umschlag an der Füllöffnung kann diese Ventilform verstärkt werden.
Für hochwertige Füllgüter wurden im Lauf der 60er-Jahre verschiedene Formen von Fransenventilen entwickelt. Sie gleichen in der Grundform einem Schlauchventil mit an der Füllöffnung liegendem Umschlag.
Abb. 242: Darstellung eines Fransenventils (Quelle: Eigene Darstellung)
Der in das Sackinnere ragende Teil des Schlauches ist mit unterschiedlichen – maximal 70 mm langen – Einschnitten versehen, die wiederum unterschiedliche Abstände haben können. Die so entstehenden
Fransen verbessern die Dichtigkeit eines solchen Ventils. Besteht der Ventileinsatz aus zwei Lagen Papier, so spricht man von einem Doppelfransenventil.
Außentaschenventil
Eine absolut dichte Ausführung, allerdings mit manueller Handhabung nach der Befüllung, ist die Außenmanschette mit Einschlagtasche, auch Taschenmanschette genannt. Diese Ventilausführung besteht aus einem schlauchförmigen Teil, der am inneren Ende mit einem nach außen liegenden Umschlag versehen ist. Das Ventil ist am Umschlag unten mit dem Eckeneinschlag und oben mit dem Ventilboden verklebt, so dass durch den Umschlag eine Tasche entsteht, in die der nach außen stehende Teil des Ventils nach dem Füllvorgang eingefaltet wird.
Abb. 243: Schematische Darstellung eines Außentaschenventils (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 244: schmales Außentaschenventil in breitem Boden (Quelle: Eigene Darstellung)
Durch den Ventilzettelapparat (1) wird ein gefalztes Blatt als Scharnier in den offenen Boden eingelegt. Ventilzettelapparat (2) klebt den längsgeklebten Schlauchabschnitt auf das Scharnier. Auf Wunsch kann
ein Daumenloch eingestanzt werden.
Abb. 245: Schlauchventil mit umgefalzter Vorderkante (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 246: Polyethylen-Ventil (Quelle: Eigene Darstellung)
Dieses Ventil besteht aus je einer Lage Papier und Polyethylen. Sie werden zueinander verzogen, gefalzt und in den geöffneten Sackboden geklebt. Der in den Sack ragende Polyethylenschlauch bietet durch seine Elastizität eine sehr gute Abdichtung, die Papiermanschette stabilisiert die Einfüllöffnung.
Polyethylen-Schlauchventil
Zunehmende Bedeutung erfährt das Polyethylen-Innenschlauchventil in allen seinen Abwandlungen als gut schließende Ventilausrüstung. Auf den PE-Schlauch wird ein Papierblatt als Verstärkung des
Ventilbodens des Sackes sowie als Führung und Stabilisator der Ventilausrüstung selber so aufgeklebt, dass der in das Sackinnere ragende Schnittrand des PE Schlauches frei beweglich bleibt.
Abb. 247: Polyethylen-Innenschlauchventil (Quelle: Eigene Darstellung)
TV-Ventil (Thermoverschluss)
Um höchste Anforderungen an dichte Ventilverpackungen zu erfüllen, wurde ein Ventil entwickelt, das – nach dem Füllen des Sackes durch Heißluft aktiviert und zusammengepresst – einen dichten Verschluss
garantiert. Füllgutreste auf den Innenflächen des Ventilschlauches werden von der Spezialbeschichtung absorbiert.
Abb. 248: Thermoverschlussventil (Quelle: Eigene Darstellung)
Bodendeckblatt für Papier- und Kunststoffsäcke
Um bei Papiersäcken höhere Festigkeit der Bodenfläche und eine größere Dichtigkeit der geklebten Böden zu erreichen, kann mit einer entsprechenden Einrichtung am Ventilbodenleger ein Bodendeckblatt
auf den fertigen Boden aufgebracht werden. Geklebte Kunststoffsäcke müssen mit einem Bodendeckblatt versehen werden, damit die Festigkeit und Dichtigkeit der Böden gewährleistet ist. Die Böden bei geklebten Kunststoffsäcken können aus fertigungstechnischen Gründen nicht mit einer Bodenlängsklebung versehen werden. Nur durch Aufkleben eines Deckblattes erreicht man die geforderte Festigkeit der Böden.
Abb. 249: Zeichnung Bodendeckblatt für Papier- und Kunststoffsäcke (Quelle: Eigene Darstellung)
3.4.1 Auswahl- und Gestaltungsgrundsätze (Karton und Vollpappe)
In diesem Kapitel wollen wir uns das Material und die Konstruktion in Abhängigkeit vom Produkt näher betrachten. Jedes Produkt – ob Schrauben oder Pralinen – hat ein eigenes Anforderungsprofil. In folgender Matrix sind beispielhaft einige Marktsegmente und Anforderungsprofile gelistet. Ein Marktsegment ist eine
Gruppe zusammengehöriger Bereiche des Gesamtmarktes – zum Beispiel Lebensmittelverpackungen. Eine Matrix informiert sehr schnell darüber, welche konstruktiven Voraussetzungen eine Verpackung für unterschiedliche Marktsegmente haben muss. Je nach Anforderung kann diese Tabelle mehr oder weniger umfangreich sein.
Abb. 250: Matrix eines Anforderungsprofils (Quelle: Eigene Darstellung)
Als Beispiel gleichen wir das Marktsegment „SB-Verpackung“ mit unserem Anforderungsprofil ab.
a) Originalitätsverschluss:
Diese Konstruktion lässt erkennen, ob eine Verpackung schon geöffnet wurde. Dies ist vor allem im SB-Bereich (SB = Selbstbedienung) sehr wichtig (Verschmutzung/Vollständigkeit des Inhaltes einer Verpackung).
b) Stapelfähigkeit:
Wenn Verpackungen mit Waren beim Kunden gestapelt werden sollen, schließt das Kissenpackungen oder Blisterkarten aus. Unter „Kissenpackung“ versteht man Verpackungen in Linsenform.
c) Staubdichtigkeit:
Großformatige Verpackungen benötigen dazu unter Umständen einen Klebeverschluss. Vorhandene Fensterausstanzungen müssen mit Folie hinterklebt sein.
Um die optimale Verpackung für ein Produkt zu finden, bietet sich ein Abgleich des Anforderungsprofils mit Konstruktionen aus dem ECMA-Katalog an.
Nachfolgend erarbeiten wir an einem weiteren Beispiel die Abstimmung zwischen Konstruktion und Anforderungsprofil. Ein Kunde aus der Pharmaindustrie benötigt eine Verpackung für sechs Ampullen mit je 5 ml Inhalt sowie einer Packungsbeilage. Geforderte Auflage: eine Million Packungen jährlich. Die Ampullen sind OTC-Präparate und sollen über Discounter vertrieben werden. (OTC-Präparat = „Over the counter“ = „über die Verkaufstheke“ = Arzneimittel, die man ohne Rezept kaufen kann.)
Anforderungsprofil: bruchsicher, Produkttrennung, Fach für die Packungsbeilage, Originalitätsverschluss, staubdicht, stapelbar. Im folgenden Schritt wollen wir das Anforderungsprofil mit Konstruktionen aus dem ECMA-Code abgleichen.
Abb. 251: Anforderungsprofil Baugruppen
Beispielhaftes Anforderungsprofil für die Medikamentenverpackung. Kreuzchen markieren die Kriterien, die die einzelnen Baugruppen der Verpackung erfüllen müssen. (Quelle: Eigene Darstellung)
Grundsätzlich ist bei einer Auflagenhöhe von 1 Mio. Stück p.a. eine automatisierte Konfektionierung vorgegeben. Pro Jahr wird auch oft p.a. abgekürzt (lateinisch für pro anno). Mio. = Million. Baugruppen C, D, F und E (ECMA) schließen wir aus, da diese nicht über Standardmaschinen zu konfektionieren sind.
Mit der Baugruppe „A“ und einer Variablen der Baugruppe „F“ kann das Anforderungsprofil Staubdichtigkeit, Originalität, Produkttrennung, Stapelfähigkeit, Bruchsicherheit und automatisierte Konfektionierung erfüllt werden.
Abb. 252: Baugruppen A und F (unter den Bildern sehen Sie die ECMA-Codes) (Quelle: Eigene Darstellung)
Vor der Konstruktion steht die Frage: Wie können die Vorgaben verpackungstechnisch umgesetzt werden? Welche Kriterien aus dem Anforderungsprofil können mit dieser Konstruktion erfüllt werden?
Bruchsicherheit = Hohe Stabilität durch verklebte Laschen
Produkttrennung = Trennstege für Ampullen und Packungsbeilage
Originalität = verklebte Bodenlaschen, Deckel mit geklebtem Originalitätsverschluss
Staubdicht = verklebte Laschen
Stapelbar = durch verklebte Laschen hohe Belastbarkeit (Stauchdruck)
Aus den Vorgaben werden konstruktive Lösungen. Diese ist hier zum einen flachliegend und zum anderen konfektioniert zu sehen:
Abb. 253: Lösungsvorschlag im offenen Zuschnitt (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 254: Lösungsvorschlag konfektioniert (Quelle: Eigene Darstellung)
Der herausstehende „Zipfel“ ist die Lasche für den Originalitätsverschluss. Dieser wird nach dem Konfektionieren mit dem Deckel verklebt.
Die Auswahl einer Verpackung wird in der Regel ein Kompromiss sein. Neben den Anforderungen an die Konstruktion selbst sind auch Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit von Bedeutung. Nachhaltigkeit in der Verpackungsentwicklung drückt sich in einem verantwortungsvollen Umgang mit den Ressourcen aus – zum Beispiel Karton. Zur Nachhaltigkeit gehört auch eine schlanke Produktion.
Wir fassen zusammen:
• Um eine optimale Verpackung entwickeln zu können, muss zuerst ein Anforderungsprofil erstellt werden.
• Das Anforderungsprofil muss alle wichtigen Details der Kundenanforderung enthalten.
• Nach der Erstellung des Anforderungsprofils kann mithilfe des ECMA-Kataloges eine Vorauswahl getroffen werden.
• Neben den im ECMA-Katalog gezeigten Baugruppen gibt es eine Vielzahl von Variablen.
• Baugruppen können in der Regel auch untereinander kombiniert werden.
In diesem Kapitel betrachten wir das Material und die Konstruktion in Abhängigkeit vom Produkt näher. Jedes Produkt, ob Flasche oder Laptop, hat ein eigenes Anforderungsprofil. In folgender Matrix sind als Beispiel einige Marktsegmente und Anforderungsprofile gelistet. Je nach Anforderung kann diese Tabelle mehr oder weniger umfangreich sein. Unter Marktsegment ist eine Gruppe zusammengehöriger Bereiche des Gesamtmarktes zu verstehen – zum Beispiel Lebensmittelverpackungen.
Abb. 255: Anforderungsprofil – die Kreuze in der Matrix markieren geforderte Eigenschaften einer Verpackung. Erklärung zu ESD = Schutzbeschichtung – zum Beispiel antistatischer Noppenschaum
(Quelle: Eigene Darstellung)
Als Beispiel gleichen wir das Marktsegment SB-Verpackung mit unserem
Anforderungsprofil ab.
a) Originalitätsverschluss
Konstruktion, die erkennen lässt, ob eine Verpackung schon geöffnet wurde. Im SB-Bereich ist das sehr wichtig (Verschmutzung/Vollständigkeit). (SB = Selbstbedienung)
b) Stapelfähigkeit
Schließt Kissenpackungen oder Blisterkarten aus. (Kissenpackungen = Verpackungen in Linsenform.)
c) Staubdicht
Großformatige Verpackungen benötigen dazu unter Umständen einen Klebeverschluss. Vorhandene Fensterausstanzungen müssen mit Folie hinterklebt sein.
Um die optimale Verpackung für ein Produkt zu finden, bietet sich ein Abgleich des Anforderungsprofils mit Konstruktionen aus dem FEFCO-Katalog an.
Nachfolgend erarbeiten wir an einem weiteren Beispiel die Abstimmung zwischen Konstruktion und Anforderungsprofil. Ein Kunde aus der Spielzeugindustrie benötigt eine Verpackung für einen hochwertigen Spielzeugteddybären. Die Größe liegt bei 200 x 150 x 300 mm und wiegt rund 500 Gramm. Der Teddy soll in eine Präsentationsverpackung. Die Verpackungen sollen übereinander gestapelt werden können – und man soll so viel wie möglich von dem Spielzeug sehen können. Die Auflage liegt bei 50.000 St. p.a. (pro Jahr).
Anforderung des Kunden:
Produktfixierung, Packungsbeilage, Originalitätsverschluss, staubdicht, stapelbar, Fensterhinterklebung so groß wie möglich, schnelles Abpacken, Verkaufsverpackung.
Anforderungsprofil und Verpackungslösung:
• Produktfixierung: separate Einlage zur Fixierung des Teddys – er wird kundenseitig am Hals mit einer dünnen Kordel mit der Einlage verbunden.
• Packungsbeilage: Die Packungsbeilage/Informationsblatt kann zwischen Einlage und Umverpackung gepackt werden. Wir lassen hier 3 mm Platz.
• Originalitätsverschluss: Die Verpackung erhält einen Einsteckdeckel mit Gegenverriegelung. Für den Originalitätsverschluss muss der Kunde selbst in Form eines Haftetiketts sorgen. Beim Öffnen muss das zerstört werden.
• Stapelbar: Eine E-Welle der Qualität 1.20 sollte genügen, wir haben zur Verstärkung eine Einlage, an der der Bär befestigt wird.
• Staubdicht: Vollständige Staubdichtigkeit lässt sich mit Wellpappe wohl nicht ganz erreichen. Sie wird jedoch so gut wie möglich gewährleistet.
• Fensterhinterklebung: Wir bringen ein Fenster ein, das so groß wie möglich ist, und hinterkleben es mit einer Folie.
• Schnelles Abpacken bei großer Abnahmemenge: Wir verwenden einen Automatikboden mit Einsteckdeckel.
• Verkaufsverpackung: Zum Einsatz kommt eine E-Welle. Diese bringt für dieses Produkt die nötige Stabilität mit. Sie ist für das Produkt entsprechend filigran und lässt sich mit einem Offset-Druck ausstatten.
Wir wählen den FEFCO 0713 mit einer Einlage. Er erfüllt die meisten Punkte und ist für diese Dimensionen gut geeignet.
Für unseren Fall wählen wir eine Einlage, die die drei großen Flächen im Inneren der Schachtel voll auskleidet. Der Kunde kann hier die Faltschachtel vollflächig werbewirksam mit einer Kulisse bedrucken lassen. Dies setzt jedoch voraus, dass bei dieser Verpackungsausführung von der Druckseite gestanzt wird. Will man wie üblich von hinten stanzen, so muss die Zeichnung gekontert werden. Der Bär kann mit einer Kordel, die durch zwei Löcher gefädelt wird, fixiert werden.
Abb. 256: FEFCO 0713 (Quelle: Eigene Darstellung)
Für die Fensterhinterklebung wird PET verwendet. Hier reicht eine Materialstärke von 0,2 mm. Da das Fenster über das Eck geht, sollte die Folie im Bereich der Rillung mit einem Entlastungsschlitz gestanzt werden.
Abb. 257: Die Folie sollte im Bereich der Rillung mit einem Entlastungsschlitz gestanzt werden. (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Umverpackung mit der Form des FEFCO 0713 bietet sich deshalb so gut an, weil er bereits vorgeklebt an den Kunden versendet werden kann. Er ist mit einem Handgriff aufzufalten und zu bestücken. Merke: Rahmen für Fenster nicht zu knapp wählen und definierte Faltung gewährleisten.
Abb. 258: Verpackung auf Basis des FEFCO 0713. Aufrichte-Schachteln des FEFCO-Typ 07 bestehen im Prinzip aus einem Stück, sind vom Hersteller vorgegeklebt, werden flach geliefert und sind durch einfaches Aufrichten fertig zum Gebrauch. (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Gegenverriegelung hält den Deckel verschlossen. Für den Verkauf im Einzelhandel muss jedoch noch ein Originalitätssiegel angebracht werden. Der Teddy ist durch das große Fenster gut zu sehen. Die Einlage bildet im Hintergrund eine Kulisse. Das PET-Fenster bietet Schutz vor dem Eingreifen und somit davor, dass die Ware im SB-Bereich zum Beispiel durch Anfassen oder Staub verschmutzt werden könnte.
Besonderheit beim Fenster einer solchen Präsentationsverpackung: Bei einem derart großen Fenster muss mit dem Werkzeugbau und dem Maschinenführer gesprochen werden. Die Linien, die auf der FKM um 180° umgeschlagen werden, müssen hundertprozentig gut falten. Der Rand darf nicht zu klein ausfallen, da beim Faltprozess der Karton im Bereich des Fensters abknicken kann.
Klassische Fehler bei der Verpackungsentwicklung und Berechnung (1):
FEFCO 0201: Normalerweise werden Faltschachteln immer mit Länge, Breite und Höhe angefragt. Es kommt jedoch oft vor, dass der Kunde die Maße vertauscht. Das kann große Auswirkungen auf die Materialberechnung und somit auf den Preis haben. Im Interesse eines verantwortungsvollen Umgangs mit Ressourcen ist es wichtig, Kundenangaben immer zu prüfen, um Verschwendung zu vermeiden und schlank zu produzieren.
Abb. 259: Beispiel einer falschen Angabe beim FEFCO 0201 – 150 x 400 x 300 mm (Quelle: Eigene Darstellung)
Boden- und Deckelklappen werden anhand des zweiten Maßes berechnet. Zu große Deckelklappen wie in Abb. 259 sind die Folge, die sich in diesem Fall nicht einmal schließen lassen. Außerdem wäre unsere
Faltschachtel viel teurer als ein normal gerechneter.
Abb. 260: Beispiel einer korrekten Angabe beim FEFCO 0201 – 400 x 150 x 300 mm (Quelle: Eigene Darstellung)
Beispielrechnungen des Materialverbrauchs bei falscher und korrekter Materialangabe
Falsche Angabe
1,142 x 0,710 m = 0,811 m²
Richtige Angabe
1,142x 0,46 m = 0,525 m²
Differenz pro Stück: 0,286 m² weniger Material! Bei einer Auflage von 10.000 Stück würde eine ungeprüft übernommene falsche Angabe somit 2.860 m² an Material verschwenden!
Klassische Fehler bei der Verpackungsentwicklung und Berechnung (2):
Ihr Kunde bestellt einen FEFCO 0427 ohne Staublaschen mit den Maßen 600 x 120 x 100 mm.
Abb. 261: FEFCO 0427 ohne Staublaschen (Quelle: Eigene Darstellung)
Diese Ausführung sollte so nicht gefertigt werden. Bei einem Versuch stellt man sehr schnell fest, dass die Laschen (59 mm), die eingekrempelt werden, viel zu kurz sind. In der Praxis würde die wohl herausrutschen und die Verpackung würde sich auffalten. Hier müssen unbedingt die Laschen verlängert werden. Oder man wählt einen FEFCO 0471:
Abb. 262: Der FEFCO 0471 spart Material und hält besser ineinander. (Quelle: Eigene Darstellung)
Man hat mit dem FEFCO 0471 nicht nur eine Verpackung, die besser ineinander hält, sondern man verbraucht bei dieser Ausführung auch 0,094 m² weniger Material! Sobald Breite und Höhe quadratisch werden, muss überlegt werden, ob die Verpackung ihren Zweck erfüllt.
Beispielrechnungen des Materialverbrauchs bei FEFCO-Varianten
FEFCO 0427
1,057 x 0,557 m = 0,589 m²
FEFCO 0471
0,87 x 0,5685 m = 0,494 m²
Differenz pro Stück: 0,094 m² weniger Material! Bitte vergleichen Sie auch den FEFCO 0421 und den FEFCO 0470!
Klassische Fehler bei der Verpackungsentwicklung und Berechnung (3):
Ihr Kunde ist im Möbelgeschäft tätig und will sein Möbel in eine Faltschachtel verpacken. Das Packstück hat das Maß 2000 x 600 x 50 mm. Folgende Punkte sprechen gegen die Ausführung 0201:
Abb. 263: weniger geeignet - FEFCO 0201 (Quelle: Eigene Darstellung)
• Man wird Schwierigkeiten haben, diese Kartonage zu fertigen.
• Je nach Qualität wir die Schachtel schon beim Einfalten der Boden- und Deckelklappen in der Höhe einreißen.
Hier ist es wesentlich besser, einen FEFCO 0412 einzusetzen. Auch wird hier weniger Material verbraucht.
Abb. 264: FEFCO 0412 ist für den Einsatzzweck besser geeignet. (Quelle: Eigene Darstellung)
Wir fassen zusammen: Um eine optimale Verpackung entwickeln zu können, muss zuerst ein Anforderungsprofil erstellt werden. Das Anforderungsprofil muss alle wichtigen Details der Kundenanforderung enthalten. Nach der Erstellung des Anforderungsprofils kann mithilfe des FEFCO-Kataloges eine Vorauswahl getroffen werden. Neben den im FEFCO-Katalog gezeigten Baugruppen gibt es eine Vielzahl von Variablen. Baugruppen können in der Regel auch untereinander kombiniert werden.
Bei allen Verpackungsausführungen müssen das Verhältnis von Länge, Breite und Höhe sowie die Verpackungsausführung stimmig sein. Die Auswahl einer Verpackung wird in der Regel immer ein Kompromiss sein. Neben den Anforderungen an die Konstruktion selbst sind auch Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit wichtig.
Die Unterschiede von Kunststoffsäcken gegenüber Papiersäcken liegen in der sehr viel größeren Dehnung des Materials und dem hiermit verbundenen Arbeitsaufnahmevermögen sowie der Unempfindlichkeit gegenüber Feuchtigkeit. Dem steht aber eine geringere Durchstoßfestigkeit gegenüber. Im Vergleich mit Papiersäcken sind Kunststoffsäcke wesentlich wasserdampfdichter. Wegen der größeren Dichte der Folie kann es Schwierigkeiten beim Füllen der Säcke geben, da die Luft nicht schnell genug entweichen kann. Außerdem kann es im Inneren der Säcke zu Kondesnwasserbildung kommen, wenn das Füllgut entsprechende Mengen Feuchtigkeit enthält. Kunststoffsäcke sind auch weniger wärmebeständig als Papiersäcke. Für die Auswahl der verschiedenen Sacktypen gelten die gleichen Kriterien wie beim Papiersack. Die Macharten der Kunststoffsäcke ähneIn denen der Papiersäcke.
Flach- oder Seitenfaltensäcke werden aus Schlauchfolien oder Flachfolien gefertigt, die zuvor zu einem Schlauch geformt und mit einer Extrusionsschweißnaht in Längsrichtung verschweißt wurden. Die untere Schnittkante wird zum Boden verschweißt. Seitenfalten werden – falls nötig – in der Konfektionierungsmaschine oder auf der Druckmaschine eingearbeitet.
Ventilflachsäcke entstehen aus Schlauch- oder Flachfolien durch Abschweißen beider Schnittkanten. Das Ventil wird einseitig in den Schlauch geschweißt.
Abb. 265: geklebter Ventilflachsack (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 266: Kunststoffventilsackmaschine (Quelle: Eigene Darstellung)
Der geklebte Ventilsack entsteht aus Schlauch- oder Flachfolien, an deren Enden Kreuzböden angebracht sind, die bis auf die Ventilöffnung fertig geklebt werden.
Kunststoffventilsackmaschinen arbeiten rotativ von der vorgedruckten Materialrolle. Als Zusatzeinrichtungen können diese Maschinen mit Flexo-Vorsatzdruckwerken bis zu vier Farben ausgerüstet werden.
Das Abwickelsystem (1) besteht in der Regel aus zwei schwenkbaren Lagerstellen für die Materialrollen. Dieses System ist mit automatischer Zugkraft und Seitenkantenregelung ausgestattet. Es kann Rollen mit einem Maximaldurchmesser von 150 cm aufnehmen.
Nach der Abwickeleinheit können die Aggregate (2) zum Verarbeiten von Flachfolie folgen. Sie bestehen aus dem Schlauchbildungsaggregat und dem Extruder für die Längsnaht (Extrusionsschweißung).
Der Rotationsquerschneider (3) enthält das Steuergerät für den Schnittregisterregler und die Einstellhebel für den Querschnitt und die Nadelung. Durch das beheizte Perforationsmesser wird der Schlauch im Rotationsquerschneider zu Abschnitten vereinzelt.
Das Perforationsmesser hat einen Kurbelschleifenantrieb, um seine Geschwindigkeit der Bahngeschwindigkeit angleichen zu können. Zum Verarbeiten von Bändchengewebe lässt sich das Perforationsmesser beheizen, um so die Bändchen miteinander zu verschmelzen. Ein Ausfransen der Schnittkante wird damit verhindert.
Nach dem Rotationsquerschneider werden die Schlauchabschnitte um 90° gedreht (4), um so die Schnittkanten in Position für die nachfolgenden Bearbeitungsgänge zu bringen. Saugbänder transportieren
die Schlauchabschnitte zu Drehtellerpaaren, die sie während des Weiterlaufes quer zur Laufrichtung der Maschine drehen.
Nach der Übergabe der Schlauchabschnitte an den Schlauchausrichter (5) wird eine exakte Ausrichtung der Schläuche in Längs- und Querrichtung durch umlaufende Ketten mit Anschlägen und schräg angeordnete voreilende Transportbänder durchgeführt. Zur Anpassung an die verschiedenen Schlauchlängen lässt sich das Aggregat in Querrichtung verstellen.
Fotozellen kontrollieren die Lage der Schlauchabschnitte. Bei unkorrekter Lage, die zu schlecht geformten Böden und damit zu unbrauchbaren Säcken führt, steuern die Fotozellen eine elektropneumatische
Weiche, die den Schlauchabschnitt aus dem Produktionsprozess herausführt.
In der Beleimungsstation (6) werden die Schnittkanten des Schlauches durch vier Leimstationen beidseitig beleimt. Diese Auftragswerke sind Bestandteil eines Klebstoffumlaufsystems, das eine gleichmäßige
Konsistenz des Klebstoffes gewährleistet.
Das Aggregat zum Trocknen (7) hat die Aufgabe, den Klebstofffilm durch den Lösemittelentzug unter Zuführung von Warmluft zu trocknen. Die mit Lösungsmittel angereicherte Luft wird abgesaugt und der Lösemittelrückgewinnung zugeführt.
Der nächste Fertigungsschritt ist die Diagonal- und Bodenmittenrillung. Dies geschieht durch die Rilleinrichtung (8). Die Werkzeuge dazu sind je nach Folienart und Dicke und nach Größe der Säcke einzustellen.
Die Bodenöffnungsstation (9) ist der für Papiersäcke ähnlich. Rotierende Saugerleisten halten die Enden des Schlauchabschnittes fest. Die Rotationsbewegung zieht dann das Schlauchende so weit auseinander,
dass nachfolgend ebenfalls rotierende Spreizstäbe den Boden voll ganz aufziehen können. Saugerleisten und Spreizstäbe sind über ein Differenzialgetriebe ohne Maschinenstopp verstellbar. An umlaufende
Ketten angelenkte sogenannte Finger greifen durch eine 45-Grad-Schwenkung in die Dreiecktaschen des Schlauches ein und geben dem geöffneten Boden seine exakte Form. Um ein nachträgliches Aufspringen
der Taschen zu verhindern, werden die Diagonalfalze durch Pressrollen fixiert. Die umlaufenden Ketten mit den Fingern lassen sich stufenlos auf die Boden- und Sackbreiten einstellen.
Abb. 267: Ventilzettelapparat (Quelle: Eigene Darstellung)
Der Ventilzettelapparat (11) ist ausgerüstet mit einer Abwicklung für Flach- oder Schlauchfolie, einer automatischen Bahnspannungsregelung, einer elektronischen Vorbehandlung, dem Faltdreieck und dem
Schweißzylinder zum Herstellen von vorgefertigten Schlauchventilen aus Flachfolie. Die Einarbeitung von Fransenventilen ist möglich.
Beim Ausbleiben eines Sacks wird der Ventilabschnitt über eine Weiche aus dem Produktionsprozess ausgeschieden. Durch das System der Bodenbildung bedingt, ist das Ventilzettelaggregat in Querrichtung
nicht verschiebbar, das Ventil kann jedoch paarweise in die vordere oder die hintere Dreiecktasche eingelegt werden. Durch ein Differential lässt sich die Platzierung des Ventils im Boden einregulieren. Nachdem das Ventil eingearbeitet ist, werden die beleimten Bodenklappen übereinandergelegt und somit der Sackboden geschlossen.
Durch die beiden Folienabwickelstellen für jedes Bodendeckblattaggregat (13) wird ein schneller Rollenwechsel gewährleistet. Darüber hinaus besteht im Bodendeckblattaggregat die Möglichkeit der Bedruckung der Bodendeckblattfolie. Nach dem eventuellen Bedrucken, werden die Bodendeckblätter im Schneidwerk auf Länge zugeschnitten. Danach erfolgt die Klebung der Deckblätter auf die Sackböden.
Nach dem Aufbringen der Bodendeckblätter werden die Böden aus der Vertikalen, in der sie geformt und bearbeitet wurden, um 90° gedreht. Zuvor wurde die Bodengeometrie durch Fotozellen überprüft –
und fehlerhafte Säcke wurden über eine Weiche aus dem Produktionsprozess ausgeschieden. Die nun fertigen Säcke werden in der Ablage (18) gestapelt aus der Maschine geführt oder als Alternative auf Rollen gewickelt.
Abb. 268: Bodendeckblattaggregat (Quelle: Eigene Darstellung)
4.1.1 Technische Zeichnungen lesen
1. Technische Zeichnung als Infoträger
Die technische Zeichnung ist in der durch Arbeitsteilung gekennzeichneten modernen Fertigungswelt das Bindeglied zwischen den einzelnen am Fertigungsprozess beteiligten Abteilungen – und zwar sowohl im eigenen Werk als auch bei der Fremdfertigung im In- und Ausland. Technische Zeichnungen geben allen an der Produktion Beteiligten unmissverständliche Informationen. Dabei müssen die Informationen in technischen Zeichnungen nach internationalen und nationalen Normen so exakt dargestellt werden, dass in den einzelnen Fertigungsstufen keine Missverständnisse und Unklarheiten entstehen können. Die technische Zeichnung enthält alle notwendigen Angaben über Größe, Form und Werkstoff eines Werkstücks.
2. Darstellungsformen
Bauteile werden in technischen Zeichnungen in der Regel in mehreren Ansichten gezeichnet. Dabei ist es erforderlich, das dreidimensionale Körperbild (perspektivische Darstellung) durch zweidimensionale, flächenhafte Ansichten und Schnitte in einer eindeutigen technischen Zeichnung darzustellen.
3. Von der räumlichen Darstellung zur technischen Zeichnung
Festlegen der Werkstücklage für technische Darstellungen (V/S/D)
Flache Werkstücke – zum Beispiel Bleche – werden in der Regel nur in einer Ansicht (meistens Vorderansicht) gezeichnet, da diese die Form und Maße eindeutig erkennen lässt. Um ein räumliches Objekt zeichnerisch in verschiedenen ebenen Ansichten darzustellen, verwendet man die Normalprojektion, auch Dreitafelprojektion genannt.
Zu den drei orthogonalen Projektionsflächen gibt es jeweils zwei Seiten und folglich sechs Ansichten. (Orthogonal = „rechtwinklig“. Kommt vom griechischen orthos = „richtig, recht“ und gonia = „Ecke, Winkel“.) Bei der Anordnung der Ansichten auf dem Papier gibt es zwei Systeme:
Abb. 269: Projektionsmethode 1 und 3 (Quelle: Wikimedia)
• Projektionsmethode 1, auch „europäische Darstellung“ oder „First Angle Projection“ genannt und gekennzeichnet mit FR (für französisch, vgl. auch Abb. 269), und
• Projektionsmethode 3, auch „amerikanische Darstellung“ oder „Third Angle Projection“ genannt (Kz. US). Diese Darstellung herrscht in den USA und auch in Australien vor.
Die in Abb. 269 dargestellte Symbolik ermöglicht anhand eines abgeschnittenen Kegels und dem Trapez als Vorderansicht die Kennzeichnung der gewählten Methode.
Die Entfaltung des Projektionsquaders zeigt die jeweils zugrunde liegende Logik. Hier ist nur Projektionsmethode 1 dargestellt:
Abb. 270: Projektionsquader (Quelle: Eigene Darstellung)
Drei der Projektionen dienen als Hauptansicht für die Dreitafelprojektion. Bei der Wahl der Vorderansicht hat die aussagekräftigste Seite den Vorzug. Bei unübersichtlichen Objekten können zusätzliche Ansichten ergänzt werden. Manchmal wird auch auf eine der drei Ansichten verzichtet – und man erhält eine Zweitafelprojektion.
Man unterscheidet im technischen Zeichnen grundsätzlich zwischen folgenden Ansichten:
1. Vorderansicht (1. Hauptansicht)
2. Seitenansicht von rechts
3. Seitenansicht von links (2. Hauptansicht) 4. Draufsicht (3. Hauptansicht)
5. Rückansicht
6. Untersicht
Im technischen Zeichnen gibt es insgesamt sechs Ansichten. Die beiden Hauptansichten sind die Vorderansicht und die Seitenansicht von links. Die genannten Hauptansichten beziehen sich auf die europäische Darstellungsvariante, wobei das darzustellende Objekt in der Regel in diesen drei Ansichten gezeichnet wird; Nebenansichten kommen nur dann zur Anwendung, wenn die darzustellende Geometrie so komplex ist, dass sie nicht komplett durch die Hauptansichten beschrieben werden kann. In der europäischen Variante der Normalprojektion findet sich die Seitenansicht von links rechts neben der Vorderansicht, in der amerikanischen Darstellung entsprechend auf der linken Seite der Vorderansicht.
• Blatteinteilung
DIN EN ISO 5457 definiert die Zeichenblattgrößen für technische Zeichnungen. Alle nach Norm DIN EN ISO 5457 verwendeten Formate für Zeichnungsvordrucke haben Querformat und das Schriftfeld unten rechts – mit Ausnahme DIN A4 mit Hochformat und Schriftfeld unten.
• Blattgrößen
Das DIN-Formatsystem basiert auf dem metrischen Maßsystem. Die Fläche des Ausgangsformates DIN A0 ist genau 1 m² groß. Die weiteren Formate DIN A1 bis DIN A4 lassen sich durch fortgesetztes Hälften des Ausgangsformates entwickeln, wobei sich die Flächen zweier aufeinanderfolgenden Formate wie 2 : 1 verhalten. Dabei gilt für die Seiten x und y der Formate das Verhältnis x : y = 1 : √2.
Abb. 271: Blattgrößen nach DIN (Quelle: Wikipedia)
• Maßstäbe
Zur Darstellung der Bauteile in technischen Zeichnungen ist ein geeigneter Maßstab zu verwenden. Nach Norm ISO 5455 sind nur folgende Maßstäbe in technischen Zeichnungen zulässig:
° Natürlicher Maßstab 1 : 1
° Verkleinerungsmaßstäbe 1 : 2; 1 : 5; 1 : 10 sowie vielfache davon
° Vergrößerungsmaßstäbe 2 : 1; 5 : 1; 10 : 1 sowie vielfache davon
Der in der Zeichnung angewendete Maßstab ist in das Schriftfeld einzutragen. Sind mehrere unterschiedliche Maßstäbe zum Beispiel für Ansichten oder Schnitte notwendig, so werden die verwendeten Maßstäbe in der Nähe der Positionsnummern oder der Kennbuchstaben der Einzelheit geschrieben.
• Beschriftung
Die Beschriftung in technischen Zeichnungen muss klar und eindeutig und für jeden gut lesbar sein. Dabei sind die Schriftgröße und die Strichstärke beziehungsweise Linienbreite von besonderer Bedeutung. Da heute die meisten Zeichnungen mit Computer-Programmen (CAD = computer-aided design) erstellt werden und dort die gültigen Normschriften zum Einsatz kommen, ist es heute nicht mehr zwingend nötig, die Normschrift zu beherrschen.
Abb. 272: Beispiel einer Explosionszeichnung (Quelle: Wikipedia)
Explosionszeichnungen
Eine Explosionszeichnung ist eine Art der Darstellung bei Zeichnungen und Grafiken, die einen komplexen Gegenstand perspektivisch und in seine Einzelteile zerlegt zeigt. Die dargestellten Einzelteile oder Bauteile sind räumlich voneinander getrennt, d. h. so, als flögen sie nach einer Explosion auseinander. Bei dieser Darstellungsweise wird das Wechselverhältnis des Ganzen zu seinen Teilen sowie deren Lage verdeutlicht. Explosivdarstellungen erlauben es, die Funktion und den Zusammenbau von Baugruppen darzustellen sowie einzelne Bauteile anhand angegebener Teilenummern zu bestimmen, zum Beispiel aus der Gesamtabbildung zum gesuchten Ersatzteil und seiner Lagernummer. Diese Art der Darstellung findet in verschiedenen Bereichen Verwendung: Als Informationsgrafik kommt diese Darstellungsart in Gebrauchsanweisungen und Ersatzteil-Katalogen (auch virtuellen, interaktiven Katalogen) zum Einsatz. Bei Montageanleitungen wird mit Explosionsgrafiken die Montage- und Demontagereihenfolge einzelner Teile erklärt. In technischen Zeichnungen im Maschinenbau werden komplexe Maschinen auf diese Weise übersichtlich dargestellt.
4. Bemaßung von Werkstücken
Durch ihre Bemaßung werden sämtliche Abmessungen von technischen Bauteilen – wie Länge, Breite, Höhe, Radius, Durchmesser oder Gewinde – durch entsprechende Maßangaben auf der Zeichnung eindeutig beschrieben. Die Bemaßung beschreibt die Abmessung eines Einzelteils oder einer Baugruppe. Bemaßungen werden auf einer technischen Zeichnung und in CAD-Programmen (2D, 3D) in Zahlen angegeben.
• Die im Allgemeinen verwendete Maßeinheit (Millimeter – in der Architektur auch Meter) muss nicht angegeben werden. (In der Packmittelindustrie werden Maße üblicherweise in mm angegeben. Deshalb kann man die Einheit in technischen Zeichnungen weglassen.)
