Lehren und Lernen
Kompetenzen für Arbeits- & Lernwelten mit GenKI: 11. SCIL Trend- & Community Day 2024
Am 20. September 2024 hat in St. Gallen der 11. SCIL Trend- & Community Day stattgefunden. Im Mittelpunkt der Veranstaltung, so Christoph Meier (scil), standen zwei Fragenkomplexe: „1) Welche Art von Stärkung / Befähigung brauchen unsere Zielgruppen (Schülerinnen & Schüler, Studierende, Berufslernende, Beschäftigte), um erfolgreich mit GenKI-Werkzeugen arbeiten zu können? 2) Wie können wir diese Stärkung / Befähigung umsetzen?“
In seinem Protokoll geht Christoph Meier kurz auf jeden der folgenden Tagungspunkte ein:
– Kompetenzen für Arbeits- & Lernwelten mit (Gen)KI
– Standortbestimmung zu GenKI-Skills: Optionen & Beispiele
– Förderung von GenKI-Kompetenzen bei SBB: Praxisbericht
– Aktuelle F&E-Arbeiten zu GenKI-Kompetenz am IBB-HSG
– Förderung von GenKI-Kompetenzen an der Universität Lüneburg
– Empowerment für M365 Copilot
– Förderung von GenKI-Kompetenzen mit Promptathons
Kurz: Eine interessante Mischung aus Impulsen, Forschungs- und Praxisberichten und vielfältigen Hinweisen zur Vertiefung. In seinem Fazit plädiert Christoph Meier noch einmal für einen anderen, handlungsorientierten Zugang zum Thema:
„Wenn neue Anforderungen zutage treten, ist die erste Reaktion häufig “Wir brauchen einen Kurs dafür” (Schuchmann / Seufert 2013). Die Möglichkeiten für das Befähigen von Zielgruppen für die Arbeit mit GenKI-Anwendungen wie ChatGPT & Co gehen aber weit darüber hinaus. Die Beiträge zum Tag haben gezeigt, wie ein breiteres Angebotsportfolio sowohl im Kontext der betrieblichen Bildung als auch im Kontext der Hochschulbildung umgesetzt werden kann. Und sie haben gezeigt, dass insbesondere handlungsorientierten Formaten wie etwa Peer- bzw. Circle Learning oder Promptathons grosse Bedeutung zukommt.“
Christoph Meier, scil/ Blog, 27. September 2024
Bildquelle: ein einfacher Orientierungsrahmen zu Kompetenzen für den Umgang mit GenKI (Bildquelle: IBB-HSG)
Die Learnfluencer: Lernkultur fördern
Schon auf der Zukunft Personal in Köln ist das Stichwort gefallen, als Nadine Vöhringer (Festo SE) in einer Session über „#LearningInfluencer: Boost the Learning Culture of Festo“ berichtete. Hier knüpft Cornelia Hattula mit ihrem Artikel an und verbindet, wie auch Nadine Vöhringer, das Konzept des „Learnfluencers“ mit der Lernkultur einer Organisation, auf die es einzahlt. „Learnfluencer“, schreibt sie, „sind Menschen, die ihre Lernerfahrungen mit anderen teilen, etwa wie sie an bestimmte Lernthemen herangehen oder wie sie Lernziele für sich definieren, und was sie tun, um sich ihnen zu nähern.“ Wie sie das tun, ob als Blog oder im persönlichen Gespräch, liegt bei ihnen. Idealerweise werden sie selbst aktiv („Graswurzelbewegung“), aber es gibt auch Programme, die in die Rolle und Aufgaben der Learnfluencer einführen. Und die Übergänge zum Corporate Influencing können fließend sein – siehe #Christianlernt.
Cornelia Hattula stellt in ihrem Artikel auch einen Lernsteckbrief vor, der mir sehr gut gefallen hat, „eine Art strukturierter Fragebogen, der hilft, herauszubekommen, was einer Person beim Lernen geholfen hat und was nicht“. Ich könnte mir dieses Format auch als Networking-Aktivität in einem Bereich oder Team sehr gut vorstellen.
Auch für diesen Artikel gilt: Das Lesen kostet, aber das Hören ist frei.
