9.3.1.2 Lackieren

Eine spezielle Form der Beschichtung ist das Lackieren. Wie in Abb. 9.3.1 gezeigt, gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Lacksysteme. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sie in der Lage sind, auf oft be-druckten Papieroberflächen einen glatten und dichten Film zu bilden. Lacke haben Aufgaben zu erfüllen, die sich in zwei Gruppen einteilen lassen, wobei auch Kombinationen beider Gruppen vorkommen:

Gruppe 1: Lacke mit funktionellen Merkmalen. Dazu zählen unter anderem Eigenschaften wie Siegelfähigkeit oder Antisiegelfähigkeit, Scheuerfestigkeit, Antihafteigenschaften, Reib- und Gleiteigenschaften, glänzende und matte Eigenschaften und vieles mehr.

Gruppe 2: dekorativ wirkende Eigenschaften. In erster Linie zur Erhöhung der Werbewirksamkeit einer Verpackung oder eines Druckerzeugnisses. So lassen sich beispielsweise mit der Spotlackierung mit einem Mattlack auf vollflächiger Vorlackierung mit Glanzlack attraktive Effekte erzielen, auf die unten näher eingegangen wird. Lacke für Dekorationszwecke müssen nicht zwangsläufig transparente Filme bilden, sie können auch pigmentiert sein, um bestimmte Effekte zu erlauben.

Zunächst werden hier die wichtigsten Lacksysteme mit ihren charakteristischen Merkmalen dargestellt.

Lösemittellack
Lösemittellacke („Nitrolacke“) entsprechen in ihrer Zusammensetzung lösemittelhaltigen Tiefdruck- und Flexodruckfarben, jedoch fehlt ihnen das dort vorhandene Farbmittel. Grundbestandteile sind somit Bindemittel, Additive und Lösemittel. Nach dem Auftragen trocknet der Lack sehr schnell physikalisch durch Wegschlagen (Einziehen) in das Papier und vor allem durch Verdunsten in die Atmosphäre. Das Bindemittel bildet dabei einen festen und dichten Film.

Lösemittellacke gibt es auch als 2-Komponenten-Lack: Hier wird die physikalische Trocknung (Verdunsten des Lösemittels) mit der Aushärtung durch die chemische Reaktion der beiden Komponenten kombiniert. Beide Lackkomponenten werden erst kurz vor der Verarbeitung miteinander vermischt. Die Reaktion der Komponenten beginnt unmittelbar nach ihrer Mischung. Infolge der Reaktion steigt die Viskosität des Lacks allmählich an. Diesem Viskositätsanstieg kann zunächst durch Lösemittelzugabe begegnet werden. Nach einer gewissen Reaktionszeit gelingt das aber nicht mehr, und der Lack ist dann nicht mehr zu verarbeiten. Das Zeitfenster der Lackverarbeitbarkeit bezeichnet man mit „Topfzeit“. Infolge der chemischen Reaktion der Komponenten bildet sich ein sehr beständiger und mechanisch belastbarer Lackfilm.

Dispersionslack
Die wichtigsten Rezepturbestandteile eines Dispersionslacks zeigt Abbildung 9.3.2.


Abb. 9.3.2: die wichtigsten Rezepturbestandteile eines Dispersionslacks

Nach dem Auftrag trocknen die Lacke physikalisch durch Wegschlagen des Wassers in das Papier beziehungsweise Verdampfen in die Atmosphäre. Letzteres wird in der Regel durch eine Trocknung beispielsweise durch einen Infrarot (IR)-Strahler unterstützt. Dabei lagern sich die Polymerpartikel zusammen und bilden schließlich einen Film (vgl. Abbildung 9.3.3).


Abb. 9.3.3: die Vorgänge bei der Filmbildung eines Dispersionslacks

Je nach der Auswahl der Rezepturbestandteile und ihrer Mischungsverhältnisse können Dispersionslacke mit spezifischen Eigenschaften ausgestattet werden, sodass sie optimal an folgende Zwecke angepasst werden können:

Schutzlacke
Überzug bedruckter Papiere mit einem vor Verscheuern und Verschmutzen schützenden Lackfilm.

Glanz- und Mattlacke
Speziallacke zur Erzielung besonders ausgeprägter dekorativer Glanz- oder Mattwirkung.

Gleitfähige Lacke oder Antirutschlacke
Je nach Anforderung können durch bestimmte Additive eine besonders hohe Gleitfähigkeit des lackierten Papiers oder auch genau das Gegenteil erreicht werden.

