Weiterbildungsblog
Innovating Pedagogy 2024
Der „Open University Innovation Report“ (58 S.) erscheint in der 12. Ausgabe und wurde dieses Mal von Expert:innen des Institute of Educational Technology (Open University/UK) und des LIVE Learning Innovation Incubator (Vanderbilt University/ US) zusammengestellt. Zehn pädagogische Konzepte werden beschrieben, „to explore new forms of teaching, learning, and assessment for an interactive world, to guide teachers and policy makers in productive innovation“. Ich schätze die Konzepte, weil sie in der Regel nicht bekannte Schlagworte hochhalten und somit neugierig machen zu schauen, was sich hinter dem einen oder anderen Titel verbirgt. Dieses Mal setzt der Report jedoch zwei klare Schwerpunkte, nämlich Extended Reality (XR) und Artificial Intelligence (AI).
1. Speculative worlds: Imagining and designing for a more equitable future
2. Pedagogies of peace: Fostering peacebuilding in schools and society through relationship-centered practices
3. Climate action pedagogy: Empowering teachers and learners to take meaningful actions towards climate change
4. Learning in conversation with Generative Al: A dialogic, real-time method of learning
5. Talking Al ethics with young people: Affording children and young people their rights related to Al and education
6. Al-enhanced multimodal writing: Extending multimodal authoring and developing critical reflection
7. Intelligent textbooks: Making reading engaging, ’smart‘ and comprehensive
8. Assessments through extended reality: Harnessing immersion to demonstrate and develop skills
9. Immersive language and culture: Using games to step back in time for authentic learning experiences
10. Exploring scientific models from the inside: Rich embodied experiences supported by extended reality and Al
Agnes Kukulska-Hulme u.a., The Open University, 1. August 2024
Das Potenzial des informellen Lernens am Arbeitsplatz
Wer sich für die Konzepte des informellen Lernens und den Stand der Forschung interessiert, ist hier richtig. Aber Achtung: Es gibt auf diesem Feld nur wenige und keine sicheren Antworten! Das fängt schon bei der Frage an, was arbeitsbezogenes informelles Lernen eigentlich genau ist. So grenzt Julian Decius (Universität Bremen) das informelle Lernen von formalem Lernen und selbstreguliertem Lernen ab. Das ist interessant: „Während informelles Lernen handlungsorientiert auf die Problemlösung fokussiert, steht bei selbstreguliertem Lernen ein dezidiertes Lernziel im Vordergrund.“ (S. 5)
Auch mit Blick auf die bekannte bildungspolitische Einteilung in formales, non-formales und informelles Lernen empfiehlt Julian Decius eine abweichende Lesart, da „non-formales Lernen zwar als beschreibende Kategorie seine Berechtigung hat, allerdings keine eigenständige Lernform darstellt.“ (S. 4) Was auch aus meiner Sicht Sinn macht.
Aber das ist nur der Einstieg dieses Artikels, der sich das Ziel setzt, „Struktur und Klarheit in die teilweise inkonsistente und unübersichtliche Forschung zum informellen Lernen zu bringen“ (S. 2). Dazu gehört, dass verschiedene Konzepte des informellen Lernens vorgestellt werden. Anschließend geht der Autor auf die Schwierigkeiten empirischer Forschung ein („Insgesamt betrachtet lässt sich informelles Lernen nur schwierig messen …“, S. 7). Die letzten beiden Kapitel widmen sich dann den Voraussetzungen sowie den Ergebnissen informellen Lernens und präsentieren auch hier den Stand der wissenschaftlichen Diskussion.
Mit einem Blick auf die Desiderate der Forschung und 16 „potenzielle Forschungsfragen“ schließt der interessante Artikel.
