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JOCHEN ROBES ÜBER BILDUNG, LERNEN UND TRENDS
Aktualisiert: vor 1 Stunde 40 Minuten

GenKI: Praktikant, Kollege, Zauberer – und wie wir zusammenarbeiten

10. Oktober 2025 - 11:29

Die Zusammenarbeit mit generativer KI kann in unterschiedlichen Formen und Ausprägungen geschehen. Eine „Human Agency Scale“ (Autonomie-Skala) versucht, diese unterschiedlichen Ausprägungen abzubilden. Christoph Meier (scil) erinnert an diese Skala, verknüpft sie mit den Metaphern „Praktikant“, „Kollege“ und „Zauberer“ und deutet an, was das für die Arbeit von L&D- bzw. Bildungsexpert:innen bedeuten kann. Ethan Mollick ist dabei einer seiner Kronzeugen.

Quelle: Shao, Y., Zope, H., Jiang, Y., Pei, J., Nguyen, D., Brynjolfsson, E., & Yang, D. (2025). Future of work with AI Agents: Auditing automation and augmentation potential across the U.S. workforce. arXiv. https://arxiv.org/pdf/2506.06576

Christoph Meier, LinkedIn, 30. September 2025

Kategorien: Lehren und Lernen

Future Skills und die Zukunft der Weiterbildung

9. Oktober 2025 - 13:15

Im ersten Teil enthält dieser Trendbericht (33 S.) des Schweizer Think-Tanks TRANSIT das, was man in vielen anderen Studien zum Thema heute auch findet: eine Erläuterung, was unter Future Skills verstanden wird, und einen Überblick über prominente Future Skills-Kompetenzrahmen. Anschließend geht die Autorin jedoch noch einen Schritt weiter: sie erinnert zum Beispiel an die normativen Vorstellungen, die mit den verschiedenen Kompetenzrahmen einhergehen. Das betrifft ihre Ziele (individuelle Wettbewerbsfähigkeit vs. gesellschaftliche Transformation), aber auch die mit ihnen verbundenen Vorstellungen von Zukunft (zunehmende Veränderungsgeschwindigkeit und zunehmende Komplexität). Schließlich fragt sie auch nach der Empirie, wenn es um die Effekte von Future Skills geht, denn um Kompetenzen wird ja nicht erst seit gestern gestritten. Future Literacy ist schließlich ein weiteres Stichwort. Dann folgen, im zweiten Teil, die Implikationen für die Weiterbildung. Das ist alles sehr verdichtet, aber interessant.
Helen Buchs, Schweizerischer Verband für Weiterbildung, Juni 2025 (pdf)   

Kategorien: Lehren und Lernen

Lernen, das begeistert: Wie ein Promptathon KI-Kompetenz aktiviert

8. Oktober 2025 - 14:00

Matthias Seiller darf in dieser Folge des Podcasts „WissenVersichert“ des BWV Bildungsverbands über die Promptathons berichten, die bei der DATEV durchgeführt und mit denen bereits über 1.000 Mitarbeitende erreicht wurden. Stichworte sind die Rahmenbedingungen eines Prompathons, der Ablauf, die Formate sowie die Ergebnisse und Rückmdeldungen. Einen Punkt, den manche umtreibt, spricht Mathhias Seiller auch an: Was kommt eigentlich nach dem Promptathon? Welche Folgeformate bieten sich an?
Julia Faller und Laura Keders, Gespräch mit Matthias Seiller, WissenVersichert, 26. August 2025 (via YouTube)

Kategorien: Lehren und Lernen

From 70/20/10 to 90/10

7. Oktober 2025 - 15:41

Philippa Hardman stellt wieder eine These in den Raum: „This week I want to share a hypothesis I’m increasingly convinced of: that we are entering an age of the 90/10 model of L&D.
90/10 is a model where roughly 90% of “training” is delivered by AI coaches as daily performance support, and 10% of training is dedicated to developing complex and critical skills via high-touch, human-led learning experiences.“

Dahinter steckt die Idee, dass man sich Arbeitsprozesse und Aufgaben anschaut und dann entscheidet,
– welche Aufgaben zukünftig ganz von der KI übernommen werden,
– welche Prozesse von der KI unterstützt werden („co-create“, „augment“) und
– hinter welchen Aufgaben „future skills“ stehen, die wir entwickeln müssen, um im KI-Zeitalter zu performen.

In ihrem Beitrag führt sie diesen Gedanken weiter aus.