• Der eigentliche Zahlenwert wird als Nennmaß bezeichnet.
• Das Nennmaß kann aber mit verschiedenen Zusätzen versehen werden – zum Beispiel Toleranzen und Passungen. Vorgestellte Zeichen weisen darauf hin, dass es sich bei dem Maß um einen Durchmesser (ø), einen Radius (R), eine Kugelform (S), einen Bogen (Bg) oder einen quadratischen Querschnitt (ein vorgesetztes Quadrat in Größe der verwendeten Schrift) handelt.
• Werden dem Nennmaß keine weiteren Zusätze angefügt, so gilt eine Allgemeintoleranz, die im Schriftfeld festgelegt ist.
• Weitere Angaben dienen der Spezifizierung von Maß-,Form-und Lagetoleranzen sowie eventuellen Vorgaben zur Herstellung und Prüfung von Verzahnungen und/oder Vorschriften zur Wärmebehandlung und Oberflächenschutz.
Abb. 273: Beispiel der Fertigungszeichnung einer Schneckenwelle (Quelle: Wikipedia, bearbeitet)
Übungsaufgaben zum Zeichnungslesen:
• Anreißen
Anreißen ist das Übertragen von Maßen und Formen aus der Fertigungszeichnung auf das zu bearbeitende Werkstück. Zum Anreißen werden Reißnadeln verwendet, deren Beschaffenheit sich nach dem Werkstoff und der Oberflächenbeschaffenheit richtet. Anreißen ist eine manuelle Tätigkeit mit hohen Kosten. In modernen Fertigungswerken ist sie durch den Einsatz von Computerized Numerical Control (CNC)- Bearbeitungsmaschinen heute weitgehend überflüssig.
• Körnen
Körnen dient dazu, einem Bohrer beim Ansetzen auf das Werkstück eine erste Führung zu geben, um eine maßgenaue Bohrung zu erhalten. Dazu wird der Körner durch leichte Hammerschläge in dem zuvor ange- rissenen Mittelpunkt der Bohrung getrieben, sodass dessen gehärtete Spitze in dem Werkstück eine kleine Vertiefung entstehen lässt. Auch das Körnen ist eine manuelle Tätigkeit, die sich weitgehend auf die Einzelteilfertigung oder nachträgliches Einbringen von Bohrungen zum Beispiel in der Montage bezieht.
Als Fertigungsverfahren bezeichnet man alle grundlegenden technologischen Prozesse im Handwerk und in der Industrie, bei denen Produkte unter Einsatz von Werkzeugen und Maschinen hergestellt werden.
Überblick über Fertigungsverfahren (iph-Hannover)
4.1.3.1 Verfahren zum Trennen
Grundbegriffe zum Zerteilen und Spanen
Keil als Werkzeugschneide
Unter Werkzeugschneide versteht man eine geometrisch bestimmte Schneide, die der Trennung eines Werkstoffes dient. Die genaue Form der Schneide eines Schneidwerkzeugs wird als Schneidengeometrie bezeichnet.
Kraft, Kraftwirkungen, Maßeinheiten der Kraft, Kräftezerlegung am Keil, Keilwirkung zur Bearbeitung unterschiedlicher Werkstoffe
Abb. 274: Darstellung von Keilwinkel und Spanwinkel (Quelle: Wikipedia)
Der wichtigste Winkel am Schneidkeil ist der Spanwinkel ?, da er die Spanbildung, die Standzeit und die Schnittkräfte beeinflusst. Grundsätzlich gilt: Je kleiner der Keilwinkel ist, desto größer kann der Spanwinkel sein. Je größer der Keilwinkel gewählt wird, desto kleiner ist der positive Spanwinkel. Allerdings kann dieser bei einer sehr breiten Schneide, die fast senkrecht auf das Werkstück trifft, auch negativ sein.
Die Größen beider Winkel werden abhängig vom Werkstoff gewählt. Für weiche und zähe Werkstoffe wird ein kleinerer Keilwinkel bei grö- ßerem positivem Spanwinkel eingesetzt, da die Schnittkraft abnimmt. Je härter und spröder der Werkstoff ist, desto geringer muss der Spanwinkel ? sein – dementsprechend groß kann der Keilwinkel ausgewählt werden. Dass die Schnittkraft bei kleinem positivem oder negativem Spanwinkel besonders groß ist, hat mit den resultierenden Kräften am Schneidkeil zu tun.
Die auftretende Kraft Fa wird in die Reaktionskräfte Fa1 und Fa2 aufgeteilt. Je kleiner der Keilwinkel ?, desto größer sind die resultierenden Kräfte – und umgekehrt. Das heißt für die Praxis, dass eine kleinere Schneide größere Kräfte auf das zu bearbeitende Bauteil ausüben kann. Für weiche und zähe Werkstoffe wird ein kleinerer Keilwinkel bei größerem positivem Spanwinkel eingesetzt – für härtere und sprödere Werkstoffe ein geringerer Spanwinkel und ein größerer Keilwinkel.
Abb. 275: Schervorgang (Quelle: Eigene Darstellung)
Zerteilen durch Scherschneiden
Schervorgang
Das Schneiden mit Scheren funktioniert durch den Druck der beiden Scherenklingen auf das zu schneidende Material, das sogenannte Scherschneiden. Der Schneidevorgang erfolgt, indem man das Material an der zu durchtrennenden Stelle zwischen die Klingen schiebt und diese dann dicht aneinander vorbeigleiten lässt.
Scherwerkzeuge, Scherenarten
Eine Schere ist ein Werkzeug zum spanlosen Zertrennen oder Einschneiden verschiedener Materialien – dies geschieht mit zwei gegeneinander beweglichen Schneiden, die sich während des Schneidvorgangs aneinander vorbeibewegen.
Spanen von Hand und mit einfachen Maschinen Sägen
Sägen ist ein spanendes Trennverfahren zum Ablängen von Werkstoffen (Stahl, NE-Metalle = Nichteisenmetalle, Kunststoffe, Holz usw.). Die Säge oder ein Sägeblatt besteht aus einer dünnen, am Rand mit meißelartigen Zähnen versehenen linearen Stahlplatte oder einem runden Sägeblatt, das durch eine Kraft bewegt wird. Sägeblätter schneiden nur in eine Richtung. Beim Sägen wird der Werkstoff in der Schnittfuge durch die Zähne in mehreren Schichten zerspant, wobei die Zahnzwischenräume (Zahnlücke) die entstehenden Späne aufnehmen und sie aus der Schnittfuge führen.
Abb. 276: schematische Darstellung einer Säge (Quelle: Eigene Darstellung)
Feilen
Feilen ist ein vornehmlich bei handwerklicher Fertigung verwendetes spanendes Trennverfahren zum Bearbeiten ebener Flächen und unterschiedlichster Werkstückformen. Die Spanabnahme erfolgt bei der Vorwärtsbewegung in Schnittrichtung unter Druck der Feile gegen das Werkstück, wobei die vielen hinter- und nebeneinander liegenden Schneidenzähne von geringer Höhe nur relativ geringe Werkstoffmengen abtragen.
Bohren
Bohren ist ein spanabhebendes Verfahren zur Herstellung und Bearbeitung von zylindrischen Vertiefungen in Werkstücken. Allgemeiner kann man auch sagen: Bohren ist die Erzeugung oder Erweiterung (Aufbohren) einer Bohrung oder eines Tunnels in Festkörpern. Beim Bohren wird ein um seine Längsachse drehendes Bohrwerkzeug (Bohrer, Bohrkopf auf Bohrstange etc.) mit einer geradlinigen Vorschubbewegung in das Werkstück geschoben. Die sich ergebende wendelförmige Wirkbewegung bewirkt eine fortlaufende Spanabnahme durch die Bohrerschneiden.
Die beiden Hauptschneiden (HS, siehe Abbildung 277) an der Bohrspitze verlaufen parallel: Dadurch entsteht eine sogenannte Querschneide (QS). Sie ist üblicherweise um 55° zu den Hauptschneiden versetzt, steht quer zur Bohr- beziehungsweise Vorschubrichtung und hat eine Breite von etwa einem Zehntel des Bohrerdurchmessers. Die Querschneide QS schneidet – entgegen der Bezeichnung – nicht, sondern hat eine schabende Wirkung und erhöht den erforderlichen Arbeitsdruck auf das Bohrwerkzeug (die Vorschubkraft für die Querschneide QS beträgt etwa ein Drittel der gesamten Vorschubkraft). Die Querschneide QS birgt auch die Gefahr des sogenannten „Verlaufens“; das heißt: die seitliche Lageverschiebung beim Anbohren. Um das zu verhindern, muss grundsätzlich vor dem Bohren gekörnt werden. Körnen ist beim Bohren empfehlenswert, um ein Auswandern des Bohrers zu verhindern. Bei größeren Durchmessern sollte vorgebohrt werden.
Abb. 277: Bohrerschneiden (Quelle: Wikipedia)
Abb. 278: Spitzenwinkel und Spanwinkel bei einem Bohrer (Quelle: Wikipedia)
Durch eine besondere Anschlifftechnik, das sogenannte Ausspitzen, kann die Querschneide QS verkleinert werden, um die Vorschubkraft und damit das Bohrmoment zu reduzieren. Der Werkzeugdurchmesser ist an der Spitze am größten (Nenndurchmesser) und nimmt zum Schaft hin etwas ab, um die Reibung des Bohrers im Bohrloch zu vermindern. Diese als Verjüngung bezeichnete Verringerung des Werkzeugdurchmessers liegt etwa im Bereich von 0,02 mm bis 0,08 mm Durchmesser auf 100 mm Länge.
Beim Bohren von größeren Bohrungen und zur Sicherstellung einer lagegenauen Bohrung empfiehlt es sich trotzdem, vorher mit einem Zentrierbohrer oder einem kleineren Bohrer vorzubohren. Der Durchmesser dieses Bohrers sollte mindestens der Größe der Querschneide QS, besser aber etwa einem Drittel des endgültigen Bohrungsdurchmessers entsprechen.
Gewindebohren beziehungsweise Gewindeschneiden, Reparatur von Gewinden
Unter Gewinde versteht man eine profilierte Einkerbung, die fortlaufend wendelartig um eine zylinderförmige Wandung – innen oder außen – in einer Schraubenlinie verläuft. Die „Kerbe“ wird als Gewindegang bezeichnet. Diese Umsetzung des Prinzips der schiefen Ebene erlaubt das Erzeugen großer Längskräfte bei moderaten Umfangskräften. Schrauben erzeugen dadurch ihre Haltekraft beziehungsweise dort, wo Lasten bewegt oder Druck beziehungsweise Zug erzeugt werden, die entsprechenden Kräfte. Eine Schraubenverbindung ist formschlüssig und wieder lösbar.
Bauteile mit Außengewinde (zum Beispiel Schrauben) und Bauteile mit Innengewinde (zum Beispiel Muttern) müssen zueinander passen. Normen stellen sicher, dass trotz getrennter Herstellung immer eine Funktion von Bauteilen mit gleichen Nenndaten gewährleistet ist.
Heute gibt es eine sehr große Anzahl Gewindearten, die für die unterschiedlichsten Anwendungsfälle entwickelt worden sind und in den entsprechenden Normen beschrieben werden. Normen sorgen dafür, dass Schrauben und Muttern zusammenpassen, auch wenn sie von unterschiedlichen Herstellern kommen.
Abb. 279: Darstellung der Steigung und der Gewindetiefe einer Schraube (Quelle: Eigene Darstellung)
Durch Gewindebohren werden Innengewinde in vorgebohrte Löcher geschnitten. Im ersten Arbeitsschritt wird ein Kernloch in das Werkstück gebohrt, anschließend ist die Kernlochbohrung anzusenken, bevor in einem dritten Arbeitsschritt das Innengewinde mit einem Gewindebohrer geschnitten wird. Das Gewindebohren ist sowohl von Hand als auch durch geeignete Bahrmaschinen mit entsprechender Gewindeschneideinrichtung (Links-Rechts-Lauf, Sicherheitskupplung) möglich. Das Senken ist ein Bohrverfahren und dient zum Entgraten. Gesenkte Bohrungen erleichtern auch Gewindeschneiden durch den besseren Anschnitt. Durch Gewindeschneiden werden Außengewinde hergestellt. Das Gewindeprofil wird von formgerechten Werkzeugschneiden in einem Schneideisen oder einer Schneidkluppe aus dem Werkstoff herausgearbeitet.
Fügeverfahren
Unter Fügen versteht man das dauerhafte Verbinden von mindestens zwei Bauteilen. Dabei kann man grundsätzlich zwei Verbindungsarten unterscheiden:
• lösbar (form- beziehungsweise kraftschlüssig) wie zum Beispiel Verschrauben, Verstiften, Vernieten
• unlösbar (stoffschlüssig) wie zum Beispiel Schweißen, Löten, Kleben
Unterscheidung nach Kraftübertragung
Abb. 280: Übersicht von Verbindungen (Quelle: Eigene Darstellung)
Fügen mit Gewinde (Schrauben, Muttern, Sicherungen von Schraubverbindungen), Beschreibung der Normteile
Die Schraube ist das am häufigsten und vielseitigsten verwendete Konstruktionselement. Zu einer Schraubenverbindung gehören:
• die eigentliche Schraube oder der Schraubenbolzen (bei Bewegungsschrauben auch Spindel genannt)
• die Mutter
• und falls erforderlich Unterlegscheiben und Sicherungen
Fügen mit Stiften und Bolzen
Durch Stifte werden zwei oder mehr Bauteile formschlüssig in radialer Richtung der Stifte miteinander verbunden, indem in eine durch alle Teile gehende Bohrung ein Stift gesteckt wird. Werden die Stifte (zylindrische Stifte mit Übermaß) in die Bohrung gepresst, entsteht ein Kraftschluss, der ihr Herausfallen verhindert. Neben der fixen Verbindung werden Stifte auch verwendet, um eine gelenkige Verbindung zwi- schen zwei Teilen herzustellen. Stifte dienen auch zur Kraftbegrenzung (Scherstift), zur Drehsicherung von Kronenmuttern, axialen Sicherung von dickeren Stiften (Splinte) und zur Übertragung von Querkräften in Schraubenverbindungen durch Spanstifte.
Im Unterschied zum Stift wird ein Bolzen meist leicht demontierbar – das heißt mit Spielpassung eingesetzt. Er wird vorwiegend verwendet, wenn nur Querbelastung (Scherung) besteht. Seine zusätzlichen Formelemente Kopf, Querloch (für Splinte), kurzes Gewinde (für Muttern) oder Quernut (für Achshalter) dienen nur dazu, ein Verlieren durch Formschluss zwischen ihm und den zu verbindenden Teilen zu vermeiden. Bolzen werden häufig für schnell und oft zu lösende Verbindungen ohne axiale Belastung anstelle von Schrauben eingesetzt, zum Beispiel im Transportwesen zur Befestigung von Containern, zum Verschließen der Ladeplanken von Lastwagen oder Ähnlichem. Bolzen-Verbindungen sind prinzipiell drehbar, können somit zum Beispiel Teil eines Drehgelenks sein.
Fügen mit Passfedern und Profilformen
Eine Passfeder wird zur Realisierung einer Welle-Nabe-Verbindung benutzt. Die Verbindung ist formschlüssig und dient zur Übertragung von Drehmomenten (zum Beispiel Antriebswelle – Zahnrad). Die Passfeder ist ein massives, längliches Metallteil mit rechteckigem Querschnitt, wird in eine entsprechend gefräste Passfedernut in der Welle eingelegt und ragt aus dieser heraus. Die zugehörige Nabe ist mit einer durchgehenden und geräumten Nut versehen und wird zur Montage axial über die Passfeder geschoben. Die Passfeder trägt durch Formschluss an ihren Flanken. Sie wirkt dadurch als Mitnehmer und überträgt das Drehmoment der Welle auf das anzutreibende Bauteil (im Falle einer Antriebswelle) oder das Drehmoment des antreibenden Bauteils auf die anzutreibende Welle (im Falle einer Antriebswelle). In axialer Richtung muss das Rad auf der Welle gegen Verschieben gesichert werden. Übliche Formen der axialen Festlegung sind Wellenschulter/Sicherungsring oder Wellenschulter/Nutmutter.
Abb. 281: Fügen mit Passfedern (Quelle: Wikipedia)
Für höher beanspruchte Welle-Nabe-Verbindungen werden Keilwellen-Verbindungen zur Übertragung großer und wechselnder Drehmomente eingesetzt wie zum Beispiel bei Schaltgetriebewellen von Werkzeugmaschinen. Weitere Verwendungen sind Zapfwellen an landwirtschaftlichen Fahrzeugen und Wellen von Elektromotoren und Hydraulikmotoren. Als Keilwellen werden Wellen bezeichnet, bei denen ein Formschluss zur Nabe (Welle-Nabe-Verbindung) durch eine Vielzahl von Mitnehmern hergestellt wird, die ge- rade und parallele Flanken haben.
Abb. 282: Keilwelle (Quelle: Wikipedia)
4.1.4.1 Funktionseinheiten zum Stützen, Tragen und Führen
Lagerarten und Schmierung
Lager als Maschinenelement werden zum linearen (geradlinigen) oder radialen (rotierenden) Führen beweglicher Bauteile verwendet. Dabei wird nach dem Wirkprinzip zwischen Gleit- und Wälzlagern unter- schieden.
Gleitlager
Ein Gleitlager besteht aus gegeneinander beweglichen Teilen mit geringem Reibungswiderstand oder mit einem Schmierfilm zwischen den beweglichen Teilen zur Reduzierung des Reibungswiderstandes. Durch den Reibungswiderstand entsteht Wärme, die durch den Schmierfilm abgeleitet werden kann. Gleitlager gibt es als Linearlager und als Radiallager, wobei der Werkstoff des Gleitlagers (Buchse) weicher sein sollte als der der Welle.
Als Gleitlagerwerkstoffe werden verwendet: Bronze-, Messing-, Aluminiumlegierungen, Kunststoffe, Graphit und Keramik.
Wälzlager
Wälzlager sind Lager, bei denen zwei zueinander bewegliche Komponenten, der sogenannte Innenring ➀ sowie der Außenring ➄, durch Wälzkörper ➃ getrennt sind. Die Wälzkörper werden durch einen Käfig ➁ geführt, zur Schmutzabweisung und Schmierstoffdichtung können Dichtscheiben ➂ verwendet werden. Da die Wälzkörper im Innen- und Außenring auf gehärteten Stahlflächen mit optimierter Schmierung abrollen, ist die Rollreibung dieser Lager relativ gering.
Abb. 283: Blick in ein Wälzlager (Quelle: Wikipedia)
Wälzlager werden bevorzugt in Anwendungsgebieten verwendet, wo Lagerungen bei kleinen Drehzahlen und hohen Lasten reibungsarm arbeiten sollen und wo sich Drehzahlen häufig ändern. Ein weiteres Kriterium kann der geringe Schmierungsbedarf von Wälzlagern sein.
Schmierungssysteme für Maschinen
Schmierung ist die Verringerung von Reibung und Verschleiß zwischen zwei Maschinenelementen, die sich relativ zueinander bewegen. Dies geschieht durch den Einsatz eines geeigneten Schmierstoffes und Schmierverfahrens, um den jeweiligen Schmierstoff in der richtigen Menge und dem richtigen Druck zur richtigen Zeit an eine Stelle der Reibung zu fördern und ihn gegebenenfalls wieder abzuleiten.
Folgende Schmierverfahren werden unterschieden:
Verbrauchsschmierung bezeichnet das ausschließliche Zuführen von Schmierstoff zur Schmierstelle. Die Zuführung kann manuell (zum Beispiel mit Fettpresse) oder automatisch (Pumpen; Dauer-Schmierstoff- geber [Perma]) erfolgen. Nach dem Gebrauch wird der Schmierstoff, sofern er noch vorhanden ist, ausgetauscht oder er wird mit frischem aufgefüllt. Dieses Schmierverfahren ist immer mit entsprechenden Verunreinigungen im Umfeld verbunden und sollte nur dort angewandt werden, wo keine Umweltgefahren entstehen können!
Umlaufschmierung bezeichnet einen Schmierstoffkreislauf. Er besteht aus dem Reservoir (zum Beispiel Ölwanne oder Öltank), der Zuführung zur Reibstelle durch Pumpe oder durch die Schwerkraft und der Rückführung. Es kann auch noch eine Schmierstoffaufbereitung (zum Beispiel Ölfilter) und/oder Ölkühler zwischengeschaltet sein. Umlaufschmierungen benötigen durch die Wiederverwendung weniger Schmierstoff. Durch das geschlossene System gelangt kein (beziehungsweise nur sehr wenig) Schmierstoff in die Umwelt. Bei der Umlaufschmierung wird das Öl nicht nur als Schmiermittel, sondern auch als Kühlmittel verwendet.
Wellen
Wellen dienen der Übertragung von Drehmomenten; sie werden auf Verdrehung (Torsion) beziehungsweise auf Verdrehung und Biegung beansprucht.
Kupplungen
Eine Kupplung ist ein Maschinenelement zur starren, elastischen, beweglichen oder lösbaren Verbindung von zwei Wellen. Eine nicht starre Kupplung kann neben einer formschlüssigen auch eine kraftschlüssige Verbindung sein. Durch die Verbindung wird es möglich, zwischen beiden Wellen Rotation und damit Drehmoment und letztlich mechanische Arbeit zu übertragen. Auswahlkriterien für eine Kupplung können sein:
• zu übertragendes Drehmoment (maximales Drehmoment? Drehmomtenverlauf konstant, schwellend, wechselnd?)
• Ausgleich von Wellenversatz (axial, radial, winklig)
• Ausgleich von Wärmedehnungen
• Starre oder elastische Wellen- oder Bauteilverbindungen
• Bedingungen für Montage, Inspektion und Wartung
• winkelgetreue Übertragung (Schlupf durch Torsion)
• bei Schaltkupplungen Schaltverhalten (im Betrieb unter Last oder nur im Stillstand) und Schalthäufigkeit
• Drehmomentbegrenzung (Unterbrechung bei Überlast)
• Schwingungs-und Drehstoßdämpfung
Prinzipieller Aufbau einer Kupplung
Eine mechanisch betätigte Kupplung besteht im Wesentlichen aus den folgenden Einzelteilen:
1 = Kupplungshälften / Kupplungsscheiben
2 = Vielkeilwelle
3 = Kupplungsbelag
4 = Feder, bewirkt im eingekuppelten Zustand die reibschlüssige Verbindung beider Kupplungshälften
5 = Kupplungshebel, trennt beide Kupplungshälften und bewirkt die Unterbrechung des Kraftflusses
6 = Drehrichtung, hier in beiden Richtungen möglich
Abb. 284: Aufbau einer Kupplung (Quelle: Wikipedia)
Beispiel: Elektromagnetkupplung
Abb. 285: Elektromagnetkupplung (Quelle: Wikimedia)
Beispiel: Lamellenkupplung
Abb. 286: Lamellenkupplung (Quelle: Wikimedia)
Getriebe, Getriebearten
Getriebe dienen zur Übertragung und Umformung (Übersetzung) von Bewegungen, Energie und/oder Kräften (Drehzahlen, Drehrichtungen, Drehmomenten und Kräften). Diese Funktionen erfüllen die meisten Getriebe mit mechanischen Bauteilen. Sie können aber auch durch hydraulische, pneumatische oder elektromagnetische Wirkprinzipien erfüllt werden.
Die wichtigsten im Maschinenbau verwendeten Getriebearten sind:
1. Zugmittelgetriebe
Ein Zugmitteltrieb – auch Umschlingungsgetriebe genannt – ist ein Getriebe, bei dem ein Drehmoment zwischen zwei Wellen mithilfe eines beide Wellenenden umschlingenden Zugmittels übertragen wird. Beispiele: Ketten-, Zahnriemen- und Keilriementriebe
Vorteile: sehr große Wellenabstände und auch Umlenkungen möglich, sehr große Auswahl an genormten Elementen ermöglicht kostengünstige, schnelle sowie bei richtiger Auslegung und Wartung sehr langlebige Konstruktionen.
Nachteile: Zugmittel neigen zu Schwingungen, deshalb sind besonders bei hohen Drehzahlen Spannvorrichtungen nötig. Schaltgetriebe sind relativ kompliziert zu realisieren (zum Beispiel Kettenschaltung am Fahrrad).
Abb. 287: Zugmitteltrieb (Quelle: Wikipedia)
2. Zahnradgetriebe
Zwei oder mehr miteinander gepaarte Zahnräder bilden ein Zahnradgetriebe. Es wird vorwiegend zur Übertragung zwischen zwei Drehungen oder einer Drehung und einer linearen Bewegung (Paarung eines Zahnrades mit einer Zahnstange) gebraucht. Zahnradgetriebe bilden unter den Getrieben die größte Gruppe. Sie sind formschlüssig und somit schlupffrei.
Abb. 288: Schnitt durch ein dreistufiges Stirnradgetriebe (schrägverzahnt) (Quelle: Wikipedia)
Die Räder eines Zahnradgetriebes sind auf Wellen oder Achsen gelagert, deren Abstand so ausgelegt ist, dass die Zähne ineinandergreifen und somit die Drehbewegung des einen Zahnrades auf das andere übertragen wird. Dabei kehrt sich die Drehrichtung um. Falls das nicht erwünscht ist, wird ein drittes Zahnrad beliebiger Größe dazwischen angeordnet.
Sind die Räder unterschiedlich groß, so kann die Drehzahl erhöht oder verringert werden, wobei das Drehmoment vermindert oder erhöht wird. Auf diese Weise dienen Zahnräder der Übersetzung von Kräften und Geschwindigkeiten. Es sind viele Varianten von Zahnradgetrieben entstanden. Diese werden ständig weiterentwickelt.
Beispiele: Stirnrad-, Kegelrad-, Schneckenrad-, Planetenradgetriebe usw.
Vorteile: extrem hohe Drehzahl- und Drehmomentübertragung durch mehrstufigen Aufbau möglich. Schaltgetriebe. Sehr robust und wartungsarm oder wartungsfrei. Eine Wartung ist sehr aufwendig.
Nachteile: aufwendige mechanische Fertigung = hohe Kosten.
Abb. 289: schräg- u. geradverzahnte Stirnräder (Quelle: Eigene Darstellung)
Aufbau Planetenradgetriebe
Die innere Achse (grün) überträgt die Eingangsbewegung auf die beiden frei beweglichen Planetenräder (blau), diese treiben den äußeren Ring (rot) an. Die Achsen der Planetenräder (blassgelb) werden von ei- nem nicht eingezeichneten Träger (Steg) gehalten.
Abb. 290: Aufbau eines Planetenradgetriebes (Quelle: Wikipedia)
Abb. 291: Beispiel Kegelradgetriebe (Quelle: Wikimedia)
Abb. 292: Beispiel Schneckenradsatz (Quelle: Wikipedia)
Verschleißursachen und Verschleißminderung
Verschleiß bezeichnet den fortschreitenden Materialverlust auf der Oberfläche eines festen Körpers (Grundkörper). Verschleiß wird hervorgerufen durch mechanische Ursachen. Es geht dabei um den Masse- verlust (Oberflächenabtrag) einer Stoffoberfläche durch schleifende, rollende, schlagende, kratzende, chemische und thermische Beanspruchung – diese wird verursacht durch Kontakt- und Relativbewegung ei- nes festen, flüssigen oder gasförmigen Gegenkörpers. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird Verschleiß auch mit anderen Arten der Abnutzung gleichgesetzt. Diese meist unerwünschte Veränderung der Oberfläche tritt zum Beispiel an Lagern, Kupplungen, Getrieben, Düsen und Bremsen auf sowie als Werkzeugschneidenverschleiß. Verschleiß ist einer der Hauptgründe für Bauteilschädigung und den damit verbundenen Ausfall von Maschinen und Geräten. Die Verringerung von Verschleiß ist darum eine wesentliche Möglichkeit, die Lebensdauer von Maschinen und Geräten zu erhöhen und damit Kosten und Rohstoffe einzusparen. Andererseits wird versucht, den nicht zu vermeidenden Verschleiß auf einfach auszutauschende Bauteile einzugrenzen, die man unter dem Begriff Verschleißteil zusammenfasst. Verschleiß ist eine der häufigsten Ursachen für den Ausfall von Maschinen. Deshalb sollte alles dafür getan werden, damit er so gering wie möglich gehalten wird.
Unter Instandhaltung versteht man alle Maßnahmen zur Bewahrung, Feststellung, Wiederherstellung und Verbesserung des funktionsfähigen Zustandes einer Maschine oder Anlage. Die Instandhaltung umfasst die Wartung, die Inspektion, die Instandsetzung und die Verbesserung. Instandhaltung wird auch mit „IH“ abgekürzt.
Abb. 293: Begriffserläuterungen zu Wartung, Inspektion, Instandsetzung und Verbesserung (Quelle: Eigene Darstellung)
Periodische Wartung und Inspektion nach Plan durch Maschinenpersonal und/oder Instandhalter oder Dienstleister. Aufstellung eines Wartungskonzepts für jede Kostenstelle. Inspektionen zur Feststellung und Beurteilung des Ist-Zustandes mit Ursachenbestimmung und Ableiten von Konsequenzen.
Abb. 294: beispielhafter Wartungsplan (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 295: Vor- und Nachteile unterschiedlicher IH-Strategien (Quelle: Eigene Darstellung)
Da in der Praxis keine der IH-Strategien für alle Bereiche einer Fertigung optimal ist, kommt es darauf an, einen optimalen Mix aller Strategien für das Unternehmen zu finden!
Abb. 296: Suche nach dem optimalen Mix aller IH-Strategien (Quelle: Eigene Darstellung)
Bedeutung des Prüfens in der Fertigung
Beim Prüfen soll festgestellt werden, inwieweit ein Prüfobjekt eine Forderung (Spezifikation) erfüllt. Eine Spezifikation ist eine formalisierte Beschreibung eines Produktes, eines Systems oder einer Dienstleistung. Eine Spezifikation definiert und quantifiziert Merkmale eines Produktes oder einer Dienstleistung (Toleranzwerte). Diese Werte entscheiden darüber, ob ein Auftraggeber das Produkt oder die Dienstleistung abnimmt oder nicht. Wenn die Merkmale der Spezifikation erreicht wurden, kann der Auftragnehmer vom abnehmenden Auftraggeber die Bezahlung fordern. Die Spezifikation enthält in der Regel für jede spezi- fizierte Eigenschaft eine präzise Referenz zu der anzuwendenden Prüfmethode für das jeweilige Merkmal.
Prüfverfahren: Messen und Lehren
Man spricht von objektiven Prüfverfahren, wenn Prüfmittel zur Ermittlung der Messwerte verwendet werden. Dabei sind die Prüfverfahren in die Arten „Messen“ und „Lehren“ unterteilt.
Beim Messen wird eine physikalische Größe mit einem Messgerät erfasst; so wird ein Messwert ermittelt. Der Messwert setzt sich zusammen aus dem Zahlenwert und der Einheit für die physikalische Größe.
Beim Lehren wird festgestellt, ob das zu prüfende Objekt innerhalb vorgegebener Grenzen liegt oder nicht. Das Prüfergebnis ist kein Zahlenwert, sondern eine Gut- /Schlecht-Aussage. Oft lässt sich beim Lehren erkennen, in welche Richtung die Grenze überschritten wurde.
Einheitensystem
In Deutschland wird im Allgemeinen das Internationale Einheitensystem (SI) verwendet. Das Einheitensystem ist eine Zusammenstellung von Maßeinheiten, bei dem jeder Größenart genau eine Einheit zugeordnet wird.
Abb. 297: physikalische Größen (Quelle: Eigene Darstellung)
Der Wert einer physikalischen Größe (Größenwert) wird als Produkt aus einem Zahlenwert (der Maßzahl) und einer Maßeinheit angegeben. Beispiel: Länge = 4 m.
Höchstmaß, Mindestmaß, Toleranz
Bei der Fertigung von Werkstücken kommt es darauf an, mit wirtschaftlichem Aufwand die geforderten Funktionen und geometrischen Merkmale an Genauigkeit und Austauschbarkeit zu erreichen. Dazu werden in technischen Zeichnungen die Maß-, Form- und Lagetoleranzen als Abweichung vom Nennmaß spezifiziert.
Das Nennmaß ist das ideale Sollmaß eines Elementes und die Größenangabe, auf die sich die Angaben zur Tolerierung beziehen.
Ausgehend vom Nennmaß weicht das Höchstmaß als größtes zugelassenes Maß um den Betrag des oberen Abmaßes nach oben ab. Das Mindestmaß als kleinstes zugelassenes Maß weicht um den Betrag des unteren Abmaßes nach unten ab. Die Differenz zwischen dem Höchstmaß und dem Mindestmaß stellt die Maßtoleranz dar.
Messtechnik
Die Messtechnik befasst sich mit Geräten und Methoden zur Bestimmung (Messung) physikalischer Größen wie beispielsweise Länge, Masse, Kraft, Druck, elektrischer Strom, Temperatur oder Zeit. Wichtige Teilgebiete der Messtechnik sind die Entwicklung von Messsystemen und Messmethoden sowie die Erfassung, Modellierung und Reduktion (Korrektur) von Messabweichungen und unerwünschten Einflüssen. Dazu gehört auch die Justierung und Kalibrierung von Messgeräten sowie die korrekte Reduktion der Messungen auf einheitliche Bedingungen. Messgeräte dienen zur Bestimmung physikalischer Größen. Meistens zeigen sie die zu messende Größe durch eine Skalen- oder Ziffernanzeige quantitativ an. Der Messwert wird als Produkt von Zahlenwert und Einheit angegeben. Die Messgeräte werden in der Regel bei einer Bezugstemperatur von 20° C geeicht beziehungsweise kalibriert. Man sollte darauf achten, dass Messgeräte und Prüflinge die gleiche Temperatur von möglichst 20° C haben, damit Messwerte nicht durch Temperatureinflüsse beeinflusst werden!
Messen mit Strichmaßstäben
Die Maße werden durch den Abstand der Teilstriche verkörpert. Ihre Teilung beträgt 0,5 beziehungsweise 1 mm, sodass die Ablesegenauigkeit auf rund 1 mm begrenzt ist. Man sollte den Messwert immer genau senkrecht zur Maßstaboberfläche ablesen, um Ablesefehler zu vermeiden.
Messen mit Messschiebern
Auf einer Stange mit in der Regel zwei Messschenkeln lässt sich ein Schieber bewegen, der ebenfalls Messschenkel trägt. Für die Außen- oder die Innenmessung wird je eins der Messschenkelpaare an einen Körper von außen beziehungsweise an die Wände eines Hohlraums von innen angelegt. Am Schieber befindet sich meistens noch eine Messstange, die zum Beispiel zur Tiefenmessung von nicht durchgehenden Bohrungen verwendet wird.
Abb. 298: Außen-, Innen- und Tiefenmessung sind mit dieser Schieblehre möglich. (Quelle: Wikipedia, bearbeitet)
Ablesen des Messschiebers:
Um eine Ablesegenauigkeit von einem Zehntelmillimeter zu erreichen, ist der Schieber mit einer Teilung, dem sogenannten Nonius, versehen. Beim Zehntel-Nonius sind L = 9 mm in 10 Teile geteilt. Der Strichabstand ist somit a' = 0,9 mm, während die Teilung auf der Messschiene a = 1 mm beträgt. Es besteht also eine Teilungsdifferenz vom 1 mm – 0,9 mm = 0,1 mm.
Abb. 299: Darstellung des Nonius (Quelle: Eigene Darstellung)
Beim Ablesen des Messschiebers kommt es nun darauf an, jenen Teilstrich des Nonius zu bestimmen, der mit einem Teilstrich der Millimeterskala zusammenfällt.
Abb. 300: So liest man Zehntelmillimeter ab. (Quelle: Eigene Darstellung)
Beim Messen liest man die ganzen Millimeter links vom Nullstrich A des Nonius ab (= 4,7 cm = 47 mm). Die Zehntelmillimeter werden rechts vom Nullstrich des Nonius an dem Noniusteilstrich abgelesen, der mit einem Strich des Strichmaßstabes auf der Messschiene übereinstimmt B = 4. Damit ergibt sich in diesem Beispiel ein Wert von 47,4 mm. Bei digitalen Messgeräten lässt sich der Messwert direkt auf dem Display ablesen.
Messen mit Messschrauben
Eine Messschraube ist ein Längenmessgerät. Sie besteht aus einer festen und einer mit einem Feingewinde verstellbaren Messfläche, die meist durch einen Bügel (Bügelmessschraube) miteinander verbunden sind. Das zu messende Teil wird zwischen beide Messflächen gebracht und das Gewinde wird mittels einer Einstellschraube (meist gerändelt) so weit zugedreht, bis beide Messflächen das Teil berühren. Dabei verhindert eine Rutschkupplung ein Einklemmen des zu messenden Teils und bewirkt eine gleiche Kraft auf die Messspindel bei allen Messungen.
Abb. 301: Messschraube (Quelle: MW-Import)
Messen mit Messuhren und Feinzeigern
Eine Messuhr ist ein mechanisches Messgerät zum Messen von Längen oder Längendifferenzen. Sie wird zum Beispiel für Vergleichs-, Ebenheits-, Lage- oder Rundlaufmessungen eingesetzt. Messuhren werden entweder mit einer analogen oder mit einer digitalen Anzeige hergestellt.
Bei Messuhren mit Rundskala und analoger Anzeige wird die Längsbewegung des Messtasters mittels Zahnstange und Zahnrad auf den Zeiger übertragen. Dadurch kann sich der Zeiger der Messuhr mehrmals im Kreis drehen. Die Anzahl der Umdrehungen wird mit einem weiteren Zeiger angezeigt, so wie der Stundenzeiger einer Uhr die Anzahl der Umdrehungen des Minutenzeigers anzeigt. Die Zahnstangenübersetzung hat den Vorteil, dass die Messuhr einen relativ großen Messbereich hat. Nachteilig an dem Messwertübertragungsverfahren ist jedoch, dass eine massive Messteilgrößenüberschreitung – das heißt: Das zu ermittelnde Maß am Messobjekt überschreitet beträchtlich den Wegbereich der Zahnstange – bei starrer Arretierung der Messuhr zu Getriebeschäden oder Beschädigungen der Zahnstange führt. Somit kann ein wiederholtes Überschreiten des Messweges der Zahnstange zu Ungenauigkeiten oder dem sogenannten „Schleppzeiger“ führen, der sich in einem extrem verzögerten Zeigerrücklauf äußert. Das bedeutet, dass keine Messungen mehr durchgeführt werden können, die auf Wertdifferenzen zurückgreifen – also Rundlauf- und Ebenheitsmessungen.