Cornelia Hattula, managerSeminare 319, Oktober 2024, S. 74-82
Bildquelle: managerSeminare
Corporate Peer Learning: Zusammen schlau
In der aktuellen Ausgabe von managerSeminare werben Jan Foelsing und Anja Schmitz für Formen des Peer Learning, das sie folgendermaßen definieren: „Das Konzept legt den Schwerpunkt auf gemeinschaftliches und interaktives Lernen unter Gleichgesinnten – also „Peers“ – die sich gemeinsam, hierarchiefrei mit einem Thema, einer Fragestellung, einem Problem auseinandersetzen“. Im Artikel fallen weitere Stichworte, die das Peer Learning auszeichnen: die Lernenden, die zu Teilgebenden werden; das Peer Learning als Form des selbstorganisierten Lernens; der Beitrag des Peer Learnings zu einer positiven Lernkultur. Als Fallbeispiele kommen Matthias Wiencke (Bayer), Fabienne Hieber (Bosch), Shakil Awan (Telekom) sowie Angelika Raab und Jürgen Latteyer (DATEV) mit ihren Peer Learning-Initiativen zu Wort.
Vielleicht könnte man in der nächsten Ausgabe das Thema fortsetzen, indem man kurz einzelne Formate des Peer Learnings vorstellt, zum Beispiel BarCamps, Communities of Practice, Working Out Loud, lernOS, Promptathons, Plattformen für Online-Sessions.
Ansonsten: Der Artikel liegt hinter einer Bezahlschranke, aber man kann ihn sich auch als Podcast kostenfrei abspielen lassen.
Jan Foelsing und Anja Schmitz, managerSeminare 319, Oktober 2024, S. 54-63
Bildquelle: managerSeminare
Why Open Education Will Become Generative AI Education
Ein Ziel von Open Educational Resources (OER) ist es, den Zugang zu Bildungsmaterialien zu erleichtern. (Natürlich zielt OER auch auf die freie Nutzung und Weiterverarbeitung von Materialien, aber das blende ich für den Moment einmal aus.) Und jetzt kommen generative AI-Tools, die jedem Nutzer in Sekunden Antworten auf seine bzw. ihre Fragen liefern. Diesen Punkt nimmt der Vortrag von David Wiley auf. Er beginnt mit den ursprünglichen Zielen von OER, zeigt auf, wie KI-Tools diese Ziele unterstützen und wie KI-Tools unsere Möglichkeiten bezüglich OER verändern.
„I gave this talk for the University of Regina in September, 2024. The primary argument of the talk is that generative AI is, or soon will be, a more effective tool for increasing access to educational opportunities than OER (as we have understood them for the last 25 years).“
David Wiley, YouTube, 25. September 2024
Selbstlernkompetenz und KI
Nele Hirsch (eBildungslabor) hat einen Vortrag zum Thema „Selbstgesteuertes Lernen in einer KI-geprägten Welt“ gehalten. Ihre Unterlagen stehen natürlich online. Ich habe mir die Folien wie immer mit Interesse und Gewinn angesehen und möchte hier nur die drei Thesen festhalten, die Nele Hirsch dann weiter vertieft hat:
„- Gesellschaftliche Handlungsfähigkeit erfordert in einer KI-geprägten Welt andere Kompetenzen als im Buchdruckzeitalter.
– Selbstlernkompetenz ist die wahrscheinlich wichtigste Schlüsselkompetenz in einer KI-geprägten Welt.
– Die aktuelle KI-Entwicklung ist Herausforderung und Impuls zur dringend erforderlichen Veränderung der Bildung.“
Nele Hirsch, eBildungslabor, 23. September 2024
Erneuerung der Hochschule von außen nach innen oder umgekehrt? Kritische Diskussion und Alternativen zur Future Skills-Bewegung
Dieser Link und Text soll mich (und vielleicht jeden, der ihm folgt) daran erinnern, dass es in der Diskussion um Future Skills durchaus Fragezeichen gibt. Hier werden sie von Gabi Reinmann und Marco Kalz mit Blick auf den Hochschulkontext formuliert. Der konkrete Bezugspunkt ihrer Kritik bildet die Studie „Future Skills für Hochschulen: eine kritische Bestandsaufnahme“. Hier kurz die Punkte, an denen sie sich reiben:
– der politische und ökonomische Einfluss der Future Skills-Bewegung
– die theoretische Unschärfe
– das wissenschaftliche Empirie-Argument
– das Plädoyer für Zukunftsorientierung
Die angeführten Punkte sind auch für Außenstehende gut nachvollziehbar. Die Alternative („Lerntransfer und wissenschaftsdidaktische Verankerung“) wirkt auf den ersten Blick etwas defensiv und abschottend.