Zwei Anmerkungen: Dieses 90-10-Modell ist sehr plausibel und schließt an die Stimmen an, die seit Jahren „Performance Support“ als eine neue und erfolgskritische Aufgabe von L&D sehen. In der Praxis liegt die Herausforderung jedoch genau in dem damit verbundenen Rollenwandel: „L&D’s attention shifts from creating content about the work to designing the work itself.“ Das ist mehr als anspruchsvoll!
Philippa Hardman, Dr Phil’s Newsletter, 2. Oktober 2025

Bildquelle: Philippa Hardman

Kategorien: Lehren und Lernen

AI First KM – Wissensmanagement im KI-Zeitalter

6. Oktober 2025 - 13:58

Simon Dückert (Cogneon) versucht in diesem Beitrag, Wissensmanagement und KI zusammenzubringen. Wobei es ihm nicht um Beispiele und Anekdoten geht (da kann heute jede/r sicher sofort etwas beisteuern), sondern um einen systematischen Blick auf die Kernprozesse des Wissensmanagements. Die werden kurz aufgezählt, aber dann wiederum pragmatisch auf die großen Bausteine „Wissen schaffen“ und „Wissen nutzen“ heruntergebrochen und anschließend mit ersten Ideen und einer Einladung zu einer Blogparade verknüpft.

„In der Nutzung von bestehendem, dokumentierten Wissen sehe ich aber ein noch viel größeres Potential. Ein großes Sprachmodell (LLM) kann man sich vorstellen, als eine komprimierte Version des dokumentierten Weltwissens (Internet, Bücher, wissenschaftliche Artikel, Diskussionen uvm.). Ähnlich der GE-Boundaryless-Initiative von Jack Welsh mit dem Ziel eine „grenzenlose Organisation“ zu entwickeln, holt man sich als Organisation mit einem LLM das dokumentierte Wissen und die „Weisheit der Vielen“ in die Organisation. Somit hat man die Möglichkeit, sich viel mehr auf das kritische Wissen zu konzentrieren, dass die eigene Organisation vom Wettbewerb unterscheidet. Und während sich Villabajo noch mit dem Management von unkritischem Allgemeinwissen herumschlägt, hat Villariba schon den Vorsprung durch den fokus auf das kritische Wissen.“
Simon Dückert, Cogneon, 28. September 2025

Kategorien: Lehren und Lernen

Beyond the Classroom & LMS: How AI Coaching is Transforming Corporate Learning

3. Oktober 2025 - 17:23

Vor ein paar Tagen erschien ein Artikel in der Harvard Business Review mit einem mächtigen Versprechen „How Gen AI Could Transform Learning and Development“. Grundlage bildete eine Studie mit 139 Teilnehmenden, die entweder mit Unterstützung eines AI-Tutors oder in einem Virtual Classroom lernten. Das Ergebnis war eindeutig: Alle Parameter sprachen für das Lernen mit einem AI Tutor.

Auch Bildungsexpertin Philippa Hardman hat diesen Artikel gelesen und ihre Schlussfolgerungen gezogen: „For anyone in L&D, the results numbers are more than just interesting: they provide evidence that it might not now just be possible but also preferable and more productive to move corporate L&D out of the classroom and off the LMS and into the workflow.“

Vor diesem Hintergrund spricht sie davon, dass jetzt der langersehnte „shift from ‚courses to coaches'“ in greifbarer Nähe sei. In ihrem Beitrag erläutert sie diesen Wandel im Detail.

Ich kann ihren Argumenten in der Sache gut folgen. Und doch überrascht mich, wofür eine einzige Studie wieder einmal herhalten muss. 139 Befragte (in Singapur …); ein nicht selbsterklärendes Thema („problem framing“); ein AI-Tutor, über dessen konkrete Unterstützung im Artikel wenig zu lesen ist; dann die Ergebnisse, die vor allem auf der Selbstauskunft der Teilnehmenden beruhen.

Vor diesem Hintergrund würde ich vielleicht weniger von Evidenz (Philippa Hardman), sondern mehr von Hinweisen oder Indizien sprechen. Was übrigens meiner generellen Begeisterung für die Analysen von Philippa Hardman keinen Abbruch tut.
Philippa Hardman, Dr Phil’s Newsletter, 25. September 2025

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AI in L&D: The Race for Impact

2. Oktober 2025 - 11:06

Donald H Taylor und Eglė Vinauskaitė haben gerade ihre dritte „AI in L&D“-Studie veröffentlicht. Sie enthält wieder die Ergebnisse einer Umfrage unter L&D-Professionals, eine Reihe von Case Studies und ein Framework, das verschiedene Optionen für L&D aufzeigt, mit diesen Veränderungen umzugehen. 58 Seiten insgesamt.

Blickt man auf die Ergebnisse, so zeigen sich folgende große Linien: Zum einen ist KI im Alltag der Bildungsmanger:innen und -expert:innen endgültig angekommen: „This year L&D passed an inflexion point, with over half of survey respondents now saying they use AI.“ Das ist wenig überraschend.

