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2.1.6 Papierherstellung

Die Papierherstellung findet in der Papiermaschine statt, die aus den folgenden Baugruppen besteht:
• Stoffauflauf
• Siebpartie
• Pressenpartie
• Trockenpartie
• Aufrollung

Eine Übersicht zeigt Abbildung 76.


Abb. 76: schematische Darstellung der Baugruppen einer Papiermaschine (Bildquelle: VDP)

Der Stoffauflauf, der vor der Siebpartie angeordnet ist, hat die Aufgabe, den Faserstoff gleichmäßig über die Breite des Siebes zu verteilen. Durch spezielle Einbauten werden im Stoffauflauf Turbulenzen erzeugt, mit denen die Flockenbildung der Fasern verhindert und schon gebildete Flocken aufgelöst werden sollen. In einem siebbreiten Strahl bestimmter Dicke und bestimmter Geschwindigkeit tritt der Stoff mit einer Stoffdichte kleiner als 1 % aus dem Stoffauflauf aus und trifft auf das Sieb, auf dem die Blattbildung stattfindet.

Die Siebpartie besteht aus einem endlosen umlaufenden Sieb, das über zwei Umlenkwalzen läuft. Der aufgebrachte hochverdünnte Faserstoff wird vom Sieb in Maschinenrichtung transportiert und dabei stark entwässert, anfänglich allein durch die wirkende Schwerkraft, später unterstützt durch Entwässerungselemente und Vakuum. Wenn das Sieb umgelenkt wird, hat sich ein Faservlies gebildet, dessen Stoffdichte etwa 20 % beträgt. Seine Festigkeit reicht aus, es mit Hilfe umlaufender Filze vom Sieb herunterzunehmen und der Pressenpartie zuzuführen.

Das auf dem Sieb gebildete Faservlies besteht idealerweise aus völlig ungeordneten Fasern, tatsächlich sind sie aber bevorzugt parallel zur Bewegungsrichtung des Siebes ausgerichtet und in z-Richtung geschichtet. Es gibt so gut wie keine Fasern, die senkrecht zur Blattebene angeordnet sind.

Durch die ausschließliche Entwässerung senkrecht zur Blattebene verarmt die Siebseite des Blattes an siebgängigen Feinstoffen, diese Verarmung ist auf der Oberseite wesentlich schwächer. Die Folge ist ein Blatt, dessen Oberseite und Unterseite unterschiedliche Eigenschaften haben. Das Papier ist „zweiseitig“.

In der Pressenpartie durchläuft das noch sehr feuchte Faservlies ein oder mehrere Walzenspalte, in denen Wasser mechanisch herausgepresst wird. Das Vlies wird dabei verdichtet und geglättet, seine Stoff- dichte steigt auf etwa 40 %.

Das nun noch im Faservlies enthaltene Wasser muss thermisch entfernt werden. Dazu wird es um dampfbeheizte Walzen geführt, bis die Stoffdichte auf etwa 94 % angestiegen ist, der Wassergehalt des Papiers also etwa 6 % beträgt. Das nun fertige Papier kann aufgerollt werden.

Mit beginnender Trocknung bilden sich Bindungen zwischen benachbarten Fasern aus, und das Papier gewinnt dadurch erheblich an Festigkeit. Bei noch etwas weiter fortgeschrittener Trocknung beginnt das Papier zu schrumpfen, wobei allerdings das Schrumpfen in der Maschinenrichtung durch die wirkenden Bahnzüge behindert wird, in der Querrichtung dagegen kann die Bahn mehr oder weniger ungehindert schrumpfen. Diese Erscheinung führt gemeinsam mit der auf dem Sieb geprägten Faserorientierung dazu, dass viele Papiereigenschaften richtungsabhängig werden. So ist beispielsweise die Feuchtdehnung eines Papiers in Maschinenrichtung kleiner als in Querrichtung.

Um die Vielzahl der verfügbaren Papiersorten abzudecken sind sehr viele verschiedene Papiermaschinenkonstruktionen erforderlich. In modernen und schnelllaufenden Papiermaschinen wird das klassische Langsieb durch Doppelsiebe ersetzt, die aus einem Untersieb und einem Obersieb bestehen. Dadurch kann die Effizienz der Entwässerung erheblich gesteigert werden und gleichzeitig die unerwünschte Zweiseitigkeit vermindert werden.

Papiermaschinen für die Herstellung mehrlagiger Produkte wie beispielsweise Faltschachtelkartons müssen für jede Lage eine eigene Siebpartie aufweisen. Alle von den Sieben erzeugten Bahnen werden im noch nassen Zustand zusammengeführt und dann gemeinsam an die Pressenpartie übergeben. Den Prozess des Verbindens noch nasser Vliese zu einem mehrlagigen Produkt bezeichnet man mit Gautschen.

Papiermaschinen können zudem eine Reihe von zusätzlichen Aggregaten aufweisen. Die größte Bedeutung haben dabei die Leimpresse beziehungsweise ihre moderne Form, die Filmpresse. Ihre Aufgabe ist es, auf die Oberfläche der Bahn ein Additiv (meist Stärke) aufzubringen, um auf diese Weise die Oberflächenfestigkeit des Papiers zu verbessern.

