6.4.1.5 Klebstoffarten
Einteilung der Klebstoffe
In der Literatur gibt es ganz unterschiedliche Einteilungen der Klebstoffsysteme. Eine der ältesten Unterteilungen ist die in natürliche und synthetische Klebstoffe, womit man die Herkunft der dem Klebstoff zu-grunde liegenden Rohstoffe meint. Da die DIN EN 923 bei Klebstoffen von Nichtmetallen spricht, kann man ferner zwischen organischen (aus Molekülen, deren Gerüst vorwiegend aus Kohlenstoff besteht) und an-organischen, nichtmetallischen Klebstoffen unterscheiden. In DIN EN 923 sind Begriffe definiert, die in der Klebstoffindustrie verwendet werden, sowie solche, die sich in der klebstoffverarbeitenden Industrie auf Klebstoffe beziehen (Quelle und weitere Informationen: https://www.beuth.de/de/norm/din-en-923/106937855).
Klebstoffe auf Basis von Silikonen nehmen in dieser Einteilung eine Sonderstellung ein, da das Basispolymer aus Siloxanketten besteht, allerdings weisen diese Systeme in der Regel Seitenketten aus Kohlenstoffverbindungen auf (siehe Abb. 6.4.9). Siloxane sind chemische Verbindungen mit der allgemeinen Formel R3Si–[O–SiR2]n–O–SiR3, wobei R Wasserstoffatome oder Alkylgruppen sein können. Im Gegensatz zu den Silanen sind die Siliciumatome nicht untereinander, sondern durch genau ein Sauerstoffatom mit ihrem benachbarten Silicium-Atom verknüpft: Si–O–Si.
Abb. 6.4.9: Einteilung der Klebstoffe nach chemischer Basis
Chemisch gesehen liegen alle abgebundenen organischen Klebstoffe als Polymere vor. Daher ist eine weitere häufig benutzte Klassifizierung die Einteilung nach dem Abbindemechanismus (siehe Abb. 6.4.10), der nach der Applikation des Klebstoffs zu seiner Endfestigkeit (Kohäsion) führt. Hierbei wird gewöhnlich zwischen physikalisch und chemisch abbindenden Systemen unterschieden. Chemisch abbindende Systeme werden zudem in Ein- oder Mehrkomponenten-Systeme unterteilt. Zusätzlich gibt es eine Reihe von Klebstoffsystemen, die sowohl physikalisch als auch chemisch abbinden.
Abb. 6.4.10: Einteilung nach Verfestigungsmechanismus
Physikalisch abbindende Klebstoffe
Eine Möglichkeit, bei physikalisch abbindenden Klebstoffen ein gutes Benetzen der Fügeteiloberflächen durch den Klebstoff zu ermöglichen, besteht darin, die Rezepturbestandteile (Polymere, Harze und weitere) in einem Lösemittel zu lösen. Bei Klebstoffen auf Basis stark hydrophiler Rohstoffe kann das Wasser sein, bei vielen synthetischen Polymeren gelingt das nur in organischen Lösemitteln.
Hydrophilie (von altgriechisch ϋδωρhýdor „Wasser“ sowie φίλοςphílos „liebend“ ) bedeutet wasserliebend. Das besagt, dass ein Stoff stark mit Wasser wechselwirkt.
Klebstoffe auf Basis wässriger kolloidaler Lösungen
Polymere, die über viele hydrophile Gruppen verfügen, lassen sich unter bestimmten Voraussetzungen in Wasser kolloidal (molekular-dispers) lösen. Molekulardisperse Systeme sind kolloidale Lösungen mit einer Teilchengröße kleiner als 1 nm. Bei molekulardispersen Systemen handelt es sich um klare und durchsichtige Lösungen, bei denen keine Phasengrenze erkennbar ist. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie physikalisch stabil und homogen sind, d.h., dass sich die gelösten Ionen und Moleküle nicht durch Filtrieren oder Zentrifugieren vom Lösungsmittel abtrennen lassen (echte Lösung).
