11.2. Qualitätsprüfungen

11.2.1 Allgemeines
Der Begriff „Qualitätsprüfungen“ umfasst viele Tätigkeitsbereiche – diese betreffen die Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von Messungen an Papier, Karton und Pappe. Stetig steigende Qualitätsanforderungen an Erzeugnisse aus Papier, Karton und Pappe erfordern zunehmend die Sicherung klar definierter Eigenschaften dieser Werkstoffe.

Einzelne Qualitätsparameter werden im Rahmen der Qualitätsprüfung erfasst und bewertet. Dazu werden auf Forderung der Kunden oder aber aus betriebsspezifischen Gründen ausgewählte Eigenschaften von Rohmaterialien beziehungsweise Fertigprodukten überprüft. Die Ergebnisse dieser Prüfungen gehen auch direkt in die Regelung der technologischen Prozesse der Papier verarbeitenden Industrie ein. Die Papierprüfung bestimmt dabei nicht allein Messgrößen beim Ausgangsmaterial oder beim Fertigprodukt des jeweiligen Herstellers. Sie schließt in der Regel auch die Erfassung von Qualitätsveränderungen durch den Einsatz unterschiedlicher Roh- und Hilfsstoffe ein. Diese Sichtweise führt zu fünf Aufgaben, die durch die Qualitätsprüfung realisiert werden sollen:

• Die Qualitätskontrolle soll garantieren, dass in der Regel vertraglich vereinbarte Qualitätsparameter sowohl vom exakten Wert als auch von der Gleichmäßigkeit über einen ganzen Auftrag eingehalten werden. Dabei wirken die Ergebnisse der Qualitätskontrolle direkt auf den technologischen Prozess zurück.
• Die Qualitätskontrolle soll sicherstellen, dass ein Fertigprodukt des Herstellers auch dem vom Kunden vorgesehenen Verwendungszweck gerecht wird. Genauso wichtig ist auch die Beurteilung, inwieweit verschiedene Roh- und Hilfsstoffe geeignet sind, bestimmte Eigenschaften von Papier, Karton und Pappe zu beeinflussen.
• Die Qualitätsprüfung dient zur Beurteilung und möglichen Abwehr von Reklamationsansprüchen der Kunden. Dazu sind die Ergebnisse der Prüfungen in geeigneter Weise zu dokumentieren und zu speichern.
• Die Qualitätsprüfung ermöglicht darüber hinaus den Vergleich eigener Produkte mit fremden Qualitätsstandards und damit die Beurteilung der Stellung des eigenen Produktes am Markt.
• Die Qualitätsprüfung dient auch dazu, schnell und exakt über eventuelle Abweichungen einzelner Qualitätsparameter zu informieren, damit diese umgehend korrigiert werden können. So sollen Ausschussproduktion und eventuelle spätere Reklamationen minimiert werden.

Damit Ergebnisse der Qualitätsprüfung möglichst objektiv und reproduzierbar sind und diese bei Bedarf auch mit den Messwerten anderer Prüfstellen vergleichbar sind, müssen drei wichtige Bedingungen erfüllt werden:

• Die Prüfvorgänge werden in einem klimatisierten Prüfraum durchgeführt, wobei die zu prüfenden Werkstoffe vor der Untersuchung ausreichend zu klimatisieren sind. Qualitätsprüfungen müssen unter identischen Bedingungen stattfinden – zum Beispiel in einem klimatisierten Prüfraum mit immer gleicher Luftfeuchtigkeit und Temperatur. Allgemein gelten eine Raumtemperatur von 23 °C (+/−1 °C) und eine relative Luftfeuchtigkeit von 50 Prozent (+/−2 Prozent) als verbindlich definiertes Prüfklima.
• Für die Prüfungen sind die vorgeschriebenen Prüfvorschriften anzuwenden. Diese sind in Normenblättern und Standards vereinbart und beschreiben sowohl die Probenvorbereitung als auch die Prüfverfahren.
• Bei allen Prüfungen muss sorgfältig und gewissenhaft gearbeitet werden. Dies betrifft die Vorbereitung der Proben ebenso wie die Durchführung der Messung und die Auswertung der Messergebnisse.

Nachdem in einem mehrstufigen Verfahren die Eigenschaften ausgewählt wurden, die geprüft werden sollen (siehe auch Abschnitt 11.1.1 Qualitätsmanagementsysteme), sind entsprechende Prüfpläne zu erstellen. Diese legen fest, welche Eigenschaft eines bestimmten Materials wie oft geprüft werden soll. Dazu ist die DIN EN ISO 186 – Probenahme zur Bestimmung der Durchschnittsqualität zu beachten.

Nach ISO 187 müssen die Proben vor der Konditionierung im Normklima vorgetrocknet werden – und zwar für 24 Stunden bei 40° C und 20 bis 35 % relativer Luftfeuchtigkeit. Erst nach normgerechter Vorbehandlung und Konditionierung dürfen die Prüfungen beginnen. Diese Vorschrift wurde ebenso wie die DIN EN 20187 – Normalklima zur Probenvorbehandlung – im Lernfeld 2, Abschnitt 4 behandelt und wird hier deshalb vorausgesetzt.

