10.5.5 Etikettenherstellung
Erst in den 30er-Jahren wurden Selbstklebeetiketten erfunden. Der Amerikaner Ray Stanton Avery (1907-1997) präsentierte 1935 unter dem Namen „Kum-Kleen“ einen neuartigen Preisaufkleber. Dieser war auf der Rückseite mit Kautschukklebstoff bestrichen und konnte, dies war die Revolution, aufgeklebt und später wieder abgezogen werden. Zuvor waren Etiketten aufgeklebt worden, indem man die jeweilige Oberfläche mit nassem Klebstoff bestrich.
In Deutschland zeichnete für die Entwicklung und Verbreitung der ersten Haftetiketten die Feinpapiergroßhandlung Wilhelm Jäckstädt verantwortlich. Ende der 40er-Jahre brachte sie eine selbstklebende Postkarte auf den Markt. Damit hatte der Siegeszug der Selbstklebeetiketten begonnen. Vor allem in den 60er-Jahren steigerte sich die Nachfrage aufgrund der vielfältigen industriellen Anwendung gewaltig.
Durch den Etiketten-Boom und die Gründung eines Verbandes im Jahr 1958 wurde der Fortschritt im Bereich der Selbstklebeetiketten stark beschleunigt. Neuentwicklungen in der Drucktechnik, bei den Klebstoffen oder auf dem Sektor der Etikettierung brachten die selbstklebenden Produkte ebenso voran wie neue Kunststoffmaterialien oder die Möglichkeit zum Bedrucken der Etiketten mit variablen Daten. Heutzutage sind Etiketten in vielen Branchen etabliert, sie können in Gestaltung und Form dem jeweiligen Einsatzzweck problemlos angepasst werden.
Einsatzzweck
Etiketten haben heute nicht mehr nur dekorativen Charakter, sondern werden in fünf zu unterscheidenden Funktionen eingesetzt, von denen die Mehrzahl gleichzeitig Anwendung finden:
Etiketten sind
1. Indikatoren: Sie geben Produktdetails und produktrelevante Informationen an – zum Beispiel das Mindesthaltbarkeitsdatum. Indikator kommt vom lateinischen „indicare“ = anzeigen.
2. Verpackungsbestandteil: Etiketten haften immer auf einer Produktverpackung und nehmen hier mehr und mehr Aufgaben wahr, die zur Verpackung selbst gehören – zum Beispiel als Wiederverschließetikett oder Siegeletikett, das das erste Öffnen anzeigt.
3. Marketing Umsetzung: Hier werden zum Beispiel der Markenname oder eine Produktpräsentation realisiert.
4. Kommunikator: Etiketten teilen Informationen zum Produkt mit – über Barcodes, RFID-Anwendungen sowie QR-Codes. RFID: Abkürzung für Radio Frequency Identification; neben Magnetkarte und Barcode zählt RFID zu den weit verbreiteten Identifikationstechniken. Das Gesamtsystem besteht aus Transponder, der drahtlosen Schnittstelle, einer Basisstation zur Identifikation und einer IT-Anbindung. Ziel von RFID-Systemen ist die Identifikation beliebiger Objekte in logistischen Prozessketten sowie die Verknüpfung von Informationen mit diesen Objekten zur Beschleunigung und zur Verbesserung der Logistikprozesse. Die automatische Identifikation wird zukünftig ein „Internet of Things“ (Internet der Dinge) ermöglichen. (Quelle: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/rfid-51808)
QR steht für „Quick Response“ (engl.: schnelle Antwort). QR-Codes sind 2D-Codes, die von Handys, Smartphones und Tablets eingescannt und ausgelesen und in denen Webadressen, Telefonnummern, SMS und freier Text untergebracht werden können. (Quelle: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/qr-code-53515)
5. Produktionsfaktor: Die Herstellung eines Produktes schließt die Etikettierung mit ein: Diese hat einen großen Anteil daran, wie effizient der Produktionsprozess abläuft. So werden über Hochleistungsklebstoffe sehr hohe Verarbeitungsgeschwindigkeiten realisiert – zum Beispiel 200 Packungen pro Minute.
Herstellung von Haftklebeetiketten
Der Etikettendruck läuft seit jeher mit schmalen Druckbreiten (ab 250 Millimeter Bahnbreite bis 500 Millimeter im Standard) überwiegend im Endlosbetrieb (Rolle zu Rolle) ab. Daher nennt man den Etikettendruck auch „Schmalbahndruck“, denn andere Druckerzeugnisse entstehen oftmals in Bahnbreiten von einem Meter bis hin zu mehreren Metern. Bei der Herstellung von Haftetiketten werden alle Druckverfahren eingesetzt.