Das Adjektiv „kolloidal“ bedeutet „sehr fein verteilt“ beziehungsweise „in feinster Verteilung befindlich“ (in einer Flüssigkeit oder Gas). Es wird hauptsächlich in der Chemie verwendet (Quelle: DocCheck-Flexikon)
Der Begriff Kolloid kommt von den griechischen Worten „kolla“ – „Leim“ – und „eidos“ – „Form, Aussehen“. Bei einem Kolloid handelt es sich um ein System aus Clustern (Teilchen mit bis zu 50 000 Atome) oder um kleine Festkörper (Teilchen mit > 50 000 Atome), die innerhalb eines Mediums fein verteilt vorliegen. Die Teilchen dieser so genannten kolloid-dispersen Phase weisen in der Regel Größenordnungen von 1 bis 1000 Nanometer in mindestens einer Dimension auf. Das Medium, in diesem Fall Wasser, in dem diese Teilchen verteilt sind, bezeichnet man als Dispersionsmedium. Aus einer Vielzahl der in der Natur vorkommenden Polymere, wie Zellulose, Stärke oder Proteine, lassen sich unter bestimmten Bedingungen solche kolloidale Lösungen herstellen. Es gibt jedoch auch einige synthetisch hergestellte Polymere, die so hydrophil sind, dass sie solche Lösungen ermöglichen. Da das Wasser aufgrund des hydrophilen Charakters der Polymere relativ fest gebunden ist, wird es in der Klebfuge nur langsam wieder abgegeben. Klebstoffe, die in Form von wässrigen kolloidalen Systemen vorliegen, besitzen daher relativ lange Abbindezeiten.
Wässrige, kolloidale Klebstoffe auf Basis synthetischer Polymere
Obwohl die weitaus überwiegende Zahl der synthetisch hergestellten Polymere in Wasser nicht kolloidal löslich ist, gibt es einige Typen, die sich in Wasser kolloidal lösen. Zu diesen Polymeren gehören Po-lyvinylalkohole, das Polyvinylpyrolidon, verschiedene Polyvinylether wie der Polyvinylmethylether und Harnstoff-Formaldehyd-Harze.
Polyvinylalkohol (Kurzzeichen PVOH, PVA, oder PVAL) ist ein – unter bestimmten Bedingungen – wasserlösliches synthetisches Polymer (Kunststoff) (Quelle: https://www.chemie.de/lexikon/Polyvinylalkohol.html).
Polyvinylpyrrolidon, auch Polyvidon oder Povidon, ist ein Polymer der Verbindung Vinylpyrrolidon. PVP ist ein hygroskopisches, amorphes Pulver mit weißer bis hellgelber Farbe (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Polyvinylpyrrolidon).
Polyvinylether, -[CH2-CH(OR) -]n, Thermoplaste, die durch Polymerisation von Methyl-, Ethyl- oder Isopropylvinylether erhalten werden (Quelle: https://www.spektrum.de/lexikon/chemie/polyvinylether/7383).
Mengenmäßig am wichtigsten sind die Polyvinylalkohole; diese sind im Gegensatz zu den meisten anderen Vinylpolymeren jedoch nicht direkt aus dem entsprechenden Monomer herzustellen, da der monomere Vinylalkohol (Enol) nicht stabil ist (Umlagerung in Acetaldehyd). Polyvinylalkohol wird daher durch teilweise oder vollständige Hydrolyse der Acetylgruppen von Polyvinylacetat mit Natriumhydroxid als Katalysator hergestellt. Polyvinylalkohol-Pulver können durch Einstreuen in Wasser und Rühren bei 90°C gelöst werden. Mit abnehmendem Polymerisations- und Hydrolysegrad nimmt die Lösegeschwindigkeit in Wasser zu. Die Viskosität der resultierenden Lösungen hängt von der Molaren Masse, dem Hydrolysegrad, der Konzentration und der Temperatur ab.
Die Molare Masse (Formelzeichen M), ist der Quotient aus der Masse einer Substanz und der Stoffmenge dieser Substanz. Die Einheit ist Gramm pro Mol (Einheitenzeichen: g/mol) oder häufig auch Kilogramm pro Kilo-mol (Einheitenzeichen: kg/kmol). Das Mol (Einheitenzeichen: mol) ist die SI-Basiseinheit der Stoffmenge. Wichtig ist das Mol für Mengenangaben bei chemischen Reaktionen.
SI: Das Internationale Einheitensystem, abgekürzt SI (von frz.: Système international d’unités), ist das auf dem internationalen Größensystem (ISQ) basierende Einheitensystem. Dieses 1960 eingeführte metrische Einheitensystem ist heute das weltweit am weitesten verbreitete Einheitensystem für physikalische Größen. Quelle: https://www.chemie.de/lexikon/Internationales_Einheitensystem.html
Borsäure kann als Verdickungsmittel eingesetzt werden. Wässrige, kolloidale Klebstoffe auf Basis synthetischer Polymere werden für verschiedene Verpackungsanwendungen, zum Beispiel bei der Herstellung von Verpackungshülsen, eingesetzt.