Julian Decius, Psychologische Rundschau 2024, 6. August 2024
Video: GPTs für Bildungszwecke – spezifische KI-Chatbots
In dieser siebten Lerneinheit (Video, 20:50 Min., Blogpost) zum Thema KI geht es um „Custom GPTs“, also „praktische KI-Chatbots, die für einen spezifischen Zweck entwickelt wurden. Die konkreten Anwendungsfälle sind breit gefächert: So gibt es eigene GPTs zum Lernen und solche, die beim Recherchieren, Schreiben oder der Erstellung von Förderanträgen unterstützen.“
Die CONEDU-Redaktion stellt in diesem Zusammenhang exemplarisch die GPTs „Leichte Sprache“, „Tutor Me“ (Khan Academy), „Synthea“ (IU Internationale Hochschule) sowie „Consensus“ vor. Hinzukommen flankierende Anmerkungen zur Erstellung und zum Einsatz von Custom GPTs. Nützlich!
Gunter Schüßler (Redaktion/CONEDU), erwachsenenbildung.at, 4. September 2024
Meine Bildungsplattformen? Wie „Mein Bildungsraum“ und „mein NOW“ die Weiterbildung verändern (wollen)
Sehr behutsam haben die Autor:innen Peter Brandt und Saniye Al-Baghdadi diesen Überblick formuliert. Es geht um zwei Leuchtturmprojekte der Nationalen Weiterbildungsstrategie, nämlich „Mein Bildungsraum“ (BMBF) und „mein NOW“ (Nationales Onlineportal für berufliche Weiterbildung, BMAS). Skizziert werden „Genese, Entwicklungsstand und Anwendungsfälle der beiden Projekte“, verknüpft mit einer „vorsichtigen Einschätzung zu Potenzialen“. Der erste Teil gibt einen sehr guten Überblick. Der zweite Teil, ihre „vorsichtige“ Potenzialeinschätzung, betrifft a) das Nebeneinander zweier Großprojekte in der Bildung mit sich überschneidenden Zielen, b) den aktuellen Stand von „Mein Bildungsraum“, der auch heute noch nur erahnen lässt, was es einmal leisten wird, c) die oft nur schleppende Projektkommunikation und d) die Frage, ob alle Beteiligten und Zielgruppen bei den Projekten mitmachen werden – von den Bundesländern über die Bildungsanbieter bis zu den Nutzer:innen.
„Die beiden Infrastrukturvorhaben technologisch auf den Weg zu bringen und operabel zu machen, wird nicht die größte Herausforderung sein. Diese wird vor allem darin bestehen, – und das ist die eigentliche Voraussetzung für ein Gelingen und Mitnehmen aller im Feld der Weiterbildung –, einen echten Dialog zu gestalten, alle abholen zu können in einer föderal strukturierten Bildungslandschaft. Als Initiativen der Nationalen Weiterbildungsstrategie (NWS) haben beide Infrastrukturprojekte hierzu einen geeigneten strategischen Rahmen.“
Der Beitrag findet sich in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „weiter bilden“ mit dem Schwerpunkt „Weiterbildungsrepublik?“ und stellt einige bildungspolitische Initiativen der letzten Jahre auf den Prüfstand.
Peter Brandt und Saniye Al-Baghdadi, weiter bilden. DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung, 2/ 2024, S. 19-23
Things I was Wrong About Pt3 – The democratisation of social media
Martin Weller kommt zur dritten Station seiner Irrtümer: „the democratisation of social media“. Und, ja, ich habe auch noch einige Vorträge im Regal liegen über „Social Learning“ und die „Integration von Social Media in Bildungsangebote“, über Weblogs, Wikis und Bookmarks. Was ist also schief gelaufen? Martin Weller zählt auf: „the success of social media itself“, „the aggressive use of algorithms that could be manipulated“ und „the consolidation of this power into the hands of dubious individuals with fragile egos“. Alles wahr, aber nutzen wir das Web wirklich noch so, wie wir es vor 2007 – 2010 genutzt haben?