Zum anderen liegt der Schwerpunkt der KI-Nutzung im Arbeitsalltag unverändert auf der Entwicklung von Lernmaterialien („production of learning content“). Auch das ist ein bekanntes Bild. Dem versuchen Donald H Taylor und Eglė Vinauskaitė (seit der ersten Studie) entgegenzuarbeiten, in dem sie in ihren Case Studies Unternehmen zu Wort kommen lassen, die KI-Tools nutzen, um komplexere Lernumgebungen umzusetzen. Vor diesem Hintergrund sind sie überzeugt, „a definite trend towards more complex uses of AI in L&D“ beobachten zu können.

Die Studie, die man im Tausch für Name und Email erhält, enthält noch weitere Details, streift einige Trends, die aus den offenen Antworten der Studienteilnehmer:innen gelesen werden, und nimmt auch das Stichwort „AI Agents“ kurz auf. 

Sehr nützlich habe ich das Kapitel empfunden, in dem die einzelnen Einsatzschwerpunkte von KI kurz vorgestellt werden. Das verschafft einen guten Überblick über die Möglichkeiten und das Potenzial von KI.
Donald H Taylor und Eglė Vinauskaitė, September 2025 

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WissensTransferCamp 2025

1. Oktober 2025 - 16:17

Am 18. September 2025 fand in der Cogneon Akademie in Nürnberg (und Online) das zweite WissensTransferCamp (#wtc25) statt. Wer (wie ich) nicht dabei sein konnte, kann jetzt auf die Dokumentation des Camps zugreifen: Das sind im Kern 12 Sessions, die sowohl als Aufzeichnung als auch in Form einer KI-gestützten schriftlichen Zusammenfassung zur Verfügung stehen. Eine tolle Ressource!

Im Mittelpunkt des BarCamps standen vor allem Fragen und Erfahrungen zum Einsatz von KI in Prozessen des Wissenstransfers (bzw. Expert Debriefing). Hier ein Überblick über die angebotenen Sessions:


Cogneon, Copedia, September 2025

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Nicht alles glauben, was KI sagt

30. September 2025 - 20:47

Idealerweise prüft man automatisch, was einem KI-Tools präsentieren, bevor man mit den Ergebnissen weiterarbeitet oder sie gar veröffentlicht. Wer sich unsicher ist, was „überprüfen“ genau meint, kann einfach dem PRÜFE-Framework folgen, das Barbara Geyer (HAW Burgenland) entwickelt hat. Es besteht aus fünf Schritten und kurzen Erläuterungen: Plausibilität, Recherche, Überzeugungen hinterfragen, Falsifizieren und Entscheiden.

„Die fünf Schritte bieten eine Struktur, die sich lernen und üben lässt, aber flexibel an den jeweiligen Kontext angepasst werden kann. Sie ersetzen nicht das tiefe Nachdenken, sondern leiten es systematisch an. In einer Zeit allgegenwärtiger KI-generierter Inhalte benötigen wir nicht weniger, sondern methodisch angeleitetes kritisches Denken – auch dort, wo unsere Expertise endet.“
Barbara Geyer, KI in Lehre und Weiterbildung, 29. September 2025

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Lernen neu denken: Der Weg zur erfolgreichen Lernreise

30. September 2025 - 18:58

Man kann Peer Learning-Formate beschreiben und dabei den Fokus auf die Learning Circles (Lerngruppen) legen, wie Nele Graf und Ursula Liebhart es in ihrem aktuellen Buch tun. Man kann aber auch den Aspekt der gemeinsamen Lernreise in den Vordergrund rücken. So hat es Herwig Kummer in seinem Impuls im Rahmen des CLC Lunch&Learn getan, den Gastgeber Joachim Niemeier hier ausführlich zusammenfasst.

Interessant: Herwig Kummer unterscheidet drei Formen der Lernreise:

Stadtführung – die strukturierte Variante
Klar definierte Lernpfade mit Wochenplänen und Übungen. Ideal für Einsteiger*innen, die Orientierung suchen. Beispiele: LernOS, Working Out Loud. …

Safari – die flexible Entdeckungsreise
Der Rahmen ist abgesteckt, aber die Route ergibt sich situativ. Themen und Reihenfolge wählt die Gruppe flexibel – abhängig von Interessen und Gelegenheiten. …

Expedition – die offene Reise ins Unbekannte
Eine Vision oder Leitfrage gibt die Richtung vor. Die Gruppe gestaltet Inhalte, Ablauf und Rollen selbst. Besonders geeignet für erfahrene Peer-Learner.“
Joachim Niemeier, Corporate Learning Community/ Blog, 7. September 2025