Weiterhin zeichnet sich eine Messuhr dadurch aus, dass sie sowohl im Druck- als auch im Zugbetrieb eingesetzt werden kann und die Rückführung der Messstange über eine Feder erfolgt. Somit ist die anliegende Messkraft nahezu konstant.
Messuhren erreichen eine Genauigkeit von rund 1/100 mm (10 μm) bei einem typischen Messbereich von 5 bis 60 mm (μm = 0,001 mm = 1 Mikron. Aussprache „mü“).
Bei Messuhren mit der Genauigkeit von 1/1000 mm (1 μm) spricht man von einem Feinzeiger, diese haben konstruktionsbedingt einen geringeren Messbereich.
Abb. 302: Messuhren (Quelle: Wikipedia)
Messuhren haben – wie auch Messschrauben und Messtaster – gehärtete Flächen oder Kugeln, mit denen sie den zu messenden Gegenstand berühren.
Messen mit Endmaßen
Endmaße sind kleine Blöcke zum Prüfen und Kalibrieren von Messgeräten und Prüfmitteln. Sie dienen aber auch zum direkten Messen. Sie bestehen aus Stahl, Hartmetall oder Keramik und verkörpern eine bestimmte Länge mit einer hohen Genauigkeit (Maßverkörperung). Endmaße gibt es in verschiedenen Formen – beispielsweise als Parallel-, Winkel-, Kugel- oder Zylinderendmaße.
Endmaße sind nach DIN EN ISO 3650 genormt und werden in vier Toleranzklassen hergestellt, die folgenden Anwendungsgruppen zugeordnet werden können:
Abb. 303: Endmaße nach DIN EN ISO 3650 (Quelle: Eigene Darstellung)
Bei der Winkelmessung wird mithilfe technischer Einrichtungen herausgefunden, in welchem Winkel zwei Geraden zueinander stehen. Oft werden Winkel wie bei einem konventionellem Winkelmesser manuell abgelesen. Je größer der Radius der Skala ist, umso genauer kann der Winkel abgelesen werden. Ein Winkel (gelegentlich auch Winkelmaß genannt) ist eine Formlehre, die bei der Holz-, Stein- und Metallbearbeitung sowie im Bauhandwerk verwendet wird. Der Winkel besteht aus zwei Schenkeln, die in einem rechten Winkel zueinander angeordnet sind.
Abb. 304: Messwinkel (Quelle: Wikipedia)
Eine Lehre ist in der Technik ein Gerät, das für vorher festgelegte Maße und Formen ein Bezugsnormal darstellt. Die Lehre verkörpert dabei die physischen Maße und Formen (Maßverkörperung). Lehren kom- men in der Messtechnik, Produktion und Montage zum Einsatz. In der Messtechnik sowie im Maschinen- und Anlagenbau sind sie meist aus gehärtetem Lehrenstahl, während die Messflächen oft aus Hartmetall und in der Regel feingeschliffen oder geläppt sind. Läppen ist Fertigungsverfahren zur Glättung von Oberflächen. Die Toleranzen hängen von den zu Grunde liegenden Normen ab oder werden, soweit es keine entsprechende Norm gibt oder sich nicht anwenden lässt, nach konstruktiven Gesichtspunkten festgelegt.
Lehren wurden geschaffen, um das einfache Überprüfen von Vorgabemaßen (Toleranzen) zu ermöglichen. Dabei wird mit der Lehre überprüft, ob das Ist-Maß eines Werkstücks innerhalb der Toleranz des Soll-Maßes liegt. Ihre Anwendung birgt im Gegensatz zu Messverfahren kaum Fehlerquellen und liefert eine eindeutige Aussage, wenn das Werkstück auf der Gut-Seite passt oder auf der Ausschuss-Seite (rot) nicht passt. Mit Lehren kann nicht, wie oft vermutet, gemessen werden – denn das Prüfen mit einer Lehre ergibt keinen Zahlenwert. Es kann nur den Soll-Zustand (Lehre) mit dem Ist-Zustand des Prüflings verglichen werden.
Abb. 305: eine Lehre (Quelle: Eigene Darstellung)
Zufuhr- und Ablagesysteme zählen zum Bereich der Fördertechnik und dienen mit ihren Aufnahme-, Transport- und Lagerfunktionen dem Materialfluss innerhalb des Fertigungsprozesses. Sie sind in der Packmittelindustrie unentbehrlich. Art und Eigenschaften des Fördergutes haben wesentliche Bedeutung für die Auslegung und konstruktive Ausführung der Zufuhr- und Ablagesysteme:
• stetiger Fördergutstrom (Fördergeschwindigkeit und Beschleunigung)
• unstetiger Fördergutstrom (aussetzend, intermittierender Fördervorgang, ungleichmäßiger Takt)
Bei der Auswahl des jeweils günstigsten Fördermittels für eine gestellte Förderaufgabe sind neben rein technischen Gesichtspunkten auch wirtschaftliche Überlegungen und Fragen des Umweltschutzes (Lärm, Verschmutzung) wichtig.
Zufuhrsysteme dienen der Zuführung von Roh- oder Halbfertigmaterialen zur weiteren Verarbeitung in Fertigungsanlagen.
Stetigförderer
Stetigförderer sind mechanische, pneumatische und hydraulische Fördereinrichtungen, bei denen das Fördergut auf festgelegtem Förderweg von Aufgabe- zu Abgabestelle stetig, mit wechselnder Geschwin- digkeit oder im Takt bewegt wird.
In der Verpackungsindustrie kommen hauptsächlich folgende Arten von Stetigförderern zum Einsatz:
• Gurt- oder Bandförderer
• Ketten- oder Riemenförderer
• Rollen- oder Kugelbahnen
• pneumatische Stetigförderer mit Druckluft oder Vakuum
Gurt- oder Bandförderer
Von Gurtförderern spricht man, wenn die Gurte, die als Trag- und Zugorgan dienen, in verschiedenen Formen (dem Fördergut angepasst) gemuldet oder mit Aufkantungen versehen sind.
Bandförderer haben ein ebenes Band, auf dem das Fördergut aufgrund der Schwerkraft und der Reibung gefördert wird. Sie werden vorwiegend für waagerechte oder leicht geneigte, geradlinige Förderung eingesetzt. Sonderbauten können auch für steile und/oder Kurvenförderung konstruiert werden. Der Antrieb erfolgt in der Regel durch einen Elektromotor, der eine Umlenkrolle antreibt. Je nach Komplexität der Anlage kommen weitere Elemente wie Spannstationen, Bandführungen, Abweiser, Schleusen, Stau- und Abrufvorrichtungen hinzu. Gurt- oder Bandförderer werden in der Regel ortsfest in Produktionsanlagen eingebaut. Höhenverstellbare und/oder ortsveränderliche Förderer sind aufgrund des einfachen Konstruktionsprinzips relativ kostengünstig zu realisieren.
Abb. 306: Gurtförderer (Quelle: TGW-Group)
Bei dieser Art von Förderer sind zwei oder mehr umlaufende Ketten- oder (Zahn-)Riemen über eine Antriebswelle miteinander verbunden. Eingesetzt werden diese Förderer, um standardisierte Transporteinheiten wie Paletten oder Gitterboxen über große Entfernungen zu transportieren.
Werden Zahnriemen eingesetzt, so kann durch Ausgestaltung der Zahnriemenaußenseite entsprechend dem Fördergut ein kostengünstiger, robuster und wartungsarmer Förderer gebaut werden.
Abb. 307: Kettenförderer (Quelle: TGW-Group).
Der Einsatz von Zahnriemen als Bandförderer ist gekennzeichnet durch einen formschlüssigen Zahneingriff in der Antriebsstation. Es liegen stets synchrone Bandgeschwindigkeiten vor. Endlos verschweißte Zahnriemen werden bevorzugt in der Fördertechnik für beliebig große Achsabstände verwendet. Beschichtete – mit beliebigen Nocken oder Bürsten bestückte – Zahnriemen nehmen spezielle Transportaufgaben wahr. Auch gelochte Zahnriemen in Verbindung mit Vakuumkanälen werden in Zuführungen und Transportsystemen verwendet.
Abb. 308: Förderer mit Zahnriemen. Förderer mit Zahnriemen sind kostengünstig und wartungsarm. (Quelle: Eigene Darstellung)
Rollen- oder Kugelbahnen
Hier wird das Fördergut auf einer meist in kurzem Abstand montierten Anzahl von Rollen oder Kugeln transportiert. Die Förderung erfolgt bei schwach geneigten Bahnen durch Schwerkraft, während bei waagerechten oder leicht ansteigenden Bahnen die Rollen oder Kugeln durch Ketten, Zahn- oder Keilriemen angetrieben werden. Rollen oder Kugelbahnen können mit Kurven, Weichen oder aufklappbaren Durchgangsstücken ausgerüstet sein. Rollen- oder Kugelbahnen können durch eine große Anzahl von Modulen nach dem Baukastenprinzip schnell und kostengünstig den örtlichen Gegebenheiten angepasst werden.
Abb. 309: Rollenbahn (Quelle: TGW-Group)
Beim Betrieb einer Rollenbahn ergeben sich besondere Gefahrenstellen. Sie müssen bei freier Zugänglichkeit aus dem Arbeits- und Verkehrsbereich besonders gesichert werden. Alle Gefahrenstellen müssen gegen möglichen Eingriff gesichert werden – insbesondere Auflaufstellen zwischen Antriebselement (Kette oder Riemen) und Tragrollen.
Rollen- oder Kugelbahnen sind bei richtiger konstruktiver Auslegung und Anpassung auf die Anforderungen des Transportgutes sehr robust und langlebig. Sie verursachen zudem einen nur geringen Wartungs- aufwand. Da hier sehr viele Gleichteile wie Rollen, Kugeln, Antriebe und Antriebselemente verwendet werden, die in großen Stückzahlen hergestellt werden, wird beispielsweise bei einer notwendigen Instandset- zung oft die komplette Bandrolle ausgetauscht, da eine Reparatur oft unwirtschaftlich ist.
Pneumatische Stetigförderer mit Druckluft oder Vakuum
Das Vakuumband ist eine Sonderform des Bandförderers. Dabei ist das Förderband gelocht, sodass der Unterdruck in einem gleichzeitig als Bandauflage dienenden Vakuumkanal das Fördergut auf dem Band fixiert. Bei vielen Transportvorgängen in Maschinen zur Herstellung von flexiblen Verpackungen ist aufgrund von beengten Platzverhältnissen und der Beschaffenheit der Materialien ein Transportsystem wie oben beschrieben nicht einsetzbar. In diesen Fällen sind Transporte mittels Luftpolster/Blasluft oder durch Vakuum oft die alleinigen Möglichkeiten.
Luftkissentische ermöglichen einen fast reibungsfreien Transport durch die Bildung eines dünnen Luftkissens unter dem ebenen Transportgut. Damit sich das Luftkissen auch wirklich nur an den vom Transportgut benötigten Stellen ausbildet, sind in der Tischoberfläche federbelastete Kugelrückschlagventile eingebaut: Sie geben den Luftstrom frei, wenn das Gewicht des Transportgutes die eine mit einer Feder abgestützte Kugel nach unten drückt. Damit eine horizontale Vorwärtsbewegung des Transportgutes stattfinden kann, muss der Lufttisch eine entsprechend große Neigung besitzen. Die einzelnen Kugelrückschlagventile müssen unterhalb des Tisches durch Schläuche mit einem Lufterzeuger verbunden werden. Die verwendete Blasluft wird in den meisten Fällen durch Ringverdichter (Druck 300 – 500 mbar) direkt am Tisch erzeugt. Druckluft wird aus Kostengründen in den meisten Fällen nicht eingesetzt.
Insbesondere beim Vereinzeln von Stapeln (zum Beispiel für Druckmaschinen und Konfektionsmaschinen) kommt in den sogenannten Anlegern oft eine Kombination von Blasluft und Vakuum zum Einsatz. Ein Vakuum-Saugkopf hebt unterstützt von Blasluft und Abstreifern einen Bogen vom Stapel. Dabei muss die Saugkraft aber so eingestellt werden können, dass immer nur ein Bogen sicher angesaugt wird. Getaktete Blasluft wird nun zwischen die Bogen geblasen und bringt den gesamten obersten Bogen zum Schweben. Dieser Bogen wird durch eine horizontale Bewegung in den Materialfluss durch die Maschine eingeschleust. Wichtig: Für ein einwandfreies und störungsfreies Arbeiten des Anlegers müssen die Parameter „Saug- und Druckluft“ sowie die darauf abgestimmten mechanischen Bewegungsabläufe optimal eingestellt sein. Diese Grundeinstellungen werden in der Regel beim Rüsten eingestellt und getestet. Verschmutzungen durch Materialabrieb (Papierstaub), Änderungen der Materialoberflächen (Rutschwerte, elektrostatische Aufladungen) oder auch Schwankungen im Druck der Vakuum- und Luftversorgung können zu Änderungen der optimalen Parameter führen, sodass es zu Leistungseinbußen oder Störungen kommen kann.
Anleger haben aufgrund des Konstruktionsprinzips einen hohen Wartungs- und Inspektionsbedarf: Sie arbeiten nur bei sauberen und unbeschädigten Druck- und Vakuumdüsen einwandfrei. Auch die Mechanik wird bei Taktzahlen bis zu zu 400 Takten/Minute stark beansprucht, sodass die Vorschriften für Schmier- und Wartungsintervalle der Hersteller strikt einzuhalten sind.
Ablagesysteme
Ablagesysteme nennt man technische Einrichtungen zum Prüfen, Aussortieren, Sammeln, Stapeln und Verpacken von Halbfertig- oder Fertigprodukten von Konfektionsmaschinen. Dabei werden als Grundeinheiten für den Transport der Produkte wieder alle Arten der schon beschriebenen Stetigförderer eingesetzt. Je nach Aufgabenstellung können diese um zusätzliche Module erweitert werden. Diese können zum Beispiel über Kameras oder Sensoren Ausschuss ausschleusen oder Stapel bilden, die dann in den Umverpackungen zum Endkunden oder zur Weiterverarbeitung gelangen. Die Anforderungen an die Ausgestaltung und Leistungsfähigkeit der einzelnen Prozessschritte hängt im Wesentlichen mit den Produktionsgeschwindigkeiten zusammen.
Bei geringen Taktgeschwindigkeiten und geringen Stückgewichten sind durchaus auch rein manuelle Tätigkeiten an den Ablagesystemen wirtschaftlich. Jedoch ist bei immer größeren Taktgeschwindgkeiten oft nur noch ein vollautomatischer Ablauf möglich.
Vollautomatische Ablagesysteme werden häufig aus standardisierten Baukastensystemen dem jeweiligen Anwendungsfall entsprechend konfiguriert. Grundbestandteile eines solchen Systems sind Flächenportale, auch als Flächen-Portalroboter bezeichnet. Sie basieren auf einem in XY-Achse (Abbildung 310) verfahrbaren Linearachsensystem.
Abb. 310: Linearachssystem in XY-Achse (Quelle: Eigene Darstellung)
Eine zusätzliche Linienachse in Z-Richtung führt zu einem System mit dreidimensionalem Arbeitsraum, der durch weitere Drehachsen zu noch mehr Freiheitsgraden führt. Die Schnittstelle zwischen Roboter und Werkstück stellt der Greifer dar, da je nach Werkstück Geometrie, Gewicht und Oberflächenbeschaffenheit speziell angepasst werden müssen. In der Verpackungsindustrie werden häufig pneumatische Greifersysteme eingesetzt. Diese haben sich bei ebenflächigen, glatten und weitgehend luftundurchlässigen Werkstücken bewährt.
Abbildung 311: Greifersystem mit dreidimensionalem Arbeitsraum (Quelle: Eigene Darstellung)
Für solche Ablagesysteme werden oft Baukastenteile verwendet. Der Aufwand für die Wartung und Instandhaltung ist deshalb zumeist sehr gering. Im Schadensfall wird meist einfach eine Baugruppe ausgetauscht. Denn die Reparatur einzelner Teile wäre teuer. Die Wartung und Inspektion der Sicherheitseinrichtungen von automatischen Ablagesystemen erfordert dagegen besondere Aufmerksamkeit. Diese Einrichtungen müssen jederzeit einwandfrei und manipulationssicher funktionieren, um den gewünschten Bewegungsablauf kollisionsfrei zu gewährleisten und den unbefugten Zutritt von Personen in den Gefährdungsbereich zu verhindern. Gefordert ist hier eine Gefährdungsbeurteilung des Anlagenbetreibers. Das ist eine detaillierte Analyse aller möglichen Gefährdungen für Personen und Umwelt. In der Folge sind geeignete technische, organisatorische und persönliche Maßnahmen zu treffen, um Gefährdungen zu reduzieren oder zu beseitigen.
Abb. 312: Greifersystem im Produktionsumfeld (Quelle: Eigene Darstellung)
Fließbilder verfahrenstechnischer Anlagen nach DIN 28004 sind vereinfachte, zeichnerische Darstellungen von Aufbau und Funktion mithilfe von Bild- und Schriftzeichen. Sie erleichtern dem Betreiber solcher Anlagen das Verständnis des Verfahrensablaufes und der Zusammenhänge beim Beeinflussen von Prozessschritten oder bei der Beseitigung von Störungen. Nach DIN 28004 werden drei Arten von Fließbildern unterschieden:
• Grundfließbild (auch Blockfließbild)
• Verfahrensfließbild (auch Prozessfließbild)
• Rohrleitungs- und Instrumentenfließbild (R & I-Fließbild).
4.3.1 Grundfließbild
Im Grundfließbild werden Verfahrensschritte, Anlagen oder Anlagenteile durch Rechtecke dargestellt, die durch Linien verbunden werden. Grundfließbilder stellen einen Überblick über das Verfahren und die Grundzusammenhänge dar. Sie können die Verfahrensabschnitte oder die Anlagenkomponenten veranschaulichen. In den Grundfließbildern werden oft auch wichtige Zusatzinformationen eingefügt. Dies könnten zum Beispiel Volumenströme, Drücke oder Temperaturen sein.
Verfahrensfließbilder enthalten Details zu Maschinen und Geräten, zu Rohrleitungen und Armaturen sowie Angaben zu den Stoffströmen und Prozessparametern. Neben den Vorschriften DIN 2402, DIN 2403 und DIN 2406 für die Darstellung und Kennzeichnung von Rohrleitungen sind für die Verfahrensfließbilder wichtig:
• DIN 19227 grafische Symbole und Kennbuchstaben für die Prozessleittechnik
• DIN 28004 Fließbilder verfahrenstechnischer Anlagen.
Die hier genannten Vorschriften enthalten eine große Anzahl an Symbolen und Festlegungen, die nicht alle für die Papierindustrie benötigt werden. Deshalb werden im Folgenden nur ausgewählte Inhalte zusammen-gestellt. Werden darüber hinaus hier nicht genannte oder für die Papierindustrie besondere Symbole verwendet, so werden diese an der entsprechenden Stelle erläutert.
Symbole für Rohrleitungen
Abb. 313: Symbole für Rohrleitungen (Quelle: Eigene Darstellung)
Kennzeichnung von Rohrleitungen nach dem Durchflussstoff
Abb. 314: Farben zeigen, was durch Rohrleitungen fließt. Die DIN 2403 enthält Festlegungen für weitere Durchflussstoffe, jedoch werden in der Praxis diese Festlegungen nicht immer durchgesetzt. (Quelle: Eigene Darstellung)
Symbole für Armaturen
Abb. 315: Schieber, Kugelventil und so weiter? Wer die Symbole kennt, weiß Bescheid. (Quelle: Eigene Darstellung)
Stellantriebe für Armaturen:
Abb. 316: Ist die Armatur von Hand, motorisch, hydraulisch zu bedienen? Symbole informieren darüber. (Quelle: Eigene Darstellung)
Grafische Symbole und Kennbuchstaben für die Prozessleittechnik nach DIN 19227:
Abb. 317: Symbole für die Prozessleittechnik (Quelle: Eigene Darstellung)
Aus den Angaben im Messstellenkreis soll hervorgehen:
• die Messgröße
• die Art der Messwertverarbeitung und
• Ortsangaben.
Im oberen Teil des Messstellenkreises sind die für die Messgrößen und die Messwertverarbeitung festgelegten Kennbuchstaben zu verwenden. Im unteren Teil des Messstellenkreises sind frei wählbare Bezeichnungen für die Messstelle einzusetzen – zum Beispiel eine Messstellennummer.
Kennbuchstaben für verfahrenstechnische Fließbilder
Die Kennbuchstaben in verfahrenstechnischen Fließbildern sind Abkürzungen für englische Begriffe.
Abb. 318: Kennbuchstaben und ihre Bedeutung (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 319: Symbole und Kennbuchstaben in der Anwendung (Quelle: Eigene Darstellung)
Im Rohrleitungs- und Instrumentenfließbild werden technische Einzelheiten zur Durchführung des Prozesses und der apparative Aufbau der Anlage dargestellt. Da diese Fließbilder häufig sehr umfangreich sind, kann die Teilung in verschiedene Darstellungsebenen sinnvoll sein, die das R & I-Fließbild immer nur für einen vorher im Verfahrensfließbild ausgewählten Bereich anzeigen.
Abb. 320: R & I-Fließbilder sind oft so umfangreich, dass nur Auszüge gezeigt werden. (Quelle: Eigene Darstellung)
4.4.1 Überblick
Druckluft als Energieform lässt sich über Jahrtausende zurückverfolgen. Natürliche Luftströmungen als Antrieb für Segelschiffe und Windmühlen sind jedem bekannt. Das Wort Pneumatik leitet sich aus dem griechischen Wort Pneuma ab, das soviel wie Atem oder Hauch bedeutet. Die Pneumatik, die wir heute unter diesem Wort verstehen, kam mit der Automatisierung in den 50er-Jahren aus den USA. Die Pneumatik spielt in der automatisierten Arbeitswelt eine große Rolle und gewinnt noch an Bedeutung. Viele Fertigungsprozesse wären ohne Pneumatik nicht denkbar. In den folgenden Branchen gehört die Pneumatik als fester Bestandteil zu fast jeder Fertigungsanlage. Branchen, in denen dieses Verfahren verwendet wird:
• Automobilindustrie
• Chemie, Petrochemie und Pharmaindustrie
• Druck- und Papierindustrie• Maschinenbau
• Nahrungsmittelindustrie
• Trink- und Abwassertechnik
• Verpackungsindustrie
Die Pneumatik kommt dabei für die Ausführung der folgenden Funktionen zum Einsatz:
• Erfassen von Zuständen durch Eingabeelemente
• Informationsverarbeitung mit Verarbeitungselementen
• Schalten von Arbeitselementen durch Stellelemente
• Verrichten von Arbeit mit Arbeitselementen
Der technologische Fortschritt bei Material, Konstruktions- und Produktionsverfahren hat die Qualität und Vielfalt der pneumatischen Bauelemente zusätzlich verbessert und somit zu einem verbreiteten Einsatz in der Automatisierungstechnik beigetragen.
Vorteile der Pneumatik
Luft ist praktisch überall in unbegrenzter Menge verfügbar. Sie kann sehr einfach in Rohrleitungen über weite Strecken transportiert werden. Druckluft kann in einem Druckbehälter gespeichert und von dort entnommen werden. Der Druckbehälter kann zusätzlich noch transportabel sein. Druckluft ist nahezu unempfindlich gegen Temperaturschwankungen. Dies garantiert einen zuverlässigen Betrieb selbst unter extremen Bedingungen. Druckluft bietet kein Risiko in Bezug auf Feuer- oder Explosionsgefahr. Nicht geölte entweichende Druckluft verursacht keine Verschmutzung von Werkstücken und keine Umweltbelastung. Die Arbeitselemente sind einfach in ihrem Aufbau und daher preiswert. Druckluft ist ein schnelles Arbeitsmedium. Es können hohe Kolbengeschwindigkeiten und kurze Schaltzeiten erzielt werden. Pneumatische Werkzeuge und Arbeitselemente können bis zum Stillstand belastet werden und sind überlastsicher.
Nachteile der Pneumatik
Druckluft muss aufbereitet werden, da Pneumatikkomponenten sonst durch Schmutzpartikel und Kondenswasser verstärkt verschleißen könnten. Mit Druckluft kann man keine gleichmäßigen und kon-stanten Kolbengeschwindigkeiten erzielen. Druckluft ist nur bis zu einem bestimmten Kraftbedarf wirtschaftlich. Bei dem normalerweise verwendeten Betriebsdruck von 600 bis 700 kPa (6 bis 7 bar) und in Abhängigkeit von Hub und Geschwindigkeit liegt diese Grenze zwischen 40.000 und 50.000 N. Das Entweichen der Luft ist mit hoher Geräuschentwicklung verbunden. Dieses Problem kann aber weitgehend durch schallabsorbierende Materialien und Schalldämpfer gelöst werden.
Erklärung: kPa = Kilopascal = 1000 Pascal. Ein Druck von 100 kPa entspricht dabei 1 bar. Diese Einheit ist jedem bekannt, der schon einmal den Reifendruck kontrolliert hat. Etwas über 2 bar sind hier die Regel. Der normale Betriebsdruck von Pneumatik-Komponenten ist deutlich höher.
Luft ist ein Gasgemisch und hat die folgende Zusammensetzung:
• rund 78 Vol. % Stickstoff
• rund 21 Vol. % Sauerstoff
Zusätzlich sind Spuren von Kohlendioxid, Argon, Wasserstoff, Neon, Helium, Krypton und Xenon enthalten.
Druck
1 Pa entspricht dem Druck, den eine senkrecht wirkende Kraft von 1 N (Newton) auf eine Fläche von 1 m² ausübt.
Kraft F in N, Fläche A in m², Druck p in Pa
Der Druck, der direkt auf der Erdoberfläche herrscht, wird als atmosphärischer Druck (pamb) bezeichnet. Dieser Druck wird auch Bezugs-druck genannt. Der Bereich oberhalb dieses Drucks heißt Überdruck-bereich (pe > 0), der Bereich unterhalb heißt Unterdruckbereich (pe < 0). Die atmosphärische Druckdifferenz pe berechnet sich nach der Formel:
pe = pabs - pamb
Dies wird durch das folgende Diagramm verdeutlicht:
Abb. 321: Luftdruck (Quelle: Eigene Darstellung)
Der atmosphärische Druck ist nicht konstant. Sein Wert ändert sich mit der geografischen Lage und dem Wetter. Der absolute Druck pabs ist der auf Druck Null – Vakuum – bezogene Wert. Er ist gleich der Summe des atmosphärischen Drucks und des Über- beziehungsweise Unterdrucks. In der Praxis werden hauptsäch-lich Druckmessgeräte verwendet, die nur den Überdruck pe anzeigen. Der absolute Druckwert pabs ist ungefähr 100 kPa (1 bar) höher.
Normzustand
In der Pneumatik ist es üblich, sämtliche Angaben über Luftmengen auf den sogenannten Normzustand zu beziehen. Der Normzustand nach DIN 1343 ist ein durch Normtemperatur und Normdruck festgelegter Zustand eines festen, flüssigen oder gasförmigen Stoffes:
Normtemperatur Tn = 273,15 K, tn = 0 °C
Normdruck pn = 101.325 Pa = 1,01325 bar
1. Drucklufterzeugung
Zur Erzeugung der Druckluft werden Verdichter eingesetzt. Die Auswahl eines Verdichters hängt vom Arbeitsdruck und von der benötigten Luftmenge ab. Man teilt Verdichter in die folgenden Bauarten ein:
• Hubkolbenverdichter
• Drehkolbenverdichter
• Strömungsverdichter
Hubkolbenverdichter
Ein Hubkolben verdichtet die über das Einlassventil angesaugte Luft. Über das Auslassventil wird die komprimierte Luft weitergegeben.
Abb. 322: Einstufiger Hubkolbenverdichter – Schnittbild (Quelle: Eigene Darstellung)
Hubkolbenverdichter werden häufig eingesetzt, da sie für große Druckbereiche erhältlich sind. Zur Erzeugung höherer Drücke werden mehrstufige Verdichter verwendet. Die Luft wird dabei zwischen den einzelnen Verdichterstufen abgekühlt. Die optimalen Druckbereiche für Hubkolbenverdichter liegen bei:
• bis 600 kPa (6 bar) einstufig
• bis 1500 kPa (15 bar) zweistufig
Druckluftspeicher
Die erzeugte Druckluft wird einem Druckluftspeicher zugeführt. Der Druckluftspeicher gleicht Druckschwankungen bei der Entnahme der Druckluft vom System aus. Sinkt der Druck im Druckluftspeicher unter einen bestimmten Wert ab, so füllt ihn der Verdichter so lange auf, bis der eingestellte obere Druckwert wieder erreicht wird. Dies hat den Vorteil, dass der Verdichter nicht im Dauerbetrieb arbeiten muss. Durch die relativ große Oberfläche des Speichers wird die Druckluft im Druckluftspeicher abgekühlt. Dabei wird Kondenswasser ausgeschieden, das über einen Ablasshahn regelmäßig abgelassen werden muss.
Lufttrockner
Zu große Feuchtigkeitsmengen in der Druckluft setzen die Lebensdauer pneumatischer Systeme herab. Daher ist es notwendig, Lufttrockner zwischenzuschalten, um den Feuchtigkeitsgehalt der Luft zu senken. Zum Trocknen der Luft stehen folgende Verfahren zur Verfügung:
• Kältetrocknung
• Adsorptionstrocknung
• Absorptionstrocknung
2. Druckluftaufbereitung
Die einzelnen Funktionen der Druckluftaufbereitung Filtern, Regeln und Ölen können mit Einzelelementen erfüllt werden. Diese Funktionen sind oft in einer Baueinheit, der Wartungseinheit, zusammengefasst worden. Wartungseinheiten sind jeder pneumatischen Anlage vorgeschaltet.Die richtige Kombination sowie die korrekte Größe und Bauart werden von der Anwendung und den Ansprüchen des Systems bestimmt. Um die Luftqualität für jede Aufgabe zu garantieren, werden Wartungseinheiten in jedem Steuerungssystem installiert.
Abb. 323: Wartungseinheit mit Wasserabscheider, Druckluftfilter, Druckregelventil, Druckmessgerät und Druckluftöler – Symbole, links: ausführliche Darstellung; rechts: vereinfachte Darstellung (Quelle: FESTO Didactic)
Druckluftfilter
Damit die Luft frei von Flüssigkeiten und Schmutzteilchen ist, wird sie im Druckluftfilter gereinigt. Das ist wichtig, damit Druckluftanlagen einwandfrei funktionieren. Je nach Einsatz kann Luft auch mit Öl angerei-chert werden. Der Druckluftfilter hat die Aufgabe, Verunreinigungen sowie Kondensat aus der durchströmenden Druckluft zu entfernen. Die Druckluft strömt durch Leitschlitze in die Filterschale. Hier werden Flüssigkeitsteilchen und Schmutzpartikel durch Zentrifugalkraft vom Luftstrom getrennt. Die herausgelösten Schmutzpartikel setzen sich im unteren Teil der Filterschale ab. Das gesammelte Kondensat muss vor Überschreiten der Maximalgrenze abgelassen werden, da es sonst dem Luftstrom wieder zugeführt wird.
Druckregelventil
Das Druckregelventil hat die Aufgabe, den Arbeitsdruck der Anlage (Sekundärdruck) konstant zu halten, ohne Rücksicht auf Schwankungen des Leitungsdrucks (Primärdruck) und des Luftverbrauchs.
Druckluftöler
Der Druckluftöler hat die Aufgabe, die Luft mit einer dosierten Ölmenge anzureichern, wenn dies für den Betrieb der pneumatischen Anlage notwendig ist. Der Einsatz eines Druckluftölers ist in modernen Anlagen nicht mehr generell notwendig. Er ist nur bei Bedarf gezielt – vor allem im Leistungsteil einer Anlage – einzusetzen. Die Druckluft im Steuerteil sollte nicht geölt werden.
Druckmessgeräte
Abb. 324: Rohrfeder-Manometer – Schnittbild und Symbol (Quelle: Eigene Darstellung)
Ein Rohrfeder-Manometer besteht im Wesentlichen aus einer C-förmig gebogenen Metallröhre, die einseitig geschlossen und am anderen Ende starr mit dem Anschlussflansch verbunden ist. Innerhalb der Röhre bildet sich der zu messende Druck, außerhalb dient der Umgebungsdruck als Referenz. Ist der zu messende Druck kleiner als der aktuelle Atmosphärendruck, so erhöht sich die Krümmung der Metallröhre. Ist der zu messende Druck höher als der Atmosphärendruck, so streckt sich die Metallröhre. Am geschlossenen Ende der Feder ist ein Messwerk angebracht – deren Auslenkung kann auf einer Skala angezeigt werden. Die Skalenanzeige ist linear und für Über- sowie Unterdruck (negative Werte) möglich.
3. Druckluftverteilung
Es sind einige Punkte zu beachten, um eine zuverlässige und störungsfreie Druckluftverteilung zu gewährleisten:
• Dimensionierung des Rohrsystems
• verwendetes Rohmaterial
• Durchflusswiderstand
• Rohranordnung und
• Wartung
Abb. 325: Verbundnetz zur Druckluftverteilung (Quelle: Eigene Darstellung)
1. Einfachwirkende Zylinder
Einfachwirkende Zylinder werden nur von einer Seite mit Druckluft beaufschlagt. Diese Zylinder können nur nach einer Richtung Arbeit leisten. Die Einfahrbewegung der Kolbenstange erfolgt durch eine eingebaute Feder oder durch äußere Krafteinwirkung. Die Federkraft der eingebauten Feder ist so bemessen, dass sie den Kolben ohne Last mit genügend großer Geschwindigkeit in seine Ausgangsstellung zurückbringt.
1: Abschlussdeckel, 2: Druckluftanschluss, 3: Magnetring, 4: Zylinderrohr, 5: Entlüftungsbohrung, 6: Kolbenstange, 7: Führungsbuchse, 8: Lagerdeckel, 9: Rückstellfeder, 10: Kolben, 11: Kolbendichtung
Abb. 326: Einfachwirkender Zylinder – Schnittbild und Symbol (Quelle: Eigene Darstellung)
Bei einfachwirkenden Zylindern mit eingebauter Feder ist der Hub durch die Baulänge der Feder begrenzt. Daher werden einfachwirkende Zylinder bis ca. 100 mm Hublänge gebaut. Der einfachwirkende Zylinder hat eine einfache Kolbendichtung an der druckbeaufschlagten Seite. Die Abdichtung erfolgt durch flexibles Material (Perbunan), das dichtend in einem Metall- oder Kunststoffkolben eingebettet ist. Perbunan ist eine Markenbezeichnung für einen bestimmten Synthesekautschuk. Bei Bewegung gleiten die Dichtkanten auf der Zylinderlauffläche. Aufgrund der Bauart kann der einfachwirkende Zylinder verschiedene Bewegungsfunktionen ausführen, die man mit Zubringen bezeichnet – zum Beispiel:
• Weitergeben
• Abzweigen
• Zusammenführen, Zuteilen
• Spannen
• Ausgeben
Abb. 327: Schaltplan – Ansteuerung eines einfachwirkenden Zylinders mit einem 3/2-Wege ventil, Sperr-Ruhestellung (Quelle: Eigene Darstellung)
2. Doppeltwirkender Zylinder
Doppeltwirkende Zylinder werden von beiden Seiten mit Druckluft beaufschlagt. Diese Zylinder können in beide Richtungen arbeiten. Die auf die Kolbenstange übertragene Kraft ist für den Vorhub etwas größer als für den Rückhub, da die beaufschlagte Fläche auf der Kolbenseite größer ist als die auf der Kolbenstangenseite.
Abb. 328: Doppelt wirkender Zylinder mit Endlagendämpfung – Schnittbild und Symbol (Quelle: Eigene Darstellung)
Wenn ein Zylinder große Massen bewegt, so verwendet man eine Dämpfung in der Endlage, um hartes Aufschlagen und Beschädigungen des Zylinders zu vermeiden. Vor Erreichen der Endlage unterbricht ein Dämpfungskolben den direkten Abflussweg der Luft ins Freie. Dafür bleibt ein sehr kleiner, oft einstellbarer Abflussquerschnitt frei. Während des letzten Teils des Hubweges wird die Fahrgeschwindigkeit zunehmend reduziert. Es ist darauf zu achten, dass die Einstellschrauben nie ganz zugedreht sind, da dann die Kolbenstange die jeweilige Endlage nicht erreichen kann. Bei sehr großen Kräften und hoher Beschleunigung müssen besondere Vorkehrungen getroffen werden. Es werden externe Stoßdämpfer angebracht, um die Verzögerungswirkung zu verstärken. Zusätzlich zu den Standardversionen von Zylindern wird eine Vielzahl von Varianten angeboten:
• Zylinder mit durchgehender Kolbenstange
• Tandemzylinder und
• Mehrstellungszylinder
3. Zylinderaufbau
Der Zylinder besteht aus Zylinderrohr, Abschluss- und Lagerdeckel, Kolben, Kolbenstange, Führungsbuchse, Schmutzabstreifer, Verbindungsteilen und Dichtungen. Das Zylinderrohr wird aus nahtlos gezogenem Stahlrohr hergestellt. Damit die Lebensdauer der Dichtelemente erhöht wird, sind die Laufflächen des Zylinders feinst bearbeitet. Zunehmend wird das Zylinderrohr auch aus Aluminiumprofilrohr hergestellt. Für den Abschluss- und Lagerdeckel wird Gussmaterial verwendet (Aluminium- oder Temperguss). Die Befestigung der beiden Deckel mit dem Zylinderrohr kann mit Zugstangen, Gewinden oder Flanschen er-folgen. Die Kolbenstange wird vorzugsweise aus Vergütungsstahl hergestellt. Die Gewinde sind zur Verminderung der Bruchgefahr gerollt. Durch den Magnetring auf dem Kolben ist eine berührungslose Abfrage der Kolbenposition möglich. Zur Abdichtung der Kolbenstange ist im Lagerdeckel ein Nutring ein-gebaut. Die Führung der Kolbenstange erfolgt durch die Führungsbuchse, die aus Sinterbronze oder kunststoffbeschichteten Metallbuchsen sein kann. Vor dieser Lagerbuchse befindet sich ein Abstreifring. Er verhindert, dass Staub- und Schmutzteile in den Zylinderraum kommen. Ein Faltenbalg ist daher nicht nötig. Werkstoffe für die Kolbendichtung sind Perbunan, Viton oder Teflon. Viton ist ein Markenname für Fluorelastomere. Viton wird in der Technik als Dichtungsmaterial mit hoher thermischer und chemischer Beständigkeit eingesetzt. O-Ringe werden zur statischen Abdichtung eingesetzt.