Klebstoffe auf Basis von in organischen Lösemitteln gelösten Polymeren
Als lösemittelbasierende Klebstoffsysteme bezeichnet man Systeme, in denen das thermoplastische Basispolymer (und alle anderen Komponenten) in einem organischen Lösemittel (beispielsweise Ethylacetat oder Toluol) gelöst vorliegt und als Lösung aufgebracht wird. Der Lösemittelgehalt dieser Klebstoffe kann bis zu 85 Prozent betragen. Da sich eine Vielzahl von Rohstoffen als Lösemittelklebstoffe verarbeiten lassen, können Klebstoffe mit unterschiedlichsten Leistungsmerkmalen hergestellt werden. Das Fügen findet häufig statt, nachdem – besonders bei lösemittelundurchlässigen Substraten – während einer so genannten Mindesttrockenzeit nach dem Klebstoffauftrag ein Teil des Lösemittels verdunstet ist, aber noch genügend Lösemittel in der Klebschicht vorhanden ist, um eine Benetzung der zweiten Fügeteiloberfläche zu gewährleisten. Selbst bei lösemitteldurchlässigen Fügeteilen sollte, besonders bei Typen mithohem Lösemittelgehalt, diese Mindesttrockenzeit vor dem Fügen eingehalten werden.
Damit es zu einer zufriedenstellenden Klebung kommen kann, muss das zweite Fügeteil anschließend innerhalb der offenen Zeit zugeführt werden. Durch das Verdunsten (Trocknen) der Lösemittel bindet der Klebstoff ab – das heißt: Zunächst steigt seine Viskosität an. Die Verfestigung erfolgt durch die Ausbildung physikalischer Wechselwirkungen – dazu zählen Van-der-Waals-Wechselwirkungen sowie Verschlaufungen zwischen den Polymerketten. Lösemittelbasierende Klebstoffsysteme verfügen aufgrund der geringen Feststoffgehalte häufig nur über eine geringe Anfangsfestigkeit, die langsam bis zur Handlingsfestigkeit und anschließend bis zur Endfestigkeit ansteigt, wobei jedoch im Allgemeinen keine hohen Zugscherfestigkeiten erreichbar sind. Aufgrund ihrer thermoplastischen Natur verfügen sie ferner nur über eine eingeschränkte Formbeständigkeit bei höheren Temperaturen und neigen unter Belastung zum „Kriechen“. Darüber hinaus reagieren sie naturgemäß empfindlich auf Lösemittel.
Handlingsfestigkeit ist ein Fachbegriff, der sinngleich mit „Mindestfestigkeit“ oder „Weiterbearbeitungsfestigkeit“ ist.
Mit Van-der-Waals-Kräften, benannt nach dem niederländischen Physiker Johannes Diderik van der Waals (1837–1923), bezeichnet man die relativ schwachen nicht-kovalenten Wechselwirkungen zwischen Atomen oder Molekülen, deren Wechselwirkungsenergie mit etwa der sechsten (!) Potenz des Abstandes abfällt. Die Atombindung (auch kovalente Bindung, Elektronenpaarbindung oder homöopolare Bindung) ist eine Form der chemischen Bindungen und ist als solche für den festen Zusammenhalt von Atomen in vielen chemischen Verbindungen verantwortlich. Quelle: https://www.chemie.de/lexikon/Van-der-Waals-Kräfte.html
Lösemittelbasierende Klebstoffsysteme zeigen gute Benetzungseigenschaften auf vielen Substraten, vor allem auf lösemitteldurchlässigen Fügeteilen. Bei verschiedenen thermoplastischen Kunststoffen (zum Beispiel PVC) können sie auch zum Diffusionskleben (siehe Abb. 6.4.11) (Quell- beziehungsweise Kaltschweißen) verwendet werden. Dabei werden beide Klebflächen mit dem Lösemittelklebstoff bestrichen, wobei das eingesetzte Lösemittel imstande ist, die Oberfläche der Fügeteile anzulösen. Nach kurzer Einwirkzeit werden die beiden Fügeteile unter Druck gefügt, wodurch sich die durch das Lösemittel freigelegten Polymerketten der angelösten Oberfläche einander durchdringen, „neue“ Van-der-Waals-Wechselwirkungen bilden und miteinander verschlaufen. Nach Entweichen des Lösemittels entsteht so nach einiger Zeit eine Verbindung, die rein auf Kohäsionskräften beruht.