Martin Weller, The Ed Techie, 12. August 2024
Bildquelle: Wikimedia (Public Domain)
Warum Blended Learning ein Klassiker für die Ewigkeit ist
Gudrun Porath wirbt hier für Blended Learning, ein Konzept (?) oder eine Lernform (?), in jedem Fall ein Begriff, der seit über 20 Jahren genutzt wird, um „Lernarrangements“ zu beschreiben, wie es in der Kolumne heißt. Ich bin nicht davon überzeugt, dass der Begriff heute noch sehr aussagekräftig ist. Wenn es um „durchdachte“ Lernkonzepte geht, um die Verbindung verschiedener Lernformate und Medien, dann sind das die Hausaufgaben, die von Trainer:innen oder Lehrenden erwartet werden. Muss ich ein Lernkonzept, das zum Beispiel ein Webinar und eine virtuelle Lerngruppe beinhaltet, noch als „Blended Learning“ ausweisen? Und bietet Blended Learning per se ein „fesselndes Lernerlebnis“? Natürlich nicht. Aber das können wir ja mit Gudrun Porath auf der Zukunft Personal in Köln diskutieren, wo ich zusammen mit ihr wieder die Bühne „Learning & Development“ moderieren werde.
Gudrun Porath, Haufe.de, 4. September 2024
Bildquelle: Леонид (Pexels)
Education in the Digital World
Das Weizenbaum Journal of the Digital Society (WJDS) wird vom Weizenbaum-Institut in Berlin herausgegeben, ist ein peer-reviewed Open Access-Journal und widmet sich Fragen und Themen, die mit der digitalen Transformation unserer Gesellschaft verbunden sind. Das aktuelle Heft („special issue“) besitzt den Schwerpunkt „Education in the Digital World“. Im Editorial wird dieser Schwerpunkt eingerahmt: es wird unter anderem auf die Positionspapiere der Kultusministerkonferenz (KMK) zum Thema, auf die COVID-Pandemie sowie auf die Ankunft von ChatGPT im November 2022 verwiesen.
Nach einem Blick ins Inhaltsverzeichnis habe ich mir erst einmal zwei Artikel für eine spätere Lektüre vorgemerkt: „Digital Education Ecosystems“ (Ulrike Lucke) und „An Introduction to Open Educational Resources and Their Implementation in Higher Education Worldwide“ (Javiera Atenas u.a.).
Eva Gredel, Irene-Angelica Chounta, German Neubaum und David Wiesche, The Weizenbaum Journal of the Digital Society, Vol. 4, No. 4 (2024), 9. August 2024
AI Tools
Die Autor:innen merken einleitend an: Es gibt derzeit ein großes Interesse an einem Überblick über verfügbare AI Tools. Aber es wird in Zukunft immer schwieriger, AI Tools zu identifizieren, da sie feste Bestandteile vieler Plattformen und Systeme werden. Aber diese Liste wurde von Jisc erstellt, der bekannten britischen, gemeinnützigen Organisation zur Förderung digitaler Technologien in Forschung und Lehre (Wikipedia). Das heißt, man hat sich die Mühe gemacht, für jedes Tool einen kurzen Steckbrief zu erstellen. Das sieht sehr vielversprechend aus, auch wenn die Beispiele nur aus dem englischsprachigen Raum stammen.
„There are lots of directories of AI tools and we don’t want to try and compete or replicate that. We think the value is understanding how people are using them. So we are going to focus on sharing details of AI tools and features that we hear people are using and link to any story or information about how. Defining ‘AI tools’ is getting increasingly hard, as AI is built into more and more tools, hence the mention of both ‘tools’ and ‘features’ – the latter which might be in any application.“
Jisc’s AI Team, Jisc, 28. August 2024
Bildquelle: Kajetan Sumila (Unsplash)
Harvard and MIT’s $800 Million Mistake: The Triple Failure of 2U, edX, and Axim Collaborative
Udacity, Coursera und edX markierten vor etwas über zehn Jahren (2012) den Start einer hoffnungsvollen MOOC-Ära. Davon ist heute nicht mehr viel übrig. Udacity wurde Anfang des Jahres von Accenture übernommen. Und 2U, mittlerweile Owner von edX, wirft gerade das Handtuch. Dieser Artikel von Dhawal Shah arbeitet die Geschehnisse der letzten Monate detailliert auf. Bleibt nur noch Coursera. Aber von Massive Open Online Courses (MOOCs), also von offenen Online-Kursen, spricht auch dort schon seit Jahren niemand mehr.