Kategorien: Lehren und Lernen

Podcasting an Hochschulen: Was Audioformate für die Wissenschaft leisten können

30. September 2025 - 14:27

Die Hamburg Open Online University (HOOU) feiert ihr zehn-jähriges Jubiläum (wie die Zeit vergeht!). In diesem Zusammenhang ist auch die Broschüre „10 Jahre HOOU – 10 Stimmen zum Podcasting“ entstanden (43 S.). Hier reflektieren die Autor:innen die gelebte Podcast-Praxis an der HOOU und die Erfahrungen, die sie gerade auf dem Feld der Wissenschaftspodcasts in den letzten Jahren sammeln durften. Es geht unter anderem um Diversität im Podcasting, verschiedene Podcasting-Formate und rechtliche Anforderungen. Es gibt zudem einen Bericht aus dem HOOU-Podcast-Labor mit Empfehlungen zur Podcast-Entwicklung. Und es wird, natürlich, von ersten Experimenten mit der Einbindung von KI-Tools berichtet („Wie echt klingt KI?“). Lesenswert. 
Meena Stavesand, HOOU/ News, 1. September 2025 

Bildquelle: Videodeck.co (Unsplash)

Kategorien: Lehren und Lernen

Lernen liebt Wissen

29. September 2025 - 20:29

Ich hinke in diesen Tagen – im doppelten Sinne und nicht nur an dieser Stelle – den Ereignissen hinterher. Denn schon im August hat Harald Schirmer unter dem Dach der Corporate Learning Community zur Teilnahme an einer Blogparade aufgerufen („Lernen liebt Wissen – Blogparade“). Der Anlass der Blogparade bildet das 21. KnowledgeCamp der Gesellschaft für Wissensmanagement (GfWM), das am 23./ 24. Oktober 2025 in Berlin stattfindet. 

Den Startschuss gibt hier Harald Schirmer selbst. Eine seiner Botschaften: „In Netzwerken wächst Wissen durch lernen und sharing exponentiell“. Auch ein Grund, am aktiven Netzwerken mit den Communities von CLC und GfWM in Berlin teilzunehmen.
Harald Schirmer, Blog, 26. August 2025

Bildquelle: Harald Schirmer

Kategorien: Lehren und Lernen

Handlungsorientiertes Lernen & Trainieren in simulierten Situationen: 12. SCIL Trend- & Community Day 2025

29. September 2025 - 8:59

Simulationen und Rollenspiele haben seit Jahren einen festen Platz in der Aus- und Weiterbildung. Da sie sich aber oft an kleinere Zielgruppen mit spezifischen Themen wenden und in der Entwicklung als aufwändig und teuer gelten, laufen sie meist irgendwie mit. Könnte der Einsatz von generativer KI an diesem Befund etwas ändern?

Der 12. SCIL Trend- & Community Day in St. Gallen hat sich genau diese Frage gestellt: „Werkzeuge generativer KI ermöglichen mehr Effizienz und Qualität bei der Entwicklung von Lernumgebungen. Gilt dies auch für Simulationen und Rollenspiele? Können solche hochgradig wirksamen Lernumgebungen jetzt einfacher für verschiedenste Zielgruppen und Szenarien verfügbar gemacht werden? Und wie können Realisierung und Bereitstellung umgesetzt werden?“

In seiner Zusammenfassung des „Trend- & Community Days“ führt uns Christoph Meier durch den Ablauf des Tages. Es wurden aktuelle Forschungs- und Entwicklungsarbeiten vorgestellt, anschließend auf einem Marktplatz erste Lösungen für handlungsorientiertes Lernen auf Basis von generativer KI präsentiert und anschließend von den Teilnehmenden in Gruppenarbeit direkt weitergedacht.

In den Beiträgen zeigt sich eine große und beeindruckende Vielfalt an Entwicklungen. Allerdings wird häufig angemerkt, dass eine realistische, emotionsgetreue Nachbildung von Gesprächssituationen heute noch an Grenzen stößt. In seinem Fazit zeigt sich Christoph Meier trotzdem verhalten optimistisch: 
„- Die Entwicklungen im Bereich GenKI-basierter Rollenspiele und Simulationen gehen schnell voran …
– Die Bandbreite der Lösungen ist gross …
– Die Lösungen beeindrucken und sind entwicklungsfähig …
– Verschiedene Ausprägungen von Rollenspielen und Simulationen in Lerndesigns integrieren …
– Technische Lösungen UND didaktisches Design …“
Christoph Meier, LinkedIn, 23. September 2025 