Etiketten werden aus dem sogenannten Laminat hergestellt. Laminat ist der Verbund aus einem Obermaterial (meist Papier oder Folie), einem darunter liegenden Klebstoff und schließlich dem Trägerband (Liner), auf dem dann auch das fertige Etikett liegt. Das Trägerband dient somit dem Transport. Laminat (von Lateinisch lamina, Schicht) bezeichnet einen Werkstoff oder ein Produkt, das aus zwei oder mehreren flächig miteinander verklebten Schichten besteht. Diese Schichten können aus gleichen oder unterschiedlichen Materialien bestehen. Die Herstellung eines Laminats bezeichnet man als laminieren.
Abb.: 10.5.5.1: Aufbau eines Etiketts (Quelle: Eigene Darstellung)
Das Silikon- oder Trägerband dient beim Stanzen der Haftetiketten und auch danach als „Unterlage“. Vor der Verwendung der Haftetiketten schützt es als „Schutzpapier“ den Klebstoff. Es ist mit Silikon (Silikonisierung) beschichtet. Das Silikonpapier (auch Liner) soll den Klebstoff bis zur Verarbeitung des Etiketts schützen – es muss sich unmittelbar vor dem Aufkleben von diesem abziehen lassen. Für dieses Material sind noch weitere Bezeichnungen gebräuchlich, die sich auf die Funktion beziehen: Trägerpapier, Trennpapier, Schutzpapier, Unterlage, Untermaterial, Ablösepapier, Rückseite oder Abdeckpapier. Mitunter findet man auf dem Silikonpapier schwarze Streifen oder rechteckige Markierungen: Dies sind Steuermarken zur Justierung der Etikettenspendemaschine. Unter anderem kann auch Pergaminpapier als Trägerband Verwendung finden.
Pergaminpapier sollte nicht mit Pergamentpapier verwechselt werden, auch wenn es ähnlich aussieht. Starke Mahlung und hohe Kalandrierung sorgen dafür, dass die Papieroberfläche sehr glatt und wenig saugfähig ist. Pergaminpapier wird vorwiegend bei der Rollenwicklung als Unterlagepapier für Haftetiketten eingesetzt. Info zur Kalandrierung: Das Papier durchläuft in der Herstellung eine Serie von Walzen und wird dadurch sehr glatt.
Bei Bogenware wird zur Erzielung einer besseren Planlage auch Kraftpapier eingesetzt. Kraftpapier ist einseitig gestrichenes Spezialpapier. Es ist dimensionsstabiler und lichtundurchlässiger (opaker) als Pergaminpapier. Es hat auch eine höhere flächenbezogene Masse. Das Wort „opak“ kommt vom lateinischen opacitas = „Trübung“, „Beschattung“. Die Opazität bezeichnet allgemein das Gegenteil von Transparenz, also mangelnde Durchsichtigkeit beziehungsweise mangelnde Durchlässigkeit.
Die Herstellung der Haftverbunde erfolgt in Beschichtungsmaschinen. Diese haben meist eine Arbeitsbreite von einem Meter bis zu zweieinhalb Metern. Auf das Silikon-Rohpapier wird der Silikonlack aufgetragen und getrocknet. Der Klebstoff wird mit Spezial-Auftragswerken in dünner Schicht entweder auf das Silikonpapier (Transferverfahren) oder auf das Etikettenmaterial (Direktverfahren) aufgebracht.
Klebstoffe in der Etikettenherstellung
Haftklebstoffe auf Lösemittelbasis: Die Rohstoffe (Kombination von verschiedenen Kautschuk- und Harzsorten, Weichmachern und Stabilisatoren) werden in einem organischen Lösemittel gelöst und als Klebstofflösung aufgetragen. Es ist theoretisch möglich, für nahezu jeden Bedarf einen entsprechenden Haftklebstoff auf Lösemittelbasis zu entwickeln.
Organische Lösemittel sind flüchtige Verbindungen, die andere Stoffe (zum Beispiel Farben, Kleber) lösen oder verdünnen, ohne sie chemisch zu verändern. Meist handelt es sich dabei um Stoffgemische und nicht um Einzelsubstanzen. Die Gemische setzen sich in der Regel aus den Substanzklassen der Aldehyde, Ketone, aliphatische und aromatische Kohlenwasserstoffe, Alkohole und Ester zusammen.
Haftklebstoffe auf Dispersionsbasis: Bei diesem System werden Polymere und Harze im Wasser so fein verteilt (dispergiert), dass sie sich nicht mehr mischen. Zur Stabilisation dieses Zustandes werden als Hilfsmittel Emulgatoren eingesetzt. Sie haben die Aufgabe, die feinen Tröpfchen „auf Distanz“ zu halten. Sie sind die Ursache dafür, dass Dispersions-Klebstoffe in beschichtetem Zustand immer eine Feuchtigkeitsempfindlichkeit besitzen.