Nassblockfeste Lacke
Standard-Dispersionslacke können dazu neigen, in der Gegenwart von Feuchtigkeit klebrig zu werden und dann zu blocken. Diese Neigung kann durch geeignete Additive verhindert werden.

Ultraschallschweißbare Lacke
Speziallacke, die mithilfe der Schwingungsenergie von Ultraschall thermisch aktiviert werden können und die dadurch klebewirksam werden. Nach dem Abkühlen entsteht eine feste Verbindung zu Fügeteilen aus Papier oder Kunststofffolie.

Heißkalanderlacke
Speziallacke zur Herstellung von höchstem Glanz mithilfe eines Kalanders. Kalander (von frz. calandre „Rolle“) ist ein System aus mehreren aufeinander angeordneten beheizten und polierten Walzen aus Schalenhartguss oder Stahl. Diese erlauben es, durch den Drucknip der Walzen durchlaufende lackierte Papiere mit Druck und Hitze zu beaufschlagen. Der Lack wird dadurch in einen verformbaren Zustand gebracht, der es erlaubt, den Glanz und die Glätte der Kalanderwalzen auf seine Oberfläche abzubilden.

Effektlacke
Hierzu zählen Lacke, mit denen sich durch die Zumischung von speziellen Farb- oder Metallpigmenten spezielle Effekte erzielen lassen. Mit den heute verfügbaren Bronze- und Aluminiumpigmenten lassen sich sehr hohe Glanzwerte erzielen. Eine besonders dekorative Anmutung lässt sich mit Perlmuttpigmenten erzielen. Wenn das Lackauftragssystem die Erzeugung sehr hoher Lackschichtdicken zulässt, wie es beispielsweise im Siebdruck der Fall ist, können Oberflächenreliefs realisiert werden, die sich durch Betasten spüren lassen. Auf diese Weise lassen sich sogar Blindenschriften drucktechnisch erzeugen.

Aussparungen/Spot-Lackierungen
Mit Spotlackierungen lassen sich dekorative Effekte auf der zu lackierenden Oberfläche erzielen, zum Beispiel durch Hochglanzlackierung von Bildern, während das Bildumfeld unlackiert bleibt oder mit Mattlack lackiert wird. In jedem Fall müssen die bedruckten und lackierten Flächenelemente sehr exakt übereinander liegen. Auch wenn der Lack hoch transparent oder lasierend ist, würden Passerfehler sehr stören. Aussparungen (lackfreie Stellen) werden beim Lackieren von Faltschachteln benötigt, um die Verfestigungsgeschwindigkeit der verwendeten Dispersionsklebstoffe nicht durch eine vom Lack gebildete Sperrschicht zu behindern. So dürfen Pharmafaltschachteln, die mittels wässrigem Inkjet mit variablen Daten und/oder Serialisierungsnummern versehen werden müssen, an den zu bedruckenden Stellen nicht lackiert sein. Zum Lackieren werden in der Regel Lackplatten beziehungsweise Vollton-Flexoplatten verwendet, bei denen die Aussparungen für die lackfreien Stellen manuell eingeschnitten werden.

Duftlacke
Mit Lacken als Gestaltungselement für Verpackungen lassen sich – wie gezeigt – die visuelle und die haptische Wahrnehmung ansprechen. Mit Duftlacken kann auch der Geruchssinn mit einbezogen werden. Dazu werden mikroverkapselte Duftstoffe in den Lack vor dem Auftrag eingearbeitet. Wenn die im Lackfilm eingebetteten Mikrokapseln zum Beispiel durch Reiben oder allein schon durch Berühren der Oberfläche beschädigt werden, wird der Duftstoff freigesetzt.

Drucklack
Ein Drucklack ist im Wesentlichen eine Offsetdruckfarbe ohne Farbmittel. Ihre wichtigsten Rezepturbestandteile zeigt Abbildung 9.3.4.


Abb. 9.3.4: Hauptrezepturbestandteil eines Drucklacks

Der Lackauftrag erfolgt mit einem Offsetdruckwerk. Der Lack wird mit dem Offset-Farbwerk verrieben und mit der für die Lackierung benutzten Druckform über das Drucktuch auf den Bedruckstoff übertragen. Spotlackierungen sind also einfach möglich. Wie die Bogen-Offsetfarbe auch, trocknet der Drucklack zunächst physikalisch durch Wegschlagen des Öls in das Papier. Dabei bildet sich ein weitgehend fester Harzfilm. Danach setzt die chemische Trocknungsphase durch Oxidation des Harzes mit Luftsauerstoff ein. Wie bei der Offsetfarbe ist die Schichtdicke von Drucklackfilmen mit etwa 2 μm (entsprechend etwa 2 g/m²) gering. Deshalb ist auch die Glanzwirkung von Drucklacklackierungen eher mäßig.

