Augmented Reality und der Einsatz dieser Technologie in der Werbung
Von Freddy Seubert, Beuth Hochschule für Technik Berlin, Studiengang Druck- und Medientechnik Master
Dieser Artikel behandelt eine neuartige Möglichkeit der Produkt- und Markenbewerbung durch die Verwendung innovativer Technologien aus dem Bereich der Augmented Reality.
Mit der steigenden Verbreitung von internetfähigen PCs und Smartphones hat auch die Erweiterung der Realität durch computergenerierte Informationen Einzug gehalten. Im weiteren Verlauf dieses Artikels sollen neben der Erklärung der Technologie die bereits existierenden Möglichkeiten aufgezeigt, sowie deren bereits umgesetzte bzw. zukünftig mögliche Verwendung durch Werbetreibende untersucht und beschrieben werden.
Inhalt
3.1 Geschichte der Erweiterten Realität
3.2 Funktionsweise der visuellen Erweiterung
1 Relevanz des Themas
Grundsätzlich kann man sagen, dass die Bewerbung von Produkten und/oder Dienstleistungen branchenübergreifend von hoher Bedeutung ist. Alleine aus diesem Grund lohnt es sich oftmals, über die neuesten Möglichkeiten der Werbung im Bilde zu sein.
Doch gerade in der Medienbranche spielen neue webbasierte Technologien eine große Rolle, da sich ein großer Teil dieser Branche auf dem Gebiet der Entwicklung von Internetanwendungen bzw. ganzheitlicher Werbekampagnen (also unter Berücksichtigung der Onlinewerbung) abspielt.
Meine persönliche Motivation hinter der Bearbeitung dieses Themas ist, dass ich freiberuflich neben dem Studium als Webentwickler und -designer arbeite und die Augmented Reality auch hier, v.a. im Bereich der User Interfaces und der Navigation, zahlreiche neue Möglichkeiten mit sich bringt.
2 Entwicklung der Werbung
Die Schaltung von Werbeanzeigen in Zeitungen und Magazinen nahm 1850 seinen Anfang. Seit diesem Zeitpunkt stiegen die Werbeausgaben und damit auch die Masse an Werbekampagnen beträchtlich. Heute gibt es kaum einen werbefreien Ort im öffentlichen Raum.
Doch Werbung muss in erster Linie die Aufmerksamkeit des Betrachters erregen, um Erfolg zu haben. Dies wird allerdings auf Grund der Reizüberflutung der Rezipienten immer schwieriger.
Schon seit Beginn der kommerziellen Werbung werden immer neue, frische Werbemöglichkeiten gesucht, über welche man sich die Aufmerksamkeit des Betrachters noch sichern kann. Dies sind zum einen neue Kanäle, zum anderen aber auch die Art der Aufmachung. Letzteres sieht man gut bei der Gegenüberstellung einer Anzeige aus vergangenen Tagen und einer etwas zeitnaheren:
Nachdem nun selbst die Online-Werbung, selbst mit animierten Flash-Bannern, immer weniger Aufmerksamkeit erzeugt, ist es vielleicht wieder Zeit für eine neue Form der Werbung?
3 Erweiterte Realität
Unter Erweiterte Realität (von engl. Augmented Reality, AR) versteht man die Erweiterung der Realitätswahrnehmung durch computergenerierte Elemente. Meist beschränkt sich diese Erweiterung auf die visuelle Darstellung von Informationen. Im Spektrum zwischen der Virtuellen Realität (von engl. Virtual Reality, VR), welche immersive, computergenerierte Umgebungen schafft, und der realen Welt, ist die Erweiterte Realität näher an der realen Welt. Sie schafft durch die Leistungsfähigkeit moderner Computerchips eine Verbindung aus natürlicher Umgebung und zusätzlichen Informationen.
3.1 Geschichte der Erweiterten Realität
Schon seit den 90er Jahren wird AR in seinen Varianten in Science Fiction Filmen verwendet. Der Begriff Augmented Reality sowie die erste real funktionierende Applikation dieser Art wurden sehr wahrscheinlich bei Boeing erfunden, da die Mitarbeiter bei der Verkabelung von Flugzeugen keine Fehler machen durften und sie aus diesem Grund mit einem mobilen Gerät ausgestattet wurden, welches computergenerierte Zusatzinformationen zur Verfügung stellte und diese mit der visuellen Realität verband. Natürlich erkannte auch das Militär schnell die Möglichkeiten dieser Technologie und trieb die Entwicklung stark voran.