Schmelzhaftklebstoffe: Dies ist ein Haftklebstoff, der vor der Beschichtung auf rund 180°C erwärmt wird. Dadurch wird er flüssig und kann mit Walzen oder Düsen aufgetragen werden. Auf Raumtemperatur abgekühlt wird die aufgetragene Masse fest und entfaltet ihre Klebwirkung.
Bei Etiketten-Klebern unterscheidet man zwei Hauptgruppen:
● Acryl-Kleber
Acryl ist eine Sammelbezeichnung für Substanzen, die sich chemisch durch die Acrylgruppe (CH2=CH–COR) auszeichnen (wie zum Beispiel die Acrylsäure oder Acrylsäureester) und für Polymere dieser Stoffe. Der Begriff wurde vom lateinischen acer „scharf“ oder griechischen ákros „höchst; Spitzen-“ wegen des scharfen Geruchs der Acrylsäure abgeleitet. Acryl wird unter anderem in Form von Acrylfugenmasse verwendet, die zum Füllen und Abdichten von Dehnungsfugen oder Spannungsrissen dient (Fugendichtung).
● Kautschuk-Kleber
Wortherkunft für Kautschuk: indianisch: cao (für Baum) und ochu (für Träne); zusammen „Träne des Baumes“. Naturkautschuk wird meist in Südostasien aus Latex gewonnen, dem Milchsaft des ursprünglich aus Brasilien stammenden Kautschukbaums. 60 Prozent des weltweiten Kautschuk-Bedarfs werden heute jedoch durch petrochemisch hergestellten Synthesekautschuk gedeckt.
Um diese Klebstoffe bei Etiketten sofort zu erkennen, kann man einen kleinen Test durchführen: Man nehme ein Etikett, löse es vom Trägerband ab und falte es so, dass man zwei Klebehälften zusammenfügen kann. Anschließend zieht man die klebende Stelle wieder auseinander. Dabei kann man gegebenenfalls beobachten, dass sich feine Fäden – ähnlich wie Kaugummi – ziehen. Je mehr diese Fäden zu sehen sind, desto höher ist der Kautschukanteil im Kleber. Zeigen sich gar keine Fäden, handelt es sich um einen reinen Acrylkleber.
Abb. 10.5.5.2: links ein Etikett mit Acryl-Kleber, rechts Kautschuk-Kleber. Anwendungen für Acryl- oder Kautschuk-Kleber (Quelle: Bluhm Systeme GmbH)
Beide Klebstoffgruppen haben ihre typischen Einsatzbereiche. Acryl- Kleber eignet sich für Etiketten auf glatten Oberflächen. Durch seine „harte“ Struktur hat er sehr gute Klebeeigenschaften auf glatten Oberflächen. Bei einer rauen Oberfläche tritt die Situation auf, verbindet sich der „harte“ Kleber nur mit der Oberfläche der Struktur und dringt nicht in das Material ein. Daraus resultiert eine schlechtere Klebeeigenschaft auf diesen rauen Produktoberflächen.
Abb. 10.5.5.3: unterschiedliches Verhalten von Etikettenklebstoffen – oberes Schema: Acryl, unteres Schema: Kautschuk (Quelle: Eigene Darstellung)
Durch seine zähfließende Struktur ergibt sich eine sehr gute Verbindung mit rauen Oberflächen, da der Kautschuk sehr gut in die rauen Vertiefungen eindringt. Bei der glatten Oberfläche hingegen tritt ein deutlicher Nachteil zutage: Bei einem solchen Etikett spricht man vom sogenannten Ausbluten des Klebers. Das heißt: Der Klebstoff quillt an der Seite des Etiketts heraus und hinterlässt kleine Klebstoffpartikel, die sich in einer Sendeanlage aufbauen und zur Blockade des Systems führen können.
Hohe Umgebungstemperaturen und zu warme Lagerung des Etikettenmaterials begünstigen diese Vorgänge.
Quelle: Moritz Kühnel, http://www.bluhmsysteme.com/blog/etiketten-selbstklebeetiketten-kleber/ (redaktionell bearbeitet)
Grundsätzliche Schritte der Herstellung von Etiketten
Das grundsätzliche Herstellungsverfahren des Etiketts besteht aus folgenden Schritten:
1. Herstellen des Laminats: Papier oder Folie wird mit einem Klebstoff versehen und mit dem Trägerband zusammengeführt. Es entsteht eine Materialrolle.
2. Die Materialrolle wird auf ein passendes Format geschnitten (kleinere Rollen mit 250 bis 500 Millimeter Bahnbreite) und der Durchmessergröße der Druckmaschine angepasst (bis zu ca. 4.000 Meter Länge).
3. Die Laminatrolle wird in einer Druckmaschine zum Etikett verarbeitet (Abrollung – Bedruckung – Veredelung – Stanzung – Aufwicklung).
4. Kleinrollenwicklung
Für diese vier Arbeitsschritte werden spezifische Maschinen verwendet.