Abb. 329: Schaltplan – Ansteuerung eines doppeltwirkenden Zylinders mit einem 5/2-Wegeventil (Quelle: Eigene Darstellung)
Ventile haben die Aufgabe, den Druck oder den Durchfluss von Druckmedien zu steuern. Je nach Bauart lassen sie sich in folgende Ka-tegorien einteilen:
• Wegeventile
• Sperrventile
• Stromventile
• Druckventile
• Absperrventile
Die Anschlüsse der Wegeventile sind nach DIN ISO 5599-3 nummeriert.
Abb. 330: Übersicht Anschlüsse der Wegeventile (Quelle: Eigene Darstellung)
1. Wegeventile
Das Wegeventil steuert den Durchgang von Luftsignalen oder Luftströmen. Es sperrt, öffnet oder verändert die Durchlassrichtung des Druckmediums.
Das Ventil wird beschrieben durch:
Anzahl der Anschlüsse (Wege): 2-Wege, 3-Wege, 5-Wege, etc.
Anzahl der Schaltstellungen: 2 Stellungen, 3 Stellungen, etc.
Ventilbetätigungsart: muskelkraftbetätigt, mechanisch betätigt, druckluftbetätigt, elektrisch betätigt
Rückstellungsarten: rückgestellt, druckrückgestellt
Als Eingabeelement kann das Wegeventil zum Beispiel durch einen Rollenhebel betätigt werden, um eine Kolbenstangenposition abzufragen. Das Konstruktionsprinzip eines Wegeventils ist ein wichtiger Faktor für die Lebensdauer, Schaltzeit, Betätigungsart, Anschlussmethoden und Größe. Nach der Konstruktionsart unterscheidet man:
• Sitzventile
° Kugelsitzventile
° Tellersitzventile
• Schieberventile
° Längsschieberventile (Kolbenventile)
° Längs-Flachschieberventile
° Plattenschieberventile
Sitzventile
Bei Sitzventilen werden die Wege mittels Kugel, Teller, Platte oder Kegel geöffnet oder geschlossen. Die Ventilsitze sind in der Regel mit Gummidichtungen abgedichtet. Sitzventile haben kaum Verschleißteile und deshalb eine lange Lebensdauer. Sie sind schmutzunempfindlich und widerstandsfähig. Die benötigte Betätigungskraft ist jedoch relativ hoch, da die Kraft der eingebauten Rückstellfeder und der Luftdruck überwunden werden müssen.
Schieberventile
Bei Schieberventilen werden die einzelnen Anschlüsse durch Längsschieber, Längs-Flachschieber oder Plattenschieber verbunden oder geschlossen.
Mechanisch betätigtes 3/2-Wegeventil
Mit dem 3/2-Wegeventil können Signale gesetzt und rückgesetzt werden. Das 3/2-Wegeventil hat drei Anschlüsse und zwei Schaltstellungen.
Abb. 331: 3/2-Wege-Stößelventil, Sperr-Ruhestellung, Tellersitz – Schnittbilder und Symbole; links: unbetätigt; rechts: betätigt (Quelle: Eigene Darstellung)
Das Ventil ist nach dem Tellersitzprinzip aufgebaut. Die Dichtung ist einfach und wirksam. Die Ansprechzeit ist kurz, und über einen kleinen Bewegungsweg wird ein großer Querschnitt zum Durchströmen der Luft frei. Wie die Kugelsitzventile sind auch diese Ventile schmutzunempfindlich und haben daher eine lange Lebensdauer. Die 3/2-Wegeventile werden für Steuerungen mit einfachwirkenden Zylindern oder zum Ansteuern von Stellelementen verwendet.
Vorgesteuertes 3/2-Wege-Rollenhebelventil
Wird der Rollenhebel betätigt, so öffnet das Vorsteuerventil. Die Ventilumsteuerung erfolgt in zwei Phasen: Zunächst wird der Anschluss 2 nach 3 gesperrt, dann der Anschluss 1 nach 2 geöffnet. Die Rückstellung erfolgt durch Loslassen des Rollenhebels.
Abb. 332: 3/2-Wege-Rollenhebelventil, vorgesteuert, Sperr-Ruhestellung – Schnittbilder und Symbole; links: unbetätigt; rechts: betätigt (Quelle: Eigene Darstellung)
Funktionsweise der Vorsteuerstufe bei manuell und mechanisch betätigten Wegeventilen
Bei vorgesteuerten Wegeventilen wird der Ventilkolben indirekt betätigt. Vorgesteuerte Ventile benötigen nur geringe Betätigungskräfte. Ein Kanal mit kleinem Durchmesser verbindet den Druckluftanschluss 1 mit dem Vorsteuerventil. Öffnet das Vorsteuerventil, so strömt die anstehende Druckluft zur Membran und bewegt den Ventilteller des Hauptventils nach unten. Wird das Vorsteuerventil gesperrt, erfolgt die Entlüftung an der Führungsbuchse des Stößels entlang. Bei federrückgestellten Wegeventilen wird der Ventilteller des Hauptventils durch die Rückstellfeder in seine Ausgangslage gebracht.
Abb. 333: Vorsteuereinheit – Schnittbilder; links unbetätigt; rechts betätigt (Quelle: Eigene Darstellung)
3/2-Wege-Pneumatikventil
Das druckluftbetätigte 3/2-Wege-Pneumatikventil wird über ein pneumatisches Signal am Eingang 12 betätigt.
Abb. 334: 3/2-Wege-Pneumatikventil, Sperr-Ruhestellung, druckluftbetätigt, mit Rückstellfeder – Schnittbilder und Symbole; links: unbetätigt; rechts: betätigt (Quelle: Eigene Darstellung)
Durch die Beaufschlagung des Steuerkolbens mit Druckluft bei Anschluss 12 wird der Ventilstößel gegen die Rückstellfeder umgesteuert. Die Anschlüsse 1 und 2 werden miteinander verbunden. Nach Entlüftung des Steueranschlusses 12 wird der Steuerkolben durch die eingebaute Feder in die Ausgangslage zurückgestellt. Der Teller schließt 1 nach 2 ab. Die Abluft der Arbeitsleitung 2 kann über 3 entlüften. Das 3/2-Wege-Pneumatikventil mit Rückstellfeder kann in Sperr-Ruhestellung und Durchfluss-Ruhestellung verwendet werden.
5/2-Wegeventile
Das 5/2-Wegeventil hat fünf Arbeitsanschlüsse und zwei Schaltstellungen. Es wird hauptsächlich als Stellelement für die Ansteuerung von doppeltwirkenden Zylindern eingesetzt. Ein Beispiel für ein 5/2-Wegeventil ist das Längsschieberventil. Als Steuerelement besitzt es einen Steuerkolben, der die entsprechenden Anschlüsse durch Längsbewegungen miteinander verbindet beziehungsweise trennt. Im Gegensatz zum Kugel- oder Tellersitzprinzip ist die Betätigungskraft dabei gering, weil weder anstehender Luftdruck noch Federdruck zu überwinden ist. Bei den Längsschieberventilen sind sämtliche Betätigungsarten – manuell, mechanisch, elektrisch oder pneumatisch – möglich. Auch zur Rückstellung des Ventils in seine Ausgangslage können diese Betätigungsarten angewandt werden.
Abb. 335: 5/2-Wege-Pneumatikimpulsventil, Längsschieberprinzip – Schnittbild und Symbol (Quelle: Eigene Darstellung)
2. Sperrventile
Das Sperrventil erlaubt den Durchfluss des Luftstroms in nur einer Richtung. Anwendung findet dieses Prinzip in Rückschlagventilen, Wechselventilen, Zweidruckventilen und Schnellentlüftungsventilen.
Rückschlagventile
Rückschlagventile können den Durchfluss in einer Richtung vollständig sperren, in entgegengesetzter Richtung strömt die Luft mit möglichst geringem Druckverlust durch. Die Absperrung der einen Richtung kann durch Kegel, Kugel, Platte oder Membran erfolgen.
Abb. 336: Rückschlagventil – Schnittbild und Symbol (Quelle: Eigene Darstellung)
Zweidruckventil: logische UND-Funktion
Das Zweidruckventil hat zwei Eingänge, 1 und 1(3), und einen Ausgang 2. Der Durchfluss ist nur dann gegeben, wenn beide Eingangssignale vorliegen. Ein Eingangssignal bei 1 oder 1(3) sperrt den Durchfluss aufgrund der Differenzkräfte am Kolbenschieber. Bei zeitlichen Unterschieden der Eingangssignale und bei gleichem Eingangsdruck gelangt das zuletzt angekommene Signal zum Ausgang. Bei Druckunterschieden der Eingangssignale schließt der größere Druck das Ventil, und der kleinere Luftdruck gelangt zum Ausgang 2. Das Zweidruckventil wird hauptsächlich bei Verriegelungssteuerungen, Kontrollfunktionen beziehungsweise logischen UND-Verknüpfungen verwendet.
Abb. 337: Zweidruckventil: UND-Funktion – Schnittbilder und Symbol (Quelle: Eigene Darstellung)
Wechselventil: logische ODER-Funktion
Dieses Sperrventil besitzt zwei Eingänge, 1 und 1(3), und einen Ausgang 2. Wird der Eingang 1 mit Druckluft beaufschlagt, so dichtet der Kolben den Eingang 1(3) ab, die Luft strömt von 1 nach 2. Gelangt die Luft von 1(3) nach 2, so wird der Eingang 1 abgesperrt. Bei Rückströmung der Luft, wenn das nachgeschaltete Ventil entlüftet wird, bleibt der Kolben durch die Druckverhältnisse in der vorher eingenommenen Lage. Dieses Ventil wird auch als ODER-Glied bezeichnet. Soll ein Zylinder oder ein Stellelement von zwei oder mehreren Stellen betätigt werden, so müssen immer ein oder mehrere Wechselventile eingesetzt werden.
Abb. 338: Wechselventil: ODER-Funktion – Schnittbilder und Symbol (Quelle: Eigene Darstellung)
Schnellentlüftungsventil
Schnellentlüftungsventile dienen zur Erhöhung der Kolbengeschwindigkeiten bei Zylindern. Lange Rücklaufzeiten, vor allem bei einfachwirkenden Zylindern, werden dadurch verkürzt. Die Kolbenstange kann mit fast voller Geschwindigkeit einfahren, weil der Durchflusswiderstand der Abluft während der Einfahrbewegung über das Schnellentlüftungsventil reduziert wird. Die Luft wird über eine relativ große Auslassöffnung abgeführt. Das Ventil besitzt einen absperrbaren Druckanschluss 1, eine absperrbare Entlüftung 3 und einen Ausgang 2.
Abb. 339: Schnellentlüftungsventil – Schnittbilder und Symbol; links: Durchfl uss von 1 nach 2; rechts: Durchfl uss von 2 nach 3 (Quelle: Eigene Darstellung)
3. Stromventile
Das Stromventil beeinflusst den Volumenstrom und steuert somit die Luftdurchflussmenge. Konstruktionseigenschaften von Stromventilen:
• Drosselventil – Die Länge der Drossel ist größer als ihr Durchmesser.
• Blendenventil – Die Länge der Drossel ist kleiner als ihr Durchmesser.
Im Idealfall ist es möglich, die Drossel oder die Blende stufenlos von „voll geöffnet“ bis „ganz geschlossen“ einzustellen.
Drossel-Rückschlagventile
Beim Drossel-Rückschlagventil wirkt die Drosselung der Luft nur in eine Richtung. Das Rückschlagventil schließt den Durchfluss der Luft in eine Richtung ab, und die Luft kann nur über den eingestellten Quer-schnitt strömen. In Gegenrichtung hat die Luft freien Durchgang über das geöffnete Rückschlagventil. Diese Ventile kommen zur Geschwindigkeitsregulierung von Pneumatikzylindern zum Einsatz. Sie sollten möglichst direkt an den Zylinder gebaut werden.
Abb. 340: Drossel-Rückschlagventil – Schnittbilder und Symbol; links: Durchfluss von 1 nach 2, gedrosselt; rechts: Durchfluss von 2 nach 1, ungedrosselt (Quelle: Eigene Darstellung)
4. Druckventile
Druckventile teilen sich in drei Hauptgruppen:
• Druckbegrenzungsventile
• Druckregelventile
• Druckschaltventile
Druckbegrenzungsventile
Die Druckbegrenzungsventile werden dem Verdichter nachgeschaltet, um sicherzustellen, dass der Druck im Druckluftspeicher aus Sicherheitsgründen begrenzt und der Versorgungsdruck korrekt eingestellt ist. Ist der maximale Druckwert am Ventileingang erreicht, wird der Ausgang des Ventils geöffnet, und die Luft bläst ins Freie. Das Ventil bleibt so lange offen, bis es durch die eingebaute Feder nach Erreichen des eingestellten Druckes in Abhängigkeit der Federkennlinie geschlossen wird.
Abb. 341: Druckbegrenzungsventil – Schnittbild und Symbol (Quelle: Eigene Darstellung)
Das Druckregelventil hält den Arbeitsdruck unabhängig von Druckschwankungen im Netz weitgehend konstant. Der Eingangsdruck (Primärdruck) am Druckregelventil muss immer höher als der Ausgangsdruck (Sekundärdruck) sein. Die Druckregulierung selbst erfolgt über eine Membran. Der Ausgangsdruck wirkt auf die eine Seite der Membran, die Kraft einer Druckfeder auf die andere Seite. Die Federkraft ist über eine Stellschraube einstellbar. Erhöht sich der Druck auf der Sekundärseite – zum Beispiel bei Lastwechsel am Zylinder –, so wird die Membran gegen die Druckfeder gedrückt, und die Auslass-Querschnittsfläche am Tellerventilsitz wird verkleinert oder geschlossen. Steigt der Druck auf der Sekundärseite weiter an, öffnet sich der Ventilsitz der Membran und die Druckluft kann durch die Entlastungsöffnungen im Gehäuse an die Atmosphäre entweichen. Fällt der Druck auf der Sekundärseite, öffnet die Federkraft der Druckfeder das Tellerventil. Das Regulieren des Luftdruckes auf den voreingestellten Betriebsdruck bedeutet daher ein ständiges Öffnen und Schließen des Tellerventilsitzes, ausgelöst durch das durchströmende Luftvolumen.
Abb. 342: Druckregelventil mit Entlastungsöffnung – Schnittbilder und Symbol; links: Durchfluss von 1 nach 2, Entlüftungsanschlüsse 3 gesperrt; rechts: erhöhter Druck auf der Sekundärseite, Druckluftanschluss 1 gesperrt, Entlüftung von 2 nach 3 (Quelle: Eigene Darstellung)
Technischer Leitfaden Durchflusssensoren, bereitgestellt von Keyence.
Struktur
Die Struktur des Schaltplans sollte der Steuerkette entsprechen, wobei der Signalfluss von unten nach oben dargestellt wird. Die Schaltzeichen der Bauelemente werden so angeordnet, dass ein übersichtlicher Schaltplan entsteht, bei dem sich möglichst wenige Leitungen kreuzen. Aus einem pneumatischen Schaltplan kann deshalb nicht die tatsächliche räumliche Anordnung der Bauelemente abgelesen werden. Im pneumatischen Schaltplan werden die Bauelemente durch Schaltzeichen dargestellt, die nach DIN/ISO 1219-1 genormt sind.
Abb. 343: Steuerkette einer pneumatischen Steuerung (Quelle: Eigene Darstellung)
Kennzeichnungsschlüssel für Bauteile
Jedes Bauteil (bis auf Verbindungsleitungen beziehungsweise -schläuche) wird gekennzeichnet. Der Kennzeichnungsschlüssel enthält:
• die Anlagen-Nummer (Ziffer, kann weggelassen werden, wenn der gesamte Schaltkreis aus einer Anlage besteht)
• die Schaltkreis-Nummer (Ziffer, zwingend erforderlich)
• die Bauteil-Kennzeichnung (Buchstabe, zwingend erforderlich)
• die Bauteil-Nummer (Ziffer, zwingend erforderlich)
Der Kennzeichnungsschlüssel sollte mit einem Rahmen versehen sein.
Abb. 344: Bauteil-Kennzeichnung und Kennzeichnungsschlüssel in pneumatischen Schaltplänen (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 345: Symbole aus Schaltplänen (Quelle: Eigene Darstellung)
Geschwindigkeitserhöhung durch Schnellentlüftungsventile
Durch Schnellentlüftungsventile werden Zylinderkammern direkt am Zylinder über einen großen Querschnitt entlüftet. Der Zylinder erreicht dadurch schneller seine Endlage. Die Geschwindigkeitserhöhung kann im Vor- und Rückhub genutzt werden.
Abb. 346: Geschwindigkeitserhöhung, links: im Vorhub; rechts: im Rückhub (Quelle: Eigene Darstellung)
Geschwindigkeitserhöhung im Vorhub bringt eine schnelle Reaktion und kurzzeitig höhere Kräfte (Schlagzylinder). Schnellentlüftungsventile im Rückhub bringen kürzere Taktzeiten.
Ansteuerung eines doppeltwirkenden Zylinders über ein ODER-Ventil
Zur wahlweisen Ansteuerung von zwei voneinander unabhängigen Stellen aus wird dem Arbeitsventil ein ODER-Ventil vorgeschaltet. Damit kann zum Beispiel eine pneumatische Türsteuerung von außen oder innen über die Taster 1S1 oder 1S2 betätigt werden.
Abb. 347: pneumatischer Schaltplan mit ODER-Ventil (Quelle: Eigene Darstellung)
Ansteuerung eines doppeltwirkenden Zylinders über ein UND-Ventil
Das UND-Ventil (Zweidruckventil) wird eingesetzt, wenn an die Ausführung eines Schrittes mindestens zwei Bedingungen geknüpft sind. Im Beispiel soll die Kolbenstange eines Zylinders durch Betätigung des Tasters 1S1 nur dann ausfahren, wenn er zuvor seine Endlage im Rückhub erreicht hat. Diese Position wird durch den Grenztaster 1B1 erfasst. Der Rückhub wird durch Betätigen des Tasters 1S2 ausgelöst.
Abb. 348: Pneumatischer Schaltplan mit UND-Ventil (Quelle: Eigene Darstellung)
Sensoren sind technische Bauteile, die chemische oder physikalische Eigenschaften erfassen und messen können. Der Name leitet sich von dem lateinischen sentire ab, was so viel bedeutet wie „fühlen“ und „empfinden“. Unterschiedlichste Sensoren können auch die unterschiedlichsten Eigenschaften messen; unter anderem Feuchtigkeit, Temperatur, Druck, Helligkeit und Beschleunigung. Sensoren sind in der Natur weit verbreitet. Täglich messen Lebewesen eine Vielzahl an Eigenschaften mit ihren Sensoren. Diese biologischen Sensoren werden Rezeptoren genannt. So viel zu den Sensoren allgemein. Hier geht es um jene Sensoren, die in der Packmittelindustrie wichtig sind.
Lichtschranken
Eine Lichtschranke ist ein elektronisch-optisches System, das einen Lichtstrahl aussendet. Wird dieser durch ein Objekt unterbrochen, erkennt sie es und gibt diesen Vorgang, in Form eines elektrischen Signals, weiter. Auf diese Weise kann es ohne Berührung Objekte erfassen. Man unterscheidet zwischen drei Grundsystemen von Lichtschranken:
1. Einweg-Lichtschranke
2. Reflexions-Lichtschranke
3. Reflexions-Lichttaster
1. Einweg-Lichtschranke
Die Einweg-Lichtschranke besteht aus zwei Komponenten, dem Lichtsender und dem Lichtempfänger. Diese befinden sich in getrennten Gehäusen. Das Licht wird nur vom Sender zum Empfänger ausgesendet. Hierbei legt das Licht den Weg vom Sender zum Empfänger nur einmal zurück – deshalb der Name „Einweg-Lichtschranke“. Unterbricht ein Objekt den Lichtstrahl, so wird es erfasst. Einweg-Lichtschranken haben hohe Reichweiten, sind aber aufwendig in der Installation.
Abb. 349: Einweg-Lichtschranke (Quelle: SICK Vertriebs-GmbH)
Vorteile:
• Die Lichtschranke besitzt im Vergleich zu den anderen Typen eine fast doppelt so hohe Reichweite, da der Lichtstrahl den Weg nur einmal zurücklegen muss.
• Die Schaltgeschwindigkeit dieser Lichtschranke ist sehr hoch.
Nachteile:
• Es werden zwei Komponenten benötigt.
• Jeder der Komponenten muss separat angeschlossen werden.
• Die Installation ist aufwendig, da schon kleinste Änderungen der Ausrichtung zu Fehlfunktionen führen können.
2. Reflexions-Lichtschranke
Bei dieser Variante sind Lichtsender und Lichtempfänger in einem Gehäuse verbaut. Der Lichtstrahl wird von einem Reflektor zurück zum Empfänger geschickt. Durch diese Reflexion muss der Lichtstrahl den Weg zweimal zurücklegen (Sender – Reflektor – Empfänger). Ein Objekt, das den Lichtstrahl unterbricht, wird erfasst. Zweiweg-Lichtschranken sind zwar weniger aufwendig einzubauen als Einweg-Lichtschran-ken. Sie haben aber Probleme, kleine Objekte zu erkennen.
Abb. 350: Zweiweg-Lichtschranke (Quelle: SICK Vertriebs-GmbH)
Vorteil:
• Sender und Empfänger befinden sich in einem Bauteil. Die Installation ist deshalb einfach.
Nachteile:
• Die Reichweite liegt unter der einer Einweg-Lichtschranke.
• Kleine Objekte können aufgrund des Abstandes der Lichtstrahlen voneinander nur schwer oder gar nicht erfasst werden.
3. Reflexions-Lichttaster
Lichtsender und Lichtempfänger befinden sich in einem Bauteil. Der ausgesendete Lichtstrahl wird nicht von Objekten unterbrochen, sondern von diesen zurückreflektiert. Objekte, die den Lichtstrahl reflektieren, werden erfasst. Hierbei reflektieren helle Objekte Licht besser als dunkle Objekte. Helle Objekte können deswegen aus einer größeren Entfernung erfasst werden als dunkle Objekte.
Abb. 351: Reflexions-Lichttaster (Quelle: SICK Vertriebs-GmbH)
Vorteile:
• Sender und Empfänger befinden sich in einem Gehäuse.
• Es wird kein Reflektor benötigt. Das ist ein großer Vorteil, wenn keine Befestigungsmöglichkeit für einen Reflektor vorhanden ist.
Nachteile:
• Bei stark spiegelnden Oberflächen kann es zu Problemen kommen.
• Einsatz nur bei Entfernungen bis zu maximal zwei Meter möglich.
• Dunkle Objekte können aus großer Entfernung nicht erkannt werden.
Druckmarkentaster
Der Druckmarkentaster weist einen wesentlichen Unterschied zu den Lichtschranken auf. Er kann nicht nur erkennen, ob ein Signal ankommt oder nicht, sondern erfasst auch Helligkeits- und Farbunterschiede. Der Lichtsensor erzeugt auf der Oberfläche des zu überprüfenden Objekts einen Lichtpunkt. Auf dieser
Oberfläche sind Marken oder Buchstaben gedruckt, die in einem bestimmten Kontrastverhältnis zum Hintergrund stehen. Marken werden genutzt, da es eine einfache Möglichkeit ist, die Objekte an der gewünschten Stelle zu markieren. Die hellere Fläche reflektiert mehr Licht zurück als die dunklen – meist schwarzen – Marken. Die Marken werden erfasst, und der Sensor gibt das Signal elektronisch weiter.
Abb. 352: Die kleinen schwarzen Rechtecke auf dem Nutzen (linkes Bild) sind Druckmarken. Sie steuern das Folienschneiden und den Verpackungsprozess. Oberes Bild: der unbefüllte Beutel und das Produkt. Die Druckmarken verschwinden in der Schweißnaht bzw. im Beschnitt (Quelle: Schmitz-Mertens & Co.KG, https://www.schmitz-mertens.de/).
Näherungsschalter
Näherungsschalter erkennen die genaue Position von Objekten. Dabei benötigen sie keinerlei mechanische Signale. Sie erfassen Objekte berührungslos. Ein Anwendungsgebiet sind automatisierte Produktionsstraßen – wie zum Beispiel auch bei der Herstellung von Autos. Hier erkennen Näherungsschalter die Werkstücke und Materialen und deren genaue Position. Ohne die Näherungsschalter wäre die Anlage blind und könnte nicht automatisiert, ohne menschliche Hilfe, arbeiten. Gegenüber mechanischen Befehlsgebern haben Näherungsschalter gleich mehrere Vorteile. Die Montage ist einfach, sie sind leicht zu warten und es ist keine Schaltkraft nötig. Man unterscheidet drei unterschiedliche Arten von Näherungsschaltern:
1. der induktive Näherungsschalter
2. der kapazitive Näherungsschalter
3. der magnetische Näherungsschalter
1. Der induktive Näherungsschalter
Dieser Schalter erzeugt ein hochfrequentes elektromagnetisches Feld. Mit diesem kann er elektrisch leitende Gegenstände berührungslos erfassen. Die Information „Gegenstand erfasst“ oder „Gegenstand nicht erfasst“ wird am Ausgang mit einem binären Signal (null oder eins) an den Computer weitergegeben. Sobald ein elektrisch leitender Gegenstand in das elektromagnetische Feld eindringt, wird das Feld schwächer. Der elektrische Schaltausgang wird betätigt – und so wird der Computer benachrichtigt. Anwendungsgebiete sind unter anderem: die Fabrikautomation, die Automobilindustrie, die Lager- und Fördertechnik und die Druck- und Papierindustrie.
Abb. 353: Wirkungsweise eine induktiven Näherungsschalters (Quelle: Eigene Darstellung)
2. Der kapazitive Näherungsschalter
Eine Messelektrode misst die Kapazität in der Zone, die der Schalter überprüfen soll. Das Gemessene wird mit einer Referenzelektrode oder der Umgebung verglichen. Kommt ein Medium (Metall, Wasser, Glas, Kunststoff usw.) in die Zone, so entsteht eine Differenz der zwei Messgrößen, da das Medium die Kapazität beeinflusst. So kann der Schalter Medien erkennen. Ein mögliches Einsatzgebiet ist zum Beispiel die Füllstandmessung.
Abb. 354: Füllstandmessung (Quelle: Eigene Darstellung)
3. Der magnetische Näherungsschalter
Magnetische Näherungsschalter besitzen einen Glaskolben, in dem ferromagnetische Kontaktzungen eingeschmolzen sind. Die Kontaktzungen bestehen aus einer Eisen-Nickel-Legierung (Fe-Ni-Legierung, Fe = Eisen, Ni = Nickel). Kommt ein Permanentmagnet oder ein Elektromagnet in die Nähe des Schalters, so findet eine Magnetisierung der Kontaktzungen (Reedkontakt) statt. Sie ziehen sich gegenseitig an und stellen so einen Kontakt her. Auf diese Weise werden Objekte, die mit einem Magnet versehen sind, erfasst.
Abb. 355: magnetischer Näherungsschalter (Quelle: Eigene Darstellung)
RFID
RFID ist eine Abkürzung für den englischen Begriff „radio-frequency identification“. Übersetzt bedeutet das so viel wie „Identifizierung mithilfe elektromagnetischen Wellen“. Das RFID-System besteht aus einem Chip, der mit einem Code versehen ist, und einem Lesegerät, das den Code auslesen kann. Mithilfe dieses Chips, auch Transponder genannt, können Gegenstände und Lebewesen automatisch identifiziert und lokalisiert werden. Man unterscheidet hierbei zwischen aktiven und passiven Transpondern. Aktive Transponder besitzen eine eigenständige Stromversorgung. Passive Transponder werden extern mit Strom versorgt. Heutzutage sind die kleinsten Transponder bereits nur noch so groß wie ein Reiskorn. Zur Auslesung erzeugen die Lesegeräte elektromagnetische Wechselfelder oder Radiowellen mit geringer Reichweite. Über diese werden sowohl Daten übertragen als auch die passiven Transponder mit Strom versorgt. Das RFID-System vereint gleich mehrere Vorteile in sich. Dank ihrer kleinen Größe können die Chips leicht implantiert werden. Ebenso können sie aufgrund ihrer geringen Größe leicht in Produkte eingearbeitet werden und unauffällig ausgelesen werden, zum Beispiel in neuen Pässen und Kaufhausartikeln.
Abb. 356: Transponder und ihre Wirkweise (Quelle: Quelle: SICK Vertriebs-GmbH)
RFID-Transponder (Quelle: Wikipedia)
Aktoren
Aktoren sind technische Bauteile, die von Steuerungsmodulen empfangene Daten umwandeln. Da der englische Begriff für Aktoren „actuator“ ist, werden sie auch gerne als Aktuatoren benannt. Die Um-wandlung kann in mechanischer Bewegung oder auch in andere physikalische Größen erfolgen. In der Technik der Steuer- und Regelung bilden Aktoren das Gegenstück zu den Sensoren. Sie greifen durch un-terschiedliche Aktionen aktiv in das Geschehen einer Anlage ein. Die Steuerung eines Aktors findet in einem geschlossenen Kreislauf statt. Dieser kann wie folgt aussehen: Ein Sensor empfängt ein Signal. Das Signal wird verarbeitet und an die Steuerung gesendet. Diese gibt dann dem Aktor die erforderlichen Signale und dieser führt den erwünschten Vorgang aus.
Es gibt:
1. Mechanische Aktoren
2. Optische Aktoren
3. Akustische Aktoren
4. Thermische Aktoren
5. Chemische Aktoren
1. Mechanische Aktoren
Ein mechanischer Aktor kann zum Beispiel ein Elektromotor sein. Ein mögliches Einsatzgebiet für diesen ist zum Beispiel eine Rolltreppe. Diese, als komplette Anlage betrachtet, erhält von einer Lichtschranke das Signal, dass sich Leute auf ihr befinden. Ein Steuerungsmodul wertet dieses aus und sendet es weiter an den Motor.
Abb. 357: Motor als Aktor (Quelle: Eigene Darstellung)
Ein weiterer mechanischer Aktor ist ein elektromagnetisches Ventil, das zur Steuerung mechatronischer Systeme verwendet wird. Dieses empfängt von einem Sender, der auch ein Sensor sein kann, das Signal zu schalten. So kann zum Beispiel das Aus- und Einfahren eines Kolbens ausgelöst werden.
Abb. 358: Pneumatikzylinder als Aktor (Quelle: Eigene Darstellung)
2. Optische Aktoren
Jede optische Anzeige ist gleichzeitig ein Aktor, da ein Steuersignal ausgegeben wird. Dazu gehört jede Glühbirne, jede LED und dazu gehören auch Displays. Durch elektronische Komponenten werden in ihnen Lichtwellen erzeugt. So wird ein Raum beleuchtet oder ein Zustand angezeigt. Laserstrahlung kann als weiterer optischer Aktor gesehen werden. Auch hier werden Lichtwellen erzeugt, mit denen Materialien bearbeitet werden können.
Abb. 359: Laserbeschriftungsanlage (Quelle: Eigene Darstellung)
3. Akustische Aktoren
Ein Lautsprecher ist ein akustischer Aktor. Die Membran des Lautsprechers wird in Schwingung versetzt und erzeugt dadurch akustische Wellen, die sich im Raum ausbreiten. Diese Schwingungen nehmen wir als Töne wahr.
Abb. 360: Lautsprecher (Quelle: Eigene Darstellung)
4. Thermische Aktoren
Thermische Aktoren können Veränderungen von Raumtemperaturen verursachen. Beispiele dafür sind Kühlgeräte und Heizungen.
Abb. 361: Prinzip einer Kälteanlage (Quelle: Wikipedia)
5. Chemische Aktoren
Die Klimaanlage ist der bekannteste chemische Aktor. Mit ihr kann das Klima in einem Raum verändert oder trotz verschiedener Einflüsse gleichmäßig gehalten werden. Ein Zerstäuber in einer Kühltheke ist ein weiteres Anwendungsbeispiel für chemische Aktoren.
Zusammenspiel zwischen Sensor und Aktor:
Ein Beispiel soll hier zeigen, wie Sensoren und Aktoren zusammenarbeiten. Das Funktionsbeispiel zeigt einen Zähler an einer Faltschachtelklebemaschine. Der „Sensor“ erfasst über eine Lichtschranke die durchlaufenden Faltschachteln. In der Steuerkonsole wird eingestellt, nach wie viel Impulsen (Stückzahl) der „Aktor“, in diesem Fall ein Magnetschalter, das Auslösesignal bekommen soll.
Abb. 362: Beispiel für die Zusammenarbeit eines Sensors mit einem Aktor (Quelle: Eigene Darstellung)
4.6.1 Allgemeines
Alle Stoffe, aus denen die Gegenstände unserer Welt bestehen, sind aus unvorstellbar vielen kleinen Bausteinen zusammengesetzt. Man nennt diese Bausteine „Atome“. Stoffe, die aus gleichartigen Atomen aufgebaut sind, heißen Grundstoffe oder Elemente. Es gibt rund 100 verschiedene Grundstoffe. Alle übrigen Grundstoffe kommen fast nur in Form chemischer Verbindungen vor.
Das Atom
Atome bestehen aus Atomkern und Elektronenhülle. Um den Atomkern herum bewegen sich die Elektronen so, wie sich die Planeten um die Sonne bewegen. In unserem Sonnensystem werden die Planeten dadurch in ihrer Bahn gehalten, dass die Fliehkraft, die die Planeten aus ihrer Bahn schleudern könnte, aufgehoben wird durch eine ihr entgegenwirkende gleichgroße Kraft der Massenanziehung, mit der die Sonne die Planeten anzieht.
Abb. 363: Atommodell (Quelle: Eigene Darstellung)
Elektrische Ladung im Atom
Im Atom ist auch eine Anziehungskraft zwischen Atomkern und Elektronen vorhanden. Diese Kraft nennt man elektrische Ladung. Weil Elektronen sich gegenseitig abstoßen, Atomkern und Elektronen sich aber anziehen, muss der Atomkern anders geladen sein – das heißt: Er muss eine andere Ladungsart tragen als die Elektronen. Die Ladung des Atomkerns wird positive Ladung und die Ladung des Elektrons ne-gative Ladung genannt.
Abb. 364: Ladungen im Atom (Quelle: Eigene Darstellung)
Damit gilt für elektrische Ladungen: Gleichnamige Ladungen stoßen sich ab, ungleichnamige Ladungen ziehen sich an.
• Protonen: positiv
• Neutronen: ungeladen
• Elektronen: negativ
Eine bestimmte Anzahl der Elektronen umkreist den Kern auf verschiedenen Bahnen. Die Elektronen auf der äußeren Bahn werden vom Kern nicht so festgehalten wie die auf den inneren Bahnen. Sie können sich in bestimmten Grenzen frei bewegen. Deshalb nennt man sie freie Elektronen.
Elektrische Spannung und Elektronenstrom
Befindet sich der Generator in Ruhe, so sind die Elektronen in seiner Drahtwicklung gleichmäßig verteilt, und an den beiden Anschlussklammern der Wicklung ist kein elektrischer Zustand feststellbar. Wird der Generator durch eine Antriebsmaschine in Drehung versetzt, so entsteht zwischen den beiden Anschlussklammern ein Ladungsunterschied. In die Generatorwicklung ist ein kleiner Teil von Elektronen zu der einen Generatorklemme hin- und von der anderen Klemme fortbewegt worden. Die Klemme, zu der die Elektronen hinbewegt werden, bekommt Elektronenüberschuss – sie erscheint elektrisch negativ ge-laden und heißt auch Minuspol. Die Klemme, von der die Elektronen fortbewegt werden, hat Elektronenmangel. Sie erscheint elektrisch positiv geladen und heißt Pluspol. Die an der Minusklemme vorhandenen überschüssigen Elektronen sind bestrebt, außerhalb des Generators zur Plusklemme zu gelangen. Dieses Bestreben nennt man elektrische Spannung. Werden die Klemmen des unter Spannung stehenden Generators über eine Glühlampe miteinander verbunden, so können die an der Minusklemme vorhandenen überschüssigen Elektronen durch die Kupferleitung und den dünnen Metallfaden der Lampe hindurch zur positiven Klemme strömen. Dabei bringen sie den Metallfaden der Lampe zum Glühen. Grundsätzlich wollen Elektronen vom Minus- zum Pluspol. Das nennt man elektrische Spannung.
Abbildungen: Quelle: Eigene Darstellung
a) durch Wärme
b) durch Licht
c) durch Induktion
d) durch chemische Vorgänge
e) durch Verformung von Kristallen (durch Druck – Piezo-Effekt)
f) durch Reibung
a) Wärme
Verbindet man zwei verschiedene Metalle (zum Beispiel Konstantan und Eisen; Konstantan ist ein Markenname für eine Legierung aus Kupfer, Nickel und Mangan) an einem Ende und erwärmt diese Verbindungsstelle, so stellt man fest, dass zwischen den beiden freien Enden eine Spannung entsteht. Verschiedene Metalle haben unterschiedliche Mengen an freien Elektronen. Berühren sich nun zwei Metalle mit verschiedener Elektronendichte, so besteht für die Elektronen die Möglichkeit, von dem Metall mit der größeren Elektronendichte in das andere überzugehen, wenn den Elektronen die hierfür notwendige Arbeit zugeführt wird. Das geschieht durch Temperatursteigerung. Diese Thermoelemente werden zum Messen tiefer und hoher Temperaturen verwendet.