Bildquelle: SCIL

Kategorien: Lehren und Lernen

Sommerpause – verlängert

22. September 2025 - 18:30

Eigentlich sollte es hier schon lange weitergehen. Aber mit dem Ende der Sommerpause hat der Schreiber dieser Zeilen – etwas unfreiwillig – einen direkten Weg vom Fahrradsattel zum Asphalt versucht. Mit schmerzhaften Folgen, die auskuriert werden wollen. Bitte also noch um etwas Geduld …   

Bildquelle: Elena Obilets (Unsplash)

Kategorien: Lehren und Lernen

Review: Die Kraft der Learning Circles: Umsetzung, Wirkung und Einsatzmöglichkeiten

8. September 2025 - 18:40

Der Umfang des Buches, das vorweg, mag irritieren: 392 Seiten über Learning Circles, über ein Konzept von Peer Learning, das auf dem selbstorganisierten Lernen mit- und voneinander aufbaut? Braucht es wirklich so viele Informationen, um mit dem Lernen ohne Trainer:innen und Referent:innen loszulegen? Die beiden Autorinnen, Nele Graf und Ursula Liebhart, sind schon viele Jahre auf vielen Feldern und in unterschiedlichen Netzwerken der Personalentwicklung aktiv und wollen mit dieser Studie nichts dem Zufall überlassen. Leser:innen sollen in die Lage versetzt werden, Learning Circles nicht nur zu verstehen, sondern auch erfolgreich umzusetzen.

Zum Inhalt des Buches

Das Buch ist in sechs Kapitel aufgebaut. Der Einstieg des ersten Kapitels („Learning Circles – zukunftsweisendes Lernen für alle“) ist mir gleich sehr sympathisch: „Sieht man sich die derzeitigen Diskussionen zu Lernen in organisationalen Kontexten an, so scheint es genau zwei Antworten auf alles zu geben: Künstliche Intelligenz und kollaboratives Lernen.“ (S. 19)

Was folgt, ist eine Standortbestimmung von Learning Circles: Wir erfahren,

  • was Learning Circles sind: freiwillige Lerngruppen mit Teilnehmenden, die individuelle oder gemeinsame Ziele erreichen wollen, die sich mit ganz unterschiedlichen Themen beschäftigen, aber in einem zeitlich befristeten Rahmen, zuweilen angeleitet durch einen Leitfaden und/ oder eine Moderation;
  • wie Learning Circles beim Erwerb von den so wichtigen Zukunftskompetenzen/ Future Skills unterstützen können;
  • wie sie am besten als Formen des agilen Lernens verstanden und umgesetzt werden;
  • und wie sie untrennbar mit der Entwicklung einer lernförderlichen Unternehmenskultur verbunden sind bzw. auf diese einzahlen.

In diesem einleitenden Kapitel wird zugleich ein zentrale Botschaft des Buches betont: Das Konzept der Learning Circles lebt von seinen Anpassungen und Ausgestaltungen (und so erklärt sich auch der Umfang des Buches!). Man muss das Konzept, will man es erfolgreich einführen, an den eigenen Kontext, die eigene Zielgruppe und die eigene Lernkultur anpassen. Dafür stehen die 16 Parameter (!) mit unterschiedlichen Ausprägungsvarianten, die in einer zentralen Übersicht vorgestellt werden (S. 33).

Das zweite Kapitel, „Learning Circles in verschiedenen Epochen, Kulturen und Kontexten – ein Überblick“, zählt verschiedene Konzepte und Beispiele von Learning Circles auf – von der Peer-2-Peer University bis zu Learning Circles bei Mircosoft und SAP. Dann werden die heute bekanntesten Modelle vorgestellt: Working Out Loud (WOL), lernOS und LearningOutLoud (LOL). Dabei werden WOL und LOL als „kommerzielle Konzepte“ von lernOS abgegrenzt. LOL, das sei kurz angemerkt, begegnet mir in der Praxis nur selten.

Damit haben die Autorinnen die Voraussetzungen geschaffen, um auf struktureller, prozessualer und normativer Ebene noch einmal die wichtigsten Merkmale von Learning Circles festzuhalten. Kurze Exkurse, beispielsweise zum Action Learning, zum erfahrungsbasierten Lernen und zur psychologischen Sicherheit, ergänzen das Kapitel. Lediglich einen Exkurs zu anderen Methoden des Peer Learnings wie Communities of Practices, Barcamps, cMOOCs und Peer-to-Peer-Sessions habe ich vermisst.

Ich muss an dieser Stelle allerdings auch kurz erwähnen, dass mich das Wort „demokratisch“, das hier und an vielen weiteren Stellen des Buches gebraucht wird, um das Miteinander in Learning Circles zu beschreiben, im Kontext von Unternehmen und Organisationen immer etwas irritiert.

