5.3.6 Gegenzurichtung

Bei der Verarbeitung von Kartonage bedingt die Verwendung von Rilllinien immer eine Gegenzurichtung, auf der sich Rillkanäle befinden. Diese dienen zur Herstellung eines Rillprofils, in das die Rilllinie beim Stanzvorgang eindringt, den dazwischenliegenden Karton verformt und somit eine exakte Biegekante vorbereitet.Verwendet werden mehrere Zurichtearten. Welche Auswahl getroffen wird, hängt davon ab, ob einfache Einzelnutzen mit kleiner Auflage am Stanztiegel oder große Auflagen auf Stanzmaschinen verarbeitet werden. Weitere Entscheidungskriterien sind die Qualität des zu verarbeitenden Materials, die Kompliziertheit des Packmittels und nicht zuletzt die maschinelle Einrichtung des Betriebes. Auf dem Markt werden folgende Arten von Gegenzurichtungen eingesetzt:

a) Kanalfertignuten
Kanalfertignuten sind selbstklebende Zurichtestreifen mit aufgeklebten Kanalrichtstreifen, die auf die Rilllinien aufgesteckt und so auf die Zurichteplatte übertragen werden. Sie ermöglichen ein schnelles Zurichten und werden hauptsächlich für kleinere Auflagen mit einer geringen Nutzenanzahl verwendet, da sie sehr weich und daher nicht sehr haltbar sind. Die Zurichtestreifen sind in verschiedenen Nutenbreiten erhältlich. Mit Spezialscheren kann man die benötigten Längen abschneiden und gleichzeitig auf Gehrung schleifen. Im Bereich der Wellpappenverarbeitung haben Kanalfertignuten nahezu 100 Prozent Marktanteil, finden jedoch im Bereich der Kartonage immer weniger Anwendung.


Abb. 5.3.29: Kanalfertignuten der Firma Cito, jeweils bestehend aus Leitstreifen, Rillkanal und Trägerpapier

Vorgehensweise bei dem Einbau/Einrichten der Kanalfertignuten:


Abb. 5.3.30: So werden Kanalfertignuten eingebaut.

b) Rillma®-Fertigmatrizen
Kanalfertignuten mit selbstklebenden Zurichtestreifen werden hauptsächlich bei kleineren Nutzenzahlen verwendet, da sie weich und damit wenig haltbar sind. Rillma®-Fertigmatrizen haben aktuell den größten Marktanteil. Sie bestehen aus Messing, Vetronit oder Pertinax. Der nachfolgende Abschnitt informiert, wie man sie richtig einsetzt.
Die Rillma®-Gegenzurichtung besitzt derzeit den höchsten Marktanteil und ist in verschiedenen Materialien wie Pertinax, Vetronit und Messing erhältlich. Auf der Rückseite ist die Gegenzurichtung mit einer Klebefolie versehen. Prinzipiell hat man zu jedem Nutzen auf Stanzform eine einzelne Matrize. Für den Stanzvorgang werden die Zurichtungen mittels Passerstiften auf die Stanzform montiert, die Klebefolie entfernt und während des ersten Stanzvorganges auf die Stanzplatte übertragen. Sie sind dadurch optimal zum Nutzen ausgerichtet. Die Gegenzurichtung ist im Bereich der Schneidlinie ausgespart. Mit numerisch gesteuerten Fräsmaschinen können diese Einzelnutzen-Gegenzurichtungen (Teilmatrizen) nach dem Stanzform-CAD-Programm gefräst werden. Die Fräsmaschine ist mit Hochfrequenzspindeln ausgerüstet, deren Fräswerkzeuge je nach Kanalbreite einfach auswechselbar sind.

Beispielrechnung zur Festlegung von Rilllinienhöhe und Kanaltiefe:
Kartonbogen mit Dicke d = 0,4 mm
Als Standard sollte eine Stanzlinie mit Höhe = 23,8 mm vorgegeben werden.
Berechnung der Kanaltiefe: Um eine optimale Rillausbildung zu erlangen, darf das Kartonmaterial im Rillkanal nicht gequetscht werden. Die Rillkanaltiefe sollte daher immer die Kartondicke (Kaliber) übertref-fen – man rechnet zur Kartondicke + 0,1 mm hinzu.
Also Kanaltiefe = Kartondicke + 0,1 mm, in dem Fall also= 0,4 mm + 0,1 mm = 0,5 mm

Auswahl Rillma: Es lässt sich eine Rillma mit Höhe 0,6 mm verwenden, wobei im Bereich des Rillkanals die Reststärke von 0,6 – 0,5 = 0,1 mm verbleibt. Aus diesen Angaben lässt sich die notwendige Höhe der Rilllinie berechnen nach:

Schneidlinienhöhe          23,8 mm
abzüglich Rillkanaltiefe   - 0,5 mm
abzüglich Reststärke      - 0,1 mm
Ergibt Höhe der Rilllinie  23,2 mm

Berechnung der Rillkanalbreite:
Die Rillkanalbreite ist abhängig von der Materialdicke und der Rilllinienstärke. Generell gilt folgende Faustformel:

Materialdicke x 1,5 + Rilllinienstärke = Rillkanalbreite

Beispiel:
Bei 2-Pkt Rilllinie und Kartondicke 0,4 mm ergibt sich daraus die Rillkanalbreite = 0,4 mm x 1,5 + 0,71 = 1,31 mm ~ 1,3 mm

Gegen den Faserlauf werden immer 0,1 mm in der Kanalbreite zugegeben.


Abb. 5.3.31: verschiedene Materialien für Rillma®-Fertigmatrizen

c) Stanzrillplatten
Als Stanzrillplatte bezeichnet man eine Gegenstanzplatte mit integrierten Rillkanälen. Sie beinhaltet also die Funktionen „Stanzfläche für die Schneidlinien“ und gleichzeitig die der Gegenzurichtung. Stanzrillplatten verfügen über die höchste Qualität aller Gegenzurichtungsarten und werden bei hochwertigen Verpackungen oder bei großer Auflagenhöhe eingesetzt. Sie sind in beliebigen Härtegraden erhältlich. Grundsätzlich gilt im Bezug auf die Härte: Je härter, desto teurer, aber desto haltbarer. Die Rillkanäle werden entweder in die Stanzrillplatten erodiert oder gefräst. Stanzrillplatten versprechen absolute Maßhaltigkeit und eine sehr hohe Auflagenfestigkeit.


Abb. 5.3.32: Stanzrillplatte

Als weiteren Vorteil erlaubt die Verwendung einer Stanzrillplatte einen flacheren, gleichmäßigeren Bogendurchlauf als bei einer Rillma®-Matrize, vergleiche nachstehende Grafik.

1) bei Verwendung einer Stanzrillplatte


Gleichmäßiger, fast ebener Bogendurchlauf. Daher fast keine Spannung auf dem Kartonmaterial. Keinerlei Gefahr von Druckstellen durch die Gummierung.

2) bei Verwendung von Rillma®-Matrizen


Unruhiger Bogendurchlauf, da der Höhenunterschied zur Rillma®-Matrize überwunden werden muss. Sehr große Gefahr von Druckstellen durch die Gummierung.

Abb. 5.3.33: Vergleich des Bogendurchlaufs bei Verwendung einer Rillma®-Matrize gegenüber einer Stanzrillplatte

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