11.2.2 Prüfen ausgewählter Qualitätseigenschaften

In diesem Kapitel geht es um Prüfverfahren für Papier, Karton und Pappe. Das Kapitel zeigt das Vorgehen in exemplarischen Fällen. Da im Rahmen dieses Handbuches nicht alle in der Papier verarbeitenden Industrie angewandten Prüfverfahren vorgestellt werden können, soll exemplarisch aus jeder Eigenschaftsgruppe ein Prüfverfahren besprochen werden (ausgenommen sind hier die Prüfungen bezüglich optischer Eigenschaften).

Dies erfolgt in der Form einer Versuchsanleitung, in der die nachfolgenden Fragen beantwortet werden sollen:

• Was ist das für eine Prüfgröße? Welchen praktischen Sinn hat das Bestimmen dieser Prüfgröße?
• Welche Forderungen stellt die entsprechende Prüfvorschrift bezüglich der Versuchsausführung? Was ist bei der Vorbereitung und Durchführung der Messung zu beachten?
• Wie werden die gewonnenen Prüfergebnisse ausgewertet, und welche Berechnungen sind erforderlich, um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten?

Den Abschluss einer jeden Versuchsanleitung bildet ein Abschnitt, in dem Fragen zur Messgröße, zur Durchführung der Messungen oder zur Bewertung der Messergebnisse zusammengestellt sind. Auch Fragen zur produktionstechnischen Bedeutung von Messgrößen und zu Zusammenhängen zwischen verschiedenen Messgrößen werden gestellt. Die Beantwortung dieser Fragen soll die Kenntnisse zur untersuchten Messgröße vertiefen.

Aufbau eines Versuchsprotokolls
Über jeden Versuch ist ein Versuchsprotokoll anzufertigen. Da es für den Aufbau solcher Versuchsprotokolle keine verbindlichen Vorgaben gibt, wird hier eine Möglichkeit der Gestaltung vorgestellt. Das Versuchsprotokoll beginnt mit einem Deckblatt.

Dieses sollte mindestens enthalten:
• Prüfaufgabe (Welche Messgrößen sind zu bestimmen?),
• geprüfter Werkstoff,
• Datum,
• Name/Namen des/der Prüfenden,
• Probeblatt des Werkstoffs (zum Beispiel Probe der Grundeigenschaften – siehe Punkt A).

Es schließt sich der Abschnitt „Grundeigenschaften“ an, der die Messtabellen zur flächenbezogenen Masse und der Dicke des Werkstoffs sowie die Berechnungen zur Rohdichte und zum spezifischen Volumen beinhaltet. Es sei hier nochmals darauf hingewiesen, dass die Grundeigenschaften immer zu bestimmen sind, gleichgültig welche Messgrößen noch zu erfassen sind. Die Bewertung eines Werkstoffs ohne die Kenntnis der Grundeigenschaften macht in den meisten Fällen wenig Sinn.
Der nächste Abschnitt beinhaltet die Messtabellen der in der Prüfaufgabe genannten Größen. Dies kann nur eine einzelne Messgröße sein, kann aber auch mehrere Messgrößen umfassen. Der letzte Abschnitt befasst sich mit der Versuchsauswertung. Hier werden eventuell erforderliche Berechnungen durchgeführt (soweit diese nicht bereits im vorigen Abschnitt erfolgte) und die in der Versuchsanleitung gestellten Fragen werden beantwortet.

Arbeitsschutz und Unfallschutz
Wie an allen anderen Arbeitsplätzen auch, gibt es für den Umgang mit Messgeräten und für die Arbeit im Prüflabor entsprechende Vorschriften.Während für die Messgeräte im Allgemeinen die Bedienungsvorschriften der Hersteller verbindlich sind, gibt es für jedes Prüflabor eine Laborordnung, die sowohl das Verhalten der Mitarbeiter (Schutzkleidung, Pausengestaltung usw.) als auch den Einsatz von Schutzmitteln (Feuerlöscher, Notaustaster usw.) beziehungsweise Hilfsmitteln (zum Beispiel zur ersten Hilfe) vorschreibt. Wichtig ist dabei, dass niemand Arbeiten durchführen darf, der nicht vorher aktenkundig belehrt und in die Prüfverfahren und Prüfgeräte eingewiesen wurde.

