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5.3.3 Rilllinien und die einzelnen Vorgänge beim Rillen

Die Rilllinien erzeugen unter Druckeinwirkung eine Rillung am flachen Zuschnitt und definieren damit die gewünschte Position der Faltlinie bei der Faltschachtel.
Bei Wellpappe genügt es oftmals, mit der Rilllinie in das Material gegen eine ebene Gegenstanzplatte zu pressen. Bei Kartonage benötigt man hingegen eine kanalförmige Gegenzurichtung zur Erzeugung einer Rillwulst als bleibende Verformung.
Prinzipiell existieren dabei die Verfahren Hohlrillung und Vollrillung: Der Unterschied liegt in der Formgebung der Gegenzurichtung:

• Vollrillung = Anpressung an kompletter Fläche,
• Hohlrillung = Anpressung nur an 2 Kanten.

Industriell gebräuchlich ist hauptsächlich die Hohlrillung. Mit dem Riller wird das Material in eine eckige Vertiefung der Gegenzurichtung gedrückt. Bei Wellpappe reicht es meist aus, das Material gegen eine ebene Gegenstanzplatte zu pressen. Der Variantenreichtum der Rilllinien ist groß.


Abb. 5.3.7: Vollrillung und Hohlrillung (Quelle: Eigene Darstellung)

Im Allgemeinen erfolgt bei Kartonagen das Stanzen und Rillen auf die Druckseite, damit die dabei entstehende Rillwulst für den späteren Faltvorgang auf der Innenseite liegt.


Abb. 5.3.8: Stanz- und Rillvorgang bei Karton auf Außenseite (Quelle: Eigene Darstellung)

Bei Wellpappematerialien verhält es sich im Allgemeinen umgekehrt, hier stanzt und rillt man auf die obenliegende Innenseite.
Wie Schneidlinien gibt es auch Rilllinien in den verschiedensten Ausführungen. Es gibt angefaste Rilllinien, abgeflachte, Rilllinien mit reduzierter Verrundung und viele weitere. Eine Übersicht über die gebräuchlichsten Typen zeigt die nachfolgende Tabelle:


Abb. 5.3.9: gebräuchliche Typen von Rilllinien (Quelle: Eigene Darstellung)

Kopfriller lassen sich leicht gegen Typen mit anderen Kopfmaßen und derselben Grundkörperbreite austauschen. Der Kopfriller hat den Vorteil, dass der für die Rillung notwendige Teil relativ breit ausgeformt ist (wie es für dickere Wellpappe-Materialen notwendig ist), aber in der Trägerplatte nur Schnitte für zum Beispiel 1,42 mm Linien gelasert werden müssen. Auch müssen an den Bandstahlbearbeitungsgeräten wie Ausklinker nur die dünneren Grundkörper bearbeitet werden (Ausklinker = mechanisches Stanzgerät, mit welchem man am Bandstahl die notwendigen Aussparungen herausschneidet – und zwar an den Stellen, an denen in der Trägerplatte Brücken stehen bleiben.). Zudem lässt sich dieser Rillertyp leicht durch einen mit derselben Grundkörperbreite und anderen Kopfabmaßen auswechseln.

Festlegung der Rilllinienhöhe
Ausgehend von der Schneidlinienhöhe ist die Rilllinienhöhe auf die verwendete Gegenzurichtung anzupassen. Im Abschnitt „Gegenzurichtungen“ wird die beispielhafte Berechnung einer Rilllinienhöhe vorgestellt. Im Zweifelsfall oder bei nicht exakt feststehender Stärke des zu verarbeitenden Materials wird die Rilllinienhöhe stets um 0,1 mm niedriger angenommen. Begründung: Zu hohe Rilllinien führen zu Beschädigungen am Karton und/oder der Zurichtung. Eine Kompensation durch Reduzierung des Stanzhubes an der Verarbeitungsmaschine ist im Allgemeinen nicht möglich, da sonst der Druck an der Schneidlinie nicht mehr für den Stanzvorgang ausreicht. Die notwendige Maschinenzustellung ist also durch die Schneidlinien vorgegeben und eine Anpassung der Rilllinienhöhe ist durch Unterlegen der Rilllinien möglich. Zu hohe Rilllinien müssen ausgetauscht werden.