Dhawal Shah, The Report by Class Central, 26. August 2024
Bildquelle: Dhawal Shah/ The Report
Open Educational Resources (OER) und Künstliche Intelligenz (KI)
Die Autor:innen werfen in dieser Publikation (18 S.) einen Blick auf das Zusammenspiel bzw. Zusammentreffen von freien Bildungsmaterialien (OER) und Künstlicher Intelligenz (KI). Können sie sich gegenseitig befördern? Nun ja, die Entwicklung von KI-Systemen benötigt nun nicht unbedingt OER. Andererseits vereinfacht und verbessert der Einsatz und die Nutzung von KI-Systemen natürlich auch die Entwicklung und die Nutzung von freien Bildungsmaterialien. Von daher ist es sicher sinnvoll, wenn öffentlich-geförderte Wettbewerbe wie INVITE einen Fokus auf Projekte setzen, die sowohl den Einsatz von KI und OER als auch die freie Nutzung der Projektergebnisse im Blick haben (viele der in der Publikation genannten Beispiele stammen übrigens aus dem INVITE-Umfeld).
Hier ein Auszug aus dem abschließenden Kapitel: „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Verknüpfung von OER mit KI – kompetent umgesetzt – ein enormes Potenzial birgt, Bildungsprozesse effizienter, personalisierter und inklusiver zu gestalten. Darüber hinaus eröffnet diese Partnerschaft neue Möglichkeiten für die Erstellung, Kuratierung und Distribution von OER, was letztlich zu einer größeren Reichweite und Nutzbarkeit führt.“
Etwas später findet sich der aus meiner Sicht wichtige Hinweis, bei den Schnittstellen von KI und Bildung nicht nur auf die Technologie zu schauen: „Unter solchen Vorzeichen ist zu befürchten, dass vor allem wissens- und instruktionsorientierte Lehr-Lernkonzepte mit Hilfe von KI generiert werden und für die berufliche Bildung wichtige handlungsorientierte Konzepte vernachlässigt werden.“
Die Publikation trägt zwar noch den Untertitel „Entwicklungschancen für die berufliche Weiterbildung“, aber den kann man mit Blick auf die Verbreitung von OER in diesem Bereich wohl vernachlässigen.
Andreas Fischer, Anna Jöchner und Dominique Dauser, f-bb-online 03/24
Persönliches Information- und Wissensmanagement (#PKM, #PKE)
So, durch den Urlaub ist einiges an Links und Lektüre liegengeblieben, das ich versuche, in den nächsten Tagen zu lesen und hier festzuhalten. Dazu gehört auch dieser Aufruf von Simon Dückert, der Anfang August nach den Lieblingsbüchern zum Thema „Persönliches Wissensmanagement“ fragte. Der Hintergrund ist die geplante Lernreise „Personal Knowledge Excellence“, die Simon Dückert bzw. Cogneon im Oktober startet.
Hier meine (verspätete) Antwort: „Also mein Lieblingsbuch zum Thema „Persönliches Wissensmanagement“ (so viele gibt es da ja nicht …) ist „Wissenswege. Methoden für das persönliche Wissensmanagement“ von Gabi Reinmann und Martin J. Eppler (2008). Was mich dort angesprochen hat, ist nicht nur die Methodensammlung. Sondern die Autor:innen rahmen sie durch ein interessantes Anforderungsraster ein, das zwischen Kompetenz und Performanz sowie zwischen Effizienzielen, Strategischen Zielen, Innovationszielen und operativen Zielen unterscheidet. Für mich hat sich die Lektüre gelohnt, und auch heute noch schlage ich dort regelmäßig nach.“
Simon Dückert, LinkedIn, August 2024