Allgemeinverbindliche Vorbemerkungen
Um nicht in jeder Versuchsbeschreibung mit den gleichen Vorbemerkungen zu beginnen, finden sich hier zwei allgemeinverbindliche Hinweise auf Normen, die bei jeder Art von Prüfungen zu Rate zu ziehen sind.

• DIN EN ISO 186: Papier und Pappe – Probenahme zur Bestimmung der Durchschnittsqualität
(Vergleich auch Band 1 Handbuch für den Packmitteltechnologen, Lernfeld 2, Abschnitt 4 „Prüfung der Grundeigenschaften von Papier, Karton, Pappe und Kunststofffolien“)
• DIN EN 20187: Papier, Pappe und Zellstoff – Normalklima für die Vorbehandlung und Prüfung (Vergleich auch Band 1 Handbuch für den Packmitteltechnologen, Lernfeld 2, Abschnitt 4)

Inwieweit die Vorschriften dieser Normen Beachtung finden, hängt sicher auch von der Art und dem Umfang der Prüfaufgabe ab. Jedoch sollte dies vor Beginn der Messungen sorgfältig geprüft werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Messungen im Rahmen eines Qualitätsmanagements erstellt werden. Darüber hinaus wird bei der Beschreibung der einzelnen Prüfungen auf zu detaillierte Angaben zur Gerätebedienung verzichtet, sofern diese nicht allgemeingültigen Charakter haben. Bei der konkreten Bedienung der Geräte muss mit Rücksicht auf die Vielzahl unterschiedlicher Bedienerkonzepte auf die entsprechenden Bedienungsanweisungen der Hersteller verwiesen werden.

A: Bestimmung der Grundeigenschaften
Obwohl die Grundeigenschaften von Papier, Karton und Pappe aus eigentlich sechs einzelnen Teilen bestehen, werden diese häufig als Gesamtaussage zusammengefasst, weil die Beurteilung eines solchen Werkstoffs ohne die Kenntnis der Grundeigenschaften eigentlich nicht sinnvoll möglich ist. Lediglich die Bestimmung der Faserlaufrichtung (MD – machine direction, CD – cross direction) und der Zweiseitigkeit (OS – Oberseite, SS – Siebseite) wird nicht generell durchgeführt. Einerseits erfolgt die Bestimmung dieser Größen im Allgemeinen nur durch visuelle Beurteilung, andererseits ergeben sich diese Aussagen oft durch Analyse der Ergebnisse anderer Prüfgrößen.

Grundeigenschaften von Papier und Karton

Flächengewicht (Geometrische Eigenschaft)
Das Flächengewicht gibt das Gewicht einer Papiersorte in g/m² an.

Dichte (Geometrische Eigenschaft)
Die Dichte ist das spezifische Gewicht eines Materials. Der Dichtegrad eines Papiers gibt die Kompaktheit seiner Machart an. Hohe Dichte -> gute Glätte.

Spezifisches Volumen (Geometrische Eigenschaft)
Je höher das spezifische Volumen eines Materials, desto höher ist seine Festigkeit/Steifigkeit.

Festigkeit (Mechanische Eigenschaft)
Die Festigkeit von Papier ermittelt man durch Messung von Zug-, Reiß-, Berst-, Biege- und Oberflächenfestigkeit. In der Verpackungsindustrie sind Reiß- und Bruchfestigkeit sowie die Biegesteifigkeit wichtige Parameter.

Faserrichtung (Mechanische Eigenschaft)
Im Papierherstellungsprozess richten sich die Fasern in Maschinenrichtung aus. Die Faserlaufrichtung hat Auswirkungen auf die Steifigkeit sowie auf die Zug- und Reißfestigkeit.

Rauigkeit (Physikalische Eigenschaften)
Die Rauigkeit des Papiers hängt von der Stoffzusammensetzung, der Blattbildung und der Satinierung ab. Ungestrichene Papiere ohne Satinierung -> raue Oberfläche, satinierte und gestrichene Papiere -> glatte Oberfläche.

A1: Papier und Pappe – Bestimmung der flächenbezogenen Masse
Nach DIN EN ISO 536:2012-11
Diese Norm legt ein Verfahren zur Bestimmung der flächenbezogenen Masse von Papier und Pappe fest.

