10.5.3 Maschinen für Kunststoffsäcke
Geschweißte und geklebte Foliensäcke
Etwa ab Mitte der 1950er-Jahre wurden PE-Folien auch zu Industriesäcken verarbeitet. Da sowohl Polymertechnologie als auch Extrusions-Verfahrenstechnik noch in den Kinderschuhen steckten, Säcke aber vergleichsweise hohen Belastungen ausgesetzt sind, kamen hierfür relativ dicke Folien im Bereich von 200-300 μm zur Anwendung, für die man den Begriff „Schwergutfolien“ prägte (μm = Mikrometer = 10⁻⁶Meter). Bei den ersten Säcken handelte es sich um oben offene, aus Schlauchmaterial gefertigte Flachsäcke, deren Bodennaht thermisch geschweißt wurde. Demzufolge bestanden die ersten Foliensackmaschinen aus einer Abwicklung für die Schlauchbahn, einem Querschneider, einer Bodennaht-Schweißstation und einer einfachen Ablage zur manuellen Abnahme der Sackpakete.
Später ergänzte man diese Maschinen um eine Seitenfaltenbildung, bei der die Schlauchfolie vertikal so durch ein Gestell geführt wurde, dass man ein Innenwerkzeug in den Schlauch einsetzen und zusammen mit außen angebrachten Formblechen die Seitenfalten einlegen konnte. Oben offene Flach- und Seitenfaltensäcke mit Bodennaht fanden für eine Vielzahl von Produkten Verwendung. Dazu zählten Salz, chemische Produkte, Düngemittel, Gartenprodukte oder Viehfutter. Der Verschluss erfolgte meist durch Abnähen.
Zu Beginn der 1960er-Jahre entwickelte der Maschinenhersteller Windmöller & Hölscher zusammen mit dem Bayer-Konzern ein Verfahren zur dauerhaften Verklebung von Kunststoff-Folien. Es basierte auf einem reaktiv abbindenden Zwei-Komponenten-Klebstoff, der zuvor bereits in der Schuhindustrie erfolgreich eingesetzt worden war. Er bestand aus Polyurethan-Festharz in Flockenform, das mit einem handelsüblichen Lösemittel verflüssigt und durch Zugabe von Isocyanat vernetzt wurde.
Polyurethanharze bilden eine Brücke zwischen der Kategorie der Duroplaste und der Elastomere, denn sie lassen sich durch die Wahl der Ausgangsstoffe stark in ihren Eigenschaften variieren, von zäh und hartelastisch bis gummielastisch. Ohne Zusatz von Farbpigmenten erscheinen Polyurethane honigfarben und transluzent. Sie weisen gute Beständigkeit gegen viele Lösungsmittel, Salzlösungen, schwache Säuren sowie Laugen auf und haften gut auf den meisten Untergründen. (Quelle: http://www.metalltechnik-lexikon.de/polyurethanharze-pur/)
In einer Synthese aus diesem Klebstoffsystem und der Technologie der Papiersack-Bodenleger entstand in der Folge der Ventilbodenleger AD Plastic für Kreuzboden-Ventilsäcke aus PE-Folien. Die Maschine zielte insbesondere auf Produktsegmente der chemischen Industrie, wie Kunststoffgranulate, Düngemittel und chemische Grundstoffe. Die Nachfrage speiste sich zum einen aus dem Wunsch der chemischen Industrie, eigene Rohstoffe für die Sackherstellung einzusetzen, und andererseits aus dem höheren Produktschutz, den Folie gegenüber Papier bot.
Abb. 10.5.3.1: Ventilbodenleger AD Plastic (W&H)
In zwei wichtigen Details beschritt die AD Plastic Neuland: Zum einen musste das Problem überwunden werden, dass Folien unpolare Oberflächen aufweisen, die eine Benetzung und damit eine erfolgreiche Verklebung verhindern. Ein geeignetes Verfahren für eine Veränderung der Oberflächen-Beschaffenheit ist die Corona-Vorbehandlung, bei der die Folie eine elektrische Hochspannungs-Entladung durchläuft. Aus diesem Grund wurde die AD Plastic mit Corona-Vorbehandlungsanlagen für alle Folienbahnen ausgerüstet.
Die Corona-Vorbehandlung wird eingesetzt, um die Haftung von Lacken und Farben auf Polyolefinen, wie Polypropylen und Polyethylen, zu gewährleisten beziehungsweise überhaupt erst zu ermöglichen. Bei der Coronavorbehandlung wird die zu behandelnde Oberfläche für eine kurze Zeit einer elektrischen Koronaentladung ausgesetzt. An der Oberfläche entstehen polare Moleküle, an die sich beispielsweise Druckerfarbe, Lacke oder Klebstoffe anbinden können.
Zum anderen musste die Klebstoffauftragstechnik an das oben beschriebene Klebstoffsystem angepasst werden. Anstatt wie im Papierbodenleger ein Bodenklebstoffmuster auf den geöffneten Sack zu drucken, erfolgte bei der AD Plastic der Auftrag bereits vor der Bodenöffnung, und zwar streifenförmig parallel zur Bodenkante des Schlauches auf seiner Ober- und Unterseite.