Der Faltvorgang
Die Geometrien von Rilllinie und Gegenzurichtung beeinflussen die Form und damit das Verhalten der Faltlinie am gerillten Material (von Parametern wie Verarbeitungsgeschwindigkeit im Stanzautomaten ab-gesehen).

Bei dem Faltvorgang zeigen sich die Materialeigenschaften des Kartons, insbesondere die mehrschichtige Zusammensetzung aus den Papierlagen, wie folgende Darstellungen zeigen:


Abb. 5.3.10: Phasen der Rillung (Quelle: Eigene Darstellung)

Folgende Übersicht zeigt einige Beispiele und typische Fehler in der Auslegung der Rillgeometrie:


Abb. 5.3.11: Optisches Erscheinungsbild guter und weniger gelungener Rillungen (Quelle: Eigene Darstellung)

Schlechte Rillungen sehen nicht nur optisch wenig ansprechend aus. Sie erfüllen unter Umständen auch wichtige Voraussetzungen für die technische Weiterverarbeitung nicht. Dazu zählt beispielsweise der Biegewiderstand.

Qualitative Beurteilung von Rillungen
Grundsätzlich sollen Rillungen das Falten des Zuschnittes mit entsprechender optischer Qualität und Festigkeit ermöglichen. Darüber hinaus müssen oft bestimmte technische Kennwerte für den Faltvorgang eingehalten werden. Hier geht es insbesondere um die Faktoren, welche den Durchlauf an der Klebemaschine oder Abpack-Maschine beeinflussen. Hierzu zählen vor allem die Kraft, die für das Falten notwendig ist (Biegewiderstand genannt), oder die Rückstellkraft, die nach dem Umfalten ansteht.
Eine Vorgehensweise zur Beurteilung von Rillungen ist beschrieben in der DIN 55437 „Prüfung von Pappe – Rillungen“. Nach dieser Norm bewertet man Rillungen ebenfalls nach der visuellen Erscheinung und nach Kennwerten für den Faltvorgang.
Bei Materialen, für die noch keine Erfahrungswerte vorliegen, empfiehlt es sich, den Biegewiderstand ungerillter und gerillter Proben zu messen. In Anlehnung an die DIN 55437, Teil 3, existieren verschiedene Messgeräte zur Ermittlung des Biegewiderstandes. Üblicherweise werden Proben in bestimmten Größen, abhängig vom Messgerät, aus ungerilltem und gerilltem Karton ausgeschnitten und in das Gerät eingelegt. Der Faltvorgang wird dann über einen Antrieb im Gerät oder manuell ausgeführt. Die Sensorik zeichnet die Kräfte zur Umfaltung auf.

Abb. 5.3.12: Rilltester, Anbieter: Karl Marbach GmbH, Heilbronn (Quelle: Marbach)


Abb. 5.3.13: Aufzeichnung des Biegewiderstandes an Proben eines GC2 Kartons (Quelle: Eigene Darstellung)
1: ungerillt, quer zur Faser
2: ungerillt, längs zur Faser
3: gerillt, quer zur Faser
4: gerillt, längs zur Faser

Durch Aufzeichnung von Messkurven mehrerer Faltproben, welche mit unterschiedlichen Rillparametern erstellt wurden (Rilllinienbreite, Kanalbreite, Kanalform usw.), lassen sich so die quantitativen Unter-schiede feststellen. Dieses Verfahren dient auch der Analyse von eventuell fehlerhaften Rillungen. Es empfiehlt sich auch, bei neuen Materialien wenn noch keine Erfahrungswerte vorliegen. Ergänzend noch ein Beispiel einer Faltschachtel mit einer guten Rillung (optimal ausgebildeter Rillwulst und geradlinige Kantenprägung).

Abbildungen 5.3.14 und 5.3.15: Quelle: Eigene Darstellung

Die Notwendigkeit der Verwendung einer Gegenzurichtung zeigt das folgende negative Beispiel: Hier wurde der Karton lediglich in eine Gummiunterlage gepresst. Dabei entstehen keine definierten Rillkanten. Eine auf diese Weise produzierte Faltschachtel lässt sich nur für Entwicklungszwecke verwenden, es handelt sich um keine industriell verwendbare Qualität, weder von den technischen Rillwerten her noch von optischen Ansprüchen.

Abbildungen 5.3.16 und 5.3.17: Quelle: Eigene Darstellung

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