4.1 Bearbeiten mechanischer Bauteile

4.1.1 Technische Zeichnungen lesen

1. Technische Zeichnung als Infoträger
Die technische Zeichnung ist in der durch Arbeitsteilung gekennzeichneten modernen Fertigungswelt das Bindeglied zwischen den einzelnen am Fertigungsprozess beteiligten Abteilungen – und zwar sowohl im eigenen Werk als auch bei der Fremdfertigung im In- und Ausland. Technische Zeichnungen geben allen an der Produktion Beteiligten unmissverständliche Informationen. Dabei müssen die Informationen in technischen Zeichnungen nach internationalen und nationalen Normen so exakt dargestellt werden, dass in den einzelnen Fertigungsstufen keine Missverständnisse und Unklarheiten entstehen können. Die technische Zeichnung enthält alle notwendigen Angaben über Größe, Form und Werkstoff eines Werkstücks.

2. Darstellungsformen
Bauteile werden in technischen Zeichnungen in der Regel in mehreren Ansichten gezeichnet. Dabei ist es erforderlich, das dreidimensionale Körperbild (perspektivische Darstellung) durch zweidimensionale, flächenhafte Ansichten und Schnitte in einer eindeutigen technischen Zeichnung darzustellen.

3. Von der räumlichen Darstellung zur technischen Zeichnung
Festlegen der Werkstücklage für technische Darstellungen (V/S/D)
Flache Werkstücke – zum Beispiel Bleche – werden in der Regel nur in einer Ansicht (meistens Vorderansicht) gezeichnet, da diese die Form und Maße eindeutig erkennen lässt. Um ein räumliches Objekt zeichnerisch in verschiedenen ebenen Ansichten darzustellen, verwendet man die Normalprojektion, auch Dreitafelprojektion genannt.
Zu den drei orthogonalen Projektionsflächen gibt es jeweils zwei Seiten und folglich sechs Ansichten. (Orthogonal = „rechtwinklig“. Kommt vom griechischen orthos = „richtig, recht“ und gonia = „Ecke, Winkel“.) Bei der Anordnung der Ansichten auf dem Papier gibt es zwei Systeme:


Abb. 269: Projektionsmethode 1 und 3

• Projektionsmethode 1, auch „europäische Darstellung“ oder „First Angle Projection“ genannt und gekennzeichnet mit FR (für französisch, vgl. auch Abb. 269), und
• Projektionsmethode 3, auch „amerikanische Darstellung“ oder „Third Angle Projection“ genannt (Kz. US). Diese Darstellung herrscht in den USA und auch in Australien vor.

Die in Abb. 269 dargestellte Symbolik ermöglicht anhand eines abgeschnittenen Kegels und dem Trapez als Vorderansicht die Kennzeichnung der gewählten Methode.

Die Entfaltung des Projektionsquaders zeigt die jeweils zugrunde liegende Logik. Hier ist nur Projektionsmethode 1 dargestellt:


Abb. 270: Projektionsquader

Drei der Projektionen dienen als Hauptansicht für die Dreitafelprojektion. Bei der Wahl der Vorderansicht hat die aussagekräftigste Seite den Vorzug. Bei unübersichtlichen Objekten können zusätzliche Ansichten ergänzt werden. Manchmal wird auch auf eine der drei Ansichten verzichtet – und man erhält eine Zweitafelprojektion.

Man unterscheidet im technischen Zeichnen grundsätzlich zwischen folgenden Ansichten:

1. Vorderansicht (1. Hauptansicht)
2. Seitenansicht von rechts
3. Seitenansicht von links (2. Hauptansicht) 4. Draufsicht (3. Hauptansicht)
5. Rückansicht
6. Untersicht

Im technischen Zeichnen gibt es insgesamt sechs Ansichten. Die beiden Hauptansichten sind die Vorderansicht und die Seitenansicht von links. Die genannten Hauptansichten beziehen sich auf die europäische Darstellungsvariante, wobei das darzustellende Objekt in der Regel in diesen drei Ansichten gezeichnet wird; Nebenansichten kommen nur dann zur Anwendung, wenn die darzustellende Geometrie so komplex ist, dass sie nicht komplett durch die Hauptansichten beschrieben werden kann. In der europäischen Variante der Normalprojektion findet sich die Seitenansicht von links rechts neben der Vorderansicht, in der amerikanischen Darstellung entsprechend auf der linken Seite der Vorderansicht.

• Blatteinteilung
DIN EN ISO 5457 definiert die Zeichenblattgrößen für technische Zeichnungen. Alle nach Norm DIN EN ISO 5457 verwendeten Formate für Zeichnungsvordrucke haben Querformat und das Schriftfeld unten rechts – mit Ausnahme DIN A4 mit Hochformat und Schriftfeld unten.