Abb. 10.5.3.2: Prinzip der Schlauchbeleimung. Die endgültige Verklebung des Bodens erfolgt erst mit dem Auflegen des Bodendeckblattes.
Darauf folgte – ebenfalls noch vor der Öffnung – die Trocknung des Klebstoffs durch Warmluft, um das Lösemittel auszutreiben. In gleicher Weise wurden Ventil- und Bodendeckblattzettel beklebt und getrocknet, bevor sie auf den Sack gelangten. Durch das Auflegen der Ventil- und Deckblatt-Zettel kamen ihre Klebstoff-Schichten in Kontakt mit dem Klebstoff des Schlauches. Starkes Anpressen sorgte für eine Anfangshaftung, die durch etwa zwei- bis dreitägiges Aushärten permanent wurde.
Produzierten die ersten AD Plastic noch vom Rotationsanleger, so setzte sich bald das Inline-Konzept durch, bei dem sie eine Schlauchfolienabwicklung, einen rotativ arbeitenden Querschneider und eine Schlauchdrehstation erhielten. Durch zusätzliche Erweiterung um eine Schlauchbildung sowie gegebenenfalls eine zweite Abwicklung konnten damit auch Flachfolien und Verbunde verarbeitet sowie komplex aufgebaute zweilagige Spezialsäcke produziert werden. Die Einführung eines beheizten Messers im Querschneider erlaubte später sogar die Verarbeitung von beschichtetem beziehungsweise kaschiertem Bändchengewebe.
Das Bändchengewebe wird aus Polypropylen (PP) oder HDPE (englisch: High Density Polyethylen) hergestellt. Alternativ wird es deshalb auch als PP-Gewebe oder HDPE-Gewebe bezeichnet. Es zeichnet sich durch sehr hohe Reißfestigkeit aus. Daher kommt es zum Beispiel auch bei Big Packs, die tonnenschwere Lasten transportieren können, zum Einsatz. Polypropylen als Grundstoff für die Fasern ist bei Raumtemperatur gegen Fette und fast alle organischen Lösungsmittel beständig, abgesehen von starken Oxidationsmitteln. Nichtoxidierende Säuren und Laugen können in Behältern aus PP gelagert werden.
Abb. 10.5.3.3: Ventilsack für Zement aus Bändchengewebe (Mehr zum Thema Bändchen- und Gewebeherstellung siehe Abschnitt „Bändchengewebe")
FFS – Form/Fill/Seal
In den 1970er-Jahren trat ein neues Konzept der Sackverpackung auf den Markt: FFS (Form/Fill/Seal). Es repräsentiert die Verbindung von Sack- und Abfüllmaschine und überwindet so die traditionelle Zweiteilung von Sackherstellung und Befüllung. FFS steht für englisch: Form/Fill/Seal. Deutsch: Herstellen/Füllen/Verschließen. FFS bedeutet, dass alle diese Aufgaben von einer Maschine erledigt werden.
Eine FFS-Maschine wird unter einem Produktsilo aufgestellt und über eine Waage und ein Fallrohr daran angeschlossen. Sie besteht aus einem Sackherstellteil, der einen oben offenen Seitenfalten-Foliensack mit Bodennaht aus einer entsprechend vorkonfektionierten Rolle fertigt, und einem Füllteil, der den Sack an einen Füllstutzen anhängt, befüllt, vom Stutzen abnimmt, oben verschließt und aus der Maschine befördert. Boden- und Kopfnaht werden durch thermisches Schweißen gefügt und ergeben sofort belastbare Verbindungen – Grundvoraussetzung für die Einsetzbarkeit des Verfahrens. Unter Schweißen versteht man gemäß EN 14610 und DIN 1910-100 „das unlösbare Verbinden von Bauteilen unter Anwendung von Wärme und/oder Druck, mit oder ohne Schweißzusatzwerkstoffen“. (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Schwei%C3%9Fen)
Abb. 10.5.3.4: Prinzipdarstellung einer FFS-Absackmaschine für frei fließende Schüttgüter
FFS konnte zunächst nur für das Absacken frei fließender Produkte eingesetzt werden, die weder mit Luft fluidisiert sind noch schweißhemmende Stäube entwickeln. (Info „Fluidisierung“: Eine Vielzahl von Schüttgütern kann durch Fluidisierung – Durchströmung mit Luft – in einen flüssigkeitsähnlichen Zustand versetzt werden.) Hauptanwendungen sind bis heute Kunststoffgranulate, Düngemittel, Salz- und Salztabletten, Filtersande. Erst seit dem Aufkommen mikrogenadelter Folien lassen sich auch stärker lufthaltige Produkte, wie zum Beispiel Suspensions-PVC, absacken. Eine Suspension ist ein heterogenes (nicht mischbares) Stoffgemisch aus einer Flüssigkeit und einem darin fein verteilten Feststoff. Suspensions-PVC – auch S-PVC – wird in einem Wasserbad hergestellt. Vinylchlorid wird durch sehr intensives Rühren in Wasser verteilt, und als Initiator im Monomer werden lösliche organische Peroxide wie Azobis (isobutyronitril) verwendet. Man spricht hier von einer Suspensionspolymerisation. Staubabsaugungen und eine verbesserte Abdichtung zwischen Sack und Füllstutzen verhindern heute eine Kontamination der Schweißzone, die ansonsten je nach Produkt zum Versagen der Schweißnaht führen könnte.