Strahlenhärtender Lack
Strahlenhärtende Lacke sind frei von verdunstenden oder wegschlagenden Bestandteilen wie Lösemittel oder Wasser. Sie bestehen vollständig aus chemisch reaktiven synthetischen Polymeren, die unter der Einwirkung energiereicher Strahlung in Sekundenbruchteilen einen außerordentlich festen, kratzfesten und beständigen Lackfilm bilden.


Abb. 9.3.5: die wichtigsten Rezepturbestandteile strahlenhärtender Lacke

Als energiereiche Strahlung kann UV (Ultraviolett)-Strahlung oder Elektronenstrahlung verwendet werden. Die jeweils wichtigsten Rezepturbestandteile strahlenhärtender Lacke zeigt Abbildung 9.3.5.
UV-härtende Lacke sind in der Papierverarbeitung das dominierende strahlenhärtende Lacksystem. Die Elektronenstrahlhärtung wird bevorzugt bei sehr dicken Lackfilmen verwendet, wie sie zum Beispiel bei der Herstellung von Laminaten für Fußböden benötigt werden. Solche Lackfilme, die mehrere 100 μm dick sein können, würden von der UV-Strahlung nicht mehr durchdrungen und somit nicht vollständig gehärtet werden.

Bei den UV-härtenden Lacken unterscheidet man zwei Produktgruppen, nämlich

• die radikalisch härtenden UV-Lacke auf der Basis der Acrylat-Chemie, bei denen die Härtung nach Verlassen der UV-Bestrahlungszone abgeschlossen ist, und
• die kationisch härtenden UV-Lacke auf der Basis der Epoxyd-Chemie, bei denen es nach dem Verlassen der Bestrahlungszone zur Nachhärtung kommt, die erst nach Stunden oder Tagen vollständig abgeschlossen ist.

Wie Abb. 9.3.5 zu entnehmen ist, wird im Falle von UV-härtenden Lacken ein Fotoinitiator benötigt, der bei elektronenstrahlhärtenden Lacken entfallen kann. Der Grund dafür ist die wesentlich höhere Energie der Elektronenstrahlung im Vergleich zur UV-Strahlung. Die UV-Strahlung kann deshalb die Reaktion der Polymere nicht direkt auslösen, vielmehr bedarf es dazu eines Fotoinitiators. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sie die UV-Strahlung absorbieren können und sich dadurch verändern. Diese Veränderung führt dazu, dass sie nun die Polyreaktion starten können. Fotoinitiatoren für radikalische und kationische Lacksysteme sind unterschiedlich. Solche für radikalische Systeme bilden durch UV-Bestrahlung Radikale (das sind Moleküle mit einem einzelnen äußerst reaktiven Elektron), kationisch härtende Lacksysteme haben Säuren als Fotoinitiator, die bei UV-Bestrahlung H+-Ionen (Protonen) abgeben können. In allen Fällen muss das Absorptionsvermögen des Fotoinitiators auf die spektralen Emissionseigenschaften des UV-Strahlers abgestimmt sein.


Abb. 9.3.6: das Acrylat-Molekül und seine symbolische Darstellung

Die Härtung ist also eine Polyreaktion zwischen den Molekülen des reaktiven Lackbindemittels, zu deren Start ein Fotoinitiator nötig ist, der durch energiereiche UV-Strahlung aktiviert wird. Der Vorgang der Polyreaktion wird schematisch in den Abbildungen 9.3.6, 9.3.7 und 9.3.8 am Beispiel der radikalischen Reaktion erläutert. Um die Vorgänge einfacher darstellen zu können, wird zunächst das zugrunde liegende Acrylat-Molekül symbolisiert. Basis der Polyreaktion ist die Aufspaltung der Doppelbindung mithilfe eines durch UV-Strahlung aktivierten Radikals (vgl. Abbildung 9.3.7).

UV‐Strahlung

Abb. 9.3.7: Das durch die UV-Strahlung aktivierte Radikal R kann ein Elektronenpaar der Doppelbindung im Acrylat aufspalten. Dadurch verbindet es sich mit dem Acrylat-Molekül, das dadurch selber zum Radikal wird.

Die Startreaktion setzt sich nun fort, wodurch sich eine sehr lange Kette aus Acrylat-Molekülen, das Polyacrylat, bildet (vgl. Abbildung 9.3.8).


Abb. 9.3.8: Fortsetzung der Polyreaktion und Bildung von Polyacrylat

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