1 Begriff
Die flächenbezogene Masse ist die Masse einer Flächeneinheit von Papier oder Pappe und wird durch ein spezielles Prüfverfahren ermittelt. Sie gibt an, wie viel Gramm ein Quadratmeter des Werkstoffs wiegt und wird demzufolge in g/m² angegeben. Die Prüfungen erfolgen in klimatisierten Räumen, weil Papier oder Pappe ihr Gewicht in Abhängigkeit von der Luftfeuchtigkeit verändern.

2 Probenanzahl und Probengröße
Folgt man den Vorschriften der Norm, so sind aus mindestens fünf Probestücken des Materials mindestens 20 Proben zu entnehmen, die jeweils eine Fläche von 500 bis 1000 cm² aufweisen sollen. Für jede der 20 Proben soll nun die exakte Fläche und die exakte Masse festgestellt werden.

Diese Verfahrensweise verbraucht nicht nur erheblich Material, sondern bindet auch Zeit in großem Umfang. Deshalb wird in vielen Labors eine von der Norm eigentlich als Ausnahme formulierte Regelung genutzt, die die Verwendung von Proben mit einer Größe von 100 cm² gestattet. Auch die Anzahl der Proben wird häufig auf die bei anderen Prüfverfahren geforderte Probenanzahl von zehn reduziert, entspricht aber nicht den Forderungen dieser Norm.

Es ergeben sich also:

10 Proben mit den Abmessungen 100 mm x 100 mm (= 1 dm²) oder
10 runde Proben mit einer Fläche von 100 cm² (= 1 dm²).

Die Proben können entweder mit der Laborschere zugeschnitten oder mit einem speziellen Kreisschneider hergestellt werden. Die Bestimmung der flächenbezogenen Masse erfolgt an klimatisierten Proben.

3 Durchführung der Prüfung
Zur Bestimmung der flächenbezogenen Masse werden Wägungen auf Analysen- oder Präzisionswaagen durchgeführt. Die Ablesung erfolgt auf drei wertanzeigende Stellen. Bei der zuvor genannten Probengröße müssen allerdings die auf der Analysewaage ermittelten Werte umgerechnet werden, um eine Angabe der flächenbezogenen Masse in der Maßeinheit g/m² zu ermöglichen.

 

Dabei ist:
m   Masse der Probe
A    Fläche der Probe in dm² (hier also 1 dm² = 100 cm²)
g    flächenbezogene Masse in g/m²

-> Hilfestellung: Wie viele Probestücke von 1 dm² Fläche (oder 10 cm mal 10 cm oder 100 mm mal 100 mm) braucht man, um eine Fläche von 1 m² abzudecken?

4 Auswertung
Für die Messwerte ist ein Messprotokoll anzufertigen. Aus den Einzelmesswerten ist der Mittelwert zu bestimmen. Beantworten Sie abschließend die folgenden Fragen:

• Vor Ihnen liegt ein Blatt Papier vom Format A4 mit einer flächenbezogenen Masse von 80 g/m². Wie groß ist die Masse dieses Blatts?
• Was sagt der Begriff „flächenbezogene Masse“ aus? Beschreiben Sie diesen Begriff mit eigenen Worten.
• Nennen Sie von mindestens drei Werkstoffen, die Sie in ihren Unternehmen verarbeiten, die Messwerte für die flächenbezogene Masse. Besprechen Sie diese Aufgabe eventuell auch mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern.

A2: Papier und Pappe – Bestimmung der Dicke, der Dichte und des spezifischen Volumens
Nach DIN EN ISO 534:2012-02
Diese Norm legt zwei Verfahren zur Messung der Dicke von Papier und Pappe fest. Des Weiteren legt sie Berechnungsverfahren für die scheinbare Dichte und das scheinbare spezifische Volumen dieser Werkstoffe fest. Scheinbare Dichte, scheinbares spezifisches Volumen: Papier und Karton haben feinste Hohlräume. Daher spricht man hier von scheinbaren Werten wie scheinbarer Dichte und scheinbarem spezifischem Volumen. Im Fall der „scheinbaren Dichte“ spricht man auch von Rohdichte. Dabei handelt es sich um die „geometrische Dichte“ eines porösen Körpers, Porenräume inklusive.