Abb. 369: Verschiedene Metalle produzieren Strom, wenn man sie erwärmt (Quelle: Eigene Darstellung)
b) Licht
Setzt man ein sogenanntes „Fotoelement“ dem Licht aus, so wird eine Spannung erzeugt. Ein Fotoelement besteht aus einer gut leitenden metallischen Grundplatte, auf der eine Halbleiterschicht aufgebracht ist. Auf diese Schicht ist als Gegenelektrode eine dünne lichtdurchlässige Metallhaut aufgedampft. Durch Belichten werden in der Halbleiterschicht Elektronen herausgelöst, die in die Metallhaut übertreten. Die Grundplatte wird somit positiv und die Metallhaut negativ geladen. Es entsteht also eine Spannung.
Abb. 370: Darstellung eines Fotoelementes, das Spannung erzeugen kann, wenn es dem Licht ausgesetzt wird. (Quelle: Eigene Darstellung)
c) Induktion
Führt man eine Spule in das Magnetfeld eines Magneten, so entsteht während der Bewegung in der Spule eine Spannung. Man nennt diese Art der Spannungserzeugung Induktion.
Abb. 371: schematische Darstellung der Spannungserzeugung durch Induktion (Quelle: Eigene Darstellung)
d) chemische Vorgänge
Taucht man zwei verschiedene Metalle (zum Beispiel Kupfer und Zink) in eine elektrisch leitende Flüssigkeit (zum Beispiel Wasser mit Schwefelsäurezusatz), so stellt man zwischen den beiden Elektroden eine Spannung fest. Bestimmte Metalle wie zum Beispiel Zink haben das Bestreben, positive Metallionen in die Lösung zu treiben. Dabei werden diese Metalle gegenüber der Lösung negativ geladen. Andere Metalle wie zum Beispiel Kupfer haben das Bestreben, aus der Lösung positive Metallionen aufzunehmen. Die Metalle werden positiv geladen. Insgesamt entsteht also zwischen den beiden Metallen ein Ladungsunterschied – das heißt: eine Spannung. Diese Spannungserzeuger nennen wir galvanische Elemente (Taschenlampenbatterien) und Akkumulatoren (Blei-Akku).
Abb. 372: Spannungserzeugung durch chemische Prozesse (Quelle: Eigene Darstellung)
e) Verformung (Druck – Piezo-Effekt)
Verformt man durch Druck ein sogenanntes Piezo-Kristall, so entsteht eine Spannung. Bei Kristallen wie Quarz, Turmalin treten durch Druck oder Zug auf bestimmte Kristallflächen negative oder positive Ladungen und damit Spannungen auf.
Abb. 373: Schema der Stromerzeugung mit einem Piezo-Kristall (Quelle: Eigene Darstellung)
f) Reibung
Durch Reiben von Isolierstoffen können elektrische Ladungen getrennt und damit Spannung erzeugt werden. Dies entsteht ungewollt zum Beispiel bei Fahrzeugen und Flugzeugen sowie auch bei Papier, Kunststofffolien und Geweben (auch Chemiefasern) und bei Kunststoffreibriemen.
Abb. 374: Papierbahn an einer Kunststoffrolle: Hier kann Spannung durch Reibung entstehen. (Quelle: Eigene Darstellung)
Entscheidend für alle Wirkungen des Stromes auf den Körper ist die Stärke, die Dauer und beim Wechselstrom auch die Frequenz. Die Spannung hat nur indirekt Einfluss, indem sie mit dem Körperinnenwiderstand gemeinsam die Stromstärke bestimmt.
Die gesetzliche Grundeinheit des elektrischen Stroms ist 1 Ampere (A). Normalerweise liegen die Stromwerte in der Elektronik zwischen einigen Mikro ampere (μA) und mehreren Ampere (A). In der Starkstromtechnik kennt man auch Kiloampere (kA). 1 mA = 1 Milliampere = 0,001 A (Ampere).
ab 1,2 mA Strom wird durch Kribbeln wahrgenommen.
ab 10,0 mA Die Handmuskulatur verkrampft.
ab 40,0 mA Es kann zu unregelmäßigem Herzschlag oder sogar vorübergehendem Herzstillstand kommen. ab 80,0 mA Bei einer Durchströmung von etwas mehr als 0,3 Sekunden tritt Herzkammerfl immern oder Herzstillstand auf.
ab 3,0 A Man spricht von Hochspannung: Es treten Verbrennungen auf.
Der Mensch hat einen Körperinnenwiderstand von rund 1300 Ohm. Da ab 40 mA Lebensgefahr besteht, gelten Spannungen über U = I x R = 40 mA x 1300 Ohm = 52 Volt als gefährlich. Darum sind in Anlagen mit Spannungen über 50 Volt besondere Sicherheitsvorkehrungen notwendig.
Stromkreis
Ein einfacher elektrischer Stromkreis besteht aus dem Spannungserzeuger, dem Verbraucher sowie den Verbindungsleitungen (Hin- und Rückleitung). Durch Einbau eines Schalters in den Stromkreis kann der Strom beliebig eingeschaltet oder unterbrochen werden.
Abb. 375: einfacher Stromkreis, Stromkreis mit Schalter, Schaltbild eines Stromkreises (Quelle: Eigene Darstellung)
a) Gleichstrom
Wirkt die Spannung in einem geschlossenen Stromkreis immer in der gleichen Richtung, so fließt ein Strom, der ebenfalls stets die gleiche Richtung hat.
Abb. 376: Prinzip des Gleichstroms (Quelle: Eigene Darstellung)
b) Wechselstrom
Wechselt in einem Stromkreis die Spannung in einem bestimmten Takt ihre Richtung, so wechselt auch der Strom fortwährend seine Richtung und Stärke. Die freien Elektronen bewegen sich dabei hin und her.
Abb. 377: Erzeugung von Wechselstrom (Quelle: Eigene Darstellung)
In einem elektrischen Stromkreis fließen die Elektronen in der Hin- und Rückleitung zum Verbraucher nicht ungehindert, obwohl es eine Kupferleitung ist. Die Elektronen stoßen dauernd mit den Atomen des Leitermaterials zusammen – und die Bewegung der Ladungsträger wird gehemmt. Diese Erscheinung gegenüber dem Stromdurchgang nennt man Widerstand. In elektrischen Leitungen ist der Widerstand uner-wünscht, weil er unnötige Wärme erzeugt. Dagegen werden in elektronischen Geräten oft Widerstände benötigt, die den Strom auf bestimm-e Werte begrenzen sollen.
Der elektrische Widerstand (Formelzeichen R) wird in Ohm (Kurzzeichen Ω) gemessen.
1 Kiloohm = 1 k Ω = 1000 Ω
1 Megaohm = 1 M Ω = 1 000 000 Ω
Der Leitungswiderstand hängt von der Leiterlänge, vom Querschnitt und vom spezifischen Widerstand des Leitermaterials ab. Der spezifische Widerstand ist der Widerstandswert des Leiterwerkstoffes bei einer Länge von 1 m, einem Querschnitt von 1 mm² und bei einer Temperatur von 20° C.
l = Leiterlänge in m
A = Leiterquerschnitt in mm²
Spezifischer Widerstand für Kupfer = 0,0178
Ein Leiterwerkstoff mit einem kleinen spezifischen Widerstand leitet den elektrischen Strom gut. Er hat also eine große Leitfähigkeit. Die Leitfähigkeit ist der Kehrwert des spezifischen Widerstandes und hat das Formelzeichen m (Kappa).
Stoffe, die viele frei bewegliche Elektronen besitzen, sind gute elektrische Leiterwerkstoffe. Zu ihnen gehören zum Beispiel Kupfer, Aluminium, Silber, Gold, Eisen und Kohle.
Stoffe, die keine freien Elektronen besitzen, heißen Nichtleiter. Dazu gehören Kunststoffe, Gummi, Glas, Porzellan, Papier und trockenes Holz. Halbleiter sind Stoffe, bei denen erst durch äußere Einflüsse Valenz-elektronen frei werden, die sie leitfähig machen. Dazu gehören Silizium, Selen und Germanium.
Strom- und Spannungsmessung
Ein Spannungsmesser (Voltmeter) wird an den Stromkreis, also parallel zu Spannungsquelle und Verbraucher, geschaltet. Ein Strommesser (Amperemeter) liegt im Stromkreis, also in Reihe mit Spannungsquelle und Verbraucher, weil der gesamte Strom, dessen Stärke gemessen werden soll, durch ihn hindurchfließen muss.
Abb. 378: Spannungs- und Strommesser (Quelle: Eigene Darstellung)
Ohmsches Gesetz
Legt man einen Widerstand an eine Spannung und bildet damit einen geschlossenen Stromkreis, so fließt durch den Widerstand ein bestimmter Strom. Die Stärke dieses Stromes hängt ab von der angelegten Spannung und dem Widerstand. Also sind in einem Stromkreis zwei Größen bekannt, und so kann man mit dem „Ohmschen Gesetz“ die dritte Größe ausrechnen.
Spannung U (in V = Volt)
Strom I (in A = Ampere)
Widerstand R (in Ω = Ohm)
I = U : R
R = U : I
U = R x I
Rechnen mit dem Ohmschen Gesetz
Beispiel:
An einem Widerstand von 10 Ω liegt eine Spannung von 5 V. Berechne den Strom in dem Widerstand.
Lösung:
I = U : R = 5 V : 10 Ω = 0,5 A
4.6.7.1 Die Reihenschaltung
Das Bild zeigt eine Reihenschaltung von Glühlampen. Der Minuspol der Batterie liegt am Lötpunkt der Lampe A, das Gewinde der Lampe A ist mit dem Lötpunkt der Lampe B verbunden und das Gewinde der Lampe B mit dem Pluspol der Batterie.
Bei der Reihenschaltung kommt es zu keiner Stromverzweigung. Stattdessen fließt der gleiche Strom erst durch Lampe A und anschließend durch Lampe B. Die Lampen liegen zusammen an der Batteriespannung von 4,5 Volt und müssen sich die Spannung teilen.
Bei gleichen Lampen wäre die Teilspannung je (4,5 : 2) 2,25 Volt. Da die Lampen aber für 4,5 V geeignet sind, leuchten sie schwächer.
Abb. 379: Beispiel und Schaltbild einer Reihenschaltung (Quelle: Eigene Darstellung)
Merke: In der Reihenschaltung ist der Strom an jeder Stelle gleich, aber die Spannungen verhalten sich wie die Widerstände.
Abb. 380: Lampen in Reihenschaltung (Quelle: Eigene Darstellung)
Lampe 1: U = L x R
U = 0,09 A x 15 Ω= 1,35 V
Lampe 2: U = L x R
U = 0,09 A x 10 Ω= 0,9 V
Lampe 3: U = L x R
U = 0,09 A x 25 Ω= 2,25 V
U (Gesamt) = U1 + U2 + U3= 1,35 V + 0,9 V + 2,25 V = 4,5 V
Das Bild zeigt eine Parallelschaltung von Glühlampen. Der Minuspol der Batterie liegt am Lötpunkt beider Lampen, der Pluspol liegt am Gewinde der Lampen. Somit liegt die volle Batteriespannung von 4,5 Volt an den Lampen A und B.
Abb. 381: Lampen in Parallelschaltung und Schaltbild (Quelle: Eigene Darstellung)
Bei dieser Schaltungsart treten Teilströme auf, aber die Spannung bleibt an den Verbrauchern gleich. Darum ist dies die übliche Schaltungsart von elektrischen Verbrauchern.
Merke: In der Parallelschaltung liegt an jedem Verbraucher die gleiche Spannung; und es treten Teilströme, deren Größe von den Widerständen abhängt, auf.
Abb. 382: drei Lampen in Parallelschaltung (Quelle: Eigene Darstellung)
Beispiel:
I1 = U : R₁
= 4,5 V : 15 Ω= 0,3 A
I₂ = U : R₂
= 4,5 V : 10 Ω= 0,45 A
I₃ = U : R₃
= 4,5 V : 25 Ω= 0,18 A
Der Gesamtstrom Iges = I₁ + I₂ + I₃ = 0,93 A
Im Generator sind drei Wicklungen versetzt um 120° angebracht. Bei Drehung des Läufers, der ein Magnet mit Nord- und Südpol ist, wird in jeder Spule eine gleich große Wechselspannung erzeugt. Diese Spannungen sind jedoch zeitlich um 120° verschoben.
Abb. 383: zeitliche Folge der induzierten Wechselspannungen und Anordnung der Wicklungen
(Quelle: Eigene Darstellung)
Die drei um 120° versetzten Wicklungen werden so einseitig zusammengeschaltet, dass ein Vierleiternetz mit zwei Spannungsgrößen entsteht.
Abb. 384
Abb. 385: Fünfpolige Leitung, Farbkennung und Verbraucher (Quelle: Eigene Darstellung)
Alle Angaben ohne Gewähr. Wer ohne spezielle Ausbildung an Starkstrom arbeitet, begibt sich in Lebensgefahr! Im Betrieb ist für alle Arbeiten am Stromnetz ein Elektriker heranzuziehen!
Elektrische Leistung
Leistung P (in W = Watt)
P = U x I bei Gleichstrom
P = U x I x cos μ bei Wechselstrom
P = U x I x cos μ x 1,73 bei Dreiphasenwechselstrom
cos μ = Leistungsfaktor, er berücksichtigt die Phasenverschiebung zwischen Spannung und Strom
1,73 = 3 - Verkettungsfaktor, er ist bedingt durch das Zusammenwirken der phasenverschobenen Ströme in den drei Außenleitern L1, L2 und L3
Elektrische Arbeit
Die elektrische Arbeit W ist das Produkt aus elektrischer Leistung P und Zeit t.
W = P x t
Abb. 386: IP-Schutzklassen. Die Abkürzung steht für „International Protection“. (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 387: IP-Schutzarten – Bildzeichen. Die IP-Schutzarten von Leuchten, Wärmegeräten und Elektrowerkzeugen können auch durch Bildzeichen angegeben werden. (Quelle: Eigene Darstellung)
Schutzklassen elektrischer Geräte
Elektrische Geräte werden zusätzlich in Schutzklassen eingeteilt. Sie geben Schutzmaßnahmen an, die gegen direktes und bei indirektem Berühren zu treffen sind. Man unterscheidet die Schutzklassen I, II und III.
Abb. 388: Geräteschutzklassen (Quelle: Eigene Darstellung)
Schutzmaßnahmen gegen elektrische Unfälle
In Netzen ab 50 V gegen Erde müssen Maßnahmen zum Schutz gegen zu hohe Berührungsspannungen getroffen werden. Unter Berührungsspannung versteht man die Spannung, die zwischen dem Gehäuse eines Gerätes und dem Fußboden von Menschen überbrückt werden kann. Der wirksamste Schutz gegen das Auftreten zu hoher Berührungsspannungen sind zuverlässig gebaute Geräte und Leitungen, die das VDE-Zeichen tragen. Der VDE, Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V., ist ein technisch-wissenschaftlicher Verband. Er ist zuständig für Wissenschaft, Normung und Produktprüfung.
Abb. 389: VDE-Prüfsiegel ist ein Ausweis für elektrische Sicherheit (Quelle: VDE)
Das reicht aber nicht aus, um über längere Zeit hinweg einen wirksamen Schutz zu erreichen. Durch die verschiedensten Einflüsse – wie mechanische Beschädigung, Alterung, Feuchtigkeit – können Isolati-onsfehler und damit gefährliche Berührungsspannungen auftreten.
Die wichtigsten Schutzmaßnahmen
Die Schutzmaßnahmen ohne Schutzleiter verhindern das Zustandekommen einer gefährlichen Berührungsspannung. Dazu gehören: Schutzkleinspannung, Schutzisolierung und Schutztrennung.
Schutzkleinspannung
Unter Schutzkleinspannung versteht man Nennspannungen bis maximal 42 V. Kleinspannungen sind verbindlich vorgeschrieben für Elektrospielzeug (bis 24 V), für Handleuchten, die in Kesseln verwandt werden (bis 42 V), für Geräte zur Tierbehandlung (bis 24 V). Die Kleinspannung muss sicher erzeugt werden durch Schutztransformatoren, Akkus oder galvanische Elemente (Batterien).
Schutzisolierung
Schutzisolierte Geräte haben außer der Isolierung des Betriebsstromkreises eine zweite Isolierung, die den ganzen elektrischen Teil umhüllt und meist aus Kunststoff hergestellt ist. Die Schutzisolierung wird angewandt bei Elektrowerkzeugen, Haushaltsgeräten, Radio- und Fernsehgeräten, kleinen Motoren, Schaltgeräten und Verteilungskästen.
Abb. 390: Schutzisolierung (Quelle: Eigene Darstellung)
Schutztrennung
Bei Schutztrennung wird der Stromkreis des Verbrauchers durch einen Trenntransformator vom speisenden Netz elektrisch getrennt. Das Gehäuse des Verbrauchers kann damit keine Spannung gegen Erde annehmen. Der Trenntrafo darf sekundärseitig nicht geerdet und es darf auch nur ein Verbraucher angeschlossen werden. Angewandt wird diese Schutzmaßnahme bei Elektrorasierern, Elektrowerkzeugen, Betonrüttlern und Nassschleifmaschinen.
Abb. 391: Schutztrennung (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Schutzmaßnahmen mit Schutzleiter verhindern das Bestehenbleiben einer gefährlichen Berührungsspannung.
Der Schutzleiter ist ein Leiter, der an den zu schützenden, nicht zum Betriebsstromkreis gehörenden Anlageteilen angeschlossen ist. Er führt im Schadensfall den Fehlerstrom. Der Schutzleiter muss in sei-nem ganzen Verlauf grüngelb gekennzeichnet sein.
Nullung
Die Nullung ist die am weitesten verbreitete Schutzmaßnahrne in der Industrie. Sie erfordert einen geerdeten Sternpunkt des Netztransformators, an den der Schutzleiter angeschlossen wird. Durch Nullung soll erreicht werden, dass jeder Körperschluss (Masseschluss) zum Kurzschluss führt und damit die vorgeschaltete Sicherung anspricht und die Anlage abschaltet.
Abb. 392: Beispiel einer Nullung (Quelle: Eigene Darstellung)
Fehlerstrom (FI) Schutzschaltung
In der Abkürzung FI steht „F“ für „Fehler“. Das „I“ ist das Formelzeichen des elektrischen Stroms. Bei der FI-Schutzschaltung wird der Verbraucher in weniger als 0,2 Sekunden abgeschaltet, wenn eine gefährliche Berührungsspannung auftritt. Der Fehlerstrom fließt über den Schutzleiter zum Erder. Die FI-Schutzschaltung beruht darauf, dass in einem fehlerfreien Leitungssystem die Summe aller Ströme null ist. Durch einen Stromwandler werden alle vom Netz kommenden Leiter (L1, L2, L3, N) geführt. Da die Summe aller Ströme null ist, ist auch die Summe der elektromagnetischen Wirkungen null, und in der Sekundärwicklung des Stromwandlers kommt kein Strom zum Fließen. Fließt jedoch infolge eines Körperschlusses oder Erdschlusses ein Fehlerstrom über den Schutzleiter direkt zur Erde ab, so ist im Wandler die Summe der Ströme nicht mehr null – und es wird in der Sekundärwicklung ein Strom induziert, der die Auslassung des Schalters veranlasst. Es gibt FI-Schutzschalter, die bei einem Fehlerstrom von 0,03 - 0,3 - 0,5 - 1 A auslösen.
Abb. 393: Schaltschema einer Fehlerstromschutzschaltung (Quelle: Eigene Darstellung)
Die industrielle Herstellung von Packmitteln aus Kartonage oder Wellpappe erfolgt prinzipiell in den Arbeitsschritten (vgl. auch Abbildung 13 auf S. 16 vom Band 1) Drucken – Stanzen – Kleben.
Als Ausgangswerkstoff werden hier zunächst flache Kartonagenbögen angenommen.
Abb. 5.1.1: Druckprozess, Bedrucken der rohen („weißen“) Kartonbögen mit dem spezifischen Druckbild für die spätere Verpackung (Quelle: Eigene Darstellung)
Das Stanzen trennt die Kartonbögen in die einzelnen Zuschnitte (Nutzen) auf. Es erfolgt auch das Rillen des Kartons an der später gewünschten Faltlinie und eventuell weitere Bearbeitungen wie das Prägen oder Ritzen.
Abb. 5.1.2: Trennen der bedruckten Kartonbögen in die einzelnen Zuschnitte durch den Stanzprozess
(Quelle: Eigene Darstellung)
Die Maschinen bezeichnet man insbesondere bei der vollautomatischen Bearbeitung als Stanzautomaten. Sie sind ausgerüstet mit einem Stanztiegel, in welchen die Stanzformen eingebaut werden, und können auch weitere Funktionseinheiten enthalten – zur Entfernung der Abfallteile im Karton und zum Abtrennen der Nutzen untereinander.
Abb. 5.1.3: schematische Darstellung eines Stanzautomaten mit den Funktionseinheiten Stanztiegel, Ausbrecheinheit und Nutzentrennen (Quelle: Eigene Darstellung)
Nach dem Stanzen werden die Zuschnitte in die Klebemaschine eingelegt, dort werden die Packmittel geklebt und gefaltet. Klebemaschinen bringen den Klebstoff auf, falten die Nutzen an den Faltlinien und pressen die Klebestellen, bis der Klebstoff ausgehärtet ist.
Abb. 5.1.4: Klebemaschine (Quelle: © Bobst 2015)
Abb. 5.1.5: Klebemaschine in schematischer Darstellung (Quelle: © Bobst 2015)
Die Klebemaschine transportiert die Zuschnitte nacheinander durch die gesamte Maschinenlänge, während des Durchlaufes erfolgen das Aufbringen von Leim am Kleberand, das Umlegen der Faltschachteln an den Faltlinien und das Anpressen, während der Klebstoff aushärtet, um eine feste Klebestelle zu erzeugen.
Abb. 5.1.6: schematische Darstellung des Klebevorganges (Quelle: Eigene Darstellung)
Nach dem Kleben erfolgt üblicherweise der Versand der flachliegenden Zuschnitte zum Abnehmer. Dort werden an Abpackautomaten die Konsumgüter eingefüllt – zum Beispiel Kosmetika, Arzneimittel oder Lebensmittel.
Die dargestellten maschinellen Verarbeitungsschritte können auch miteinander verbunden sein, sodass die Packmittel durchgehend in einer Anlage (Inline-Maschine) bedruckt, gestanzt und geklebt werden.
Videos
- Komplette Vorstellung der Faltschachtel-Klebemaschine Diana Pro 114 - bereitgestellt von Heidelberg.
- Herstellung einer normalen Faltschachtel, bereitgestellt von Heidelberg.
- Herstellung einer Faltbodenschachtel, bereitgestellt von Heidelberg.
- Herstellung einer 4-Punkt-Aufrichteschachtel, bereitgestellt von Heidelberg.
- Herstellung einer 6-Punkt-Aufrichteschachtel, bereitgestellt von Heidelberg.
- Faltschachtel Klebemaschine - Der Anleger, bereitgestellt von Heidelberg.
- Faltschachtel Klebemaschine - Der Leimauftrag, bereitgestellt von Heidelberg.
- Faltschachtel Klebemaschine - Zusatzeinrichtung und Qualitätskontrolle, bereitgestellt von Heidelberg.
- Faltschachtel Klebemaschine - Das Verpacken, bereitgestellt von Heidelberg.
Eine Stanzform ist in grundlegender Ausführung ein Werkzeug zum Stanzen und Rillen von bedruckten Kartonbögen zur Herstellung von Verpackungszuschnitten.
Abb. 5.2.1: Stanzautomat (Quelle: © Bobst 2015)
Abb. 5.2.2: Stanzform, teilweise gummiert (Quelle: Marbach)
Abb. 5.2.3: Tiegel am Stanzautomat (Quelle: Eigene Darstellung)
Neben den Stanzautomaten finden Stanzformen auch Verwendung auf reinen Stanztiegeln, Schwenkarmstanzen, Zylindermaschinen und Kniehebelpressen.
Abb. 5.2.4: Stanzform ohne und mit Gummierung (Quelle: Eigene Darstellung)
Eine Stanzform benötigt immer ein Gegenwerkzeug. Im Allgemeinen handelt es sich um eine ebene Stanzplatte als Ambossfläche für die Stanzlinien, ergänzt durch eventuell notwendige Kanäle als Gegenform für die Rilllinien. In der Verarbeitung von Wellpappe genügt es oftmals, das Material durch die Rilllinien an den gewünschten Rillungen gegen die flache Unterlage einzudrücken. Dagegen benötigen die Rilllinien im Falle der Verarbeitung von Kartonage immer entsprechende Rillkanäle. Dies können Kanäle sein, welche in die Stanzplatte eingefräst werden (= Stanzrillplatte), aufgeklebte flächige Gegenzurichtungen wie Rillma oder einzelne Gegenzurichtestreifen. Nähere Erläuterungen siehe Abschnitte Rilllinie und Gegenzurichtung. Der Stanzprozess läuft wiederholend in folgenden Schritten ab:
• Öffnung der Tiegeleinheit der Maschine (hier gibt es die Varianten der bewegten Ober- und der bewegten Unterplatte),
• Transport des Kartonbogens durch die Tiegeleinheit, im Allgemeinen durch ein Greifersystem,
• Stoppen des Kartonbogens,
• Pressvorgang durch den Stanztiegel und damit Durchführung des Stanzvorganges,
• Öffnung der Tiegeleinheit und
• Weitertransport des gestanzten Bogens.
Die Werkzeuge sind meistens so präpariert, dass der Bogen noch an einigen Haltepunkten zusammenhält, um einen zuverlässigen Transport der Bogen zu gewährleisten.
Tiegel geöffnet, Materialtransport möglich:
Abb. 5.2.5: Tiegel geöffnet, Materialtransport möglich (Quelle: Eigene Darstellung)
Stanzvorgang:
Abb. 5.2.6: Stanzvorgang (Quelle: Eigene Darstellung)
Einordnung als Fertigungsverfahren nach DIN 8580
Das Stanzen des Kartons mit der Schneidlinie entspricht nach DIN 8580 dem Fertigungsverfahren „Trennen“ und in der weiteren Untergliederung nach DIN 8588 dem Zerteilen. Unter dem Begriff Zerteilen fasst man ebenfalls mehrere Verfahren zusammen, von denen das Scherschneiden und das Keilschneiden dem Trennvorgang bei Stanzwerkzeugen entsprechen.
Inbesondere handelt es sich um:
Keilschneiden | Bei gleichmäßig hohen Schneidlinien, welche parallel den Trennvorgang ausführen. Entspricht dem sehr stark verbreiteten Flachbettstanzen zur Herstellung von Zuschnitten aus Kartonage und Wellpappe. |
Scherschneiden | Bei Sägezahnlinien, vor allem bei runden Stanzformen, siehe Abschnitt „Rotationswerkzeuge (Holzhalbschalen) |
Das Rillen entspricht nach DIN 8580 dem Fertigungsverfahren „Umformen“, und darunter insbesondere aufgrund der vorherrschenden Druckeinwirkung als Eindrückverfahren nach DIN 8583.
Neben den grundlegenden Bandstahltypen Schneid- und Rilllinie weisen Stanzformen noch weitere Funktionsbauteile wie zum Beispiel Ritzlinien oder Prägestempel auf. Diese werden in den weiteren Ab-schnitten vorgestellt.
Im Allgemeinen haben die Maschinen, in denen die Stanzformen eingesetzt werden, bestimmte Formatgrößen. Für eine wirtschaftliche Produktion versucht man, möglichst viele Verpackungszuschnitte (= Nutzen) aus einem Bogen zu erhalten.
Mehr zum Fertigungsverfahren Umformen gibt es hier:
"Einführung in die Umformtechnik", bereitgestellt von Keyence.
Die Stanzformträgerplatte stellt die Montagegrundplatte dar und sorgt für den Verbund des Werkzeuges.
Die Anforderungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
• mechanische Stabilität, genügend Festigkeit, sicherer Zusammenhalt der eingebauten Bandstahllinien insbesondere beim Stanz-prozess,
• Verarbeitungsmöglichkeit (über spanende Bearbeitung oder über Strahlwerkzeuge wie Laser- oder Wasserstrahlmaschinen),
• Lagermöglichkeit,
• ergonomische Gesichtspunkte, niedriges Gewicht sowie
• ökologische Gesichtspunkte: Herstellung aus nachwachsenden Rohstoffen, recycelbar.
Die Trägerplatte einer Stanzform kann aus den verschiedensten Materialien bestehen und wird dementsprechend auch anders bearbeitet.
Es gibt folgende Arten von Stanzformträgerplatten zur Auswahl: (siehe nächstes Kapitel)
Multiplex, Kunststoff, Verbundmaterialien, Stahl, Aluminium – Stanzformträgerplatten können aus sehr unterschiedlichen Materialien gebaut werden. Meist kommt aus Kosten- und Gewichtsgründen Holz zum Einsatz.
Holzträgerplatten bestehen hauptsächlich aus mehrfach verleimtem Multiplexholz (Birke/Buche) – bei Karton meistens mit einer Dicke von 18 mm, bei Wellpappe mit einer Dicke von 15 mm, sodass die Linien etwa um 6 mm beziehungsweise 9 mm herausragen. In der Etikettenindustrie findet Flugzeugholz mit einer Stärke von 10 mm seine Anwendung.
Holz ist hygroskopisch und verändert sich je nach Umfeld, daher sind Holzträgerplatten materialbedingten Toleranzen unterworfen.Toleranzen bis zu +- 0,7 mm auf einem Meter sind möglich.
Holz als Naturwerkstoff hat unterschiedliche physikalische und mechanische Eigenschaften sowie Kennwerte längs oder quer zur Faserrichtung.
Holz reagiert prinzipiell auf Klimaänderung durch
• Längenausdehnung (Quellen) bei zunehmender Feuchtigkeit, Längenkürzung (Schwinden) bei Trocknung.
• Längenausdehnung bei zunehmender Temperatur wie alle technischen Werkstoffe über den spezifischen Längenausdehnungskoeffizienten.
Im Allgemeinen geht eine Temperaturzunahme mit einer Trocknung einher, sodass sich beide Effekte teilweise kompensieren. Beide Effekte treten in Faserrichtung weniger stark in Erscheinung als quer zur Faser. Für eine optimale Beständigkeit gegenüber Klimaänderung, und um eine hohe mechanische Steifigkeit zu erreichen, verwendet man kreuzweise verleimtes Schichtholz. Um den Feuchtigkeitsaustausch des Holzes zu minimieren, werden die Oberflächen lackiert.
Abb. 5.2.7: schematischer Aufbau einer Multiplexplatte aus querverleimten Furnierschichten
(Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.2.8: lasergeschnittene Multiplex-Trägerplatte (Quelle: Eigene Darstellung)
Das Schneiden der Holzträgerplatten (Außenmaße und Schlitze für die später eingebauten Bandstahllinien) erfolgt auf Lasermaschinen. Weitere Erläuterung hierzu siehe Kapitel „5.5.2 Das Lasern der Stanzkontur“.
Bei einer Holz-Trägerplatte lassen sich die eingebauten Schneidlinien rund drei- bis fünfmal erneuern. Die Neu-Bemesserung führt man bei abgenutzten Schneidlinien durch.
Duramar-Trägerplatten bestehen aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Gegenüber Holz sind sie unempfindlich gegenüber Feuchtigkeit und insgesamt etwas formstabiler. Jedoch ist das Material teurer und die Verarbeitung der Werkzeuge aufwendiger, sodass die Kosten höher sind.
Die eingebauten Schneidlinien lassen sich gegenüber der Holzform aber öfter austauschen, sodass sie vor allem bei Stanzaufträgen mit hohen Auflagen verwendet werden.
Abb. 5.2.9: Duramar-Trägerplatte (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Stanzkonturen werden hierbei mittels einer Wasserstrahlschneidanlage in die Trägerplatte geschnitten.
Sandwich-Trägerplatten bestehen aus zwei Stahlplatten, in die mit Hilfe des Lasers die Stanzkontur eingelasert wird. Beide Stahlplatten werden mit Distanzbolzen passgerecht übereinander montiert.
Anschließend wird der Hohlraum mit Gießharz ausgegossen und ausgehärtet. Damit die Zwischenräume für die Linien frei bleiben, setzt man vor dem Ausgießen beschichteten Bandstahl ein, an denen das Gießharz nicht haftet. Nach dem Aushärten des Harzes werden diese wieder entnommen und erst danach wird die Trägerplatte mit den „richtigen“ Linien bestückt. Die Sandwich-Trägerplatten bieten eine optimale Maßstabilität und eine extrem lange Standzeit. Wie bei der Duramar-Trägerplatte lassen sich bei der Sandwich-Platte die Schneidlinien öfter auswechseln als bei Holz (ca. 10 Mal).
Die Kosten sind allerdings noch höher, sodass anstelle der Sandwich-Form vermehrt die Duramar-Form, bei Bedarf mit zusätzlichen Blechlagen zur Erhöhung der Stabilität, zum Einsatz kommt.
Abb. 5.2.10: Sandwich-Trägerplatte (Quelle: Eigene Darstellung)
Es gibt (Voll-)Metallstanzformen aus Aluminium (für technische Teile wie Displays, Kunststoff-Tiefziehteile, Thermoformen), Stahl- und Messingformen (für Etiketten und Schilder). Hierbei werden die Konturlinien an einer Wasserstrahlschneidanlage geschnitten. Trotz der vielen hochpräzisen Trägerplatten, die höhere Maßstabilitäten als Holzträgerplatten versprechen, kommen überwiegend Holzträgerplatten zum Einsatz.
Insbesondere die Metallstanzform wäre in der Größe, wie sie für Verpackungsproduktion notwendig wäre, zu teuer und zu schwer.
Abb. 5.2.11: Metallstanzform (Quelle: Eigene Darstellung)
Schneidlinien sind in vielen verschiedenen Varianten erhältlich – zum Beispiel mit doppelseitiger Fase, mit einseitiger Fase, mit Facettenschliff, mit einseitigem Facettenschliff, mit geschabten, geschliffenen, polierten, beschichteten Schneidlinien und vielem mehr. Die Fase ist eine abgeschrägte Fläche, die an einer Werkstückkante erzeugt wird.
Schneiden können je nach Anwendung sehr unterschiedlich geformt sein. Form beeinflussend sind zum Beispiel die erforderlichen Drücke und die zu schneidenden Materialdicken. Die folgende Tabelle stellt eine Übersicht über die hauptsächlich verwendeten Schneidenformen dar:
Abb. 5.3.1: Anwendungen sowie Vor- und Nachteile verschiedener Schneidenformen (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Auswahl oder Festlegung der zu verwendenden Schneidlinie erfolgt im Einzelfall meistens nach Erfahrungswerten, insbesondere bei Abweichungen von der Schneidlinie mit doppelseitiger Fase und Schneidenwinkel 54°.
Der technisch-physikalische Vorgang des Stanzens lässt sich mit der Darstellung des Stanzdruckes in den einzelnen Phasen erklären:
Abb. 5.3.2: einzelne Phasen des Stanzdrucks (Quelle: Eigene Darstellung)
Das Diagramm kann den Vorgang nur qualitativ darstellen, da viele Parameter den Stanzprozess beeinflussen, hauptsächlich die Materialeigenschaften und die Geometrie der Schneidlinie. Als Richtwert für das Stanzen von zum Beispiel Chromokarton, ca. 250 – 350 gr., mit einer neuwertigen und damit scharfen Schneidlinie, gilt ein Stanzdruck von rund 35 kg/cm.
Die ideale Maschinenzustellung und Belastungen an Schneidlinien durch Überlast
Beim Flachbett-Stanzen ist es notwendig, dass die Schneidlinie auf der Gegenstanzplatte aufsitzt. Nur so lassen sich saubere Schnittkanten am Stanzgut erzielen.
Den Stanzvorgang versucht man am Anfang von Bereich 4 durchzuführen. Hier sitzt die Schneidlinie gerade an der Gegenstanzplatte auf. Jede weitere Zustellung am Stanztiegel führt zu einer deutlichen Erhöhung des Druckes auf die Schneidlinie; dies kann insbesondere bei der Schneidenspitze zu einer Überlastung führen. Die Überlastung bewirkt an der Spitze eine Beschädigung als plastische Verformung (Abstumpfung) oder einen teilweisen Materialabbruch.
Beide Effekte führen zu einem schlechten bis unbrauchbaren Stanzergebnis. Es bilden sich sogenannte Stanzhaare – aus der Schnittfläche herausragende Fasern.
Abb. 5.3.3: schematische Darstellung einer Überlast und einer dadurch hervorgerufenen abgestumpften und abgebrochenen Spitze (Quelle: Eigene Darstellung)
Zurichtung
Nun handelt es sich bei einer Flachbett-Stanzform um ein flächiges Werkzeug und alle Schneidlinien treffen theoretisch zum gleichen Zeitpunkt auf die Gegenstanzplatte.
Doch auch Schneidlinien weisen – wie alle technisch herzustellenden Produkte – Toleranzen auf. Hinzu kommen noch Unebenheiten und thermische Maßänderungen im Stanztiegel. Auf diese Weise gibt es im praktischen Vorgang des Stanzens immer Zonen, in denen einige Schneidlinien bereits das Stanzgut durchgestanzt haben und auf die Gegenstanzplatte treffen, während in anderen Bereichen noch keine komplette Stanzung erreicht worden ist. Um Toleranzen von Schneidlinien sowie Unebenheiten und Verformungen des Stanztiegels auszugleichen, werden Schneidlinien mit Zurichtepapier oder -band unterlegt.
Eine weitere Maschinenzustellung führt aber zu einer Überlastung von:
• den Schneidlinien in den Bereichen, welche bereits mit Druck auf der Gegenstanzplatte auftreffen,
• der Gegenstanzplatte (die Schneidlinie gräbt sich ein) und
• der Maschine (eventuell ungleichmäßige Druckverteilung).
Um den Prozess abzustimmen, führt man daher die „Zurichtung“ aus. Dabei unterlegt man diejenigen Schneidlinien, an denen noch keine Stanzung stattgefunden hat.
Mit dieser zusätzlichen Erhöhung gleicht man die Höhenunterschiede in den Schneidlinien und im Stanztiegel aus.