3.2 Funktionsweise der visuellen Erweiterung
Ein AR-System besteht in der Regel aus 3 Komponenten:
- Tracking System: Dient der Bestimmung der Position der Kamera bzw. des Benutzers im Raum.
- Szenengenerator: Dieser Teil errechnet die zusätzlichen Informationen sowie deren Positionierung und ist ebenfalls ggf. für das Compositing der realen und virtuellen Teile zuständig.
- Anzeigegerät: Dies ist das Display oder der Projektor mit dessen Hilfe die Informationen dargestellt werden.
Dabei wird im Allgemeinen zwischen zwei verschiedenen Arten von AR-Systemen unterschieden:
- Optische Systeme: Die zusätzlichen Informationen werden, zum Beispiel über halbdurchlässige Spiegel in die reale Umgebung eingebunden.
- Videobasierte Systeme: Die zusätzlichen Informationen werden erst mit einem Abbild der Realität verrechnet und dann über ein Display angezeigt.
In Bezug auf das Anzeigegerät lassen sich weiterhin verschiedene Kategorien von AR-Anwendungen spezifizieren:
- Head-Mounted-Display: Die Informationen werden entweder über einen halbdurchsichtigen Spiegel auf die Netzhaut des Benutzers gesendet (optisches System) oder aber über eine Display-Brille angezeigt (videobasiertes System).
- Projektionsdisplay: Die zusätzlichen Informationen werden direkt auf die Umgebung projiziert.
- Handheld Display: Die zusätzlichen Informationen werden im Display eines mobilen Geräts (z.B. Mobiltelefon, Multimedia-Gerät) angezeigt.
- Computer Display: Die zusätzlichen Informationen werden auf dem Computermonitor angezeigt.
Die letzten beiden Kategorien sind die bisher am weitesten verbreiteten und werden auch heute schon für professionelle Applikationen verwendet. Die Geräte, welche im Mittelpunkt der AR-Entwicklung stehen, sind:
- Mobiltelefone (Kamera muss vorhanden sein, oftmals werden auch Lagesensoren und GPS-Sensor vorausgesetzt und von der Applikation verwendet)
- Internetfähige PCs (eine Kamera muss vorhanden sein, oft wird auf Grund der Masse von anfallenden Daten eine Breitbandverbindung vorausgesetzt)
Gerade den AR-Anwendungen für Smartphones, also Mobiltelefonen mit einer weitreichenden Multimedia- und Sensorenausstattung wird hier eine große Zukunft prophezeit. Durch das Zusammenspiel verschiedener Technologien wie Kompass, Accelerometer und GPS entsteht „Das magische Auge“ (DE:BUG.138).
Die eigentliche Aufgabe von AR-Programmen ist die Analyse des Sichtfelds über die Kamera des Endgeräts, die Erkennung von Flächen, auf welchen Informationen dargestellt werden können bzw. von vorhandenen Informationen wie Gesichtern etc. sowie die Bereitstellung der zusätzlichen Informationen und deren Integration ins Bild. Hierzu existieren zwei technische Ansätze:
Markerbasiertes optisches Tracking
Für den Einsatz videobasierter Augmented Reality existieren einige markerbasierte optische Tracker Systeme. Die verwendeten visuellen Marker sind meist abstrakte, eckige Zeichen.
Der Tracker sucht den eingehenden Videostrom nach solchen Markern ab und berechnet anhand der gefundenen Markern die äußere Orientierung der Kamera in Bezug zu diesen.
Markerloses optisches Tracking
Das markerlose optische Tracking funktioniert durch zwei Prinzipien: Einerseits werden vom Trackersystem starke Kontrastunterschiede im sichtbaren oder infraroten Bild erkannt (bspw. der Kontrast zwischen der Pupile und dem Weißen eines Menschen zum Tracking der Augen), andererseits werden aufeinanderfolgende Bilder verglichen, um eine mögliche Bewegung der Kamera festzustellen (hierbei verschieben sich die markanten Punkte). Mit dem markerlosen Tracking ist zum Beispiel die Gesichtserkennung möglich.