Marco Kalz und Gabi Reinmann, Impact Free 57, August 2024 (pdf)
Bite-size learning can fill employees’ craving for development
Der Artikel wirbt für „bite-size learning“, weil niemand – und schon gar nicht Führungskräfte – heute in der Lage ist, mehr als ein paar Minuten am Stück fürs Lernen zu investieren. Zu „busy & distracted“:
„“We have to teach in the way people learn,” leading analyst Josh Bersin says. “People want engaging, bite-size learning that is integrated into everyday work. Twenty minutes feels too long in this day and age. Focus on content that is two to seven minutes long.”
Ich würde eher andersherum argumentieren: Es sollte Alternativen zum 2-Tages-Seminar vor Ort geben, wenn ich etwas lernen bzw. mich entwickeln will. Ob das bei „zwei bis sieben Minuten“ und voll ausgereizten Arbeitstagen enden muss, weiß ich nicht. Vor allem, weil sich diese Lernzeiten immer auf „Content“ konzentrieren und andere Aspekte des Lernens wie Austausch und Praxis schnell außen vor lassen.
Neena Newberry, Fast Company, 16. August 2024
EduBuchklub
Ich habe zwar den Aufschlag des EduBuchklubs im September verpasst, aber ich bin von der Idee sehr angetan!
„Der EduBuchklub ist ein offenes Angebot zum gemeinsamen Lesen und Lernen für pädagogisch tätige Menschen aus allen Bildungsbereichen. Gastgeberinnen sind Gabi Fahrenkrog und Nele Hirsch.“
Die Spielregeln sind einfach: „Der EduBuchclub ist offen, flexibel und partizipativ. Es gibt 5 einfache Regeln.
1. Buchvorschläge werden offen gesammelt. Jeden Monat wird ein Buch davon zum Lesen ausgewählt.
2. Wer mitlesen will, besorgt sich das Buch und liest es im eigenen Tempo.
3. Austausch zum Buch während des Lesens kann man über den Hashtag #EduBuchklub, in einer dafür eingerichteten Signal-Gruppe oder selbstorganisiert finden.
4. Zum Abschluss jeder Lektüre treffen wir uns am Ende des Monats online für eine gemeinsame Reflexion.
5. Inhaltliche Klammer ist die Gestaltung guter Bildung in gesamtgesellschaftlicher Perspektive.“
Im September ging es um „bell hooks: Die Welt verändern lernen. Bildung als Praxis der Freiheit“, im Oktober heißt die ausgewählte Lektüre: „Aladin El-Mafaalani: Mythos Bildung. Die ungerechte Gesellschaft, ihr Bildungssystem und seine Zukunft.“
EduBuchklub, August 2024
KI und Zielgruppenorientierung: neue Potenziale
Einleitend heißt es: „Um maßgeschneiderte Lernangebote zu entwickeln, müssen Erwachsenenbildner*innen ihre Zielgruppe und deren Bedürfnisse genau kennen. KI-Tools haben einiges zu bieten, wenn es darum geht Zielgruppen zu verstehen.“ Es folgen Beschreibungen einzelner Arbeitsschritte – Auswertung von (Interview-)Daten, Erstellung von Lerner-Personas, Planung von Bildungsinhalten – und die Hinweise auf entsprechende KI-Hilfen. Interessant.
Ich verlinke hier auf einen Artikel, der in einer Bildungs-Community (und nicht in einer Marketing-Community) erschienen ist. Von daher bilden die erwähnten Beispiele und Links sicher nur die Spitze des Eisbergs.