1 Begriff
Die Dicke ist ein Ausdruck für die „Bogenhöhe“, sie gibt also den senkrechten Abstand zwischen den zwei parallelen Oberflächen des Werkstoffes an. Sie gehört neben der flächenbezogenen Masse zu den Grundeigenschaften eines Papiers oder einer Pappe. Die Norm unterscheidet dabei zwei unterschiedliche Angaben, je nachdem, auf welche Art und Weise die Dickewerte bestimmt wurden.

a) Einzelblattdicke
Abstand zwischen einer Oberfläche eines Papiers oder einer Pappe zur anderen – gemessen an einem Einzelblatt,
b) Mittlere Dicke eines Einzelblatts
Dicke eines einzelnen Blattes Papier (nicht für Pappe), berechnet aus der Dicke mehrerer übereinander liegender Blätter eines Stapels.

Diese Unterscheidung führt vor allem bei der Angabe der Mittelwerte zu schwer zu trennenden Wortspielen. (nach a: mittlere Einzelblattdicke, nach b: mittlere Dicke des Einzelblatts) Da das Verfahren nach b) meist nur für extrem dünne Werkstoffe eingesetzt wird, soll hier darauf verzichtet werden.

2 Probenanzahl und Probengröße
Mindestens 20 Proben der Abmessung mindestens 60 mm x 60 mm
Da die Bestimmung der Grundeigenschaften zu den für jeden zu prüfenden Werkstoff immer durchzuführenden Messungen zählt und deshalb bereits mindestens zehn Proben mit den Abmessungen 100 mm x 100 mm aus der Bestimmung der flächenbezogenen Masse zur Verfügung stehen, können diese für die Messung der Dicke weitere Verwendung finden, wenn nicht Knicke, Falten oder Risse eine exakte Dickenmessung verhindern.

3 Durchführung der Prüfung
Es werden je Probeblatt zwei Dickemesswerte aufgenommen, sodass insgesamt 20 Messwerte vorliegen (bei 20 Probeblättern nur eine Messung je Blatt). Dabei muss der Messtaster des Dickenmessgerätes stets mindestens 20 mm von jeder Kante der Probe entfernt sein. Das zweimalige Messen an der gleichen Stelle ist zu vermeiden.

Zur Prüfung werden Dickenmesser mit einem vorgegebenen Tasterdruck verwendet. Dieser Tasterdruck ist ebenso wie der Durchmesser des Tasters von den zu prüfenden Werkstoffen abhängig (Papier, Pap-pe, Wellpappe, Tissue). Die entsprechenden Angaben sind den Anleitungen der Gerätehersteller zu entnehmen.

4 Auswertung
Die Messergebnisse für die Dicke des Werkstoffs werden in einem Messprotokoll zusammengefasst. Die mittlere Einzelblattdicke wird berechnet. Das Ergebnis wird in Mikrometern an drei signifikanten Stellen angegeben. Deneben sind der größte und der kleinste Wert der Einzelblattdicke anzugeben. Unter Nutzung der Ergebnisse der Dickenmessung und der Messung der flächenbezogenen Masse werden berechnet:

• Scheinbare Blattdichte:

 

Dabei ist:
ds   scheinbare Dichte in g/cm³
g   flächenbezogene Masse in g/cm²
δ   mittlere Einzelblattdicke in 
µm

Das Ergebnis ist auf zwei Dezimalstellen anzugeben.

• Scheinbares spezifisches Volumen des Einzelblattes

 

Dabei ist:
vs    scheinbares spezifisches Volumen in cm³/g
g     flächenbezogene Masse in g/m²
δ     Mittlere Einzelblattdicke in μm

Das Ergebnis ist auf zwei Dezimalstellen anzugeben.

Stellen Sie zur Vertiefung Ihrer Kenntnisse folgende Überlegungen an:
• Welche Bereiche der flächenbezogenen Masse lassen sich den Begriffen „Papier“, „Karton“ und „Pappe“ zuordnen?
• In welchen Größenordnungen sind die Dicken von typischen Verarbeitungspapieren zu erwarten?
• Für welche Eigenschaften von Papier und Karton könnten die Eigenschaften spezifisches Volumen beziehungsweise scheinbare Dichte ausschlaggebend sein?

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