3.3 Beispiele
Viele AR-basierte Anwendungen haben sich schon fest im öffentlichen Raum etabliert. Aufgrund der größten Reichweite ist das beste Beispiel dafür die Erweiterung durch computergenerierte Informationen im Bereich der Sportübertragung: So wird schon seit einigen Jahren bei der Übertragung von Fußballspielen eine virtuelle Abseits-Linie in fragwürdigen Zeitlupen eingeblendet.
Aber diese Systeme blenden die entsprechenden Grafiken nur für eine Position mit dem zugehörigem Blickwinkel ein. Die AR-Systeme der nächsten Generation sind jedoch in der Lage, die Darstellung auf die Position und Ausrichtung des zu überlagernden Objekts anzupassen.
Es folgen beispielhaft zwei aktuelle AR-Anwendungen mit einer kleinen Beschreibung:
Wikitude
Dieses Programm verknüpft die per Gerätekamera und Sensoren gesammelten Informationen mit aus dem Internet abgerufenen Daten zur jeweiligen Umgebung. Letztere umfassen beispielsweise die Bereiche Sehenswürdigkeiten, Restaurants, Banken, und viele weitere.
GE ecomagination
(http://ge.ecomagination.com/smartgrid/#/augmented_reality)
Beispielhaft für eine Vielzahl solcher Anwendungen im Internet sei die Applikation ecomagination der Firma GE aufgeführt. Diese vermittelt zwar keine zusätzlichen Informationen, sorgt aber durch die Verwendung der Augmented Reality für eine hohe Awareness bei den Nutzern.
Hat man den auf der Seite verfügbaren Marker ausgedruckt, kann dieser von der Applikation über eine angeschlossene Webcam erkannt werden. Nach der Bestimmung der Lage des Markers im Raum wird dann ein 3D-Objekt in die Szene gerendert.
3.4 Probleme
Wie schon im vorigen Abschnitt beschrieben, existieren bereits zahlreiche AR-Anwendungen, sowohl zur Nutzung durch Mobiltelefone (Beispiel: Wikitude) als auch durch PCs (Beispiel: GE ecomagination). Doch nicht alle auf dem Markt verfügbaren Anwendungen sind so ausgereift wie die vorgestellten Beispiele.
Oft haben die Anwendungen mit einem oder mehreren der folgenden Punkte ihr Schwierigkeiten:
- Nachführung der Bilder bei Bewegung der Kamera
- Ausreichende Energieversorgung mobiler AR-Systeme auf Grund hoher Speicherlast und Rechenintensität
- Ausreichende Sensorgenauigkeit bei der Erkennung von Markern (visuell) und Positionen (GPS, Kompass, Neigungs- und Bewegungssensoren)
- Ausreichende Verfügbarkeit und Übertragung der Daten. (vor allem komplexe, texturierte Modelle benötigen zur Übertragung oft eine extrem große Bandbreite)
- Realitätsnahes Compositing (oft werden die zusätzlichen Informationen nicht ausreichend gut in die reale Umgebung eingebunden und wirken fehl am Platz)
- Optimales User Interface (gerade die Eingabe von Informationen für AR-Anwendungen auf mobilen Endgeräten gestaltet sich auf Grund kleiner Hardware-Tasten oft schwierig)
3.5 Einsatzgebiete
Die Erweiterte Realität ist ein bereits vereinzelt eingesetztes Werkzeug der Werbeindustrie. Zumindest in der Form der virtuellen Erweiterung von real existierender Werbung. Im Folgenden zwei Beispiele:
Die Erweiterung von Printprodukten
Sollen zusätzliche Informationen wie z.B. 3D-Modelle auf einem Printmedium dargestellt werden, so bietet Augmented Reality hierfür eine Möglichkeit. Durch den Druck von Markern bzw. leicht von der Software analysierbaren Bilddaten in das entsprechende Magazin können durch eine ebenfalls im Magazin abgedruckte Webadresse, auf welcher eine Applikation zur Erkennung des Markers über die Webcam und zum Einbinden der Zusatzinformationen läuft, animierte 3D-Modelle, Videos, Spiele und sonstiges integriert werden. In einigen AR-Blogs im Netz wird diese Technologie gar schon als Print 2.0 bezeichnet.
