Typocards – eine kritische Besprechung

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Die insgesamt 62 Typokarten decken unter anderem Themen wie Schriftgeschichte, Schriftarten, Buchstabenformen, typografische Zeichen, Ligaturen und diakritische Zeichen, Satzarten und Fonttechnologie ab. Eine umfangreiche Themensammlung auf 62 Karten und somit 124 Seiten im Format 12 x 8 cm.

Die Erläuterungen sind jedoch sehr knapp und stellenweise oberflächlich bzw. irritierend. Somit stellt sich die Frage, wer die Zielgruppe der Karten ist, denn durch die Kürze der Erläuterungen fehlt oft die Vermittlung des tieferen Verständnisses. Oft ist es beim Lesen so, dass man vermuten kann, was der Autor sagen wollte, aber ein Einsteiger versteht wahrscheinlich nur Bahnhof oder lernt etwas auswendig, das er nicht verstanden hat. Nur ist dies nicht sinnvoll.

Durch die extrem kurzen Erläuterungen entstehen auch falsche Zusammenhänge bzw. es kommen auch konkrete Fehler dazu. Hier einige Beispiele:

So wird z.B. die »Entwicklung der Druckschriften« anhand der Reihenfolge der DIN-Schriftklassifikation aufgeführt, was spätestens nach den serifenlosen Schriften irreführend ist, denn dann hört ja die historische Reihenfolge auf. Denn die Entwicklung endet ja nicht, wie diese Reihung impliziert, mit den gebrochenen Schriften.

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Die Darstellung der Entwicklung der Kleinschreibung geht zwar von der Unziale, über die Halbunziale zur Renaissance-Antiqua, gezeigt wird jedoch die Centennial (oder eine sehr ähnliche Schrift), die sich zwischen Barock- und Klassizistischer-Antiqua einordnen lässt.

Serifenlosen Schriften als »Konstruierte Anmutung ohne Schnörkel« zu beschreiben, um dann auf der Vorderseite die alles andere als konstruierte Syntax aufzuführen, hilft nicht wirklich, sondern führt zu platten Halbwahrheiten.

Die Ausführungen zum Geviert schaffen eher Verwirrung, statt dass sie aufklären. So wird behauptet, dass jeder Buchstabe mittig auf dem Geviert steht. Oder man liest die »Formel«: »Schriftgeviert = Schriftgrad hoch 2« und fragt sich, was das dem Leser bringt. Ein 12 pt Geviert sind demnach 144 Quadrat-pt. Aber in wiefern hilft dies dem Typografen?

Erklärungen wie zu serifenbetonte Linear-Antiqua lassen mehr Fragen offen, als sie beantworten:
»Schriftschöpfung zu Beginn des Industriezeitalters im 19. Jahrhundert. Darum die statische und schwere Anmutung.«
Und warum jetzt? Weil Dynamik und Schnelligkeit mit der Industrialisierung Einzug hielt?
Zudem wurden die ersten Egyptienne-Schriften aus den klassizistischen Schriften abgeleitet, was man an der Clarendon noch gut erkennen kann. Das wäre eine interessante Information gewesen.

Auch verallgemeinernde Behauptungen wie etwa, dass sich Kapitälchen in OpenType-Fonts befinden, erklären nichts und sind so auch nicht richtig. Es gibt viele Schriften im Format OT ohne, dass sie Kapitälchen enthalten würden. OT-Fonts bieten lediglich die technische Möglichkeit, dass Kapitälchen in einem Schriftschnitt vorhanden sein können.

Oder was sagt uns folgende »Erklärung« des Wortes »kursiv«?
»Stammt vom lateinischen cursiva und bedeutet laufend, fortlaufend. Für den Schriftsatz kann dies übersetzt werden mit schnell schreiben. Dies erklärt die nach rechts geneigte Lage.« Aber eigentlich erklärt dieser Satz nichts.

Der einleitende Satz in der Werbung des Verlages – »Perfektion beginnt im Detail.« – passt leider nicht zu diesen Typocards. Und das Kartenset auch noch »Kompendium« zu nennen ist defintiv übertrieben.
Die zwei Ausführungen unterscheiden sich lediglich in der Verpackung. Der Schuber ist schön, aber alleine dafür 12 Euro mehr auszugeben, ist zwar vom Material und der Verarbeitung gerechtfertigt, aber für die meisten eher nicht sinnvoll.

Autor Reinhard Albers
Verlag Niggli Verlag
ISBN 9783721207231 (Schuber), 9783721207323 (Box)
Preis 24,00 Euro (Schuber), 36,00 Euro (Box)

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