Das dritte Kapitel („Learning Circles gestalten und managen“) bildet das Herzstück des Buches. Es liefert das Rüstzeug, um Learning Circles Schritt für Schritt in die eigene Organisation einzuführen. Grundlage bildet ein Prozessmodell, das aus fünf Kernphasen besteht: „Von der Idee zur Entscheidung“, „Von der Entscheidung zum Design“, „Elemente einer Begleitung“, „Feedback einholen und Evaluation vorbereiten“ und „Zukunft von Learning Circles: Skalierbarkeit der Ergebnisse“.

Es würde den Rahmen dieser Zusammenfassung sprengen, auf jeden Prozessschritt und jedes Kapitel dieses Modells einzugehen. Deshalb nur einige Anmerkungen:

  • Die Autorinnen empfehlen Personen, die Learning Circles in ihren Organisationen starten wollen, sie „zunächst einmal als Teilnehmende zu erleben, um die Wirkung selbst zu erfahren und authentische Erzählungen liefern zu können“ (S. 101) Das kann man nur unterstreichen.
  • Sehr nützlich ist die Stakeholder-Matrix für Learning Circles (S. 133), um mit geeigneten Maßnahmen Teilnehmende, Führungskräfte, Management, Kolleg:innen, Betriebsrat, IT und Marketing ins Boot zu holen.
  • Facilitator:innen können Learning Circles und ihre Mitglieder unterstützen. Wie die Unterstützung aussehen kann, wird mit den Rollen „Support“, „Mediation“, „Lerncoach“ und „Content Curation“ ausgeführt (S. 155ff.).
  • Leitfäden spielen, vor allem im Rahmen von WOL und lernOS, eine zentrale Rolle für das Lernen in Learning Circles. Zwei Leitfäden werden in Ausschnitten vorgestellt. Gerade die Frage der Leitfäden, Lernmaterialien und Lerninhalte hätte noch etwas ausführlicher dargestellt werden können. Welche Möglichkeiten und Wege werden abseits von WOL und lernOS heute in der Praxis beschritten?
  • Interessant ist der Hinweis, aus den Learning Circles und den Teilnehmenden eine Community of Practice zu entwickeln, um die Effekte von Learning Circles zu verstetigen (S. 252).

Das vierte Kapitel wechselt schließlich die Perspektive: „Mitmachen und mitgestalten: Learning Circles aus Sicht der Teilnehmenden“. Wie finde ich als Lernender den richtigen Circle, wie setze ich meine Ziele, wie bewege ich mich von Woche zu Woche vorwärts bis zu dem Punkt, wo ich schließlich meinen Lernprozess und Lernerfolg reflektiere.

Dieses Kapitel bringt einige neue Punkte ins Spiel (es enthält auch Redundanzen), aber ich habe zwei grundsätzliche Anmerkungen:

  • Ich habe kurz überlegt, ob es nicht sinnvoll gewesen wäre, die Zielgruppe des Buches, die Personalentwickler:innen im weitesten Sinne, hier explizit als Lernende anzusprechen, um den Perspektivwechsel des Kapitels nachvollziehbarer zu gestalten.
  • Zum anderen wird spätestens an dieser Stelle die Darstellung des Lernprozesses sehr komplex. Die Autorinnen stellen das Lernen in Circles als „Lernsprint“ vor, der sich im Wochenrhythmus zwischen Sprintzielen, Sprintplanung, Action, Inkrements und Retros bewegt. Jetzt bringen die WOL- und lernOS-Leitfäden ja schon eine eigene Lerndramaturgie und -didaktik mit, die nicht zwangsläufig eine weitere Einbettung in Lernsprints benötigt. Hier holen die vielen Ausgestaltungsmöglichkeiten von Learning Circles die Autorinnen ein, und das Format wird am Ende doch aufwändiger dargestellt als es sein muss.

Auf die beiden abschließenden Kapitel fünf („Den Erfolg sichern und sichtbar machen – von Risikomanagement über systematische Evaluierung bis zur Kommunikation“) und sechs („Neueste Entwicklungen zu Lernzirkeln“) will ich nur kurz eingehen. Zuerst geht es um die Herausforderungen, die mit der Einführung von Learning Circles verbunden sind. Viele kreisen um das, was die Autorinnen eine „Krux“ nennen: „Learning Circles bedürfen schon in Grundzügen eines neuen Lernverständnisses, das sich durch die Learning Circles allerdings erst herausbilden soll.“ (S. 321)

Ansonsten ist die Forschungslage zur Evaluation agiler Lernformate einfach noch sehr dünn und herausfordernd (selbstorganisiertes Lernen!). Zu den „neueren Entwicklungen“ rund um Learning Circles zählen die Autorinnen die „künstliche Intelligenz, die auf mehreren Ebenen die Gestaltung von Learning Circles unterstützen kann“ (aber noch nicht als Circle-Teilnehmende!), die „Integration von Learning Circles in größere Lernreisen“ (interessant!), sowie „die Nutzung der Frameworks der Learning Circles für einen sehr offenen und dynamischen Lernprozess ohne Rahmenthemen“ (S. 361).