Miriam Klampferer, Redaktion/CONEDU, erwachsenenbildung.at, 20. September 2024
Bildquelle: PIRO4D (pixabay)
Another great teaching and learning tool. NotebookLM’s automated podcasts will blow your mind
Hier die Schlagzeile, mit der Donald Clark seine Review startet: „NotebookLM shows how AI can be used right now in learning. The automatic podcasts will blow your mind.“ In den folgenden Absätzen stellt er uns die wichtigsten Funktionen von Google’s NotebookLM vor: Summaries (von Texten), Chat, Taking Notes, Sharing Notebooks und natürlich Podcasts. Letztere haben wirklich eine erstaunliche Qualität!
Kurz zum Hintergrund: Auf NotebookLM, das KI-Tool von Google, kann man seit Juni 2024 in Deutschland zugreifen. Es ist derzeit kostenlos zugänglich und man benötigt nur ein Google-Konto, um es zu nutzen.
„This is a monumental achievement, as anyone can now take a motherlode of documents and get AI to extract summaries, answer questions, give a timeline, even create a podcast.“
Donald Clark, Donald Clark Plan B, 20. September 2024
CLC-Experiment: Selbstgesteuert Lernen mit KI
Ich habe keine Ahnung, wohin dieser Aufruf führt, aber die Idee klingt spannend! Im Frühjahr haben ja mehrere CLC-Projekte stattgefunden, darunter auch der Corporate Learning MOOC 2024 (#CLMOOC24). Dabei haben sich wieder viele Materialien angesammelt, vor allem Aufzeichnungen der Live-Sessions und Blog-Posts. Bisher war es immer eine Herausforderung, auf die hier versammelten Informationen schnell und gezielt zuzugreifen. Man muss sich eigentlich durch die verschiedenen Seiten klicken, kann sich etwas an den Titeln und Namen orientieren, aber dann sitzt man vor den Videos. Aber vielleicht kann man eine KI so trainieren, dass sie auf der Grundlage dieses Daten- und Medienpools individuelle Antworten gibt?
Wer ab Oktober schauen möchte, was hier möglich ist, ist eingeladen mitzumachen. Auch ohne KI-Erkenntnisse.
Karlheinz Pape, Corporate Learning Community, 20. September 2024
Ziel: Exzellenz im Lernen – Ein Einblick in den innovativen Ansatz der Deutschen Bahn AG
Nein, mit einem „innovativen Ansatz“, wie es der Titel andeutet, haben wir es bei der DB Lernwelt nicht zu tun. Es ist vielmehr eine beeindruckende Konzernanwendung, auf die über 300.000 Mitarbeitende der Deutsche Bahn zugreifen können, um mit verschiedenen digitalen Lernformaten zu arbeiten. Seit 2016 gibt es die DB Lernwelt. Die Zahl der Angebote und Schnittstellen deutet an, welche technischen und organisatorischen Aufgaben bzw. Herausforderungen mit dem Projekt verbunden waren und sind. Aber es ist eigentlich schon wieder die Welt von gestern. Vor ein paar Tagen hatte ich das Vergnügen, an einer Präsentation des nächsten Bildungsprojekts der Deutschen Bahn, dem Aufbau einer Learning Experience Plattform, in Frankfurt beiwohnen zu dürfen. Sie soll Anfang 2025 konzernweit live gehen. Und die Pressemeldung zum Startschuss des DB Campus in Erfurt ist auch noch nicht so alt (Februar 2024). Vor diesem Hintergrund ist die DB Lernwelt ein wichtiger Baustein des Lernökosystems der Deutschen Bahn – neben anderen. Aber ich habe mich gefreut, dass diese Informationen und Einblicke hier von der Deutschen Bahn und ihren Projektpartnern offen geteilt wurden!