Abb. 6.4.11: Diffusionskleben schematisch
Zwar lassen sich Lösemittelklebstoffe heute durch den Einsatz von Lösemittelabsaugung, sowie Lösemittelrückgewinnung oder -verbrennung für Anwender und Umwelt sicher verarbeiten, allerdings erfordern diese Anlagen zum Teil erheblichen finanziellen Aufwand, so dass der Einsatz dieser Klebstoffe häufig ökonomisch nicht sinnvoll ist. In Bereichen, in denen entsprechende Anlagenkonzepte nicht zu verwirklichen sind, wie im Handwerksbereich und bei Haushaltsklebstoffen, werden aus ökologischen Gründen heute lösemittebasierende Klebstoffe vermehrt durch lösungsmittelfreie Systeme (100 % oder Dispersionssysteme) ersetzt.
Dispersionsklebstoffe
Die weitaus überwiegende Zahl der synthetischen Polymere lassen sich nicht in eine wässrige kolloidale Lösung überführen und werden dann, wenn notwendig in organischen Lösemitten gelöst, als Klebstoffe verarbeitet. Um jedoch die Vorteile des „Lösemittels“ Wasser nutzen zu können, geht man den Weg, diese Polymere als wässrige Dispersion einzusetzen. Wie bei den wässrigen, kolloidalen Lösungen wird auch bei diesen, mengenmäßig zu den wichtigsten Klebstoffklassen gehörenden Systemen, Wasser als Transportmittel für Polymere verwandt.
Unter Dispersionen versteht man binäre Systeme (Zweiphasensysteme), in denen ein Stoff in fein verteilter Form in einem anderen Stoff vorliegt. Die äußere durchgehende (kohärente) Phase wird als Dispersionsmittel, die innere zerteilte (inkohärente) Phase als disperse Phase bezeichnet. Bei Dispersionen, die als Rohstoffe für Klebstoffe eingesetzt werden, handelt es sich in der Regel um Polymere oder Harze, die in einer flüssigen kontinuierlichen Phase, meist Wasser, dispergiert sind. Ist das dispergierte Polymer ein Elastomer, so spricht man häufig von „Latex“.
Elastomere sind formfeste, aber elastisch verformbare Kunststoffe, deren Glasübergangspunkt sich unterhalb der Raumtemperatur befindet. Die Kunststoffe können sich bei Zug- und Druckbelastung verformen, finden aber danach wieder in ihre ursprüngliche, unverformte Gestalt zurück. Elastomere finden Verwendung als Material für Reifen, Gummibänder, Dichtungsringe etc. (Quelle: https://www.chemie.de/lexikon/Elastomer.html)
Die einzelnen in Wasser verteilten Teilchen der Polymerdispersion (ein Kubikzentimeter einer handelsüblichen synthetischen Polymerdispersion kann dabei ca. 1012 bis 1015 solcher Teilchen enthalten), die durch Schutzkolloide oder Emulgatoren voneinander getrennt werden, bestehen dabei aus einer großen Zahl von dispergierten Polymermolekülen, die aus den unterschiedlichsten Monomeren aufgebaut sein können.
Nach der Teilchengröße, die für die anwendungstechnischen Eigenschaften besonders wichtig sind, werden folgende Polymerdispersionen unterschieden:
• feindisperse Polymerdispersionen, Teilchengröße ≤ 500 nm
• mitteldisperse Polymerdispersionen, Teilchengröße ≥ 500 – 2.000 nm
• grobdisperse Polymerdispersionen, Teilchengröße > 2.000 – 5.000 nm
Die Stabilität einer Dispersion aus synthetischen, wasserunlöslichen Polymeren gegenüber Sedimentation sowie deren mechanische und chemische Eigenschaften, werden weitgehend vom chemischem Aufbau (Art der Monomere sowie durch die verschiedenen Verknüpfungsmöglichkeiten – Homo-, Co- oder Terpolymer), dem Teilchenradius und der Partikelgrößenverteilung, der elektrischen Ladung, der Grenzflä-chenspannung der Polymerteilchen und der Viskosität bestimmt.