• Blattgrößen
Das DIN-Formatsystem basiert auf dem metrischen Maßsystem. Die Fläche des Ausgangsformates DIN A0 ist genau 1 m² groß. Die weiteren Formate DIN A1 bis DIN A4 lassen sich durch fortgesetztes Hälften des Ausgangsformates entwickeln, wobei sich die Flächen zweier aufeinanderfolgenden Formate wie 2 : 1 verhalten. Dabei gilt für die Seiten x und y der Formate das Verhältnis x : y = 1 : √2.


Abb. 271: Blattgrößen nach DIN

• Maßstäbe
Zur Darstellung der Bauteile in technischen Zeichnungen ist ein geeigneter Maßstab zu verwenden. Nach Norm ISO 5455 sind nur folgende Maßstäbe in technischen Zeichnungen zulässig:

° Natürlicher Maßstab 1 : 1
° Verkleinerungsmaßstäbe 1 : 2; 1 : 5; 1 : 10 sowie vielfache davon
° Vergrößerungsmaßstäbe 2 : 1; 5 : 1; 10 : 1 sowie vielfache davon

Der in der Zeichnung angewendete Maßstab ist in das Schriftfeld einzutragen. Sind mehrere unterschiedliche Maßstäbe zum Beispiel für Ansichten oder Schnitte notwendig, so werden die verwendeten Maßstäbe in der Nähe der Positionsnummern oder der Kennbuchstaben der Einzelheit geschrieben.

• Beschriftung
Die Beschriftung in technischen Zeichnungen muss klar und eindeutig und für jeden gut lesbar sein. Dabei sind die Schriftgröße und die Strichstärke beziehungsweise Linienbreite von besonderer Bedeutung. Da heute die meisten Zeichnungen mit Computer-Programmen (CAD = computer-aided design) erstellt werden und dort die gültigen Normschriften zum Einsatz kommen, ist es heute nicht mehr zwingend nötig, die Normschrift zu beherrschen.


Abb. 272: Beispiel einer Explosionszeichnung

Explosionszeichnungen
Eine Explosionszeichnung ist eine Art der Darstellung bei Zeichnungen und Grafiken, die einen komplexen Gegenstand perspektivisch und in seine Einzelteile zerlegt zeigt. Die dargestellten Einzelteile oder Bauteile sind räumlich voneinander getrennt, d. h. so, als flögen sie nach einer Explosion auseinander. Bei dieser Darstellungsweise wird das Wechselverhältnis des Ganzen zu seinen Teilen sowie deren Lage verdeutlicht. Explosivdarstellungen erlauben es, die Funktion und den Zusammenbau von Baugruppen darzustellen sowie einzelne Bauteile anhand angegebener Teilenummern zu bestimmen, zum Beispiel aus der Gesamtabbildung zum gesuchten Ersatzteil und seiner Lagernummer. Diese Art der Darstellung findet in verschiedenen Bereichen Verwendung: Als Informationsgrafik kommt diese Darstellungsart in Gebrauchsanweisungen und Ersatzteil-Katalogen (auch virtuellen, interaktiven Katalogen) zum Einsatz. Bei Montageanleitungen wird mit Explosionsgrafiken die Montage- und Demontagereihenfolge einzelner Teile erklärt. In technischen Zeichnungen im Maschinenbau werden komplexe Maschinen auf diese Weise übersichtlich dargestellt.

4. Bemaßung von Werkstücken
Durch ihre Bemaßung werden sämtliche Abmessungen von technischen Bauteilen – wie Länge, Breite, Höhe, Radius, Durchmesser oder Gewinde – durch entsprechende Maßangaben auf der Zeichnung eindeutig beschrieben. Die Bemaßung beschreibt die Abmessung eines Einzelteils oder einer Baugruppe. Bemaßungen werden auf einer technischen Zeichnung und in CAD-Programmen (2D, 3D) in Zahlen angegeben.

• Die im Allgemeinen verwendete Maßeinheit (Millimeter – in der Architektur auch Meter) muss nicht angegeben werden. (In der Packmittelindustrie werden Maße üblicherweise in mm angegeben. Deshalb kann man die Einheit in technischen Zeichnungen weglassen.)
• Der eigentliche Zahlenwert wird als Nennmaß bezeichnet.
• Das Nennmaß kann aber mit verschiedenen Zusätzen versehen werden – zum Beispiel Toleranzen und Passungen. Vorgestellte Zeichen weisen darauf hin, dass es sich bei dem Maß um einen Durchmesser (ø), einen Radius (R), eine Kugelform (S), einen Bogen (Bg) oder einen quadratischen Querschnitt (ein vorgesetztes Quadrat in Größe der verwendeten Schrift) handelt.
• Werden dem Nennmaß keine weiteren Zusätze angefügt, so gilt eine Allgemeintoleranz, die im Schriftfeld festgelegt ist.
• Weitere Angaben dienen der Spezifizierung von Maß-,Form-und Lagetoleranzen sowie eventuellen Vorgaben zur Herstellung und Prüfung von Verzahnungen und/oder Vorschriften zur Wärmebehandlung und Oberflächenschutz.


Abb. 273: Beispiel der Fertigungszeichnung einer Schneckenwelle

 

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