Abb. 5.3.4: Darstellung eines Stanzprozesses bei unebenem Stanztiegel: Die linke Schneidlinie stanzt komplett durch, die rechte dagegen nicht. (Quelle: Eigene Darstellung)
Um die Unebenheiten im Tiegel auszugleichen, ist es notwendig, die rechte Schneidlinie zu unterlegen.
Abb. 5.3.5: Darstellung eines Stanzprozesses mit Zurichtung: Beide Schneidlinien stanzen komplett durch. Rechts oben gelb markiert: das Zurichteband. (Quelle: Eigene Darstellung)
Im Allgemeinen geht man beim Zurichten in zwei 2 Schritten vor:
1. für flächenförmige Unebenheiten mit Zurichtepapier
2. Unterlegen von einzelnen Linien mit streifenförmigem Zurichteband (in verschiedenen Dicken erhältlich)
In der industriellen Produktion ist man aus wirtschaftlichen Gründen bestrebt, diesen Zurichteprozess und damit den Maschinenstillstand möglichst kurz zu halten.
Sobald ein Großteil des Formates ein zufriedenstellendes Stanzbild erreicht, wird man auch versuchen, ein vollständiges Stanzen rein über die Maschinenzustellung und damit über eine Erhöhung des Stanzdruckes zu erreichen. Jede weitere Zustellung führt zu einem Kompressionsdruck auf Schneidlinie und Gegenstanzblech. Zurichten der Schneidlinie durch Unterlegen kostet Zeit und damit Geld. Deshalb wird oft einfach nur der Stanzdruck der Maschine erhöht, sobald ein überwiegend zufriedenstellendes Stanzbild erreicht ist.
➞ In der Praxis müssen Schneidlinien und Gegenstanzplatte hohen Belastungen standhalten!
Die Maßbezeichnungen von Bandstahllinien, insbesondere der Linienbreite, erfolgen meist nach dem typografischen Punkt-System. Dies begründet sich aus der historischen Entwicklung der Bandstahl-werkzeuge: Ausgangspunkt waren geschmiedete Messer für die Verarbeitung von zum Beispiel Leder für die Schuhindustrie. In den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden sie auch zunehmend für das Stanzen und Rillen von Kartonagen zur Herstellung von Verpackungen verwendet. Dazu wurden sie in Tiegeldruckpressen (Fläche gegen Fläche) für das Hochdruckverfahren anstelle des Bleisatzes, also der Druckform für den Buchdruck, eingebaut. Hierfür war es notwendig, die Breite und Höhe der Bandstahllinien an die sonst verwendeten austauschbaren Lettern der Druckformen anzupassen. Die Angabe der Letterngröße (Breite und Höhe) erfolgte nach dem Punkt-System, eine aus Frankreich stammende Normierung, bei der die Maße als Vielfaches aus einem einzelnen Punkt-Maß angegeben werden (Typografisches Maßsystem. Ursprünglich als „Point typographique“ bezeichnet; im Sprachschatz deutschsprachiger Typografen auch als „Punkt“ abgekürzt. Hier gibt es mehr Informationen). Für den Punkt wiederum gab es mehrere leicht abweichende Größenangaben, so zum Beispiel den Didot-Punkt mit umgerechnet 0,376 mm.
Bei den Bandstahllinien hat sich folgende Größenzuordnung etabliert:
Bezeichnung | Liniendicke | Bemerkung |
1 Pkt. | 0,5 mm | Bezeichnung „1 Punkt“ gilt teilweise auch für 0,4 mm, dann ist 0,5 mm als 1,5 Pkt. bezeichnet |
2 Pkt. | 0,71 mm | |
3 Pkt. | 1,05 mm | |
4 Pkt. | 1,42 mm | |
6 Pkt. | 2,10 mm | Bezeichnung gilt teilweise auch bei 2,00 mm |
8 Pkt. | 2,84 mm | Bezeichnung gilt teilweise auch bei 3,00 mm |
Abb. 5.3.6: Größenzuordnungen von Bandstahllinien (Quelle: Eigene Darstellung)
Für die Schrifthöhe legte man zum Beispiel die standardisierte „Pariser Schrifthöhe“ mit 62 2/3 Punkten fest, welche dann umgerechnet 23,56 mm entspricht. Schneidlinien haben beim Flachbett-Stanzen oftmals eine Standardhöhe von 23,8 mm. Daran ist erkennbar, dass man die Abmessungen und das Einheiten-system der Drucklettern übernommen hat.
Die Rilllinien erzeugen unter Druckeinwirkung eine Rillung am flachen Zuschnitt und definieren damit die gewünschte Position der Faltlinie bei der Faltschachtel.
Bei Wellpappe genügt es oftmals, mit der Rilllinie in das Material gegen eine ebene Gegenstanzplatte zu pressen. Bei Kartonage benötigt man hingegen eine kanalförmige Gegenzurichtung zur Erzeugung einer Rillwulst als bleibende Verformung.
Prinzipiell existieren dabei die Verfahren Hohlrillung und Vollrillung: Der Unterschied liegt in der Formgebung der Gegenzurichtung:
• Vollrillung = Anpressung an kompletter Fläche,
• Hohlrillung = Anpressung nur an 2 Kanten.
Industriell gebräuchlich ist hauptsächlich die Hohlrillung. Mit dem Riller wird das Material in eine eckige Vertiefung der Gegenzurichtung gedrückt. Bei Wellpappe reicht es meist aus, das Material gegen eine ebene Gegenstanzplatte zu pressen. Der Variantenreichtum der Rilllinien ist groß.
Abb. 5.3.7: Vollrillung und Hohlrillung (Quelle: Eigene Darstellung)
Im Allgemeinen erfolgt bei Kartonagen das Stanzen und Rillen auf die Druckseite, damit die dabei entstehende Rillwulst für den späteren Faltvorgang auf der Innenseite liegt.
Abb. 5.3.8: Stanz- und Rillvorgang bei Karton auf Außenseite (Quelle: Eigene Darstellung)
Bei Wellpappematerialien verhält es sich im Allgemeinen umgekehrt, hier stanzt und rillt man auf die obenliegende Innenseite.
Wie Schneidlinien gibt es auch Rilllinien in den verschiedensten Ausführungen. Es gibt angefaste Rilllinien, abgeflachte, Rilllinien mit reduzierter Verrundung und viele weitere. Eine Übersicht über die gebräuchlichsten Typen zeigt die nachfolgende Tabelle:
Abb. 5.3.9: gebräuchliche Typen von Rilllinien (Quelle: Eigene Darstellung)
Kopfriller lassen sich leicht gegen Typen mit anderen Kopfmaßen und derselben Grundkörperbreite austauschen. Der Kopfriller hat den Vorteil, dass der für die Rillung notwendige Teil relativ breit ausgeformt ist (wie es für dickere Wellpappe-Materialen notwendig ist), aber in der Trägerplatte nur Schnitte für zum Beispiel 1,42 mm Linien gelasert werden müssen. Auch müssen an den Bandstahlbearbeitungsgeräten wie Ausklinker nur die dünneren Grundkörper bearbeitet werden (Ausklinker = mechanisches Stanzgerät, mit welchem man am Bandstahl die notwendigen Aussparungen herausschneidet – und zwar an den Stellen, an denen in der Trägerplatte Brücken stehen bleiben.). Zudem lässt sich dieser Rillertyp leicht durch einen mit derselben Grundkörperbreite und anderen Kopfabmaßen auswechseln.
Festlegung der Rilllinienhöhe
Ausgehend von der Schneidlinienhöhe ist die Rilllinienhöhe auf die verwendete Gegenzurichtung anzupassen. Im Abschnitt „Gegenzurichtungen“ wird die beispielhafte Berechnung einer Rilllinienhöhe vorgestellt. Im Zweifelsfall oder bei nicht exakt feststehender Stärke des zu verarbeitenden Materials wird die Rilllinienhöhe stets um 0,1 mm niedriger angenommen. Begründung: Zu hohe Rilllinien führen zu Beschädigungen am Karton und/oder der Zurichtung. Eine Kompensation durch Reduzierung des Stanzhubes an der Verarbeitungsmaschine ist im Allgemeinen nicht möglich, da sonst der Druck an der Schneidlinie nicht mehr für den Stanzvorgang ausreicht. Die notwendige Maschinenzustellung ist also durch die Schneidlinien vorgegeben und eine Anpassung der Rilllinienhöhe ist durch Unterlegen der Rilllinien möglich. Zu hohe Rilllinien müssen ausgetauscht werden.
Der Faltvorgang
Die Geometrien von Rilllinie und Gegenzurichtung beeinflussen die Form und damit das Verhalten der Faltlinie am gerillten Material (von Parametern wie Verarbeitungsgeschwindigkeit im Stanzautomaten ab-gesehen).
Bei dem Faltvorgang zeigen sich die Materialeigenschaften des Kartons, insbesondere die mehrschichtige Zusammensetzung aus den Papierlagen, wie folgende Darstellungen zeigen:
Abb. 5.3.10: Phasen der Rillung (Quelle: Eigene Darstellung)
Folgende Übersicht zeigt einige Beispiele und typische Fehler in der Auslegung der Rillgeometrie:
Abb. 5.3.11: Optisches Erscheinungsbild guter und weniger gelungener Rillungen (Quelle: Eigene Darstellung)
Schlechte Rillungen sehen nicht nur optisch wenig ansprechend aus. Sie erfüllen unter Umständen auch wichtige Voraussetzungen für die technische Weiterverarbeitung nicht. Dazu zählt beispielsweise der Biegewiderstand.
Qualitative Beurteilung von Rillungen
Grundsätzlich sollen Rillungen das Falten des Zuschnittes mit entsprechender optischer Qualität und Festigkeit ermöglichen. Darüber hinaus müssen oft bestimmte technische Kennwerte für den Faltvorgang eingehalten werden. Hier geht es insbesondere um die Faktoren, welche den Durchlauf an der Klebemaschine oder Abpack-Maschine beeinflussen. Hierzu zählen vor allem die Kraft, die für das Falten notwendig ist (Biegewiderstand genannt), oder die Rückstellkraft, die nach dem Umfalten ansteht.
Eine Vorgehensweise zur Beurteilung von Rillungen ist beschrieben in der DIN 55437 „Prüfung von Pappe – Rillungen“. Nach dieser Norm bewertet man Rillungen ebenfalls nach der visuellen Erscheinung und nach Kennwerten für den Faltvorgang.
Bei Materialen, für die noch keine Erfahrungswerte vorliegen, empfiehlt es sich, den Biegewiderstand ungerillter und gerillter Proben zu messen. In Anlehnung an die DIN 55437, Teil 3, existieren verschiedene Messgeräte zur Ermittlung des Biegewiderstandes. Üblicherweise werden Proben in bestimmten Größen, abhängig vom Messgerät, aus ungerilltem und gerilltem Karton ausgeschnitten und in das Gerät eingelegt. Der Faltvorgang wird dann über einen Antrieb im Gerät oder manuell ausgeführt. Die Sensorik zeichnet die Kräfte zur Umfaltung auf.
Abb. 5.3.12: Rilltester, Anbieter: Karl Marbach GmbH, Heilbronn (Quelle: Marbach)
Abb. 5.3.13: Aufzeichnung des Biegewiderstandes an Proben eines GC2 Kartons (Quelle: Eigene Darstellung)
1: ungerillt, quer zur Faser
2: ungerillt, längs zur Faser
3: gerillt, quer zur Faser
4: gerillt, längs zur Faser
Durch Aufzeichnung von Messkurven mehrerer Faltproben, welche mit unterschiedlichen Rillparametern erstellt wurden (Rilllinienbreite, Kanalbreite, Kanalform usw.), lassen sich so die quantitativen Unter-schiede feststellen. Dieses Verfahren dient auch der Analyse von eventuell fehlerhaften Rillungen. Es empfiehlt sich auch, bei neuen Materialien wenn noch keine Erfahrungswerte vorliegen. Ergänzend noch ein Beispiel einer Faltschachtel mit einer guten Rillung (optimal ausgebildeter Rillwulst und geradlinige Kantenprägung).
Abbildungen 5.3.14 und 5.3.15: Quelle: Eigene Darstellung
Die Notwendigkeit der Verwendung einer Gegenzurichtung zeigt das folgende negative Beispiel: Hier wurde der Karton lediglich in eine Gummiunterlage gepresst. Dabei entstehen keine definierten Rillkanten. Eine auf diese Weise produzierte Faltschachtel lässt sich nur für Entwicklungszwecke verwenden, es handelt sich um keine industriell verwendbare Qualität, weder von den technischen Rillwerten her noch von optischen Ansprüchen.
Abbildungen 5.3.16 und 5.3.17: Quelle: Eigene Darstellung
5.3.4.1 Ritzlinien
Ritzlinien dringen in das Material ein, ohne es ganz zu durchtrennen – sie sind daher niedriger als Schneidlinien, führen aber zu einer Schwächung des Materials. Ritzlinien erzeugen eine scharfe, glatte Biegekante. Das Material lässt sich dadurch mit sehr wenig Kraft sehr exakt falten, aber das Material ist zusätzlich auch geschwächt und Feuchtigkeit kann eindringen. Ritzlinien werden zur Herstellung sehr kleiner Faltschachteln benötigt, wenn Rillzurichtungen nicht mehr möglich sind, oder für die Bearbeitung von Pappe, wenn Rilllinien alleine nicht mehr ausreichen, um eine glatte Faltkante zu erhalten. Häufig werden geritzte Biegekanten auch durch kurze dazwischengestellte Rilllinien unterbrochen, um die verringerte Festigkeit des Materials wieder teilweise auszugleichen. Die Ritztiefe sollte bei dünnem Material (0,25 mm – 0,40 mm) 50 % betragen, bei dickerem Material 66 %. Je nach Materialstärke sind Ritzlinien 0,2 mm niedriger als Schneidlinien. Die Standardhöhe der Ritzlinien für Stanzmaschinen beträgt 23,6 mm.
Ritzlinien werden bei sehr kleinen Faltschachteln angewendet, bei denen es auf sehr scharfe und glatte Biegekanten ankommt. Nachteil: Das Material wird geschwächt. Perforationslinien werden eingesetzt, um eine Biege- oder Trennstelle zu schaffen. Durch Gegenritzlinien entstehen anwenderfreundliche Aufreißlaschen zum Beispiel bei Lebensmittelverpackungen.
Perforationslinien dienen zur Vorbereitung einer Biege- oder Trennstelle. Perforationslinien sind Schneidlinien, die in bestimmten Abständen durch eine Lücke unterbrochen sind. Auch diese führen zu einer Schwächung des Materials. Die Angabe der Schnitt-Lücke-Länge ist nach dem grafischen Punktesystem oder in mm vorgenommen. Die Höhe entspricht der Höhe der Schneidlinien.
Perforationslinie
B = Länge der Schneideinheit
A = Länge der Lücke
Abb. 5.3.18: Perforationslinie (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Schneide der Perforationslinie hat im Prinzip dieselbe Funktion wie eine kurze Schneidlinie, deshalb ist es notwendig, dass sie über dieselbe Höhe verfügt.Vergleich typische Höhen von Bandstahllinien innerhalb eines Werkzeugs:
• Stanzlinien 23,8 mm
• Perforationslinien 23,8 mm
• Ritzlinien 23,6 mm (- 0,2 mm)
• Rilllinien zum Beispiel 23,2 mm (- 0,6 mm)
Der Bedarf, eine Kartonverpackung in einem Arbeitsgang auch von der Rückseite zu ritzen, hat zur Entwicklung der Gegenritztechnologie geführt. Die Gegenritztechnik hat ihr Haupteinsatzgebiet in Bereichen, in denen Verpackungen mit geschlossenen, staubdichten Oberflächen gewünscht sind, die sich gleichzeitig anwenderfreundlich aufreißen lassen. Aufgrund ihrer Staubdichtigkeit wird diese Technik vor allem für Lebensmittelverpackungen eingesetzt. Während bei reinen Aufreiß- oder Perforierlinien der Karton an den Schneidsegmenten durchgetrennt wird und von daher das Eindringen von Staub möglich wäre, bleibt die Oberfläche bei der Gegenritztechnologie prinzipiell geschlossen, da die Kartoninnenseite angeritzt wird. Gegenritzlinien werden nicht auf die Stanzformträgerplatte montiert und treffen deshalb nicht von oben auf den Karton auf. Sie werden vielmehr auf der Gegenzurichtung montiert und ritzen den Karton von der Rückseite an. Es handelt sich dabei um ein Stahlplättchen, aus dem eine Schneidlinie hervorsteht. Dieses Stahlplättchen wird auf die Gegenzurichtung geklebt, während in die Stanzform ein Gegendruckblock eingesetzt wird. Beim Stanzhub wird der Karton von dem Gegendruckblock gegen die Ritzlinie gepresst, wobei das Material von der Rückseite angeritzt wird. Abhängig von der Kartondicke werden die Höhe des Gegendruckblocks in der Stanzform und die Höhe der Gegenritzplättchen in der Gegenzurichtung ausgewählt. In Kombination mit einer (Standard-)Ritzlinie in der Trägerplatte, seitlich versetzt zur Gegenritzlinie, lassen sich so anwendungsfreundliche Aufreißlaschen an Verpackungen herstellen.
Abb. 5.3.19: Gegenritzlinie (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.3.20, 21, 22, 23: Quelle: Eigene Darstellung
Die Gummierung hat den größten Einfluss auf die Laufeigenschaften und damit auch auf die Laufgeschwindigkeit der Stanzmaschinen. Das Gummieren des Bandstahles hat zwei wesentliche Funktionen:
1) Festhaltefunktion | Das zu stanzende Material muss während des Stanzprozesses vom Gummi fest und plan gehalten werden, sodass kein Zug entsteht und der gestanzte Bogen speziell im Haltepunktbereich nicht vorzeitig zerstört wird. |
2) Auswerferfunktion | Das zu stanzende Material muss nach dem Stanzprozess von den Bandstahllinien abgestreift und ausgeworfen werden. |
Auf beiden Seiten der Schneidlinien werden Gummistreifen, etwa 1,5 mm höher als die Schneidlinie und in einem Abstand von ca. 1 mm, auf die Trägerplatte geklebt. Damit erfüllt die Gummierung als nützlichen Nebeneffekt auch eine Schutzfunktion vor Verletzung für den Anwender bei der Handhabung der Stanzform. Allerdings darf man sich nie auf diese Schutzfunktion verlassen (man muss davon ausgehen, dass die Gummierung nicht ausreicht, und sollte Stanzformen nur mit Schnittschutzhandschuhen anfassen).
Entsprechend ihren unterschiedlichen Aufgaben gibt es eine ganze Palette verschiedenartiger Gummisorten. Diese unterscheiden sich nach Material, Härte, Springfreudigkeit und Form. Für die Gummierung werden Moosgummi, Zellgummi, Vulkollan und Kork verwendet.
Zellkautschuk, auch Zellgummi genannt, wird zum Abdichten von Spalten, Türen, Fenstern und Tore sowie zum Weichlagern von Teilen und als Belag auf Tischen, Böden, Fächer etc. verwendet.
Für alle nutzentrennenden Messer wird Profilgummi verwendet, der zusätzlich die Haltepunkte entlastet. Dies gelingt über die spezielle Formgebung des Gummis: Bei Komprimierung, also beim Stanzvorgang, übt der Gummi eine Schubkraft auf den Karton in Richtung der Schneidlinie aus. Sie wirkt somit entgegen der von der Schneidlinie ausgehenden seitlichen Schubkraft, welche aufgrund der keilförmigen Schneidenform entsteht. Die Kompensation dieser Kraft ist notwendig, um ein Abreißen der Haltepunkte am Stanzgut zu vermeiden.
Abb. 5.3.24: Funktion C-Profilgummi, rechts die entgegengesetzte Wirkung des Gummis auf die seitliche „Keilwirkung“ der Schneidlinie (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Härte von Gummimaterialien gibt man in der Shore-Härteskala an. Die Shore-Härte, benannt nach Albert F. Shore, ist eine Kennzahl, die vorwiegend für Elastomere und gummielastische Polymere eingesetzt wird. Auf Basis der Eindringtiefe wird die Werkstoffhärte gemessen. Mehr Informationen: http://wiki.polymerservice-merseburg.de/index.php/Shore-Härte
Härte für Werkstoffe im Allgemeinen ist definiert als Widerstand gegen Eindringen (dieser verhält sich sehr oft proportional zur Festigkeit, dem Widerstand gegen Verformen). Das Messprinzip der Shore-Härte beruht auch darauf, dass die Eindringtiefe von einem Prüfkörper gemessen wird, welcher mit einer bestimmten Kraft auf den Gummi drückt. Man unterscheidet je nach Formgebung des Prüfkörpers und Stärke des Anpressdruckes mehrere einzelne Prüfverfahren. Je nach Material verwendet man:
• Shore A-Härte für Weichgummi sowie
• Shore C- und D-Härte für Elastomere und auch weiche Thermoplaste.
Die Härte der Gummimaterialien für Stanzformen bezeichnet man ebenfalls in der Shore A-Einheit. Die Skala reicht von 0 (sehr weich) bis 100 (sehr hart, kein Eindringen des Prüfkörpers messbar). Je nach zu bearbeitendem Material gibt es eine große Vielfalt von Materialien und Härtegraden nach Shore. Nachfolgend eine Übersicht über die gebräuchlichsten Gummimaterialien mit Angabe der Shore-Härte und der Funktion des Gummis an der Stanzform.
Abb. 5.3.25: Gummisorten Plattenware, Verwendung bei Kartonage (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.3.26: Gummiprofile, Verwendung bei Kartonage (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.3.27: Gummisorten Plattenware, Verwendung bei Wellpappe (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.3.28: Gummiprofile, Verwendung bei Wellpappe (Quelle: Eigene Darstellung)
Bei der Verarbeitung von Kartonage bedingt die Verwendung von Rilllinien immer eine Gegenzurichtung, auf der sich Rillkanäle befinden. Diese dienen zur Herstellung eines Rillprofils, in das die Rilllinie beim Stanzvorgang eindringt, den dazwischenliegenden Karton verformt und somit eine exakte Biegekante vorbereitet.Verwendet werden mehrere Zurichtearten. Welche Auswahl getroffen wird, hängt davon ab, ob einfache Einzelnutzen mit kleiner Auflage am Stanztiegel oder große Auflagen auf Stanzmaschinen verarbeitet werden. Weitere Entscheidungskriterien sind die Qualität des zu verarbeitenden Materials, die Kompliziertheit des Packmittels und nicht zuletzt die maschinelle Einrichtung des Betriebes. Auf dem Markt werden folgende Arten von Gegenzurichtungen eingesetzt:
a) Kanalfertignuten
Kanalfertignuten sind selbstklebende Zurichtestreifen mit aufgeklebten Kanalrichtstreifen, die auf die Rilllinien aufgesteckt und so auf die Zurichteplatte übertragen werden. Sie ermöglichen ein schnelles Zurichten und werden hauptsächlich für kleinere Auflagen mit einer geringen Nutzenanzahl verwendet, da sie sehr weich und daher nicht sehr haltbar sind. Die Zurichtestreifen sind in verschiedenen Nutenbreiten erhältlich. Mit Spezialscheren kann man die benötigten Längen abschneiden und gleichzeitig auf Gehrung schleifen. Im Bereich der Wellpappenverarbeitung haben Kanalfertignuten nahezu 100 Prozent Marktanteil, finden jedoch im Bereich der Kartonage immer weniger Anwendung.
Abb. 5.3.29: Kanalfertignuten der Firma Cito, jeweils bestehend aus Leitstreifen, Rillkanal und Trägerpapier (Quelle: Eigene Darstellung)
Vorgehensweise bei dem Einbau/Einrichten der Kanalfertignuten:
Abb. 5.3.30: So werden Kanalfertignuten eingebaut. (Quelle: Eigene Darstellung)
b) Rillma®-Fertigmatrizen
Kanalfertignuten mit selbstklebenden Zurichtestreifen werden hauptsächlich bei kleineren Nutzenzahlen verwendet, da sie weich und damit wenig haltbar sind. Rillma®-Fertigmatrizen haben aktuell den größten Marktanteil. Sie bestehen aus Messing, Vetronit oder Pertinax. Der nachfolgende Abschnitt informiert, wie man sie richtig einsetzt.
Die Rillma®-Gegenzurichtung besitzt derzeit den höchsten Marktanteil und ist in verschiedenen Materialien wie Pertinax, Vetronit und Messing erhältlich. Auf der Rückseite ist die Gegenzurichtung mit einer Klebefolie versehen. Prinzipiell hat man zu jedem Nutzen auf Stanzform eine einzelne Matrize. Für den Stanzvorgang werden die Zurichtungen mittels Passerstiften auf die Stanzform montiert, die Klebefolie entfernt und während des ersten Stanzvorganges auf die Stanzplatte übertragen. Sie sind dadurch optimal zum Nutzen ausgerichtet. Die Gegenzurichtung ist im Bereich der Schneidlinie ausgespart. Mit numerisch gesteuerten Fräsmaschinen können diese Einzelnutzen-Gegenzurichtungen (Teilmatrizen) nach dem Stanzform-CAD-Programm gefräst werden. Die Fräsmaschine ist mit Hochfrequenzspindeln ausgerüstet, deren Fräswerkzeuge je nach Kanalbreite einfach auswechselbar sind.
Beispielrechnung zur Festlegung von Rilllinienhöhe und Kanaltiefe:
Kartonbogen mit Dicke d = 0,4 mm
Als Standard sollte eine Stanzlinie mit Höhe = 23,8 mm vorgegeben werden.
Berechnung der Kanaltiefe: Um eine optimale Rillausbildung zu erlangen, darf das Kartonmaterial im Rillkanal nicht gequetscht werden. Die Rillkanaltiefe sollte daher immer die Kartondicke (Kaliber) übertreffen – man rechnet zur Kartondicke + 0,1 mm hinzu.
Also Kanaltiefe = Kartondicke + 0,1 mm, in dem Fall also= 0,4 mm + 0,1 mm = 0,5 mm
Auswahl Rillma: Es lässt sich eine Rillma mit Höhe 0,6 mm verwenden, wobei im Bereich des Rillkanals die Reststärke von 0,6 – 0,5 = 0,1 mm verbleibt. Aus diesen Angaben lässt sich die notwendige Höhe der Rilllinie berechnen nach:
Schneidlinienhöhe 23,8 mm
abzüglich Rillkanaltiefe - 0,5 mm
abzüglich Reststärke - 0,1 mm
Ergibt Höhe der Rilllinie 23,2 mm
Berechnung der Rillkanalbreite:
Die Rillkanalbreite ist abhängig von der Materialdicke und der Rilllinienstärke. Generell gilt folgende Faustformel:
Materialdicke x 1,5 + Rilllinienstärke = Rillkanalbreite
Beispiel:
Bei 2-Pkt Rilllinie und Kartondicke 0,4 mm ergibt sich daraus die Rillkanalbreite = 0,4 mm x 1,5 + 0,71 = 1,31 mm ~ 1,3 mm
Gegen den Faserlauf werden immer 0,1 mm in der Kanalbreite zugegeben.
Abb. 5.3.31: verschiedene Materialien für Rillma®-Fertigmatrizen (Quelle: Eigene Darstellung)
c) Stanzrillplatten
Als Stanzrillplatte bezeichnet man eine Gegenstanzplatte mit integrierten Rillkanälen. Sie beinhaltet also die Funktionen „Stanzfläche für die Schneidlinien“ und gleichzeitig die der Gegenzurichtung. Stanzrillplatten verfügen über die höchste Qualität aller Gegenzurichtungsarten und werden bei hochwertigen Verpackungen oder bei großer Auflagenhöhe eingesetzt. Sie sind in beliebigen Härtegraden erhältlich. Grundsätzlich gilt im Bezug auf die Härte: Je härter, desto teurer, aber desto haltbarer. Die Rillkanäle werden entweder in die Stanzrillplatten erodiert oder gefräst. Stanzrillplatten versprechen absolute Maßhaltigkeit und eine sehr hohe Auflagenfestigkeit.
Abb. 5.3.32: Stanzrillplatte (Quelle: Eigene Darstellung)
Als weiteren Vorteil erlaubt die Verwendung einer Stanzrillplatte einen flacheren, gleichmäßigeren Bogendurchlauf als bei einer Rillma®-Matrize, vergleiche nachstehende Grafik.
1) bei Verwendung einer Stanzrillplatte
Gleichmäßiger, fast ebener Bogendurchlauf. Daher fast keine Spannung auf dem Kartonmaterial. Keinerlei Gefahr von Druckstellen durch die Gummierung.
2) bei Verwendung von Rillma®-Matrizen
Unruhiger Bogendurchlauf, da der Höhenunterschied zur Rillma®-Matrize überwunden werden muss. Sehr große Gefahr von Druckstellen durch die Gummierung.
Abb. 5.3.33: Vergleich des Bogendurchlaufs bei Verwendung einer Rillma®-Matrize gegenüber einer Stanzrillplatte (Quelle: Eigene Darstellung)
d) marbagrid®-Gegenzurichtung
Die marbagrid®-Gegenzurichtung ist eine preisgünstige Alternative zur Stanzrillplatte. Der Rillkanal wird bei der marbagrid®-Gegenzurichtung komplett mittels Laser ausgeschnitten. Es ergibt sich somit ebenfalls eine Stanz- und Rillfläche in einer Ebene. Das Ergebnis ist ein Rillkanal, bei dem die Kanaltiefe der Stanz-plattendicke entspricht.
Abb. 5.3.34: marbagrid®-Gegenzurichtung (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.3.35: Prinzip der marbagrid®-Gegenzurichtung (Quelle: Eigene Darstellung)
Anforderungen an die Genauigkeiten von Gegenzurichtungen
Der Rillprozess besteht im Prinzip aus Rilllinie und Rillkanal – beide Teile müssen dabei zentrisch zueinander orientiert sein. Im Rillprozess muss sehr genau gearbeitet werden. Im Kartonagebereich gelten rund 0,2 mm als maximal zulässige Abweichung. Größere Toleranzen beeinflussen das Rillergebnis negativ, indem unsymmetrische Rillungen oder Beschädigungen entstehen. Diese verdeutlicht folgende Darstellung:
Abb. 5.3.36: Beispielhafte Darstellung außermittige Rillung bei einer Rillmatrize aufgrund eines Versatzes zwischen Rilllinie und Rillkanal (Quelle: Eigene Darstellung)
Um sich die geforderten Toleranzen zu vergegenwärtigen, kann man die Maßänderungen einer Stanzrillplatte – allein durch Temperatureinfluss – ermitteln: Gegenstanzplatten aus Stahl verhalten sich unempfindlich gegenüber Feuchtigkeitsänderung, sie reagieren aber auf Temperaturänderung durch Wärmeausdehnung nach:
∆l = ?₁ · l₁ · ∆t
Mit ∆l Längenausdehnung
?₁ Längenausdehnungskoeffizient (werkstoffspezifisch)
l₁ Anfangslänge
∆t Temperaturänderung
Beispiel: Berechnung der Längenänderung bei einer Gegenstanzplatte im 6er-Format der Druckindustrie bei folgenden Daten:
Abmessungen 1420 x 1020, als Anfangslänge l₁ die längere Seite 1420 mm betrachtet
?₁: 0,000 017 (Stahl, legiert, Daten von Tabellenbuch Metall)
∆t : 5°C (angenommene Temperaturänderung in einer Produktionshalle)
Mit diesen Werten ergibt sich
∆l = 0,000 017 · 1420 mm · 5°C
eine Längenausdehnung ∆l von 0,114 mm
Fazit:
Schon bei einem Temperaturunterschied von 5°C dehnt sich eine 1,42 m lange Gegenstanzplatte um 0,1 mm aus. Die Berechnung zeigt also, dass man allein aufgrund von Temperatureinfluss mit Maßabweichungen von rund 0,1 mm rechnen muss. Umso wichtiger ist also ein sorgfältiger und korrekter Einbau von Stanzform und Gegenzurichtung. Die Rillma hat den Vorteil, dass sie beim Ablegen zu jedem einzelnen Nutzen ausgerichtet wird. Die Stanzrillplatte kann technisch mit hoher Genauigkeit hergestellt werden. Wichtig ist dann, dass die Stanzformträgerplatte gegenüber der Stanzrillplatte möglichst wenig durch Temperatur- oder Feuchtigkeitseinflüsse verursachte Maßänderungen erfährt. Idealerweise hat die Trägerplatte die gleiche Wärmeausdehnung wie die Stanzrillplatte. Dies erreicht man am besten bei glasfaserverstärktem Kunststoff. Aus diesem Grund kombiniert man Stanzrillplatten üblicherweise mit Stanzformen auf Duramar-Trägerplatten.
Rillen von Wellpappe ohne Rillkanal
Bei Wellpappe ist oft kein Rillkanal notwendig; die Faltlinien entstehen durch Eindrücken des Materials durch die Rilllinien gegen eine flache Gegenstanzplatte.
Abb. 5.3.37: Rillvorgang bei Wellpappe ohne Gegenzurichtung (Quelle: Eigene Darstellung)
Die notwendige Rilllinienhöhe berechnet man aus der Schneidlinienhöhe und der Dicke des komprimierten Materials.
Beispiel: B-Welle mit Höhe 3,0 mm, komprimiertes Material ca. 0,8 mm (Zur Ermittlung der komprimierten Materialdicke kann man eine Materialprobe manuell zusammendrücken und die Höhe messen, da diese von den eingesetzten Papieren in der Wellpappe abhängt.)
Bei einer Schneidlinienhöhe von 23,8 mm ergibt sich daraus die Rilllinienhöhe nach:
Rilllinienhöhe = 23,8 – 0,8 = 23,0 mm
Zusammenfassung und Vergleich der einzelnen Gegenzurichtungssysteme
Kanalfertignuten haben den niedrigsten Preis, zugleich aber auch die geringste Standzeit sowie Nachteile bei den Rüstzeiten und der Genauigkeit. Am teuersten ist die erodierte Stanzrillplatte. Sie hat dafür eine sehr hohe Standzeit und bietet Vorteile bei Rüstzeiten und Genauigkeit. Welche Systeme angewendet werden, hängt zum einen vom Anspruch an die Verpackung und zum anderen von der Auflage ab.
Abb. 5.3.38: Zusammenfassung und Vergleich der einzelnen Gegenzurichtungssysteme (Quelle: Eigene Darstellung)
Beim Stanzdruck gibt es je nach Material Erfahrungswerte. Doch um exakte Druckkraftangaben zu erhalten, muss man das zu bearbeitende Material einem Stanztest unterziehen.
Es ist oft sehr wichtig, die für einen Stanzauftrag voraussichtlich benötigte Druckkraft im Vorfeld abschätzen zu können. Hierbei spielen jedoch mehrere Faktoren eine entscheidende Rolle. Bei Veränderung auch nur eines Parameters (Zustand) dieser Faktoren kann sich die Druckkraft deutlich verändern. Folgende Faktoren sind ausschlaggebend:
1.) das zu stanzende Material in Bezug auf: | a) Struktur b) Spezifikation c) Flächengewicht d) Faserrichtung e) Feuchte f) Dichte (Festigkeit) |
2.) Zustand der Stanzlinien in Bezug auf: | a) Abnutzung (Verschleiß) b) Linienlänge |
3.) Art der Gummierung: | a) Auswahl der Gummisorte b) Härte der gewählten Gummiarten |
4.) die Gegenstanzplatte: | a) Härte der Gegenstanzplatte b) Zustand (Abnutzung) der Gegenstanzplatte |
5.) Art des zu stanzenden Auftrages: | a) mit Prägung b) mit Negativritzung |
Abb. 5.4.1: Übersicht zu berücksichtigender Faktoren bei einem Stanzauftrag (Quelle: Eigene Darstellung)
Um exakte Druckkraftangaben erhalten zu können, ist es notwendig, diese bei einem Stanztest mit dem zu stanzenden Material zu ermitteln. Als Faustregel können jedoch folgende Werte eingesetzt werden, angegeben in Kraft pro Längeneinheit beziehungsweise pro Fläche bei Prägung:
Chromokarton ca. 250-350 gr | Triplexkarton ca. 250-350 gr | Duplexkartonca. 250-350 gr | einwellige Wellpappe | doppelwellige Wellpappe | |
Scharfe Schneidlinie in Faserlauf | 35 kg/cm | 38 kg/cm | 40 kg/cm | 44 kg/cm | 54 kg/cm |
Scharfe Schneidlinie gegen Faserlauf | 37 kg/cm | 41 kg/cm | 44 kg/cm | 48 kg/cm | 58 kg/cm |
Stumpfe (abgenutzte) Schneidlinie in Faserlauf | 45 kg/cm | 51 kg/cm | 56 kg/cm | 60 kg/cm | 66 kg/cm |
Stumpfe (abgenutzte) Schneidlinie gegen Faserlauf | 48 kg/cm | 54 kg/cm | 60 kg/cm | 63 kg/cm | 68 kg/cm |
scharfe Ritzlinie | 30 kg/cm | 32 kg/cm | 37 kg/cm | 42 kg/cm | 54 kg/cm |
stumpfe (abgenutzte) Ritzlinie | 36 kg/cm | 37 kg/cm | 40 kg/cm | 44 kg/cm | 58 kg/cm |
Rilllinie | 25 kg/cm | 28 kg/cm | 30 kg/cm | 32 kg/cm | 42 kg/cm |
Moosgummi 30-35 Shore | 18 kg/cm | ||||
Vulkollangummi 50-55 Shore | 25 kg/cm | ||||
Korkgummi 60-65 Shore | 35 kg/cm | ||||
Prägung | 350 kg/cm² |
Abb. 5.4.2: Übersicht der erforderlichen Druckkräfte – ungefähre Angaben, die im Einzelfall zu überprüfen sind (Quelle: Eigene Darstellung)
Beispiel für Zuschnitt = Faltschachtel MB 50A = 80 x 60 x 110 mm
Material = Chromo-Karton, ca. 300 gr/m²
Abb. 5.4.3: Beispiel und technische Angaben für einen Zuschnitt (Quelle: Eigene Darstellung)
5.5.1 Die Konstruktion der Stanzkontur
Die Konturlinien, in welchen später auf der Trägerplatte die Bandstahllinien montiert werden, werden mit Hilfe eines CAD-Programms in der Draufsicht konstruiert (CAD = computer-aided design = rechnerunterstütztes Konstruieren).
