4.1.3 Fertigungsverfahren
4.1.3.1 Verfahren zum Trennen
Grundbegriffe zum Zerteilen und Spanen
Keil als Werkzeugschneide
Unter Werkzeugschneide versteht man eine geometrisch bestimmte Schneide, die der Trennung eines Werkstoffes dient. Die genaue Form der Schneide eines Schneidwerkzeugs wird als Schneidengeometrie bezeichnet.
Kraft, Kraftwirkungen, Maßeinheiten der Kraft, Kräftezerlegung am Keil, Keilwirkung zur Bearbeitung unterschiedlicher Werkstoffe
Abb. 274: Darstellung von Keilwinkel und Spanwinkel
Der wichtigste Winkel am Schneidkeil ist der Spanwinkel ?, da er die Spanbildung, die Standzeit und die Schnittkräfte beeinflusst. Grundsätzlich gilt: Je kleiner der Keilwinkel ist, desto größer kann der Spanwinkel sein. Je größer der Keilwinkel gewählt wird, desto kleiner ist der positive Spanwinkel. Allerdings kann dieser bei einer sehr breiten Schneide, die fast senkrecht auf das Werkstück trifft, auch negativ sein.
Die Größen beider Winkel werden abhängig vom Werkstoff gewählt. Für weiche und zähe Werkstoffe wird ein kleinerer Keilwinkel bei grö- ßerem positivem Spanwinkel eingesetzt, da die Schnittkraft abnimmt. Je härter und spröder der Werkstoff ist, desto geringer muss der Spanwinkel ? sein – dementsprechend groß kann der Keilwinkel ausgewählt werden. Dass die Schnittkraft bei kleinem positivem oder negativem Spanwinkel besonders groß ist, hat mit den resultierenden Kräften am Schneidkeil zu tun.
Die auftretende Kraft Fa wird in die Reaktionskräfte Fa1 und Fa2 aufgeteilt. Je kleiner der Keilwinkel ?, desto größer sind die resultierenden Kräfte – und umgekehrt. Das heißt für die Praxis, dass eine kleinere Schneide größere Kräfte auf das zu bearbeitende Bauteil ausüben kann. Für weiche und zähe Werkstoffe wird ein kleinerer Keilwinkel bei größerem positivem Spanwinkel eingesetzt – für härtere und sprödere Werkstoffe ein geringerer Spanwinkel und ein größerer Keilwinkel.
Abb. 275: Schervorgang
Zerteilen durch Scherschneiden
Schervorgang
Das Schneiden mit Scheren funktioniert durch den Druck der beiden Scherenklingen auf das zu schneidende Material, das sogenannte Scherschneiden. Der Schneidevorgang erfolgt, indem man das Material an der zu durchtrennenden Stelle zwischen die Klingen schiebt und diese dann dicht aneinander vorbeigleiten lässt.
Scherwerkzeuge, Scherenarten
Eine Schere ist ein Werkzeug zum spanlosen Zertrennen oder Einschneiden verschiedener Materialien – dies geschieht mit zwei gegeneinander beweglichen Schneiden, die sich während des Schneidvorgangs aneinander vorbeibewegen.
Spanen von Hand und mit einfachen Maschinen Sägen
Sägen ist ein spanendes Trennverfahren zum Ablängen von Werkstoffen (Stahl, NE-Metalle = Nichteisenmetalle, Kunststoffe, Holz usw.). Die Säge oder ein Sägeblatt besteht aus einer dünnen, am Rand mit meißelartigen Zähnen versehenen linearen Stahlplatte oder einem runden Sägeblatt, das durch eine Kraft bewegt wird. Sägeblätter schneiden nur in eine Richtung. Beim Sägen wird der Werkstoff in der Schnittfuge durch die Zähne in mehreren Schichten zerspant, wobei die Zahnzwischenräume (Zahnlücke) die entstehenden Späne aufnehmen und sie aus der Schnittfuge führen.
Abb. 276: schematische Darstellung einer Säge
Feilen
Feilen ist ein vornehmlich bei handwerklicher Fertigung verwendetes spanendes Trennverfahren zum Bearbeiten ebener Flächen und unterschiedlichster Werkstückformen. Die Spanabnahme erfolgt bei der Vorwärtsbewegung in Schnittrichtung unter Druck der Feile gegen das Werkstück, wobei die vielen hinter- und nebeneinander liegenden Schneidenzähne von geringer Höhe nur relativ geringe Werkstoffmengen abtragen.
Bohren
Bohren ist ein spanabhebendes Verfahren zur Herstellung und Bearbeitung von zylindrischen Vertiefungen in Werkstücken. Allgemeiner kann man auch sagen: Bohren ist die Erzeugung oder Erweiterung (Aufbohren) einer Bohrung oder eines Tunnels in Festkörpern. Beim Bohren wird ein um seine Längsachse drehendes Bohrwerkzeug (Bohrer, Bohrkopf auf Bohrstange etc.) mit einer geradlinigen Vorschubbewegung in das Werkstück geschoben. Die sich ergebende wendelförmige Wirkbewegung bewirkt eine fortlaufende Spanabnahme durch die Bohrerschneiden.