Messwerterfassung und Messwertauswertung
Messwerte werden in Form von Messreihen tabellarisch erfasst. Eine Messtabelle kann eine oder auch mehrere Messgrößen enthalten. Die Darstellung der Messwerte sollte folgende Vorgaben erfüllen:

Probennummer Messwert 1 / Maßeinheit Messwert 2 / Maßeinheit
1
2
3
...
10
   
Summe:
Mittelwert:
   

Statt „Messwert 1“ wird in einer richtigen Messtabelle das Formelzeichen der zu messenden Größe eingetragen. Die Maßeinheit wird nur im Tabellenkopf eingetragen und gilt dann für die ganze Spalte einschließlich der Summe und des Mittelwertes. Zur Verbesserung der Aussagekraft der Messreihen werden oft weitergehende Berechnungen angestellt. Insbesondere lässt der Mittelwert einer Messreihe allein noch keinen Schluss auf die Güte einer Messreihe zu und ist insofern für sich allein betrachtet unzuverlässig. Um dies zu vermeiden, geben viele Messgeräte die folgenden Angaben aus:

Standardabweichung s:
Sie gibt die mittlere absolute Abweichung des Einzelmesswertes vom Mittelwert an.

s = +/− ????

Beispiel: Die Messung der Bruchkraft eines Sackpapieres ergibt einen Mittelwert von FB = 89,0 N
Das Messgerät gibt eine Standardabweichung von s = +/− 1,5 N aus, das wahre Ergebnis liegt dann im Bereich von 87,5 N bis 90,5 N.
Je kleiner der Wert der Standardabweichung ist, desto besser ist die Aussagekraft die Messreihe.

Variationskoeffizient v:
Er gibt die mittlere prozentuale Abweichung des Einzelmesswertes vom Mittelwert an.

v = s * 100 % / MW

Zu obigem Beispiel: v = 1,5 N * 100 % / 89,0 N
                                   v = 1,7 %

Als Maßstab für die Güte einer Messreihe kann gelten, dass der Variationskoeffizient kleiner als 5 % sein sollte. Anderenfalls sollte nach den Ursachen für die Abweichungen gesucht werden.Somit kann die prüfende Person zumindest abschätzen, ob erhebliche Zweifel an der Messreihe angebracht sind oder nicht – dies ist auch ohne Kenntnis der mathematischen Hintergründe möglich.

Prüfvorschriften
Die in der Industrie allgemein üblichen Prüfverfahren werden nach entsprechenden Prüfvorschriften durchgeführt. Dies ist nicht nur erforderlich, damit die Messwerte zwischen Lieferanten und Kunden vergleichbar sind. Es ist auch notwendig, damit die Messwerte rechtlich sowie bei Reklamationen oder gegenüber Behörden Bestand haben.

Die unterste Eben der „Normierung“ sind betriebliche Prüfvorschriften (Werksnormen). Diese werden oft von speziellen Anwendern wie der Deutschen Post oder von Automobilherstellern erarbeitet und sind durch Vertrag zwischen Lieferanten und Kunden gültig.

Die nächste Ebene der Normierung sind die DIN-Vorschriften. Dabei steht DIN für Deutsches Institut für Normung. Alle hier in Kraft gesetzten Normen sind für Deutschland gültig, haben aber – wie alle anderen Normen auch – empfehlenden Charakter. Darüber steht EN – die europäische Norm. Wird die EN unverändert in die deutsche Normierung übernommen, so steht dafür die Bezeichnung DIN EN. Das Deutsche Institut für Normung e. V. (DIN) ist die bedeutendste nationale Normungsorganisation in Deutschland. Seine Tradition reicht bis ins Jahr 1917 zurück. Das DIN ist ein privatwirtschaftlicher Verein. Es bietet Herstellern, Handel, Industrie, Wissenschaft, Verbrauchern, Prüfinstituten und Behörden ein Forum, im Konsensverfahren Normen zu erarbeiten.

Die höchste Stufe der Normierung sind die ISO-Standards. ISO steht für Internationale Organisation für Normung (international organization for standardization). ISO ist zudem aus dem Griechischen entlehnt: isos – das Gleiche. Für Europa übernommene Normen werden mit EN ISO, für Deutschland übernommene Normen mit DIN EN ISO bezeichnet. An jede Normenbezeichnung schließt sich eine Kennziffer an.

Beispiele:
DIN 54518            Bestimmung des Streifenstauchwiderstandes,
DIN EN 20187      Normalklima zur Probenvorbereitung,
DIN EN ISO 536   Bestimmung der flächenbezogenen Masse.

In folgender Übersicht sind wichtige Papier- und Kartoneigenschaften zusammengetragen. Dies soll einen Einblick in die Vielfältigkeit der Eigenschaften vermitteln und dennoch den Versuch darstellen, die verschiedenen Eigenschaften sogenannten Eigenschaftsgruppen zuzuordnen.

Grundeigenschaften Festigkeitseigenschaften
Flächenbezogene Masse Zugfestigkeit
Dicke Reißlänge*
Rohdichte Berstwiderstand
Spezifisches Volumen Streifenstauchwiderstand
Maschinenlaufrichtung (MD, CD) Spaltfestigkeit
Zweiseitigkeit (OS, SS) Biegesteifigkeit
  Durchstoßfestigkei
  Dehnung
  Durchreißwiderstand
  Falzwiderstand

* Hinweis: Die Reißlänge als Festigkeitskenngröße ist seit Einführung der EN ISO 1924 – 2 (siehe im Abschnitt 11.2.2 – B) nicht mehr genormt, wird aber in der Industrie nach wie vor benutzt.

 

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