In der Verpackungsmittel-industrie verwendete CAD- Programme sind z.B.
Impact von Arden Software: https://www.ardensoftware.com/products/impact-for-designers/
VPACK® von Erpa: https://erpa.de/
ArtiosCAD von Esko Graphics: https://www.esko.com/de
Hier die CAD-Konstruktion einer Faltschachtel, beispielhaft mit dem CAD-System „Impact“:
Abb. 5.5.1: CAD-Konstruktion eines Faltschachtelzuschnittes (Quelle: Eigene Darstellung)
Die CAD-Daten stellt im Allgemeinen zum Teil schon der Kunde bereit – zumindest die Zeichnung des reinen Verpackungszuschnittes, so wie sie bei der Entwicklungstätigkeit entstand. Über die Angabe des ECMA- oder FEFCO-Codes und den zugehörigen Maßen ist die Erstellung des Zuschnittes auch durch den Stanzformenhersteller möglich.
Ausgehend vom ersten Nutzen entsteht nun nach Kundenvorgaben die komplette Stanzform unter Berücksichtigung
• der Seitenorientierung (die Stanzung von Kartonagen erfolgt von oben, also auf die Druckseite, die Stanzform ist dann spiegelbildlich zum Druckbild herzustellen),
• der gewünschten Formatgröße (Stanzmaschinenformat),
• der optimalen Nutzenanordnung,
• der Maschinenspezifikationen (zum Beispiel Abstände Holzrahmen bis erstes Messer, Greiferrand, Rüstvorrichtungen wie Centerline® etc.),
• der auftragsspezifischen Bauteile wie Prägefelder, Braille-Prägungen, Gegendruckblöcke für Gegenritzplättchen etc.),
• der Brücken im Holz – die Schnitte für die Bandstahllinien sind in regelmäßigen Abständen zu unterbrechen, sodass Verbindungspunkte entstehen und die Trägerplatte stabil bleibt,
• der Erweiterungen, wie Abfalltrennmesser, um nach dem Stanzen große Abfallstücke besser entfernen zu können, sowie
• der Druckausgleichslinien, um für eine gleichmäßige Druckverteilung im Stanztiegel zu sorgen, wenn die Bandstahllinien nicht gleichmäßig auf der Form verteilt sind.
Für den Stanzformenbau verfügt das CAD-System auch über umfangreiche CAM-Funktionen. Dies bedeutet, dass die CAD-Daten zur Ansteuerung verschiedener CNC-gesteuerter Maschinen, wie Lasermaschinen oder Abläng- und Biegemaschinen, verwendet werden können. Die Herstellung der Stanzform erfolgt entweder in einer eigenen Abteilung des packmittelerzeugenden Betriebes oder (üblicherweise) bei einem Stanzformenhersteller außerhalb des Hauses.
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- Die komplette Herstellung einer Stanzform, bereitgestellt von Marbach - großes Video
- Die komplette Herstellung einer Stanzform, bereitgestellt von Marbach - kleines Video
Trägerplatten werden heute mit Lasern geschnitten. Das ist wesentlich genauer und weniger zeitaufwendig als die Sägetechnik vergangener Tage.
Laseranlagen bestehen im Allgemeinen aus einer Laserquelle, welche die Laserstrahlung erzeugt, einem Strahlführungssystem sowie Bearbeitungsoptiken (Fokussierung/Schneidkopf), einem Führungssystem (Antriebe) und der Steuerung.
Abb. 5.5.2: Lasermaschine (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Laserquelle erzeugt die Laserstrahlung, also eine sich nahezu parallel ausbreitende, kohärente und monochrome elektromagnetische Strahlung. Die enthaltenen Lichtwellen verfügen also alle über die gleiche Wellenlänge und Phasenbeziehung. Dadurch ist es möglich, diese Strahlung enger zu fokussieren, als es mit natürlichem Licht möglich wäre. Durch die hohe Energiekonzentration am Fokuspunkt lassen sich Metalle, Kunststoffe, Holzplatten und viele weitere Materialien schneiden.
Die Wellenlänge des Lasers bestimmt das Absorptionsverhalten des zu bearbeitenden Materials – also die Eigenschaft, die Laserenergie aufzunehmen. Für einen Laser-Schneidprozess ist eine hohe Absorption des jeweiligen Materials notwendig. Während sich bei Metallen eine Laserstrahlung mit einer Wellenlänge von rund 1 μm als günstig erweist, so eignet sich bei organischem Material wie Holz eine Laserstrahlung mit einer Wellenlänge von rund 10 μm. Strahlung dieser Wellenlänge erzeugen Laserquellen, welche als aktives Lasermedium ein CO2-N2-He-Gasgemisch aufweisen (Kohlendioxid, Stickstoff und Helium). Man spricht in diesem Fall üblicherweise von CO2-Laserquellen.
Das Schneiden von Trägerplatten aus Holz erfolgt deshalb grundsätzlich auf Lasermaschinen mit CO2-Laserquellen.
Die Laseranlage muss sich so einstellen lassen, dass ein leichter Press-Sitz für die Bandstahllinien entsteht. Dies erfolgt durch Anpassung der Maschinenparameter wie:
• Fokussieroptik, Anheben, Absenken,
• Verfahrgeschwindigkeit,
• spezielle Laserleistungssteuerungen wie Pulsbetrieb sowie
• Menge und Druck des Schneidgases
So ist es möglich, in einem Durchgang stufenlos die Schnitte für 1, 2, 3 oder 4 Punkt breite Linien herzustellen.
Dabei ist es für einen stabilen Verbund der Trägerplatte wichtig, nicht die komplette Kontur des späteren Stanzzuschnittes zu schneiden, sondern noch Verbindungspunkte (Stege) stehen zu lassen. Der Bandstahl wird an diesen Stegen entsprechend ausgespart (ausgeklinkt).
Abb. 5.5.3: lasergeschnittene Trägerplatte, Bandstahl-Elemente für die Sicherheitseinschnitte angesetzt (noch nicht eingearbeitet). Unterbrechungen des Laserschnittes, sodass Verbindungsstege bleiben (Quelle: Eigene Darstellung)
Mit dem Laser lassen sich auch Dokumentationen wie Auftragsdaten oder empfohlener Stanzdruck für die spätere Verwendung an der Stanzmaschine auf die Trägerplatte gravieren. Vor Einführung der Lasertechnik sägte man die Schlitze mit Dekupiersägen. Dies war wesentlich zeitaufwendiger und nicht so wiederholgenau, da die Zuschnittform zuerst auf die Platten gezeichnet und manuell an der Säge geführt werden musste. Für unterschiedliche Linienbreiten musste man das Sägeblatt wechseln. Für jedes Liniensegment war zunächst ein Loch zu bohren, um das Sägeblatt durchführen zu können. Im Vergleich dazu lässt sich mit der Lasertechnik die Trägerplatte automatisiert und wesentlich schneller schneiden, es sind auch feinere Konturen möglich.
Nach wie vor in Handarbeit geschieht das Einsetzen der Bandstahllinien in die vom Laser geschnittene Trägerplatte. Schneid-, Rill-, Ritz- und Perforationslinien werden auf die im CAD-Programm vorgegebene Länge zugeschnitten. Es ist erstrebenswert, möglichst geschlossene Linienzüge zu erzielen – das heißt: so lange wirtschaftlich und technisch möglich, Linien aus einem Stück zu verwenden.
Abb. 5.5.4: Schneidlinie aus einem Stück mit mehreren Biegestellen, Ausklinkungen wegen Stegen in der Trägerplatte (Quelle: Eigene Darstellung)
Bei senkrechten Linienanschlüssen montiert man zuerst die durchgehende Linie und setzt anschließend die seitliche Linie auf. Diese hat am Ende einen Überhang („Häkchen“) an der Schneidenspitze, sodass sich an der Übergangsstelle ein geschlossener Linienzug ergibt.
Abb. 5.5.5: Linienreihenfolge bei Montage von Schneidlinien. Links: erst durchgängige Linie, dann Linie mit Häkchen. Rechts: An der Schneidenspitze entsteht so ein geschlossener Linienzug. (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.5.6: aufgesetzte Linie mit Häkchen (Quelle: Eigene Darstellung)
Biegungen und Radien werden mit auswechselbaren Einsätzen auf Biegeapparaten gebogen. Die so gefertigten Bandstahlteile werden anschließend mit einem Schonhammer in die gelaserten Konturlinien eingearbeitet. Der Schonhammer ist ein Hammer, dessen Köpfe aus Kunststoff (zum Beispiel Nylon) sind. Er dient oft dem Positionieren und Ausrichten von Maschinen oder montierten Werkstücken und dem Bearbeiten weicher Metalle. Zum Schluss müssen alle Maße nochmals überprüft werden und gegebenenfalls kleine Korrekturen mit Richtwerkzeugen vorgenommen werden.
Damit die später gestanzten Kartonbögen sich zuverlässig durch die Maschine ziehen lassen, ist es notwendig, dass noch kleine Verbindungspunkte („Haltepunkte“) zwischen den Nutzen und den Abfall-teilen verbleiben. Diese Haltepunkte entstehen durch kleine Kerben an den Schneidlinien, welche mit speziellen Schleifgeräten, den „Haltepunktschleifern“, vor oder nach der Montage der Linien eingeschliffen werden.
Falls so ein Gerät nicht zur Verfügung steht, kann in Einzelfällen der Haltepunkt mit einem Meißelwerkzeug eingeschlagen werden.
Dies sollte aber nicht das generelle Verfahren sein,
• weil beim Einschlagen zu große Ungenauigkeiten bei der Breite und Tiefe entstehen. Damit wird der Haltepunkt am Zuschnitt entweder zu schwach (Zuschnitte würden nicht zuverlässig durch die Stanz-maschine laufen) oder zu stark ausgebildet (deutlich sichtbare Fasern oder Einrisse beim späteren Trennen).
• weil die Schneide neben dem Haltepunkt teilweise abbrechen kann (die Schneide ist ein gehärteter und spröder Bereich – sie reagiert empfindlich auf Schlagbeanspruchung).
Abb. 5.5.7: Vergleich Haltepunkt, oben: eingeschliffen, unten: eingeschlagen (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.5.8: Haltepunkte zwischen gestanzten Zuschnitten, erzeugt durch Einkerbungen an der Schneidenspitze (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.5.9: Montagewerkzeuge für Bandstahllinien (Quelle: Marbach)
Beim Biegen von Schneidlinien ergeben sich im Verformungsbereich der Biegekante eine Zug- und eine Druckzone. Dazwischen liegt die Schneidenspitze:
Abb. 5.5.10: Zug- und Druckzone einer Biegestelle – 1. Schneidenspitze, 2. neutrale Faser
(Quelle: Eigene Darstellung)
Bei scharfkantigen Biegungen (Radien von 0,5 mm bis 3 mm) wird die innere Schicht gestaucht und die äußere Schicht gedehnt. Es entsteht eine Druck- und eine Zugspannung. Das führt dazu, dass die Schneidenspitze durch das Stauchen der inneren Schicht in den hinteren Dehnungsbereich gedrückt wird. In diesem Dehnungsbereich findet ein Einschnürungsprozess statt, wodurch die Höhe der Schneidlinie in diesem Bereich abnimmt. Je nach Materialhärte, Biegeradius und Biegewinkel kann sich dieser Höhenverlust auf bis zu 0,05 mm belaufen. Diese reduzierte Höhe führt zu schlechten Stanzergebnissen an den betroffenen Stellen.
Diese Problematik wird weitestgehend dadurch beseitigt, dass die Schneidlinien vor dem Biegen an den Biegestellen im Druckbereich freigeschliffen werden. Durch die Entfernung des Materials entwickelt sich beim Biegen die Druck- und Zugspannung weniger stark und dadurch bleibt die Schneidlinienhöhe weitestgehend konstant.
Abb. 5.5.11: Biegestelle mit Freischliff – 1. Schneidenspitze, 2. neutrale Faser (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.5.12: Beispiele der Anwendung des Biegefreischleifens und der Stoßeinschleiftechnik
(Quelle: Eigene Darstellung)
Das obige Diagramm zeigt die Anwendungen des Biegefreischleifens im:
• Faltschachtelbereich bei den
• Sicherheitseinschnitten (Abb. 5.5.12, Pos. 4) und bei den
• Magazinschlitzen – falls aus 1 Teil gefertigt (Abb. 5.5.12, Pos. 3)
• Zigarettenschachtelbereich bei den
• Laschenradien (Abb. 5.5.12, Pos. 5) und gelegentlich auch beim
• Spikelmittenradius (Abb. 5.5.12, Pos. 7)
• allgemeinen Stanzformenbereich bei Radien bis 3 mm und einem Biegewinkel über 90°.
Spikelmittenradius ist ein spezieller Begriff, mit welchem Fachleute beim Werkzeuge-Hersteller Marbach die Form des Bandstahls zwischen Zigarettenzuschnitten an einer bestimmten Lasche bezeichnen. Begriffe dieser Art sind in der Branche nicht normiert. Alternative Bezeichnung: radienförmige Laschenanschlüsse an Zigarettenzuschnitten.
Bei einem tangentialen Schneidlinienstoß muss ab einer Schrägstellung von rund 20° das Häkchen dem Winkel entsprechend hinterschliffen werden. Dies führt zwangsläufig zu einem Stabilitätsverlust des Häkchens. In diesem Fall ist es empfehlenswert, die zwar aufwendige, aber dafür technisch solide Lösung des Stoßeinschleifens zu wählen. Unterstützt wird diese Technik durch eine zusätzliche Stoßabstützung (Abb. 5.5.12, Pos. 2).
Das Stoßeinschleifen findet Anwendung im:
• Faltschachtelbereich beim Einstecklaschenstoß (Abb. 5.5.12, Pos. 1)
• Zigarettenschachtelbereich bei den Spikelschlitzen (Abb. 5.5.12, Pos. 6)
• allgemeinen Stanzformbereich bei tangentialem Stoß ab 20°
Die Linien schleift man manuell geführt an einem Schleifbock oder, für genauere Ergebnisse beziehungsweise größere Stückzahlen, automatisiert an einem Gehrungsschleifer.
Abb. 5.5.13: Beispiel für tangentialen Linienstoß mit hinterschliffenen Linien (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.5.14: Stanzform mit montierten Schneid- und Rilllinien (Quelle: Eigene Darstellung)
Einige wichtige Geräte im Stanzformenbau:
Abb. 5.5.15, 16, 17, 18, 19, 20: Quelle: Eigene Darstellung
Nach der Bandstahlmontage folgt als nächster Schritt die Gummierung der Stanzform. Gummi in Form von Profilen schneidet man manuell mit Scheren, wohingegen Wasserstrahl- oder Plottermaschinen (mit oszillierendem Messer) flächige Gummikonturen schneiden können. Die Gummimaterialien sind auf der Rückseite mit einer Kleberschicht und Trägermaterial kaschiert, sodass man sie nach dem Schneiden direkt auf die Stanzform aufkleben kann. Je nach Größe der Gummiteile bringt man zur Unterstützung der Klebeverbindung zusätzlich einen schnell härtenden Klebstoff auf.
Abb. 5.5.21: Vulkollan (33 – 55 Shore), vorgesehen in engen Schlitzen, hier „Magazinschlitz“
(Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.5.22, 23: Quelle: Eigene Darstellung
Abb. 5.5.24: gummierte Stanzform, bereit für die Verwendung an der Stanzmaschine
(Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.5.25: Wasserstrahlschneidanlage (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.5.26: Wasserstrahlschneidanlage von innen (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.6.1: In diesem Maschinenbereich findet das Ausbrechen des Abfalls statt.
(Quelle: Eigene Darstellung)
Nach dem Stanzen erfolgt – je nach Maschinenausrüstung – das Entfernen des umgebenden, nicht gebrauchsfähigen Abfalls. Diesen Vorgang nennt man das Ausbrechen. Hierzu wird ein Ausbrechwerkzeug benötigt: Es besteht aus einem Ausbrechoberteil und einem Ausbrechunterteil. Von der Funktionsweise unterscheidet man zwischen zwei Prinzipien:
• konventionelles Ausbrechen: Im oberen Werkzeug sitzen geformte Stahllinien, welche der Kontur des Abfalls entsprechen und den Abfall durch die Aussparungen am Ausbrechunterteil hindurchdrücken
• dynamisches Ausbrechen: Im oberen Werkzeug sitzen einzelne standardisierte Krallen, deren Spitzen in das gestanzte Material leicht eintauchen.
Das dynamische Ausbrechen erlaubt höhere Produktionsgeschwindigkeiten als die konventionelle Bauweise und entwickelt sich immer mehr zum Marktstandard. Es folgt deshalb hier eine ausführlichere Beschreibung zum dynamischen Ausbrechen: Die richtige Positionierung und die Verwendung der richtigen Anzahl an Krallen sind maßgeblich für ein perfektes Ausbrechen, dies wird in Abhängigkeit zur Kartondicke und Kartonqualität bestimmt. Darüber hinaus sind im Ausbrechoberteil ausreichend Luftlöcher vorhanden, um einen Vakuumeffekt beim Zusammenfahren der Maschine zu vermeiden. Im Ausbrechunterteil befinden sich Aussparungen, durch die der Abfall hindurchfällt. Die Abfalldurchbrüche im Ausbrechunterteil sind speziell gestaltet. An definierten Stellen werden so genannte Auflagen gebildet. In diesem Bereich ist der Durchbruch, im Gegensatz zu der ansonsten umlaufend größer ausgeführten Kontur, verengt. An jedem Auflagepunkt des Ausbrech-Unterteils sind im Ausbrech-Oberteil die Ausbrechkrallen positioniert. Diese Auflagen sind deshalb notwendig, damit beim Zusammenfahren der Maschine die von oben kommende Ausbrechkralle einen Gegendruck erhält und das darauf aufliegende Abfallteil fixieren kann.
Durch das weitere Zusammenfahren der Maschine drückt die Ausbrechkralle das Abfallteil nun, nachdem es die Auflagen überwunden hat, nach unten durch die Aussparung im Ausbrechunterteil hindurch, die Haltepunkte des Abfallteils werden dadurch gebrochen. Bei diesem Prozess erhält das Abfallteil eine Eigenspannung: Es biegt sich bedingt durch die Auflageflächen, durchstößt das Ausbrechunterteil komplett und schnellt heraus. Somit ist der Abfall beseitigt. Eine optimale Funktionalität des Ausbrechsystems ist nur dann gegeben, wenn Ausbrechoberteil und Ausbrechunterteil in der Stanzmaschine richtig zum gestanzten Bogen und auch zueinander ausgerichtet sind.
Abb. 5.6.2: Funktionsdarstellung dynamisches Ausbrechen (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.6.3, 4: Quelle: Eigene Darstellung
Abb. 5.7.1: In diesem Maschinenabschnitt findet das Nutzentrennen statt. (Quelle: Eigene Darstellung)
In einer weiteren Maschinenstation erfolgt nach dem Stanz- beziehungsweise Ausbrechvorgang als letzter Schritt das Nutzentrennen, auch Separieren genannt. Darunter versteht man die Vereinzelung der Nutzen, sodass sie leicht stapelweise entnommen werden können. Wie bereits erwähnt, verbleiben zwischen den Nutzen die Haltepunkte, um den Bogentransport durch die Maschine zu ermöglichen. In der Nutzentrennstation erfolgt nun das Abtrennen der Haltepunkte und das Abstapeln der Nutzen. Das Nutzentrennwerkzeug besteht aus einem Ober- und Unterteil. Der gestanzte Bogen wird über das Nutzentrennunterteil geführt, das Nutzentrennoberteil senkt sich ab und drückt den einzelnen Nutzen durch das Trenngitter des Unterteils. Dies bewirkt eine Krümmung der Nutzen, wobei die Haltepunkte gebrochen und die Nutzen vereinzelt werden. Durch die Krümmung haben die Nutzen beim Austreten aus dem Werkzeug eine Federwirkung, sie werden dadurch freigesetzt und fallen auf den Stapel.
Das Nutzentrennoberteil
Das Nutzentrennoberteil besteht in der Regel aus Holzstempeln. Diese Stempel sind in ihrer Form kleiner dimensioniert als der Nutzen selbst und entsprechen dem Umriss der Nutzen. Ihre Aufgabe ist es, den Zuschnitt durch das Trenngitter zu stoßen. Die Unterseite der Stempel ist mit Gummi beklebt, um eine Beschädigung der Nutzen zu verhindern. Sie werden mit einem Distanzbolzen auf eine Trägerplatte aus Holz aufgebracht. Aussparungen in der Trägerplatte verhindern – wie beim Ausbrechwerkzeug – ein Vakuum während des Arbeitsprozesses. Das Nutzentrennoberteil wird auftragsbezogen passend zum Unterteil gefertigt.
Abb. 5.7.2: ein Nutzentrennoberteil mit gummierten Holzstempeln (Quelle: Eigene Darstellung)
Das Nutzentrennunterteil (Trenngitter)
Das Nutzentrennunterteil ist ein gitterartig aufgebautes Gebilde, welches den Umrissen der Nutzen in etwa entspricht. Die Gitterplatte besteht in der Regel aus einem Holzrahmen und einem Trenngitter aus Stahl. Der Holzrahmen besteht aus Aussparungen für die Photozelle und Führungsschieber, die ein Geraderichten des separierten Nutzens gewährleisten. Die Photozelle überwacht die Stapelhöhe im Innengitter. Hat der Nutzenstapel die Photozelle erreicht, senkt sich die Palette automatisch um einige Millimeter ab. Die Führungsschieber sind für die Führung der Nutzen zuständig und verhindern ein seitliches Verschieben des entstehenden Stapels, wenn sich die Palette absenkt. Das Trenngitter besteht aus einer massiven, 15 mm dicken Stahlplatte. In diese sind die Ausschnitte eingebracht, welche konturengenau den Umrissen des zu trennenden Nutzens entsprechen. Das Trenngitter wird auf einen Stahlgrundrahmen geschweißt oder geschraubt.
Abb. 5.7.3: das Nutzentrennunterteil (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.7.4: das komplette Nutzentrennwerkzeug (Quelle: Eigene Darstellung)
In der Stanzformtechnik verwendet man auch Stanzwerkzeuge in rotativer Bauweise, welche hauptsächlich in der Wellpappe-Verarbeitung zum Einsatz kommen. Die Schneidlinien sind dabei auf einer Walze aufgebracht. Diese Technologie ist zwar nicht so genau wie beim Flachbettstanzen. Bei Wellpappe reichen die hier möglichen Toleranzen aber meist völlig aus.
Abb. 5.8.1: Rotations-Stanzform (Quelle: Marbach)
Abb. 5.8.2: Funktionsprinzip Rotationsstanzen (Holzhalbschalen) (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Rotations-Stanzform wird in der Rotations-Stanzmaschine auf einen Stanzzylinder geschraubt. Bei der Produktion läuft das Wellpappe-Material kontinuierlich zwischen Stanzzylinder und Gegenstanzzylinder durch. Die Schneidlinien tauchen dabei rund 1,5 mm in den gummi-beschichteten Gegenstanzzylinder ein.
Die Schneidlinien sind mit einem Sägezahnprofil ausgestattet, dies schont die Gegendruckwalze, und beim Stanzen bewirkt das Profil einen Scher- oder Schrägschnitt. Dadurch ist weniger Stanzdruck erforderlich als bei einem „Parallelschnitt“ mit konstanter Linienhöhe wie beim Flachbett-Stanzen.
Herstellungsprozess
Der Herstellungsprozess ist prinzipiell derselbe wie bei den Flachbettformen, nur besteht die Trägerplatte aus Holzhalbschalen, die auf Rotations-Lasermaschinen geschnitten werden. Für die Holzhalbschalen verwendet man meistens 13 mm dickes Holz.
Abb. 5.8.3: Rotations-Lasermaschine zum Bearbeiten der Halbschalen (Quelle: Eigene Darstellung)
Die einzubauenden Bandstahllinien liegen für axiale Einbaurichtung in geradliniger Form, für radiale (und schräg verlaufende) Einbaurichtung in runder Form vor.
Abb. 5.8.4: Richtungsangaben an einer Rotations-Stanzform (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.8.5: runde Linie (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.8.6: axiale Linie (Quelle: Eigene Darstellung)
Es existieren mehrere standardisierte Durchmesser der Stanzzylinder. Üblicherweise verwendet man runde Linien mit Ø D, welche dem entsprechenden Durchmesser des Stanzzylinders entsprechen. Für Sonder-Durchmesser lassen sich runde Linien auch in Walz-Biegegeräten an den gewünschten Durchmesser anpassen. Zur besseren Verformbarkeit haben die runden Linien hierfür die Aussparungen am Grundkörper. Linien, welche in ihrem Verlauf von der direkten radialen Richtung abweichen (beliebige Winkel), passen sich durch die Aussparungen bei der Montage an den sich ergebenden Durchmesser an. Für die Montage ist die Holzhalbschale auf einen Stahlzylinder mit identischem Durchmesser gespannt.
Abb. 5.8.7: runde Linien Ø 177 mm (entsprechend dem Standard-Stanzzylinder Ø 177 mm) (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.8.8: Walzbiegegerät zur Veränderung des Durchmessers einer runden Linie (Quelle: Eigene Darstellung)
Übergänge axial – radial:
An Linienverläufen, welche von einer axialen in eine radiale Richtung übergehen, vermeidet man aus Stabilitätsgründen eine Stoßstelle an einer Ecke oder in einem Radius. Vielmehr biegt man die axiale Linie ein kurzes Stück in die radiale Richtung (max. ca. 15–20 mm, je nach Durchmesser) und stößt dort die runde Linie an. Die eingebaute axiale Linie hebt sich an dieser Stelle aufgrund ihrer gradlinigen Formge-bung minimal vom Stanzzylinder ab, dies wirkt sich beim Stanzprozess (noch) nicht negativ aus, da die Linien prinzipiell immer in die Gegendruckwalze eintauchen.
Abb. 5.8.9: Stoßverbindungen von axialer in radiale Richtung (Quelle: Eigene Darstellung)
Gummierung
(zur Auswahl der Gummiarten s. auch Übersicht im Abschnitt 5.3.5 Gummierung)
Im Bereich des Nutzens hat die Gummierung standardmäßig eine Höhe von 13 mm und hat die Funktion des Abstreifens der Wellpappe von der Schneidlinie nach dem Stanzprozess. Im Bereich des Abfalls hat die Gummierung standardmäßig eine Höhe von 16 mm und hat die Funktion des Abstreifens der Wellpappe von der Schneidlinie sowie das Ausbrechen der Abfallteile, indem sie durch den höheren Gummi stärker nach unten gedrückt werden als die Nutzenbereiche. Somit hat man im Gegensatz zum Flachbett-Stanzverfahren keine separaten Ausbrechwerkzeuge (wobei es für speziellen Bedarf auch Techniken gibt), sondern entfernt die Abfallteile über die Gummierung. An Rilllinien bringt man in Wellenrichtung ebenfalls eine Gummierung an, welche den Rillvorgang unterstützt und das Einreißen des Materials verhindert. Je nach Orientierung der Wellenrichtung gegenüber der Maschinenlaufrichtung kann die Rillgummierung also in radialer oder in axialer Richtung sitzen.
Abb. 5.8.10: Beispiel für Gummierung einer Rotations-Stanzform (Quelle: Eigene Darstellung)
Abwicklung
Die Abwicklung in radialer Richtung, also die Länge der Zuschnitte, lässt sich nicht direkt an der Rotations-Stanzform abmessen, da die Schneidlinien ca. 1,5 mm in die Gegendruckwalze eintauchen und damit der (im wörtlichen Sinne) maßgebende Stanz-Durchmesser um 2 · 1,5 mm = 3 mm kleiner ist.
Beispiel: Für einen Stanz-Zylinder Ø von 487,3 mm und einer Schneidlinienhöhe von 25,4 mm lässt sich eine maximal herstellbare Abwicklung berechnen nach:
I = ? · (487,3 + 2 · 25,4 - 2 · 1,5 mm) = ~ 1681 mm.
Unter Berücksichtigung einer notwendigen Gummierung und eines Mindest-Holzrandes an der Holzhalbschale wird die maximal herstellbare Abwicklungslänge also rund 1650 mm betragen.
Dies ist eine allgemeine Betrachtung ohne Berücksichtigung eventuell spezieller Maschinenfunktionen. Auf der anderen Seite kann man an einer gelaserten (und auch bemesserten) Holzhalbschale die später sich ergebende Abwicklungslänge herausmessen. Dies erfolgt unter Berücksichtigung des Koeffizienten von Umfangslänge an der Schale zum maßgebenden Stanz-Durchmesser.
Beispiel: Holzhalbschale für einen Stanz-Zylinder Ø von 487,3 mm, damit beträgt also der Innendurchmesser der Halbschale 487,3 mm.
Der rechnerische Stanz-Durchmesser beträgt 487,3 + 2 · 25,4 - 2 · 1,5 mm = 535,1 mm
Der Koeffizient berechnet sich also nach 487,3/535,1 = ~ 0,9107
Dieser Wert gibt das Verhältnis zwischen tatsächlicher Abwicklung beim Stanzen und den radialen Abständen auf der Innenseite der Halbschale an.
Soll in diesem Fall zum Beispiel eine Zuschnittlänge von 700 mm erreicht werden, so muss sich an der Halbschale ein Abstand zwischen den entsprechenden Schneidlinien von 700 · 0,9107 = ~ 637,5 mm nachmessen lassen. Das Nachmessen erfolgt in der Praxis mit einem biegsamen Stahllineal.
Produktionsmenge, Genauigkeit im Vergleich zum Flachbett-Stanzen
Beim Rotationsstanzen sind größere Zuschnittformate herstellbar und prinzipbedingt durch den kontinuierlichen Stanzprozess und Materialtransport größere Produktionsmengen möglich als beim Flach-bettstanzen (Material stillstehend für den Stanzprozess). So rechnet man mit einer Größenordnung von max. ca. 30.000 Umdrehungen/Stunde, während beim Flachbettstanzen max. ca. 6.000 Hübe/Stunde möglich sind. Die Angaben gelten nur als Orientierung und sind abhängig von Maschinenkapazität, Formatgrößen, Materialien usw. Allerdings ist die Genauigkeit des rotativen Verfahrens geringer, man rechnet mit Maßabweichungen der tatsächlichen Zuschnitte gegenüber den Sollwerten von ca. +/- 2 mm, beim Flachbettverfahren von ca. +/- 0,2 mm. Im Allgemeinen ist die Toleranz für die hauptsächliche Anwendung, nämlich die Herstellung von Wellpappe-Verpackungen, vollkommen ausreichend.
Im Gegensatz zu Stanzformen aus Bandstahllinien sind für die drei Produktionsprozesse Stanzen – Rillen – Prägen jeweils eigene Werkzeugsätze notwendig.
5.9.1 Stanzwerkzeug
Abb. 5.9.1: Bestandteile eines Rotations-Stanzwerkzeuges (Quelle: Eigene Darstellung)
1. Stanzzylinder mit Schneideinsätzen
2. Lagerring
3. Spannsäule
4. Antriebseinheit
5. Kassette – Lagerblock
6. MarbaClick – set-up ring
7. Löcher für Ausbrechnadeln
8. Gegenstanzzylinder
Beschreibung
Rotationswerkzeuge aus Vollstahl sind in der Herstellung sehr viel aufwendiger und kommen nur bei Verpackungszuschnitten in sehr großen Auflagen zum Einsatz. Das Rotations-Stanzwerkzeug besteht aus einem Stanzzylinder, auf dem einzelne Schneidsegmente befestigt werden. Die Schneidelemente bestehen aus pulvermetallurgischem Stahl und werden innerhalb sehr enger Toleranzen gemäß der gewünschten Kontur des zu stanzenden Zuschnittes gefertigt. Im Gegensatz zu den vorgefertigten Bandstählen bei der Stanzformtechnik entstehen diese Segmente über Fräs- und Schleifvorgänge aus Voll-Material. Anders als beim Flachbett-Stanzverfahren lassen sich die Schneiden hier bis zu einem gewissen Grad nachschärfen.
Abb. 5.9.2: aufgeschraubte Schneidsegmente (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.9.3: einzelnes Schneidsegment (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.9.4: Detail an der Schneidenform (Quelle: Eigene Darstellung)
Für die genaue Ausführung der Schneidenform greift man auf Erfahrungswerte zurück – die Abbildung oben zeigt: An der Schneidkante ist am Schneidenende ein Radius von 0,3 mm vorgesehen.
Funktionsweise:
Stanz- und Gegendruckzylinder drehen sich auf den Lagerringen. Diese Ringe ermöglichen gleichzeitig eine feine Abstimmung des Abstandes der beiden Zylinder und somit der Schnittluft. Bei diesem Verfahren berühren sich Stanzzylinder und Gegendruckzylinder nicht, es muss ein feiner Spalt von etwa 0,003 bis 0,005 mm verbleiben. Die Herstellung des Stanzzylinders sowie des gesamten Rotationswerkzeuges ist eng an die Bedingungen der Rotations-Stanzmaschine gebunden. Auf jeder Seite des Werkzeuges befinden sich zwei Spannsäulen zur Verschraubung der beiden Zylinder mit einer definierten Kraft. Während des Produktionsprozesses wirken die Spannsäulen elastisch, bei Überdruck können sie sich ausdehnen. Als Antrieb verfügt ein Werkzeugsatz über drei Zahnräder, zwei Stück zur Kopplung von Stanz- und Gegendruckzylinder. Auf der anderen Seite befindet sich das Zahnrad für den externen Maschinenantrieb des Werkzeugsatzes. Die Lager blöcke, auch Kassetten genannt, halten die beiden Zylinder zusammen.
Wie die Schneidsegmente stellt man die Rillsegmente aus Vollmaterial her. (Quelle Abb. 5.9.5., 6: Eigene Darstellung)
Abb. 5.9.7: männliches und weibliches Rillwerkzeug (mögliche Formgebung) (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 5.9.8., 9: Quelle: Eigene Darstellung
Ein Vorteil des Verfahrens ist die Möglichkeit, die Werkzeuge nachzuschärfen. Dies ist fast ausschließlich nur bei Schneidwerkzeugen notwendig, bei Rillwerkzeugen ist dies nur sehr selten vorzunehmen. Die Ge-brauchsdauer eines Stanzwerkzeuges ist abhängig vom Stanzprozess, der Maschine, dem Karton, der Druckfarbe, der Anzahl der Wechsel der Schneidsegmente – im Schnitt lässt sich eine Auflagengröße von 10 bis 15 Millionen Stanzvorgängen annehmen. Rill- und Prägewerkzeuge erreichen eine Auflagengröße von rund 100 Millionen. Erläuterung zum Nachschärfen:
(Quelle: Eigene Darstellung)
Im Gegensatz zu den Schneidlinien beim Flachbett-Stanzverfahren kann man die einzelnen Schneidsegmente nachschärfen – dies wird notwendig, wenn die Abflachung an der Schneidenspitze einen Wert von 0,04 bis 0,05 mm erreicht hat.
(Quelle: Eigene Darstellung)
Das Nachschärfen wird schleif- und frästechnisch vorgenommen. Weil dabei auch die Höhe der Schneidwerkzeuge zurückgeht, wirkt sich dies in radialer Richtung auch auf die Stanzabmessungen aus. Die gestanzten Abmessungen werden etwas kleiner. Hier ist je nach Anwendung auf die minimal zulässige Toleranz zu achten. Wird diese unterschritten, so müssen die Schneidsegmente neu erstellt werden, um wieder die ursprüngliche Schneidenhöhe zu erreichen.
Wie aus der vorstehenden Beschreibung ersichtlich wird, ist die Herstellung der Rotationswerkzeuge aus Vollstahl sehr viel aufwendiger und kostspieliger als die von Stanzwerkzeugen aus vorgefertigten Bandstählen. Sie kommen daher fast ausschließlich bei Verpackungszuschnitten in sehr großen Auflagen zum Einsatz.
6.1.1 Zusammensetzung von Druckfarben und Beschichtungsmitteln (Flexodruck)
(Quelle: Vgl. Dr. K. Heger/Dr. F. Reichert Siegwerk Group International; Sonderdruck aus: Technik des Flexodrucks, Druckfarben im Flexodruck. Verlag Coating Thomas & Co. 3. Auflage 2004, Seite 11–26.)
Flexodruckfarben für den Verpackungsdruck bestehen hauptsächlich aus vier Komponenten: Farbmitteln, Bindemitteln, Additiven und Lösemitteln.
Abb. 6.1.1: Komponenten-Anteile in Flexodruckfarbe (Quelle: „Druckfarben im Flexodruck“)
(Quelle: Eigene Darstellung)
Farbmittel: in Druckfarben werden organische und anorganische Pigmente sowie Metallpigmente eingesetzt. Im Unbuntbereich (weiß/schwarz) sind es anorganische Pigmente wie zum Beispiel Titandioxid, Zinksulfit und Ruß (Kohlenstoff). Organische Pigmente (zum Beispiel Salzverbindungen) werden für Buntfarben verwendet. Metallpigmente: Als Bestandteile werden Metallpulver (zum Beispiel Aluminium oder Legierungen aus Kupfer und Zink) verarbeitet.
Lösemittel sind bei Raumtemperatur flüssige Substanzen, die Bindemittel, Additive und Farbmittel in flüssiger Form halten, ohne sie chemisch zu verändern. Sie müssen farblos sein, ohne Rückstand ver-dunsten und eine hohe chemische Beständigkeit aufweisen. Durch das Lösemittel wird auch die Trocknungsgeschwindigkeit der Druckfarbe reguliert. Häufig verwendete Lösemittel im Flexodruck sind Ethanol (Spiritus), Methoxypropanol und Wasser mit einem geringen Anteil Ethanol.
Bindemittel sind voll- oder halbsynthetische polymere Stoffe wie zum Beispiel Nitrocellulose, Polyamidharze und Vinyl-Polymerisate. Sie erfüllen in der Druckfarbe zwei Funktionen:
a) Übertragung der farbgebenden Komponenten auf den Bedruckstoff sowie
b) Bindung des Pigments auf dem Bedruckstoff und Verbesserung weiterer Eigenschaften wie Siegelfähigkeit, Glanz und Kaschierfähigkeit.