Die Grenzflächenspannung bezeichnet Kräfte, die in der Grenze zwischen zwei verschiedenen Phasen auftreten, die miteinander in Kontakt stehen. Sie bilden eine gemeinsame Grenzfläche, die unter Grenz-flächenspannung steht. Phasen können flüssig, fest oder gasförmig sein. (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Grenzflächenspannung)
Damit eine Dispersion überhaupt stabil gegen Absetzen sein kann, benötigen die Polymerteilchen eine Art Schutzhülle aus Emulgatoren oder kolloidalen Molekülen. Je größer die innere Oberfläche der Polymerdispersion (feindisperse Systeme), umso höher ist die notwendige Menge an stabilisierenden Komponenten.
Die Entwicklung von Dispersionssystemen begann Anfang der 20er-Jahre des letzten Jahrhunderts, da viele der zu dieser Zeit entwickelten synthetischen Polymere zwar ausgezeichnete Eigenschaften als Roh-stoff für Klebstoffe zeigten, jedoch nicht in Wasser kolloidal zu lösen waren. Es musste also nacheiner anderen Methode gesucht werden, sie für die Verarbeitung in Wasser zu verteilen. Dies gelang durch die Entwicklung von Dispersionssystemen, deren Ausgangspunkt die Erforschung der Kautschukmilch war. Nachdem man deren chemische Zusammensetzung und Aufbau näherungsweise erkannt hatte, versuchte man durch Emulsionspolymerisation, synthetische Polymerdispersionen herzustellen.
Auch heute noch ist die Emulsionspolymerisation die häufigste Art der Herstellung von synthetischen Polymerdispersionen. Dabei werden Monomere mit reaktiven Kohlenstoffdoppelbindungen mithilfe von Emulgatoren in Wasser dispergiert und mithilfe von Initiatoren polymerisiert. Die dabei entstehenden Dispersionen haben üblicherweise etwa 40 bis 60 Prozent Feststoffgehalt. Neuerdings gelingt es auch, gut verarbeitbare stabile Dispersionen mit bis zu 70 Prozent Feststoffgehalt herzustellen. Das im Gegensatz zu Polymerlösungen bei den Dispersionen das Molekulargewicht der in den Teilchen enthaltenen Makromoleküle keinen signifikanten Einfluss auf die Viskosität hat, ist ein großer Vorteil dieser Systeme, da im Allgemeinen ein höherer Feststoffanteil die Abbindegeschwindigkeit erhöht.
Beim Abbinden von Dispersionsklebstoffen verdunstet das Wasser (oder wird in das zu klebenden Substrat abgegeben) aus dem Zweiphasensystem, wodurch sich die einzelnen Dispersionsteilchen annähern. Nach Überwindung der elektrostatischen Abstoßungskräfte durch Kapillarkräfte und Oberflächenspannungseffekte erfolgt die Ausbildung des Klebstofffilms durch Deformation und Verschmelzen der Teilchen (siehe Abb. 6.4.12).
Abb. 6.4.12: Filmbildung bei Dispersionsklebstoffen – die weißen Kugeln in der Grafik stellen Polymerpartikel dar, die durch das Verdunsten von Wasser immer weiter „verschmelzen“ und schließlich einen gleichmäßigen, „kohärenten“ Film bilden.
Schmelzklebstoffe
Unter Schmelzklebstoffen versteht man Klebstoffe, die zur Applikation (Auftrag und Benetzung) aufgeschmolzen werden und beim Abbinden durch Abkühlung wieder kristalline oder amorphe Feststoffe ergeben (siehe Abb. 6.4.13). Wie bei vielen anderen Techniken gibt es auch zur Schmelzklebstofftechnik Analogien bei Vorgängen in der belebten Natur. Verschiedene Insektenarten, wie Bienen oder Wespen, verstehen es meisterhaft, Körpersekrete (Wachs) als klebenden Baustoff einzusetzen. Zu den ältesten von Menschen eingesetzten Schmelzklebstoffen gehört Asphalt. Asphalt (griechisch: asphaltos = Erdpech und lat. „bitumen“ = Pech) wurde schon in vorgeschichtlicher Zeit als erwärmter Schmelzklebstoff (bei 120°C bis 160°C) verwendet, um Feuerstein- und Knochenspitzen an Pfeilen zu befestigen. Auch wurden Steinmesser und Steinsägen gefunden, die mit Asphalt in Holzheften befestigt waren.