Die beiden Hauptschneiden (HS, siehe Abbildung 277) an der Bohrspitze verlaufen parallel: Dadurch entsteht eine sogenannte Querschneide (QS). Sie ist üblicherweise um 55° zu den Hauptschneiden versetzt, steht quer zur Bohr- beziehungsweise Vorschubrichtung und hat eine Breite von etwa einem Zehntel des Bohrerdurchmessers. Die Querschneide QS schneidet – entgegen der Bezeichnung – nicht, sondern hat eine schabende Wirkung und erhöht den erforderlichen Arbeitsdruck auf das Bohrwerkzeug (die Vorschubkraft für die Querschneide QS beträgt etwa ein Drittel der gesamten Vorschubkraft). Die Querschneide QS birgt auch die Gefahr des sogenannten „Verlaufens“; das heißt: die seitliche Lageverschiebung beim Anbohren. Um das zu verhindern, muss grundsätzlich vor dem Bohren gekörnt werden. Körnen ist beim Bohren empfehlenswert, um ein Auswandern des Bohrers zu verhindern. Bei größeren Durchmessern sollte vorgebohrt werden.
Abb. 277: Bohrerschneiden
Abb. 278: Spitzenwinkel und Spanwinkel bei einem Bohrer
Durch eine besondere Anschlifftechnik, das sogenannte Ausspitzen, kann die Querschneide QS verkleinert werden, um die Vorschubkraft und damit das Bohrmoment zu reduzieren. Der Werkzeugdurchmesser ist an der Spitze am größten (Nenndurchmesser) und nimmt zum Schaft hin etwas ab, um die Reibung des Bohrers im Bohrloch zu vermindern. Diese als Verjüngung bezeichnete Verringerung des Werkzeugdurchmessers liegt etwa im Bereich von 0,02 mm bis 0,08 mm Durchmesser auf 100 mm Länge.
Beim Bohren von größeren Bohrungen und zur Sicherstellung einer lagegenauen Bohrung empfiehlt es sich trotzdem, vorher mit einem Zentrierbohrer oder einem kleineren Bohrer vorzubohren. Der Durchmesser dieses Bohrers sollte mindestens der Größe der Querschneide QS, besser aber etwa einem Drittel des endgültigen Bohrungsdurchmessers entsprechen.
Gewindebohren beziehungsweise Gewindeschneiden, Reparatur von Gewinden
Unter Gewinde versteht man eine profilierte Einkerbung, die fortlaufend wendelartig um eine zylinderförmige Wandung – innen oder außen – in einer Schraubenlinie verläuft. Die „Kerbe“ wird als Gewindegang bezeichnet. Diese Umsetzung des Prinzips der schiefen Ebene erlaubt das Erzeugen großer Längskräfte bei moderaten Umfangskräften. Schrauben erzeugen dadurch ihre Haltekraft beziehungsweise dort, wo Lasten bewegt oder Druck beziehungsweise Zug erzeugt werden, die entsprechenden Kräfte. Eine Schraubenverbindung ist formschlüssig und wieder lösbar.
Bauteile mit Außengewinde (zum Beispiel Schrauben) und Bauteile mit Innengewinde (zum Beispiel Muttern) müssen zueinander passen. Normen stellen sicher, dass trotz getrennter Herstellung immer eine Funktion von Bauteilen mit gleichen Nenndaten gewährleistet ist.
Heute gibt es eine sehr große Anzahl Gewindearten, die für die unterschiedlichsten Anwendungsfälle entwickelt worden sind und in den entsprechenden Normen beschrieben werden. Normen sorgen dafür, dass Schrauben und Muttern zusammenpassen, auch wenn sie von unterschiedlichen Herstellern kommen.
Abb. 279: Darstellung der Steigung und der Gewindetiefe einer Schraube
Durch Gewindebohren werden Innengewinde in vorgebohrte Löcher geschnitten. Im ersten Arbeitsschritt wird ein Kernloch in das Werkstück gebohrt, anschließend ist die Kernlochbohrung anzusenken, bevor in einem dritten Arbeitsschritt das Innengewinde mit einem Gewindebohrer geschnitten wird. Das Gewindebohren ist sowohl von Hand als auch durch geeignete Bahrmaschinen mit entsprechender Gewindeschneideinrichtung (Links-Rechts-Lauf, Sicherheitskupplung) möglich. Das Senken ist ein Bohrverfahren und dient zum Entgraten. Gesenkte Bohrungen erleichtern auch Gewindeschneiden durch den besseren Anschnitt. Durch Gewindeschneiden werden Außengewinde hergestellt. Das Gewindeprofil wird von formgerechten Werkzeugschneiden in einem Schneideisen oder einer Schneidkluppe aus dem Werkstoff herausgearbeitet.