Totara, YouTube, 18. September 2024
CLCLunch&Learn Special: Wie steht es um die Lernkultur in Organisationen und sind wir bereit für KI in L&D? (mit Dr. Katherina Peet und Johanna Voigt)
Gerade ist eine CLC Lunch&Learn-Session zu Ende gegangen. Über 80 Personen hatten sich eingewählt! Der Impuls kam dieses Mal von Katherina Peet und Johanna Voigt (beide HRpepper), die über ihre jüngste Weiterbildungsstudie berichtet haben, die sie zusammen mit der Bitkom Akademie durchgeführt haben („Weiterbildung 2024: Alles nur KI?“). Die Studie liefert eine Reihe interessanter Ergebnisse, die sich auf drei Schwerpunkte verteilen: 1) Relevanz [von Weiterbildung] und Themen, 2) Weiterbildungsformate und 3) Lernkultur. Aber orientiert Euch bitte selbst!
Nach der Präsentation konnten wir noch einige Fragen mit den Referentinnen diskutieren, zum Beispiel: Ob denn die Möglichkeit besteht, zukünftig stärker auch auf das selbstorganisierte und informelle Lernen einzugehen, um einen kompletteren Überblick über die Lernaktivitäten in Organisationen zu erhalten? Was denn in der Studie mit „digitalen Kompetenzen“ genau gefragt war? Und ob es nicht die Möglichkeit gibt, auch auf die Entwicklung bzw. Veränderungen der Antworten der Umfrageteilnehmer:innen einzugehen? Denn immerhin erscheint die Studie in diesem Jahr bereits in der fünften Auflage …
Etwas überraschend war vielleicht die Information, dass 52 Prozent der Befragten bei der Auswahl einer passenden Weiterbildung eher der Führungskraft als einer KI (20 Prozent) vertrauen würden. Die kurze Abfrage unter den Teilnehmenden der heutigen Session ging, soweit ich mich erinnere, genau in die andere Richtung.
Besonders gefreut hat mich die große Zahl der Teilnehmer:innen! Von daher hoffe ich, dass auch die nächste CLC Lunch&Learn-Session am 26. September 2024 („Erfahrung und Umgang mit unsicheren Zukünften (mit Lena Tünkers)“ auf ein ähnliches Interesse trifft.
CLCLunch&Learn Special, Corporate Learning Community, 19. September 2024
Weiterbildung für KI: Wie wir Mitarbeitende fit machen
In der aktuellen Folge des Podcasts „neues lernen“ (47 Min.) geht es darum, wie Merck seine Mitarbeitenden an das Thema KI heranführt. Stefanie Babka, Global Head of Data Culture Merck, erzählt, und ich habe mir gleich einige Stichworte notiert („Data Escape Room Game“, „Can you prompt it-Challenge“). Ein weiterer Gesprächsteilnehmer, Martin Kersting (Universität Gießen), liefert wichtige Stichworte, um zu verstehen, welche Faktoren auf die Motivation und Akzeptanz der Mitarbeitenden einzahlen.
Kristina Enderle da Silva und Julia Senner, Gespräch mit Stefanie Babka und Martin Kersting, Podcast „neues lernen“, 10. September 2024
Von KI lernen, mit KI lehren: Die Zukunft der Hochschulbildung. Projektbericht
Im Moment häufen sich gerade die Sammelwerke, Studien und Projektberichte, die sich dem Einsatz und der Nutzung von KI im Hochschulbereich widmen. Dazu gehört auch dieser umfangreiche Bericht (245 S.). Die Herausgeber, der Verein Forum Neue Medien in der Lehre (fnma), haben im Zeitraum eines Jahres allerhand umgesetzt: einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand zusammengestellt, Strategiepapiere im deutschsprachigen Raum gesichtet, quantitative Erhebungen zur KI-Nutzung sowie qualitative Interviews mit Stakeholdern durchgeführt, eine Arbeitsgruppe aufgesetzt … und schließlich die Ergebnisse ihrer Arbeiten in diesem Band dokumentiert. Auch wenn der Fokus auf den österreichischen Hochschulen liegt, lohnt sich sicher ein Blick.