Bei Schmelzklebstoffen handelt es sich um 100-Prozent-Klebstoffsysteme, die frei sind von Lösemitteln – das heißt: Alle Komponenten verbleiben nach der Applikation in der Klebfuge. Sie liegen bei Raumtemperatur im festen Zustand vor. (100 %-Klebstoffe: Nassschichtdicke = Trockenschichtdicke.) Als Schmelzklebstoffe werden Klebstoffe bezeichnet, die bei Raumtemperatur fest sind und zum Applizieren aufgeschmolzen werden. Schmelzklebstoffe werden dort eingesetzt, wo es auf schnelles Abbinden ankommt. Im Trend sind Systeme, die mit niedrigeren Temperaturen auskommen, um sich zu verflüssigen. Das schont die eingesetzten Maschinen und spart Energie.
Abb. 6.4.13: So funktionieren Schmelzklebstoffe.
Das vor der Applikation notwendige Aufschmelzen geschieht bei Temperaturen ab 80°C, (bei so genannten „Coldmelts“ oder „Warmmelts“) in der Regel aber zwischen 120 und 160°C. Begriffe wie „Coldmelt“ oder „Warmmelt“ sind Bezeichnungen einiger Firmen für Schmelzklebstoffe, die bei 80 bis 130°C verarbeitet werden. Diese Produkte haben nur ein enges „Applikationsfenster“ und haben sich nicht für die allgemeine Schmelzklebstofftechnologie durchgesetzt. Die niedrigen Verarbeitungstemperaturen führen besonders zu niedrigen Wärmestandfestigkeiten, die den Einsatz solcher Produkte stark limitieren. Das Applizieren kann aber bei Schmelzklebstoffen auf Basis spezieller Polymere (zum Beispiel Polyamide) auch bei Temperaturen von über 220°C erfolgen. Dazu sind eine Vielzahl von Schmelzgeräten entwickelt worden (siehe Abb. 6.4.14).
Abb. 6.4.14: beispielhaftes Klebstoffschmelzgerät der Firma Nordson
Beim Klebprozess wird die heiße Klebstoffschmelze auf das zu klebende Teil aufgebracht. Bedingt durch die Temperaturdifferenz zur Umgebung und zum Fügeteil beginnt die Schmelze sofort abzukühlen, was einen zum Teil starken Anstieg der Viskosität zur Folge hat. Schmelzklebstoffe haben daher in der Regel sehr kurze „offene Zeiten“ – das heißt: Das Fügen der zu klebenden Teile muss nach dem Aufbringen der heißen Klebstoffschmelze umgehend erfolgen. Durch das unmit-elbare Abkühlen der Schmelze steigt die Viskosität sehr stark an, bis der Klebstoff erstarrt. Klebungen mit Schmelzklebstoffen zeigen daher in der Regel schon nach einigen Sekunden eine Verbindung, die fest und funktionsfähig ist. Dies ermöglicht in Produktionsprozessen sehr schnelle Taktzeiten und unmittelbares Weiterverarbeiten. Aufgrund des thermoplastischen Charakters verringert sich die innere Kohäsion der Schmelzklebstoffe bei erhöhter Temperatur. Unter solchen Bedingungen und/oder statischer Dauerbelastung neigen Klebungen mit Schmelzklebstoffen zum „Kriechen“. Ferner handelt es sich um reversible Klebungen, die thermisch lösbar und wiederherstellbar sind. Zu beachten ist unter Umständen, dass bei bestimmten wärmesensiblen Substraten (beispielsweise dünne Kunststofffolien) die hohe Wärmebelastung der Fügeteile durch die Schmelze zu Problemen führen kann. Einige dieser Nachteile (Kriechen, geringe Warmformfestigkeit) lassen sich unter Beibehaltung der Vorteile durch die Anwendung reaktiver Schmelzklebstoffsysteme, zum Beispiel reaktiver Polyurethanschmelzklebstoffe, eliminieren.
Für die Herstellung von Schmelzklebstoffen werden je nach Anwendungszweck verschiedene Polymersysteme eingesetzt. Während bei den meisten Schmelzklebstoffen die geforderten Eigenschaften nachträglich – durch Zusätze wie beispielsweise Harze, Wachse, Öle oder Füllstoffe – eingestellt werden, ist es bei bestimmten Polymeren (zum Beispiel Polyamide) möglich, diese schon im Vorfeld durch das Polymerdesign während der Polymerisation zu optimieren.