Viele Papier- und Kartonmaschinen enthalten ein oder mehrere Streichaggregate, mit denen ein dünner Pigmentstrich auf die Oberfläche aufgebracht werden kann. Oft wird der Vorgang des Streichens auch in eigenständigen Streichmaschinen vorgenommen (vgl. Abbildung 77). Durch das Streichen wird eine sehr gute Vergleichmäßigung der Oberfläche erreicht. Sie wird zudem weißer. Und vor allem verbessert sich die Bedruckbarkeit des Papiers wesentlich.


Abb. 77: Schemata einer Streichmaschine und eines Glättwerks (Satinierkalander) (Bildquelle: VDP)

Je nach Verwendungszweck eines Papiers muss dessen Oberfläche bestimmte Gebrauchseigenschaften wie zum Beispiel Glätte und Glanz besitzen. Für diese Eigenschaften sorgt der Kalander. Das ist eine Walzenmaschine mit bis zu 15 übereinander angeordneten Walzen, die unter Druck zusammengefahren werden und dann eine geschlossene Walzenspalte (Nips) bilden. Durchläuft die Papierbahn diese Nips, so wird sie mechanischen und thermischen Kräften ausgesetzt, die bewirken, dass das Papier die geforderten Oberflächeneigenschaften erhält.

Das von der Papiermaschine aufgerollte Fertigprodukt wird schließlich an die letzte Abteilung einer Papierfabrik übergeben – die Ausrüstung. Im Bedarfsfall werden die Papiere zunächst geglättet; dafür werden Glättwerke oder Satinierkalander verwendet. Anschließend werden aus den maschinenbreiten Rollen Schmalrollen geschnitten, die sorgfältig verpackt in den Versand kommen. Wenn das Papier zu Formaten ausgerüstet werden soll, werden Querschneider benötigt. Die erzeugten Formate werden geriest oder auf Paletten gestapelt und nach sorgfältiger Verpackung zum Versand gebracht.

Riesen bedeutet verpacken. Möchte man „ein Ries“ haben, so heißt das, dass man ein einzeln verpacktes Paket Papier haben möchte. Normalerweise befinden sich mehrere Packungen beziehungsweise Riese in einem Karton.


Abb. 78: Prinzip der Rollen- und Formatausrüstung von Papier. Mit Hilfe von Kreismessern werden in Rollenschneidmaschinen Schmalrollen geschnitten (oben). Um Formatpapiere daraus herzustellen, werden Querschneider eingesetzt (unten). Leichtgewichtige Papiere werden dabei mehrlagig geschnitten (Quelle: Eigene Darstellung)

Nun bleibt noch nachzutragen, dass die Festigkeit im Papier – wie bereits erwähnt – durch Bindungen in der Berührungsfläche zweier sich kreuzender Fasern entsteht. Je mehr Berührungsflächen vorhanden sind und je größer die Flächen sind, desto fester ist das Papier. Die Bindungskräfte selber werden durch Wasserstoffbrückenbindungen erzeugt, die nicht wasserfest sind. Taucht man ein Blatt Papier in Wasser, dann lösen sich die Bindungen zwischen benachbarten Fasern – und das Blatt zerfällt. Genau darin liegt aber auch eine große Chance: nämlich die Möglichkeit, Papier auf einfache Weise nur durch Einbringen in Wasser in seine Faserbestandteile zu zerlegen und diese dann erneut zur Papierproduktion zu verwenden. Das ist die Grundidee des Recyclings.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die gesetzten Ziele uneingeschränkt erreicht sind:
• Durch den Blattbildungsprozess ist erreicht worden, dass ein neuer Werkstoff – das Papier – entstanden ist, in dem die Fasern regellos angeordnet sind und der Poren enthält.

• Die Papiereigenschaften sind unabhängig von den Eigenschaften des Baumes, aus dem die Fasern stammen. Schon nach dem Aufschlussprozess können die Fasern im Faserstoff nicht mehr dem Baum zugeordnet werden, aus dem sie stammen. Da zum Beispiel für die Erzeugung eines Blattes üblichen Kopierpapiers im Format DIN A4 rund 16 Millionen Fasern benötigt werden, spielen ein paar Fasern, die vielleicht aus Holz minderer Güte stammen, keine Rolle.

• Holz ist biologisch abbaubar und ein nachhaltiger Rohstoff; es überträgt diese Eigenschaften auf das Papier.

Darüber hinaus hat der Werkstoff Papier noch weitere Vorteile:
• Der Papierherstellprozess vergleichmäßigt die Einflüsse der Einzelfasern und erlaubt deshalb zumindest theoretisch die Produktion beliebiger Mengen in immer gleicher Qualität.

• Papier kann problemlos recycelt werden, sofern der Zerfall der Faser-Faser-Bindungen im Wasser nicht durch Additive oder sonstige Maßnahmen verhindert wird. In dem Fall kann das Papier nicht oder nur mit zusätzlichem Aufwand recycelt werden.

• Papier kann äußerst wirtschaftlich mit Hilfe der Streichtechnik mit einer dünnen Schicht aus mineralischen Pigmenten versehen und dadurch zu einem hochwertigen Bedruckstoff veredelt werden.

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