Hier die Ausgangsfrage des Projekts: „Wie sieht der aktuelle Stand bei der Nutzung von KI an den österreichischen Hochschulen aus, und welche Handlungsoptionen bieten sich Lehrenden, Lernenden und Leitungspersonen in Zusammenhang mit den Chancen und Risiken an, die sich mit der Verwendung von KI auftun?“
Gerhard Brandhofer, Ortrun Gröblinger, Tanja Jadin, Michael Raunig & Julia Schindler (Hrsg.), Books on Demand, 2024 (pdf)
Wohin sich die Personalentwicklung bis 2030 entwickeln wird
Anja Schmitz und Jan Foelsing haben wieder einen Ausblick für Learning & Development geschrieben. Eine bestimmte Rhetorik („L&D Abteilungen müssen nun entscheiden …“; „Lernen wird zum zentralen Wettbewerbsfaktor“ usw.) ist dabei wohl unerlässlich, um Leser:innen wachzurütteln. Wenn das passiert ist, kommt man zur „Transformation der Personalentwicklung“, die an vier Punkten erläutert wird:
– Von Organisation zum Ecosystem
– Von Jobs zu Skills
– Von Human Intelligence zur Augmented Intelligence
– Von Bottom-Line zu Sustainability
Diese Veränderungen werden in weiteren Absätzen ausdifferenziert. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Gestaltung „Skill-zentrierter Lernökosysteme“, die von L&D-Expert:innen orchestriert werden. Ein anderer Schwerpunkt liegt natürlich auf der KI. Die Möglichkeiten, die sich mit ihr eröffnen, reichen, so die Autor:innen, von personalisierten Lernangeboten bis zu Gen-AI-gestützten Chatbots bzw. Assistenten, die die Mitarbeitenden auf ihren Lernwegen begleiten. Hier bleibt nach der Lektüre aber offen, ob L&D hier aktiv werden kann oder muss oder ob L&D einfach auf den fahrenden KI-Zug springt und die Möglichkeiten nutzt, die zukünftig da sind.
Anja Schmitz und Jan Foelsing sprechen in ihrem Artikel jedenfalls sehr deutlich und ehrlich von der „Datenorientierung“ als Erweiterung einer lernförderlichen Organisationskultur. Mit ihr steht und fällt vieles, was der Artikel beschreibt. Und hier liegen wahrscheinlich auch die größten Hindernisse für die Umsetzung des skizzierten Zielbildes.
Anja Schmitz und Jan Foelsing, Haufe.de, 27. August 2024
Bildquelle: tungnguyen0905 (pixabay)
Zukunft Personal (#zpe) in Köln
Ich war diese Woche drei Tage auf der Zukunft Personal in Köln, habe wie immer zusammen mit Gudrun Porath und Roman Rackwitz die Bühne „Learning & Development“ moderiert, dabei unzählige Vorträge gehört, wunderbare Menschen (wieder)getroffen und somit eine arbeitsreiche, aber gewinnbringende Zeit verbracht. Ich könnte jetzt einzelne Ereignisse, Vorträge und Themen aufzählen, aber da waren andere wie immer schneller. Und LinkedIn entwickelt sich in solchen Tagen ja beinahe zu einem virtuellen Spiegelbild der jeweiligen lokalen Ereignisse. Also mache ich es mir bequem und verlinke an dieser Stelle auf das wundervolle Lerntagebuch von Christian Kaiser, in dessen aktueller Ausgabe die Zukunft Personal viel Platz einnimmt und in der weitere Beiträge zur Messe verlinkt sind. Danke, Christian!
Christian Kaiser, #Christianlernt, LinkedIn, 14. September 2024
Bildquelle: Gunter Rubin (via Christian Kaiser)
Explorationsstudie: Neue Formen der tertiären Bildung
Der Report (60 S.) adressiert nichts weniger als die „Hochschulen von morgen“. Es geht um ihre Transformation und die Suche nach den richtigen Stellhebeln, um sie in Angriff zu nehmen. Einleitend werden vier Herausforderungen („Pain Points“) beschrieben, vor denen das deutsche Hochschulsystem steht: unzureichender Zugang und Integration unterrepräsentierter Studierendengruppen; mangelnde Dynamik bei der Anpassung von Lehr- und Lerninhalten an neue Kompetenzbedarfe; mangelnde Innovation bei der Gestaltung von Lernerfahrungen; unzureichende strukturelle und institutionelle Agilität.