Das Buch besteht noch aus vielen weiteren Bausteinen, die seinen Nutzen für Praktiker:innen und seinen Anwendungsbezug unterstreichen. Dazu gehören über ein Dutzend Fallstudien und Deep Dives, zum Beispiel von RHOMBERG BAU Wien, Robert Bosch, DATEV und Bayer. Unzählige Vorlagen („Lernhacks“) unterstützen die Umsetzung. An ihnen haben weitere Autor:innen mitgewirkt.

Mein Fazit:

Mit „Die Kraft der Learning Circles“ liegt jetzt ein umfassendes Handbuch zum Thema vor, das alle Fragen und Prozessschritte aufnimmt, die mit dem Format, der Einführung und der Auswertung von Learning Circles verbunden sind. Es steht für mich gleich neben dem Praxishandbuch „Barcamps & Co.“, das Jöran Muuß-Merholz 2019 geschrieben hat.

Und erfahrene Personalentwickler:innen werden wissen, wo sie auf die Lernkompetenzen ihrer Zielgruppen vertrauen und als Facilitators im Hintergrund bleiben können. Für sie gilt die abschließende Einschätzung der Autorinnen nicht zwangsläufig: „Die Einführung von Learning Circle-Initiativen ist für deren Initiator:innen in der Regel wesentlich aufwändiger, als es der selbstgesteuerte und eigenverantwortliche Charakter der Methodik zunächst nahelegt: Learning Circles sind hochgradig erklärungsbedürftig … „ (S. 363)

Nele Graf, Ursula Liebhart (2025): Die Kraft der Learning Circles: Umsetzung, Wirkung und Einsatzmöglichkeiten. Verlag Franz Vahlen: München

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Sommerpause

11. August 2025 - 9:58

Der Weiterbildungsblog geht bis Ende August in die Sommerferien. Ich wünsche allen eine schöne, erholsame Zeit! Bleibt/ Bleiben Sie gesund!

Jochen Robes

Bildquelle: Sapan Patel (Unsplash)

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Future Skills Commons – Wir starten!

9. August 2025 - 20:28

Der Startschuss gilt einem neuen Vergleichsportal, das NextEducation und die Future Skills Alliance entwickelt haben. Es nennt sich futureskills4u.org. Ulf-Daniel Ehlers (NextEducation) schreibt darüber: „Unser Ziel: Future-Skills-Ansätze, Kompetenzlisten und Studien transparent, navigierbar und für alle zugänglich machen – im Bildungsbereich, in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft.“

Wenn ich es richtig sehe, sind es derzeit acht Kompetenzlisten, die man steckbriefartig aufgenommen und eingeordnet hat: Future Skills 2030 (Agentur Q), Kompetenzen für morgen (Bertelsmann Stiftung), ETH Zürich Kompetenzraster, MarSkills (Philipps-Universität Marburg), Future Skills 2021 (Stifterverband/ McKinsey & Company), Future Skills (Pechstein & Schwemmle), Future Skills Concept (SBW Haus des Lernens), Future of Jobs Report 2025 & Global Skills Taxonomy (World Economic Forum).

Zum Portal gehören ein Kompetenznavigator und ein Konfigurator, mit dem man sich seine eigene Future Skills-Liste zusammenstellen kann. Vielleicht liegt es an den Nachrichten, die in diesen Tagen kursieren, aber irgendwie habe ich hier spontan auch einen Chatbot erwartet, mit dem ich in einen persönlichen Dialog über Future Skills treten kann.
Ulf-Daniel Ehlers, LinkedIn, 09. August 2025 

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#137 Dr. Daniel Stoller-Schai – Selbstorganisiertes Lernen in einer KI-geprägten Welt

7. August 2025 - 15:12

Ich habe mir gerade den Podcast angehört, den Yvo Wüest (als Gastgeber) und Daniel Stoller-Schai zusammen aufgenommen haben (37:13 Min.). Aufhänger ist natürlich das Buch, das Daniel Stoller-Schai und Werner Sauter veröffentlicht haben („Selbstorganisiertes Lernen mit generativer KI“). Die Kernthesen des Buches werden hier kurz aufgenommen, diskutiert und um einzelne Tipps ergänzt. Yvo Wüest bietet uns folgende Gliederung an:

„- Warum selbstorganisiertes Lernen mehr ist als ein Buzzword
– Wie der sokratische Dialog mit KI neue Lernräume öffnet
– Den »Dreiklang des Lernens«: Allein, mit KI, mit anderen
– Wie Bildungsprofis Lernprozesse begleiten, ohne sie zu steuern
– Und warum Ethik, Datenschutz und Reflexion in der KI-Nutzung unverzichtbar bleiben“

Beim Stichwort „sokratischer Dialog“, das im Gespräch mehrmals fällt, hätte sich natürlich ein Blick auf den Study Mode von ChatGPT angeboten. Aber die Aufnahme fand wahrscheinlich noch vor Veröffentlichung statt. Und, ja, das Buch von Daniel Stoller-Schai und Werner Sauter liegt auch noch auf meinem Stapel …
Yvo Wüest, Gespräch mit Daniel Stoller-Schai, Education Minds – Didaktische Reduktion und Erwachsenenbildung, 7. August 2025 (via LinkedIn)

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So gelingt der Wissenstransfer

6. August 2025 - 13:21

Gudrun Porath nimmt in diesem Artikel viele Stichworte auf. Ihr Einstieg: Durch den demografischen Wandel und das Ausscheiden der Babyboomer aus dem Arbeitsprozess geht Wissen verloren. Vor allem Erfahrungswissen. Das sollte Wissensmanagement auf die Tagesordnung setzen und zu einer strategischen Aufgabe machen. Führungskräfte spielen dabei eine wichtige Rolle. Und Technologien, allen voran die KI, können helfen.

Das funktioniert jedoch in der Praxis mehr schlecht als recht. Meist werden Unternehmen gar nicht oder zu spät aktiv. Von der Einbettung eines kontinuierlichen Erfahrungsaustauschs im Arbeitsalltag ganz zu schweigen. Im Artikel werden diese Beobachtungen durch verschiedene Konzepte und zahlreiche Beispiele gestützt. Und, bitte nicht wundern, ich werde auch zitiert.

Am Ende folgen sechs Empfehlungen für die Praxis, die ich auch mit gutem Gewissen unterschreiben kann:
„1. Priorisieren statt alles erfassen … 
2. Implizites Wissen sichtbar machen … 
3. Tools sinnvoll einsetzen …
4. Verantwortung klären …
5. Teilhabe ermöglichen …
Wissen zu teilen muss einfach sein – technisch und sozial. Eine offene Lernkultur, niederschwellige Formate und regelmäßiger Austausch schaffen Vertrauen und senken Hemmschwellen.
6. Wirkung reflektieren …“
Gudrun Porath, Haufe.de, 1. August 2025

Bildquelle: Markus Winkler (Unsplash)

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The Day MOOCs Truly Died: Coursera’s Preview Mode Kills Free Learning

5. August 2025 - 21:26

Ich glaube, in Corporate Learning ist der Begriff „MOOC“ (Massive Open Online Course) heute nur noch einer Handvoll von Expert:innen bekannt. Und wahrscheinlich sind diese Teil der Corporate Learning Community, aber das nur am Rande. Wenn Dhawal Shah, der aufmerksame Chronist der MOOC-Entwicklung, sich erst jetzt von der MOOC-Idee und dem Begriff verabschiedet, dann bezieht er sich auf den jüngsten Schritt von Coursera. Denn Coursera, so Dhawal Shah, war der Anbieter, der bis zuletzt noch einen freien Zugriff auf viele Kursinhalte erlaubte (die Zertifikate und andere Features kosten natürlich auch hier etwas). Jetzt kann man offensichtlich nur noch im Preview Modus auf das erste Modul eines jeweiligen Kurses zugreifen.

Jedenfalls nutzt Dhawal Shah diese Gelegenheit, um die MOOC-Entwicklung seit 2011 noch einmal in wenigen Absätzen zusammenzufassen. Hier ein kleiner Auszug:

„In many ways, yes. Major platforms stopped using the term “MOOC” to describe their courses years ago. The term had been fading, a decline accelerated by 2U’s acquisition of edX and subsequent bankruptcy. FutureLearn’s acquisition by Global University Systems further consolidated the market.

This left Coursera as the last major independent player — the largest platform and the one with the most generous free access policy. 

MOOCs never achieved the transformative potential promised during the early hype. The movement lost its way as monetization increasingly took precedence over accessibility. …

With Preview Mode’s implementation, that spirit finally dies. MOOCs, as originally conceived, are now truly dead.“
Dhawal Shah, The Report by Class Central, 28. Juli 2025

Bildquelle: Dhawal Shah

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