Additive verbessern die Eigenschaften des Bindemittels:
• Haftzusätze verbessern die Verankerung der Farbe auf Folienoberflächen.
• Wachse optimieren die Kratz- und Abriebfestigkeit des trockenen Farbfilms.
• Gleitmittel – durch diesen Zusatz werden die Oberflächengleitwerte an die Anforderung des Verpackungsmaterials angepasst.
• Antistatika setzen bei Folien die störenden elektrostatischen Aufladungen herab.
• Netzmittel und Entschäumer werden bei Wasserfarben eingesetzt, um die Benetzung auf dem Bedruckstoff zu verbessern und die Schaumbildung in der Farbe herabzusetzen.
• Weichmacher steigern die Knitterfähigkeit und erhöhen die Flexibilisierung des Farbfilms.
Wasserbasierte Flexodruckfarben
Wasserbasierende Druckfarben enthalten als Lösemittel vorwiegend Wasser; organische Lösemittel (zum Beispiel Ethanol) sind nur in kleinen Mengen (5 bis 10 Prozent) enthalten. Die Bindemittelbestandteile können im Wasser in gelöster Form oder als Dispersion (feinst verteilte Partikel) vorliegen. Um organische Bindemittel in Wasser in Lösung zu bringen, erfolgt eine Umsetzung mit einem alkalischen Verseifungsmittel (Ammoniak und Amine). Bei dieser Reaktion entsteht eine lösliche Harzseife. Bei der Trocknung ist dieser Vorgang umkehrbar und es entsteht ein Farbfilm, der gegen Wassereinwirkung beständig ist. Bei der Verwendung wasserbasierter Flexodruckfarben sind einige Besonderheiten zu beachten. Die Dispersionen sind empfindlich gegen organische Lösemittel und werden bei hoher Zugabe beschädigt. Muss die Trocknungsgeschwindigkeit erhöht oder die Bedruckstoffbenetzung verbessert werden, benötigt man als Lösemittel Ethanol. Bevor das Ethanol in die Druckfarbe geschüttet wird, sollte es mit Wasser vorverdünnt werden.
Auch die in der Farbe vorhandenen Harzseifen sind flüchtig und verdunsten während des Druckvorgangs, was sich bei längeren Druckaufträgen negativ auf die Verdruckbarkeit auswirkt. Neben der ständigen Überwachung der Farbviskosität ist dann auch eine Kontrolle des pH-Wertes notwendig.
Dispersionslacke
Diese Lacke enthalten lackbildende Substanzen, die im Wasser feinst verteilt sind. Neben Wasser (50 bis 60 Prozent) sind noch Harze, Wachse und Stabilisatoren (zum Beispiel Ammoniak) enthalten. Während des Trocknungsvorgangs verdunstet das Wasser und es entsteht ein Lackfilm, der lösemittelfrei, geruchsneutral und abriebfest ist.
Zwei-Komponenten-Farben/Lacke
Bei besonders stark lösenden Füllgütern wie zum Beispiel Seifen oder fetthaltigen Produkten sowie großer mechanischer Beanspruchung kann die Beständigkeit des Farbfilms durch die Verwendung von Zwei-Komponenten-Farben erhöht werden. Die gewünschte Eigenschaft des Farbfilms wird durch eine chemische Reaktion der Farbkomponente mit dem Härter erreicht.
Die Farben bestehen aus Farbmittel, Bindemittel, Additiven und Lösemittel. Vor der Verarbeitung wird der Farbe ein Härter zugegeben. Die Bindemittel reagieren bei der Trocknung mit dem Härter, und der auf-gedruckte Farbfilm erfüllt dann die gewünschten Eigenschaften. Zwei-Komponenten-Farben können nicht beliebig lange verwendet werden, da auch in der flüssigen Farbe eine Vernetzungsreaktion abläuft. Der Zeitraum bis zum Eindicken der Farbe wird als Topf-Zeit (10 bis 36 Stunden) bezeichnet. Nach dem Druck müssen die Farbwerke gründlich gereinigt werden, ausgetrocknete Farbreste lassen sich nur schwer entfernen.
UV-Druckfarben/Lacke
Dies sind lösemittelfreie Farben und Lacke, die aufgrund von Polymerisationsreaktionen aushärten. Die Reaktion wird durch eine UV-Bestrahlung ausgelöst.
Polymerisation (auch Polymerbildungsreaktion ist eine Sammelbezeichnung für Synthesereaktionen, die gleichartige oder unterschiedliche Monomere in Polymere überführen. Technische Polymerisations-reaktionen dienen meist der Synthese von Kunststoffen. Ein Polymer [poly' me:r] (von altgriechisch polý ‚viel‘, und méros, ‚Teil‘) ist ein chemischer Stoff, der aus Makromolekülen besteht. Die Makromoleküle ei-nes Stoffes sind aus einer oder mehreren Struktureinheiten, den sogenannten konstitutionellen Repetiereinheiten oder Wiederholeinheiten, aufgebaut. Das Adjektiv polymer bedeutet entsprechend „aus vielen (gleichen) Teilen aufgebaut“.
Die Farben bestehen aus den folgenden Bestandteilen:
• Bindemittel, bestehen aus flüssigen Kunststoffen (Monomere und Oligomere),
• Reaktionsverdünner
• Fotoinitiatoren und Aktivatoren
• Additive
• Pigmente
Nachdem die Farben auf dem Bedruckstoff aufgetragen sind, werden sie mit UV-Licht bestrahlt. Das Einwirken der UV-Strahlung bewirkt eine Polymerisation der Bindemittel, dabei entsteht eine feste kunststoffartige Schicht, die eine hohe chemische Beständigkeit und gute Siegelbeständigkeit aufweist.
Übersicht: Trocknungsarten von Druckfarben | ||
Physikalisch | Chemisch-physikalisch | Chemisch |
Verdunsten | Wegschlagen/Oxidation | Oxidation |
Wegschlagen | Polymerisation (UV-Trocknung) | |
Verdampfen |
Farben im Tief-, Flexo-, Sieb- und Rollenoffsetdruck trocknen physikalisch (Abdunsten/Abbinden). Farben im Bogenoffsetdruck trocknen chemisch/physikalisch (Oxidation/Abdunsten/Abbinden).
Bei der physikalischen Trocknung mit Lösemittel muss gewährleistet sein, dass die Abluft (verdunstetes Lösemittel) nach dem Verdunstungsprozess nicht in die Umwelt gelangt, sondern fachgerecht in speziellen Anlagen entsorgt wird. Aus dieser Abluft kann beispielsweise in einer Entsorgungsanlage durch eine thermische Verwertung Wärmeenergie gewonnen werden. Diese Wärmeenergie kann, über einen Thermoölkreislauf, dann wieder der Produktion für Heizsysteme zur Verfügung gestellt werden.
Ausgehend von der subtraktiven Farbmischung mit den Grundfarben Cyan, Magenta und Gelb sowie Schwarz (CMYK) können Farben nach Kundenmuster, HKS- oder Pantonefarbfächer gemischt werden.
Pantone Matching System (PMS) ist der Name eines international verbreiteten Farbsystems, das hauptsächlich in der Grafik- und Druckindustrie eingesetzt wird. Es wurde 1963 von der Pantone LLC, einem amerikanischen Unternehmen mit Sitz in Carlstadt, New Jersey, entwickelt. 2014 enthält das PMS 1755 Sonderfarben, die größtenteils nicht im Vierfarbdruck erzielt werden können, und ordnet diesen Farben Bezeichnungen in Form von Nummern zu. Wie bei jedem Farbsystem steht dahinter die Absicht, die Kommunikation zwischen den an der Erstellung von Druckprodukten Beteiligten zu vereinfachen.
Eine genaue Farbbezeichnung ist mit Worten nicht möglich. Eine Alternative ist die ziffernmäßige Farbzuordnung in den eben genannten Farbfächern oder eine Beschreibung der Farbe durch messtechnische Koordinaten, wie Helligkeit und Buntton.
Abb. 6.1.2: Grundfarben Gelb, Magenta und Cyan sowie Schwarz (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 6.1.3: 12 Grundfarben, aus denen ein Farbrezept für eine Farbmischanlage zusammengestellt werden kann (Quelle: Eigene Darstellung)
Viele Unternehmen arbeiten mit einer Farbmischanlage. In diesen Anlagen kann für ein Farbrezept auf bis zu 12 Grundfarben zurückgegriffen werden. Für die Erstellung einer Farbrezeptur werden Spektralfotometer eingesetzt. Diese Geräte dienen der messtechnischen Erfassung von Farben. Mit einer angeschlossenen Software können aus den ermittelten Farbwerten Rezepturen erstellt werden. Das Farbmischergebnis der Rezeptur wird dann auf einem Andruckgerät überprüft. Wichtig für die visuelle Beurteilung einer Farbe: Die eingesetzten Lampen müssen eine Farbtemperatur wie Tageslicht haben. Alternativ können die Farben mit einem Aufstrichstab (K-Stab), der feine Rillen enthält, auf das Mustermaterial aufgebracht werden, um das Ergebnis mit der Vorgabe zu vergleichen.
Abb. 6.1.4: Aufstrichstab (K-Stab) für Farbmuster (Die Grifffarben kennzeichnen unterschiedliche Farbauftragsmengen) (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 6.1.5: Anwendung des Aufstrichstabes auf einem Mustermaterial (Quelle: Eigene Darstellung)
Das Mischen der Druckfarben kann auch visuell erfolgen. Dazu braucht man ein gutes Farbverständnis und Farbmischerfahrung, um die Vorgaben zielgenau zu erreichen. Spezielle Druckfarben für Haus- oder Schmuckfarben können mit Mustervorlage direkt bei den Farblie-feranten bestellt werden.
Die visuelle Beurteilung einer Farbe sollte immer unter einer Normlichtquelle mit einer Farbtemperatur von 5000 K = D50 erfolgen. "D" bedeutet Daylight und kennzeichnet Kunstlichtquellen. Nur unter diesen Lichtquellen werden Farben neutral wiedergegeben und sind somit vergleichbar. Für die verschiedenen Materialien und Anwendungsbereiche haben die Farbenhersteller spezielle Farbserien entwickelt. Die unterschiedlichen Farbserien sind untereinander häufig unverträglich und können nicht miteinander gemischt werden. Ein Zusammenbringen zweier Farbserien kann zur Zerstörung der gemischten Farbe führen.
Farbberechnungen:
Berechnung des Farbverbrauchs: Im Flexodruck übertragen Rasterwalzen eine definierte Farbmenge, zum Beispiel 11 g/m², auf den Bedruckstoff. Ist die zu bedruckende Fläche bekannt, kann aus diesen Angaben und der Auflagenhöhe die Menge der bereitzustellenden Farbe berechnet werden.
Beispiel: 0,8 m x 0,6 m = 0,48 m² (Nutzenfläche)
Bedruckte Nutzenfläche 0,48 m² x 11g/m² = 5,28 g
5,28 g x 12.000 Drucknutzen = 63360 g
63360 g : 1000 = 63,360 kg
Berechnung der Mischungsanteile:
Eine Farbprobe wurde aus 10 g Gelb, 4 g Magenta und 8 g Cyan gemischt. Ersetzt man die Angabe Gramm (g) durch Teile und addiert die Werte, dann besteht diese Mischfarbe aus 10 Teilen + 4 Teilen + 8 Teilen = 22 Teile (T). Wird für einen Produktionsauftrag eine bestimmte Menge Mischfarbe benötigt, können die einzelnen Mengenwerte aus den Mischungsanteilen berechnet werden.
Beispiel: Für einen Auftrag werden 40 kg Mischfarbe benötigt.
40 kg / 22 T x 10 T = 18,2 kg Gelb
40 kg / 22 T x 04 T = 7,3 kg Magenta
40 kg / 22 T x 08 T = 14,5 kg Cyan
40,0 kg Mischfarbe
Druckfarben im Flexodruck müssen dünnflüssig (niedrige Viskosität) sein, um die Farben auf das Material aufdrucken zu können. Zur Bestimmung der Viskosität (Zähflüssigkeit) von Flexodruckfarben wird eine Auslaufzeit der Farbe aus einem speziellen Messbecher (Tauchauslaufbecher) angegeben. Häufig wird ein Messbecher mit einer Auslauföffnung von Ø 4 mm verwendet. Mit Hilfe einer Stoppuhr wird die Zeit ermittelt, in der der Becher leerläuft. Die Zeit vom Herausziehen des Messbechers aus der Farbe bis zur Unterbrechung des kontinuierlichen Farbauslaufstrahls ist maßgebend.
Kurze Auslaufzeit 18 bis 30 Sekunden: Farbe ist dünnflüssig, niedrige Viskosität.
Längere Auslaufzeit über 30 Sekunden: Farbe ist dickflüssig, hohe Viskosität.
Die Viskosität der Farben kann auch durch Messregelsysteme in der Maschine ermittelt werden. Dabei ist die Fließfähigkeit der Farbe eine Grundlage für die Bestimmung der Viskosität.
Die Viskosität bezeichnet die Zähflüssigkeit oder Zähigkeit von Flüssigkeiten und Gasen (Fluiden).
Je größer die Viskosität ist, desto dickflüssiger (weniger fließfähig) ist das Fluid; je niedriger die Viskosität, desto dünnflüssiger (fließfähiger) ist es. Das Wort Viskosität geht auf den typisch zähflüssigen Saft der Beeren in der Pflanzengattung Misteln (Viscum) zurück. Aus diesen Misteln wurde der Vogelleim gewonnen. „Viskos“ bedeutet „zäh wie Vogelleim“. Man nennt die Viskosität auch innere Reibung, weil die Teilchen in zähen Flüssigkeiten stärker aneinander gebunden und dadurch unbeweglicher sind. Wenn eine Flüssigkeit eine Viskosität von 1 Ns/m² hat, wird eine Kraft von 1 N benötigt, um eine Platte von 1 m² und einem Plattenabstand von 1 m mit einer Geschwindigkeit von 1 m/s gegeneinander zu verschieben. Wasser hat eine kinematische Viskosität (Zähigkeit) von 1 mm² /s. Rapsöl verfügt über eine relativ hohe Viskosität (kinematische Viskosität: 60 – 80 mm²/s bei 20 °C.
Abb. 6.1.7: Mit einem Messbecher wird die Viskosität der Farbe geprüft. Per Stoppuhr wird gemessen, wie lange es dauert, bis der Becher leerläuft. (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Viskosität einer Druckfarbe muss auf das zu bedruckende Material abgestimmt sein. Vorgegebene Viskositätswerte werden von einem Regelsystem konstant gehalten. Zur Überprüfung der Anlage kann ein Tauchauslaufbeher verwendet werden. Druckfarben werden nicht mit Druckviskosität angeliefert. Sie müssen in der Druckerei durch Zugabe von Lösemittel auf die erforderliche Druckviskosität eingestellt werden. Ist die Farbe zu dickflüssig, muss geeignetes Lösemittel zugegeben werden, bis die erforderliche Druckviskosität erreicht ist. Beim Druck auf Folien empfiehlt es sich, eine Zeit von 20 bis 30 Sekunden einzustellen (gemessen mit einem Ø 4 mm Tauchauslaufbecher), bei saugfähigen Bedruckstoffen liegt der Zeitrahmen zwischen 18 und 25 Sekunden.
In diesem Zusammenhang ein Hinweis zum Unterschied zwischen „Verdünnen“ und „Verschneiden“: Beim Verdünnen einer Druckfarbe wird durch Zugabe eines Lösungsmittels die Viskosität der Druckfarben eingestellt. Beim Verschneiden einer Druckfarbe wird durch Zugabe von Verschnitt (unpigmentierte Bindemittelfirnes) die Farbkraft (Buntton) der Druckfarbe reduziert (aufgehellt). Wird eine zu kräftige Farbe durch die Zugabe von Lösemittel aufgehellt, kann dies zu einer Vielzahl von Druckproblemen führen, wie zum Beispiel unruhiges Ausdrucken, Glanz- oder Haftungsverlust der Druckfarbe. Der optimale Weg zur Reduzierung der Farbkraft ist die Zugabe von Verschnitt unter Konstanthaltung der Druckviskosität.
Das Lösemittel wird auch zur Beeinflussung der Trocknungsgeschwindigkeit verwendet. Muss aus produktionstechnischen Gründen der Trocknungsprozess verlangsamt werden, so können sogenannte Verzögerer (zum Beispiel Methoxypropanol) eingesetzt werden.
Abb. 6.1.9: Auswahl von Lösemittelkennzahlen (Quelle: Eigene Darstellung)
Als Maß für die Geschwindigkeit, mit der ein Lösemittel verdunstet, wird die Verdunstungszahl angegeben. Man erhält die Verdunstungszahl eines Lösemittels als Relativwert aus der Verdunstungszeit im Vergleich zu Ether (Diethylether). Die Verdunstungszeit von Ether wird immer mit der Zahl 1 angegeben. Zur Berechnung der Verdunstungszahl von weiteren Lösemitteln dividiert man die Verdunstungszeit des zu prüfenden Lösemittels durch die Verdunstungszeit von Ether.
Hinweis: Die Verdunstungszeit von Ether wird mit 1 angegeben und die Verdunstungszahl von Ethanol mit 8,3. Somit ist die Verdunstungszeit von Ethanol um den Faktor 8,3 größer als die Verdunstungszeit von Ether.
Oberflächenspannung
Im Zusammenhang mit der Farbannahme beim Bedrucken oder Lackieren ist die Benetzbarkeit eines Papiers, Kartons, Wellpappe oder Kunststofffolie wichtig. Um die Benetzbarkeit verschiedenster Bedruckstoffe zu bestimmen, wird der Randwinkel gegen definierte Flüssigkeiten (z.B. Wasser) ge-messen. So erhält man eine Aussage über die Oberflächenspannung des Materials und damit zur Benetzbarkeit. Die Oberflächenspannung ist die Bestrebung einer Flüssigkeit sich gegen intermolekulare Kräfte zusammen zu ziehen. Diese bewirkt, dass sich ein Tropfen zu einer Kugel formt. Liegt dieser Tropfen auf der Oberfläche eines Festkörpers, ergibt sich ein Kontaktwinkel zu dieser Oberfläche.
Abb. 6.1.10: schematische Darstellung von Kontaktwinkeln (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 6.1.11: Kontaktwinkel in Abhängigkeit von der Benetzbarkeit eines Festkörpers (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Oberflächenspannung kann in der Druckfarbe durch Zugabe von Additiven und bei Kunststofffolien durch eine Vorbehandlung angepasst werden.
Prüfung der Oberflächenspannung:
Abb. 6.1.12: Überprüfung der Benetzbarkeit einer Oberfläche mit Testtinte (Quelle: Eigene Darstellung)
Zur Prüfung der Oberflächenspannung werden Testtinten oder Teststifte verwendet. Ist der Wert der Materialoberfläche identisch mit dem Wert der Testtinte / Teststifte, wird der Bereich gleichmäßig benetzt. Ist der Wert nicht erreicht, zieht sich die Tinte zusammen und perlt auf der Oberfläche.
Abb. 6.1.13: Eigenschaften von Lösemitteln in der Übersicht (Quelle: Sicherheitsdatenblätter der Lösemittel)
Zur Montage der Druckform (Klischee) in das Druckwerk der Produktionsanlage stehen spezifische Druckformträger zur Verfügung:
• Polyesterfolie mit Spannleisten
• Druckzylinder
• Sleeves (Druckhülsen)
Bei den Sleeves unterscheidet man zwei Arten:
a) Sleeves als Hülsen aus Epoxid- oder Polyesterharzen mit Glas fasergewebe zum Bekleben mit Druckformen.
b) Sleeves als Hülse beschichtet mit Polymermaterial und eingearbeitetem Druckmotiv als Endlosdruckform.
Bei Druckzylindern und Sleeves werden zusätzlich kompressible Unterbauten unter die Druckform geklebt, um die Ausdruckqualität zu verbessern (Kompressibel = verdichtbar, zusammendrückbar).
Das Prinzip der Sleeve-Technologie besteht darin, anstatt eines Spannsystems eine dünnwandige Metall-hülse (Sleeve) zu verwenden. Unter Pressluft wird der Sleeve aufgeweitet und axial auf den Plattenzylinder geschoben. Nach dem Abschalten sitzt er mit Presspassung fest auf dem Zylinder. Der Sleeve wird vor dem Aufschieben außen vollflächig mit Rohplattenmaterial belegt und in einem Rundbelichter direkt via Laser belichtet. (Quelle: Dipl.Ing. (FH) Christian Greim, Script Druckereitechnik)
Zum Aufbringen der Druckform auf einen Druckformträger werden spezielle Montagegeräte verwendet. Ältere Montagegeräte sind mit einem Spiegelsystem ausgerüstet, um Hilfslinien auf eine Oberfläche zu projizieren, damit nach dieser Vorgabe die Druckform (Klischee) montiert werden kann. Aktuell werden Kamerasysteme eingesetzt. Diese bieten eine optimale Voraussetzung für Präzision der Druckformmon-tage und Reproduzierbarkeit. Bei diesen Verfahren werden auf den Druckplatten vorhandene Passkreuze oder Mikromarken (Mikropunkte) mittels einer Kamera erfasst und auf einen Monitor übertragen. Anhand eines im Monitorbild befindlichen Fadenkreuzes kann die Druckplatte positioniert und mit einem doppelseitigen Klebeband auf dem Druckformträger befestigt werden.
Abb. 6.1.14: Montagegerät für Zylinder und Sleeves (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Vergrößerung der Registermarken im Bildschirm gewährleisten Montagegenauigkeiten von +/- 0,1mm. Diese Technik ermöglicht auch die Nutzung kleiner runder Registermarken mit einer Größe von 0,5 mm Durchmesser. Vorteile der Mikromarken sind ihr geringer Platzbedarf und eine genaue Abbildung im Monitorfadenkreuz. Der Punkt kann bei flexiblen Verpackungen während des Druckens auf der Druckform bleiben und für Folgeaufträge genutzt werden. Mikromarken werden in diesem Fall so angelegt, dass sie in der Weiterverarbeitung in nicht sichtbaren Bereichen verschwinden.
Beim Bedrucken von Wellpappe oder anderer starrer Materialien werden Passmarken vor dem Druck weggeschnitten. In älteren Fertigungsverfahren, die heute in der modernen Industrie nur noch selten angewendet werden, können Druckformen auch aus mehreren Klischees zusammengesetzt werden.
Übersicht der Montagesysteme
1. Manuelle Montage
Bei der manuellen Montage werden die Druckzylinder ohne Hilfsgeräte auf den Druckformträger montiert. Dazu müssen Einteilungslinien in Längs- und Querrichtung auf dem Träger vorhanden sein oder einge-zeichnet werden. Auf den Druckplatten sollten Passkreuze sein, damit die Platten gerade auf den Träger montiert werden können.
2. Montage mit Kamerasystem
Abb. 6.1.15: Montage auf Zylinder/Sleeves (Quelle: Eigene Darstellung)
Bei den Kamerasystemen erfolgt das Montieren der Druckplatten über Kameras, die auf Passkreuze oder Mikropunkte eingestellt werden. Die Optiken der Kameras sind mit Fadenkreuzen ausgestattet. Die auf den Druckplatten vorhandenen Passkreuze oder Mikropunkte werden von den Kameras verfasst und auf einen Bildschirm übertragen. Nach den im Bildschirm übertragenen Fadenkreuzen werden die Druckplatten auf den Zylinder ausgerichtet, positioniert und aufgeklebt.
3. Montage auf Trägerfolie (manuell oder mit Kamerasystem)
Abb. 6.1.16: Montage auf Flachmaterialien (Quelle: Eigene Darstellung)
Die Montage erfolgt hierbei auf einer Polyesterfolie. Dabei kann wie im Punkt 2 beschrieben ein Kamerasystem verwendet oder die Druckformen manuell montiert werden.
Abb. 6.1.17: Montage der Polyesterfolien im Druckwerk (Quelle: Ausbildungsleitfaden Flexodruck)
Die Größe der Druckzylinder oder die Bauart der Druckwerke erlauben es im Wellpappendirektdruck nicht, die Druckzylinder aus der der Maschine zu nehmen. Dort werden beklebte Polyesterfolien mit den Druckplatten über Spanngummis oder Spannleisten auf den Trägerzylinder montiert.
Arbeitsschritte bei der Montage von Druckformen
1. Reinigung des Druckformträgers (Druckzylinder, Sleeve oder Trägerfolie).
2. Aufbringen einer doppelseitigen Klebefolie auf den Druckformträger. Grundsätzlich sollte dies blasenfrei und ohne Falten erfolgen.
3. Reinigung der Druckplattenrückseite.
4. Montage der Druckform achsparallel auf dem Träger. Beim Montieren ist darauf zu achten, dass die Druckplatte glatt aufgelegt und gleichmäßig angedrückt wird. Dabei dürfen keine Luftblasen entstehen.
5. Bei allen Systemen werden die Druckformen vor dem Einsatz in der Produktion mit einem Klebeband versiegelt, damit beim Druck kein Farblösemittel unter die Druckplatte gelangt und sich die Haftverbindung ablöst. Dadurch können hochstehende Plattenkanten entstehen, die ungewollt mitdrucken.
In einigen Produktionsanlagen kann aufgrund der Maschinenbauart der Druckzylinder nicht zur Montage der Druckform aus der Maschine genommen werden; auch eine Montage bei stehender Maschine ist mit Blick auf Rüstzeitoptimierung nicht sinnvoll. In diesen Maschinen werden formstabile Polyesterträgerfolien verwendet, die mit einer Einhängeleiste versehen sind und auf dem Druckzylinder montiert werden.
Hierzu gibt es verschiedene Techniken:
• Montage mit Einhängeleisten und Spanngurten: Die Druckformträgerfolie wird an der Anlagekante des Druckzylinders mit einer Einhängeleiste montiert. Das hintere Ende der Trägerfolie wird mit einem Spanngurt fixiert.
• Montage mit zwei Einhängeleisten: Die Trägerfolie wird an beiden Enden mit Einhängeleisten auf dem Zylinder montiert. Bei dieser Technik wird der Druckzylinder voll umspannt.
• Montage mit Vakuumsystem: Durch Erzeugung eines Vakuums wird die Trägerfolie auf dem Druckzylinder fixiert.
In Druckwerken mit demontierbaren Druckzylindern werden die Zylinder beim Auftragswechsel ausgetauscht. Bezogen auf die Abschnittlänge des Druckmotives werden Druckformzylinder mit unterschiedlichen Durchmessern eingesetzt.
Alternativ können auch Sleeves (Druckhülsen), die auf einem Trägerzylinder montiert wurden, eingesetzt werden. Durch Sleeves mit unterschiedlichen Wanddicken sind auf einem Trägerzylinder verschiedene Abschnittlängen (Rapportlängen) realisierbar. Der Trägerzylinder ist mit einem Druckluftanschluss und kleinen Öffnungen am Rand der Zylinderoberfläche versehen. Wird Druckluft am Trägerzylinder angeschlossen, entweicht die Luft aus den Randöffnungen und erzeugt ein Luftkissen. Auf diesem Luftkissen kann die Druckhülse aufgeschoben werden. Wird die Druckluft entfernt, sitzt der Sleeve fest auf der Zylinderoberfläche.
Der Antrieb der Druckzylinder erfolgt direkt über Servomotoren oder über Zahnräder, die entsprechend der Abschnittlänge (Rapportlänge) montiert werden. Dabei muss der Teilkreisdurchmesser des Zahnrades mit dem Durchmesser des Druckformzylinders übereinstimmen. Es gibt Zahnräder mit einer 5 mm und 10 mm Teilung (Abstand von Zahnmitte zu Zahnmitte). Formatänderungen der Abschnittlängen sind bei Zahn-radantrieben nur in 5 mm oder 10 mm Schritten möglich.
Grundsätzlich bestehen die Druckwerke, für die Übertragung der Druckfarben und Beschichtungsmittel aus den folgenden Baugruppen:
• Tauchwalze oder Kammerrakel zur Übertragung der Farbe auf die Rasterwalze,
• Rasterwalze zur Übertragung der Farben auf die Druckform,
• Druckformzylinder zum Übertragen der Farbe auf das Druckmaterial sowie
• Gegendruck, damit bei der Farbübertragung das Druckmaterial nicht weggedrückt wird.
Abb. 6.1.18: Drei-Walzensystem mit Quetschbetrieb (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 6.1.19: Drei-Walzensystem mit Rakelung (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 6.1.20: Zwei-Walzensystem mit Kammerrakel (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 6.1.21: Direktdruck auf Wellpappe (Quelle: Eigene Darstellung)
Damit die Farbe in der Farbwanne nicht eindickt oder die Farbbestandteile sich entmischen, ist ein kontinuierlicher Farbumlauf wichtig. Bei dieser Technik wird überschüssige Farbe zurück in den Farbbehälter geleitet und von dort wieder zum Druckwerk gepumpt. Dadurch ist eine optimale Verteilung der einzelnen Farbkomponenten gewährleistet.
Tauchwalzen sind gummibeschichtete Zylinder, die in der Druckfarbe rotieren und durch Quetschbetrieb die Farbe auf die Rasterwalze übertragen.
Kammerrakel bilden durch ihre Bauart eine vor äußeren Einflüssen geschützte Kammer, in die die Farbe gepumpt wird. Zwei dünne Stahlbleche mit einer Fase, die Rakel, streifen die überschüssige Farbe von der Rasterwalzenoberfläche. In den Näpfchen (Vertiefungen) der Rasterwalze bleibt eine definierte Farbmenge, die auf die Druckform übertragen wird. Überschüssige Farbe läuft zurück in die Farbwanne oder den Farbbehälter.
Abb. 6.1.22: Rakelsystem läuft parallel zur Rasterwalze (Quelle: Eigene Darstellung)
Das Rakelsystem läuft parallel zur Rasterwalze und liegt mit konstantem Druck an. Das negative Rakel hat die Aufgabe, die Stege der Rasterwalze abzurakeln und die Näpfchen zu füllen. Die Hauptaufgabe der positiven Rakel ist es, abzudichten. Die seitlichen Dichtungen an der Kammer schließen die Farben ein. Die Vorteile gegenüber offenen Farbwerken sind die konstante Farbübertragungsmenge und gleichbleiben-de Viskosität. Die Verdunstung von Lösemitteln in das Arbeitsumfeld wird reduziert.
Abb. 6.1.23: Negativ-Rakel (Quelle: Eigene Darstellung)
Vorteil des Negativ-Rakels: gleichbleibende Farbübertragungsmenge bei unterschiedlichen Druckgeschwindigkeiten. Nachteil: größerer Verschleiß an der Rasterwalze und Rakel.
Abb. 6.1.24: Positiv-Rakel (Quelle: Eigene Darstellung)
Vorteil des Positiv-Rakels: geringerer Verschleiß an der Rasterwalze und Rakel. Nachteil: Abhängigkeit von der Zylinderdrehzahl, bei größerer Druckgeschwindigkeit entsteht ein Staudruck unter dem Rakel, welcher das Rakel leicht anhebt und einen ungewollt größeren Farbauftrag verursacht.
Rasterwalzen sind Farbübertragungszylinder, die eine bestimmte Farbmenge auf die Oberfläche einer Druckform übertragen. Zur Farbübertragung wird die Rasterwalze mit einem bestimmten Druck an die Druckplatte gestellt. Austauschbare Rasterwalzen unterscheiden sich in der Anzahl der Näpfchen und durch das Farbübertragungsvolumen.
Beispiel:
• grobe Näpfchenanordnung: 80/21 mit 80 Näpfchen pro cm und einem Farbübertragungsvolumen von 21 cm³/m² (Flächendruck).
• feine Näpfchenanordnung: 400/4,2 mit 400 Näpfchen pro cm und einem Übertragungsvolumen von 4,2 cm³/m² (Rasterdruck)
Druckformzylinder übertragen an den erhabenen Stellen der Druckform die Farbe auf den Bedruckstoff. Ein Bildmotiv ist in einzelne Druckelemente (Punkte) aufgerastert, welche die Druckfarbe auf den Bedruckstoff übertragen.
Besonders beim Bedrucken flexibler Verpackungen ist ein genaues Abstimmen von Druckformraster und Rasterwalze notwendig. Das Verhältnis der Rasterweite auf der Druckform sowie in der Rasterwalze sollte ungerade sein. Im Idealfall hat die Rasterwalze fünfmal mehr Näpfchen als die Druckform Rasterpunkte aufweist.
Beispiel: Die Rasterweite auf der Druckform beträgt 48 L/cm, dann sollte die Rasterwalze mindestens (48 x 5) 240 Näpfchen pro cm haben. Die Farbwirkung und -menge kann durch das unterschiedliche Farbübertragungsvolumen der Rasterwalze beeinflusst werden.
Bei den Rasterwalzen werden auch zwei unterschiedliche Oberflächenmaterialien verwendet:
• verchromte Oberflächen, die beim Rakelbetrieb allerdings einen hohen Verschleiß aufweisen sowie
• Oberflächen mit einer Keramikbeschichtung, die sehr verschleißfest ist und sich beim Rakeleinsatz nur wenig abnutzt.
Druckwerke in Reihenbauweise haben für jedes Druckwerk einen Gegendruckzylinder. Zentraldruckmaschinen, bei denen die Druckwerke kreisförmig um einen großen Gegendruckzylinder angeordnet sind, werden überwiegend zum Bedrucken flexibler Materialien genutzt. Inkjet-Druckverfahren eignen sich besonders auch für kleine Auflagen. Die Farbe wird dabei berührungslos auf den Druckstoff gesprüht. Es gibt auch Kombinationen aus konventionellen Druckmaschinen und Inkjet-Druckköpfen. Hier spricht man von „Integrated Inkjet“.
Gegendruckzylinder erzeugen am Bedruckstoff einen Gegendruck, damit die Farbe gleichmäßig von der Druckform übertragen wird. Bei Druckwerken, die hintereinander angeordnet sind (Reihenbauweise) hat jedes Druckwerk einen Gegendruckzylinder. Diese Bauart ist häufig in Inlinedruckwerken zu finden.
Bei Zentralzylindermaschinen gibt es nur einen großen Gegendruckzylinder, um den die Druckwerke kreisförmig (satellitenförmig) angeordnet sind. Diese Bauart wird überwiegend zum Bedrucken von flexib-len Materialien verwendet.
Abb. 6.1.25: Reihenbauweise (Quelle: Eigene Darstellung)
Abb. 6.1.26: Zentralzylinderbauweise (Quelle: Eigene Darstellung)
Inkjet-Verfahren sind digitale Druckverfahren, um Farbbilder oder Informationen auf Materialien zu drucken. Zur Erzeugung des Druckmotives werden Farbtropfen auf den Bedruckstoff gesprüht. Dieses Verfahren ermöglicht eine berührungslose Farbübertragung und eignet sich auch für starre Materialien, zum Beispiel Wellpappe. Mit dieser digitalen Lösung können kleine Mengen in unterschiedlichen Versionen und guter Druckqualität wirtschaftlich bedruckt werden.
Abb. 6.1.27: schematische Darstellung des Inkjet-Verfahrens (Quelle: Eigene Darstellung)
Integrated Inkjet, bei diesem Verfahren werden Inkjet-Druckköpfe und ein konventionelles Druckverfahren (zum Beispiel Flexodruck) kombiniert. Produktionsanlagen mit dieser Kombination werden als Hybridmaschinen bezeichnet. Diese Maschinen können variable Inhalte wie zum Beispiel Adressen oder fortlaufende Nummerierungen in einen konventionellen Druck eindrucken.
Mit Lösemitteln muss umsichtig gearbeitet werden. Betriebsanwei-sungen, die Vorgaben aus den Sicherheitsdatenblättern der Hersteller und die Unfallverhütungsvorschriften (UVV) der Berufsgenossenschaft müssen unbedingt eingehalten werden.
Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) der Lösemittel (zum Beispiel Ethanol 960 mg/m³) sind von den Unternehmen einzuhalten und in regelmäßigen Abständen zu überprüfen. Die Angabe AGW hat den Begriff MAK (maximale Arbeitsplatzkonzentration) ersetzt.
Aus den Vorgaben lassen sich folgende Vorschriften für den Umgang mit Lösemitteln und Reinigungsarbeiten an Druckwerken ableiten:
• Sicherheitsschuhe und Arbeitskleidung (elektrisch nicht aufladbar) tragen,
• vor und nach der Arbeit Hautschutzcremes verwenden,
• Schutzhandschuhe bei Reinigung, Rüstarbeiten und Wartung verwenden,
• beim Ein- und Umfüllen von Farben und Lösemittel eine Schutzbrille tragen,
• Hände nicht mit Lösungsmitteln reinigen,
• am Arbeitsplatz nicht essen und trinken,
• keine Nahrungs- und Genussmittel am Arbeitsplatz aufbewahren,
• absolutes Rauchverbot beim Umgang mit Lösemitteln sowie die
• Einweisung in die Handhabung und Standorte von Feuerlöscheinrichtungen.
• Beim Umfüllen von Lösemitteln, Behälter immer erden: Damit die Funktion der Erdung gewährleistet ist, müssen Klemme und Anschlussstelle sauber und farbfrei sein.
• Behälter nach dem Gebrauch verschließen oder abdecken,
• nur Mengen, die zum Fortgang der Arbeit erforderlich sind, an der Maschine lagern,
• Entlüftungen im Produktionsraum und an der Maschine einschalten,
• Lösemitteln bei Reinigungsarbeiten sparsam und nicht großflächig einsetzen,
• in der Nähe von Lösemitteln nur explosionsgeschützte elektrische Geräte verwenden. Solche Geräte sind mit einem „Ex-Symbol“ (Abb. 6.1.28) gekennzeichnet.
Abb. 6.1.28: Explosionsschutzkennzeichen für Geräte und Schutzsysteme zur Verwendung in explosionsgefährdeten Bereichen, nach Richtlinie 2014/34/EU (Quelle: Wikipedia)
Mitarbeiter sollten in regelmäßigen Unterweisungen auf die Gefahren hingewiesen und im Umgang mit Lösemitteln, auch Feuerlöschübungen, geschult werden.
(Vergleiche auch DFTA Deutschsprachige Flexodruck Fachgruppe. Ausbildungsleitfaden Flexodruck. 2. Auflage 2000, Seiten 160-163.)