Es gibt nun bereits Hochschulen, die Antworten auf diese Herausforderungen gefunden haben. Diese werden in sieben Fallstudien sehr systematisch und ausführlich vorgestellt. Dazu gehören: Arizona State University (ASU), Erasmus University Rotterdam (EUR), European Consortium of Innovative Universities (ECIU), 42 Heilbronn, College Unbound (CU), Minerva University, Interdisciplinary Transformation University Austria (IT:U) und Technische Universität Nürnberg (UTN).
Die Innovationen, die die Autor:innen hier gefunden haben, umfassen unter anderem neue Formen der Studieneingangsphase und Anerkennungspraxis, die Vermittlung berufsrelevanter Fähigkeiten und von Transferkompetenzen, den Einsatz von Microcredentials, Peer Learning und Learning Analytics sowie neue Professoren-Modelle und agile Netzwerk- und Organisationsstrukturen. Das wirkt dann gemessen an den aufrüttelnden Vorgaben fast schon wieder bescheiden.
Has ChatGPTo1 just stolen ‚Critical Thinking‘ from humans?
Donald Clark schreibt: „Critical thinking was a famous 21st century skill, that everyone thought AI could never solve. It just has.“ Dann setzt er an, die jüngsten Erfolge und Möglichkeiten der KI zu feiern. Seine Beispiele – das Lösen komplexer Probleme, „multi-stage tasks“, Planungen, Assessments, typische Projektmanagement-Aufgaben usw. – bleiben etwas allgemein.
Bei den Möglichkeiten, die Donald Clark sieht, möchte ich nicht widersprechen. Auch nicht, was das Tempo der KI-Entwicklung betrifft (er ist der KI-Experte!). Die Frage ist, wie die KI-Systeme zukünftig eingesetzt werden: Werden sie integrierte Bausteine unternehmensweiter Plattformen sein? Oder sind es persönliche Assistenten, die mir helfen, die mir aber nicht die Verantwortung für bestimmte Aufgaben und Ergebnisse abnehmen? Im zweiten Fall muss ich das „kritische Denken“ der KI mitgehen können.
„Reason is not everything and it almost always has a context and involves domain knowledge in the real world. That’s why the coworker approach is likely for the foreseeable future. There may also be limits to the Chain of Thought approach. We do not yet know much about costs, context window, limits on the ‚thinking‘ process. What we do know is that this is a breakthrough. There will be others.“
Donald Clark, Donald Clark Plan B, 13. September 2024
Bildquelle: Donald Clark
Nachtrag (14.09.2024): siehe auch „Things I was wrong about pt 4 – AI“ (Martin Weller, The Ed Techie, 13.09.2024)
Moodle & KI – Was kommt nach dem Hype?
Andreas Wittke (TH Lübeck) hat auf der moodlemoot DACH in Wien präsentiert. Auf LinkedIn stellt er drei Kernaussagen seines Vortrags zur Diskussion. Und weil es auf diesen Beitrag bereits viele Klicks und 45 kluge Kommentare gibt, will ich uns und mir den Beitrag nicht vorenthalten:
„1. Jedes System wie Moodle, HIS, WordPress und Co wird zukünftig eine KI haben, egal ob lokal oder in der Cloud.
2. Das direkte Prompting wird zukünftig immer unwichtiger werden, da viele Systeme vorgefertigte Prompting Datenbanken haben werden und die KI versteckt im Hintergrund laufen wird, siehe Pixel Pro, Office365, Copilot usw.
3. Der Content wird on demand generiert werden und nicht mehr „von der Stange“ kommen. Einheitliches Lehrmaterial, Fachbücher, PDFs und Co werden per Prompt individualisiert und medial umgewandelt. Die Daten des Lernenden bzw. die Kompetenzen des Lerners werden den Content bestimmen und nicht die Lehrperson.“
Bei den ersten beiden Punkte wird man schnell nicken. Der letzte Punkt setzt Fantasie frei. Aber da „Content“ ja nur ein Baustein eines Lehrszenarios abbildet (neben „Communication“ und „Construction“, also Praxis, Aufgaben, Übungen usw.), muss er Lehrende noch nicht beunruhigen.
Andreas Wittke, LinkedIn, 10. September 2024
Bildquelle: Andreas Wittke (LinkedIn)