FFS konnte sich aufgrund seiner günstigen Kostenstruktur sowie des Vorteils einer allseits geschlossenen Verpackung rasch durchsetzen und ersetzte die bisher bei Massenschüttgütern eingesetzten Folien-Ventilsäcke. Diese wurden mehr und mehr auf Spezialsack- und Kleinmengen-Anwendungen zurückgedrängt, die technologisch oder ökonomisch nicht für FFS erreichbar waren. Der Druck auf den vorgefertigten Sack hält jedoch an, da FFS durch technische Weiterentwicklung von Maschine und Packmittel immer mehr Nischen erobert und schon heute ein außerordentlich vielfältiges Einsatzspektrum aufweist. Dazu zählt selbst das Baustoffsegment, in dem stark lufthaltige, staubende und schweißhemmende Produkte erfolgreich abgesackt werden.
FFS-Absackmaschinen arbeiten heute fast ausschließlich im Kontext kompletter Absacklinien, bei denen die FFS-Maschine über Transportbänder an einen Lagenpalettierer angeschlossen ist, der die gefüllten Säcke automatisch auf Paletten (oder auch palettenlos) stapelt. Die Vollpaletten laufen anschließend über Rollenbahnen in eine Wickelstretch- oder Stretchhauben-Maschine, mitderen Hilfe sie durch Überziehen einer Folienhaube beziehungsweise Umwickeln mit Stretchfolie für den Versand gesichert werden.
Abb. 10.5.3.5: Stretchhauben-Maschine „ARGON“ (Quelle: W+H)
Das System FFS stützt sich neben der eigentlichen Absacklinie beim Abfüller auf den Maschinenpark des Folienherstellers, und dort zusätzlich zur Blasfolienanlage auf eine Folien-Konfektionieranlage oder eine Folien-Schlauchmaschine, meist mit integriertem Druckwerk. In dieser Anlage erfolgt der Druck der Schlauchbahn, das Einlegen der Seitenfalten mithilfe eines Innenwerkzeugs sowie gegebenenfalls das Anbringen einer Entlüftungs-Perforation beziehungsweise das Prägen einer Anti-Rutsch-Ausrüstung mit anschließender Aufwicklung zu versandfertigen Rollen. Diese Anlage kann inline mit der Extrusion oder offline betrieben werden. Bei der Extrusion werden Kunststoffe kontinuierlich aufgeschmolzen und durch eine formgebende Düse ausgetragen. Anschließend wird der Kunststoff abgekühlt, sodass Halbzeuge wie Profile, Platten oder Folien entstehen. Maschinen, die das leisten, nennt man Extruder.
1 | Folienschlauch-Abwicklung |
2 | Flexo-Vorsatzdruckwerk mit Warmluft-Trocknung |
3 | Seitenfalten-Einrichtung |
4 | Vorzugstation und Aufwicklung |
Abb. 10.5.3.6: Schlauchfolien-Konfektionieranlage CONVERPRINT (W&H)
Alternativ dazu werden vermehrt Schlauchmaschinen eingesetzt, um Flachfolie zum Seitenfaltenschlauch zu verarbeiten und dabei Nadelungen, Schlitzungen und Prägungen anzubringen. Der Schlauchbildungs-prozess kommt immer dann ins Spiel, wenn es um Schlauchversionen geht, die nur aus Flachmaterial herstellbar sind. Dazu zählen Folien, die im feinen Raster bedruckt wurden, ebenso wie Kaschierverbunde – beides Prozesse, die Flachmaterial voraussetzen. Gleiches gilt für die Herstellung von zweilagigen Schläuchen oder solchen mit doppelter beziehungsweise dreifacher Längsnaht zur Erzeugung von Entlüftungskanälen.
Abb. 10.5.3.7: Extruder (Schnittbild, Quelle: W&H)
Das Fügen der Längsnaht erfolgt mithilfe eines Längsnahtextruders, der eine oder mehrere Spuren Polymerschmelze aufträgt und damit eine hochbelastbare Verbindung herstellt. Auch auf dieser Maschine wird das Endprodukt aufgewickelt und als Rollenware zum FFS-Absackbetrieb transportiert.
Abb. 10.5.3.8: Verwendung als Längsnahtextruder (Quelle: W&H)
Abb. 10.5.3.9: Schlauchmaschine POLYTEX für Folien, Verbunde und Gewebe (Quelle: W&H)