Ein Beispielvideo (hier zur Vorstellung des neuen Mini) hierzu befindet sich beispielsweise unter: http://memebox.com/futureblogger/show/1419-mini-brings-augmented-reality-into-print-ads
Die Erweiterung von Kameradaten
Das Fastfood-Restaurant Burger King nutzt beispielsweise die AR-Technologie für das Werbemittel Onlinebanner. In diesem Fall kann der Betrachter nach der Aktivierung seiner Webcam einen 1$ Schein in die Kamera halten und bekommt von der Applikation verschiedene Burger angezeigt, welche für einen Dollar erhältlich sind. Hier sieht man auch gut, dass die Software inzwischen auch in der Lage ist, Gesichter zu erkennen – ist kein Dollar-Schein im Bild, so bekommt der Betrachter eine virtuelle Burger King Maske aufgesetzt.
Der Link zu einem Beispielvideo: http://creativity-online.com/work/burger-king-bk-value-menu-banner/17743
Beide Beispiele sorgen für eine hohe Awareness beim Nutzer und, zumindest im ersten Fall, für die Einbindung von Informationen, welche in dieser Art und Weise im verwendeten Medium nicht hätten gezeigt werden können.
4 Fazit & Ausblick
Bisher beschäftigen sich vor allem große Firmen (deutsche Autohersteller, weltweit aufgestellte Energieversorger, usw.) mit den Möglichkeiten der Werbung durch AR. War es in den Anfängen noch erforderlich, eigene Systeme zu programmieren, so existieren inzwischen mehrere, kostenlose wie proprietäre Software-Frameworks, auf welchen eigene Applikationen kostengünstiger als bisher entwickelt werden können. Über das letzte Jahr hinweg wurde die Erweiterung der Realität vor allem auch kommerziell immer häufiger benutzt. Dies wurde auch ermöglicht durch die, wie bereits erwähnt, gestiegene Verbreitung von Smartphones und Webcams.
Mit Sicherheit kann man sagen, dass die Zukunft neue Werbeformen mit sich bringt. Bei einer weiterhin so schnellen Entwicklung der erforderlichen Technologien und einer weiterhin so schnellen Verbreitung von Smartphones bzw. zukünftigen Devices wie AR-Brillen oder ähnlichem, ist es fast schon logisch, dass die Werbeindustrie auf diesen Zug aufspringen und die Präsenz virtueller Werbung durch Applikationen auf zukünftige Generationen nicht mehr befremdlich wirken wird. „Wir wollen eine Welt mit Untertiteln.“ (DE:BUG.138) Mittelfristig wird wohl kaum ein Unternehmen an der Bewerbung durch AR vorbeikommen.
Mittelfristig wird wohl nicht nur die Erweiterung real existierender Werbung, sondern auch die Projektion bzw. Anzeige von rein virtueller Werbung möglich sein.
5 Quellen
Bilder:
Werbeplakate Apple via http://www.apple.com
Foto eines Markers: http://campar.in.tum.de/Chair/TischFeuerWerk (Stand: 09.02.2010)
Foto Gesichtserkennung: http://www.research.ibm.com/ecvg/biom/facereco.html (Stand: 09.02.2010)
Beispielfoto GE ecomaginagion via http://ge.ecomagination.com
Screenshot Wikitude via http://www.wikitude.org/
Informationen:
INTERNET: http://de.wikipedia.org/wiki/Erweiterte_Realität (Stand: 09.02.2010)
INTERNET: http://de.wikipedia.org/wiki/Werbepsychologie (Stand: 09.02.2010)
INTERNET: http://blog.12snap.com/2009/06/realitat-mal-anders-–-augmented-reality-und-ihre-rolle-in-der-werbung/ (Stand: 09.02.2010)
INTERNET: http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,665776,00.html (Stand: 09.02.2010)
MAGAZIN: c‘t 2009, Heft 20
MAGAZIN: DE:BUG.138
DIPLOMARBEIT: Virtualisierung realer Objekte mit Hilfe von Augmented Reality (Autor: Lars Quentmeier)
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